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VwGH vom 03.10.2002, 98/08/0124

VwGH vom 03.10.2002, 98/08/0124

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Strohmayer und Dr. Köller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde des Dr. W in W, vertreten durch Dr. Bernhard Hainz, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Ebendorferstraße 3, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom , Zl. MA 15-II-L 11/97, betreffend Rückforderung zu Ungebühr entrichteter Beiträge gemäß § 69 ASVG (mitbeteiligte Partei: Wiener Gebietskrankenkasse, 1103 Wien, Wienerbergstraße 15-19), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen) Aufwendungen von EUR 332,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Kostenbegehren der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse wird abgewiesen.

Begründung

Zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens steht unbestritten fest, dass der Beschwerdeführer, obwohl er seit der Pflichtversicherung in der Krankenversicherung nach dem BSVG unterlag, ab dem in der Krankenversicherung nach dem ASVG selbstversichert gewesen ist und Beiträge entrichtet sowie Leistungen in Anspruch genommen hat.

Mit Schreiben vom beantragte der Beschwerdeführer bei der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse gem. § 69 ASVG die Rückerstattung der Beiträge zur Selbstversicherung als zu Ungebühr entrichtet.

Dieser Antrag wurde mit Bescheid der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse vom mit der Begründung abgewiesen, dass sie "diverse Leistungen" für den Beschwerdeführer bzw. für Angehörige im Sinne des § 123 ASVG erbracht habe, sodass eine Rückforderung von Beiträgen zur Gänze ausgeschlossen sei.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Einspruch.

Mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid wurde dem Einspruch des Beschwerdeführers keine Folge gegeben. Nach einer Darstellung des Verwaltungsgeschehens und der angewendeten Rechtsvorschriften führte die belangte Behörde aus, dass der Beschwerdeführer tatsächlich die Beiträge zur Selbstversicherung "rechtsgrundlos geleistet" habe, da die gesetzlichen Voraussetzungen für einen Selbstversicherer nach § 16 ASVG "nie vorgelegen" seien. § 79 ASVG sehe bezüglich der freiwilligen Weiterversicherung eine erleichterte Rückforderung von Beiträgen nur im Fall einer rückwirkenden Einbeziehung in die Pflichtversicherung vor, die hier nicht vorliege.

Gemäß § 69 Abs. 2 ASVG sei die Rückforderung für den gesamten Zeitraum dann ausgeschlossen, wenn - wie im vorliegenden Fall - Leistungen erbracht worden seien. Die Bestimmung des § 69 Abs. 3 ASVG sei deswegen nicht anzuwenden, da Voraussetzung dafür wäre, dass der Beschwerdeführer nachträglich Beiträge an die Sozialversicherungsanstalt der Bauern zu entrichten hätte. Da dies gerade nicht der Fall sei, sei eine Rückforderung der auf Grund der vermeintlich zulässigen Selbstversicherung entrichteten Beiträge ausgeschlossen.

Gegen diesen Bescheid richtete der Beschwerdeführer eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, deren Behandlung dieser mit Beschluss vom , B 2242/97, abgelehnt und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof abgetreten hat.

In seiner Beschwerdeergänzung macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und - ebenso wie die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse - eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 16 ASVG lautet - soweit für den Beschwerdefall von

Bedeutung - auszugsweise:

"Selbstversicherung in der Krankenversicherung

§ 16. (1) Personen, die nicht in einer gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversichert sind, können sich, solange ihr Wohnsitz im Inland gelegen ist, in der Krankenversicherung selbst versichern.

(2)..- (5).

(6) Die Selbstversicherung endet außer mit dem Wegfall der Voraussetzungen

1. mit dem Ende des Kalendermonates, in dem der Versicherte seinen Austritt erklärt hat;

2. wenn die für zwei Kalendermonate fällig gewordenen Beiträge nicht entrichtet sind, mit dem Ende des zweiten Kalendermonates für den ein Beitragsrückstand besteht; bei der Feststellung des Beitragsrückstandes sind die entrichteten Beiträge ohne Rücksicht auf eine vom Beitragszahler vorgenommene Widmung auf die zurückliegenden Kalendermonate in der Reihenfolge der Fälligkeit (§ 78) anzurechnen;

3. bei den im Abs. 2 bezeichneten Personen mit dem Ablauf des dritten Kalendermonates nach dem Ende des Studien(Schul)jahres (§ 19 des Allgemeinen Hochschul-Studiengesetzes ......"

§ 69 ASVG in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 314/1994 lautet:

"§ 69. (1) Zu Ungebühr entrichtete Beiträge können, soweit im Folgenden nichts anderes bestimmt wird, zurückgefordert werden. Das Recht auf Rückforderung verjährt nach Ablauf von fünf Jahren nach deren Zahlung. Der Lauf der Verjährung des Rückforderungsrechtes wird durch Einleitung eines Verwaltungsverfahrens zur Herbeiführung einer Entscheidung, aus der sich die Ungebührlichkeit der Beitragsentrichtung ergibt, bis zu einem Anerkenntnis durch den Versicherungsträger bzw. bis zum Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung im Verwaltungsverfahren unterbrochen.

(2) Die Rückforderung von Beiträgen, durch welche eine Formalversicherung begründet wurde, sowie von Beiträgen zu einer Versicherung, aus welcher innerhalb des Zeitraumes, für den Beiträge ungebührlich entrichtet worden sind, eine Leistung erbracht wurde, ist für den gesamten Zeitraum ausgeschlossen. Desgleichen ist die Rückforderung ausgeschlossen, wenn nach dem Zeitraum, für den Beiträge ungebührlich entrichtet worden sind, eine Leistung zuerkannt worden ist und die Beiträge auf den Bestand oder das Ausmaß des Leistungsanspruches von Einfluss waren, es sei denn, der zur Leistungserbringung zuständige Versicherungsträger hatte die Möglichkeit, im Wege einer Wiederaufnahme des Verfahrens (§ 69 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1950, BGBl. Nr. 172) neuerlich über den Leistungsanspruch zu entscheiden und konnte die zu Unrecht geleisteten Beträge mit Erfolg zur Gänze zurückfordern.

(3) Wenn statt des Versicherungsträgers, an den die Beiträge zu Ungebühr entrichtet worden sind, ein anderer Versicherungsträger zur Leistungserbringung zuständig war und dem ersteren Versicherungsträger gegenüber dem letzteren ein Ersatzanspruch für zu Unrecht erbrachte Leistungen gemäß § 320b zusteht, hat der unzuständige Versicherungsträger die ungebührlich entrichteten Beiträge ohne Rücksicht auf die Verjährungsfrist (Abs. 1) für den gesamten Zeitraum, für den an den zuständigen Versicherungsträger nachträglich Beiträge zu entrichten sind, an den zuständigen Versicherungsträger zu überweisen. Der überwiesene Betrag ist auf die dem zuständigen Versicherungsträger geschuldeten Beiträge anzurechnen. Der zuständige Versicherungsträger hat einen hiedurch allenfalls entstehenden Überschuss an Beiträgen dem Beitragsschuldner gutzuschreiben bzw., falls dies nicht möglich ist, zu erstatten.

(4) Abs. 2 gilt nicht für Beiträge, die zwar nicht zur Gänze ungebührlich, jedoch von einer zu hohen Beitragsgrundlage oder unter Anwendung eines zu hohen Beitragssatzes entrichtet worden sind, sofern innerhalb des in Betracht kommenden Zeitraumes nur solche Leistungen erbracht wurden, die auch dann, wenn die Beiträge in richtiger Höhe entrichtet worden wären, im gleichen Ausmaß gebührt hätten.

(5) Wird die Rückforderung ungebührlich entrichteter Beiträge geltend gemacht, so hat der zur Entscheidung zuständige Versicherungsträger vorerst bei den Versicherungsträgern, denen nach § 411 Parteistellung im Verfahren vor den Verwaltungsbehörden zukommt, sowie bei der zuständigen Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice anzufragen, ob gemäß Abs. 2 im Hinblick auf erbrachte oder zu erbringende Leistungen aus der Unfall-, Pensions- oder Arbeitslosenversicherung ein Einwand gegen die Rückerstattung der ungebührlich entrichteten Unfall- Pensions- oder Arbeitslosenversicherungsbeiträge besteht.

(6) Die Rückforderung ungebührlich entrichteter Beiträge steht dem Versicherten zu, soweit er die Beiträge selbst getragen hat, im Übrigen dem Dienstgeber."

Die belangte Behörde vertritt die Auffassung, der Beschwerdeführer habe die Beiträge zur Selbstversicherung gem. § 16 ASVG ab Beginn dieser Versicherung am im Hinblick auf seine seit bestandene Pflichtversicherung in der Krankenversicherunng nach dem BSVG zwar rechtsgrundlos geleistet, jedoch habe er in diesem Zeitraum (ausschließlich) Leistungen aus der Krankenversicherung nach dem ASVG bezogen. Ein Fall des § 69 Abs. 3 ASVG liege nicht vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hatte sich mit einem vergleichbaren Fall eines (vorerst nicht beachteten) Zusammentreffens von Selbstversicherung und Pflichtversicherung in der Krankenversicherung im Erkenntnis vom , Zl. 96/08/0098, zu beschäftigen. Er hat darin zur Frage der Rückforderung von Beiträgen zur Selbstversicherung nach Darstellung der Entwicklungsgeschichte des § 69 ASVG, insbesondere der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes und der auf diese Rechtsprechung reagierenden legistischen Maßnahmen die Auffassung der damals belangten Behörde gebilligt, dass im Falle einer Leistungserbringung die Rückforderung der Beiträge für den gesamten Zeitraum der Versicherung ausgeschlossen ist. Auf die nähere Begründung dieses Erkenntnisses wird gem. § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen.

Zur Frage der Anwendung des § 69 Abs. 3 ASVG ist - wie auch schon im genannten Vorerkenntnis - darauf hinzuweisen, dass sich aus dieser das Verhältnis zwischen dem zuständigen und dem unzuständigen Träger regelnden Bestimmung nichts gewinnen lässt, weil danach nur dann zu Unrecht bezahlte Beiträge an den zuständigen Versicherungsträger zu überweisen wären, wenn an diesen nachträglich Beiträge zu entrichten gewesen wären, was hier aber nicht der Fall ist. Derartige Erstattungsansprüche wären im Übrigen nicht beim unzuständigen (hier: der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse), sondern beim zuständigen Versicherungsträger (hier: der Sozialversicherungsanstalt der Bauern) geltend zu machen (vgl. das Erkenntnis vom , Zl. 97/08/0641, und das schon erwähnte Erkenntnis vom , Zl. 96/08/0098).

Die Beschwerdeausführungen, die - soweit sie den letztgenannten Gesichtspunkt übersehen - auf einer unzutreffenden Prämisse über die Zuständigkeit der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse zur Erstattung nach § 69 Abs 3 ASVG beruhen, bieten auch im Übrigen keinen Anlass, von der zitierten Rechtsprechung abzugehen.

Darüberhinaus ist auf Folgendes hinzuweisen: Wenn ein Versicherter auf Grund seines Antrages entgegen § 16 Abs. 1 ASVG (insbesondere also bei Fehlen der Voraussetzung, nicht in der Krankenversicherung pflichtversichert zu sein) zur Selbstversicherung in der Krankenversicherung zugelassen wird, so kann bei der auf Grund eines solchen Bescheides erfolgenden Beitragsentrichtung von einer Beitragsentrichtung zu Ungebühr nicht gesprochen werden: Die Rechtskraft einer solchen zeitraumbezogenen Entscheidung mit einem nicht datumsmäßig befristeten (dh in die Zukunft offenen) Abspruch entfaltet ihre Wirkung nämlich über den Zeitpunkt ihrer Erlassung hinaus auch für die Zukunft bis zu einer Änderung der Sach- und Rechtslage (ständige Rechtsprechung vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 90/08/0053 mit Hinweisen auf die Vorjudikatur uva). Eine solche Änderung der Sach- oder Rechtslage ist aber nach der Bewilligung der Selbstversicherung nach § 16 ASVG dann nicht eingetreten, wenn das Fehlen einer schon im Zeitpunkt der Zulassung fehlenden Voraussetzung für die Berechtigung zur Selbstversicherung nachträglich bemerkt wird. Das Fehlen einer gesetzlichen Voraussetzung für die Selbstversicherung wird durch die Rechtskraft der Zulassung gleichsam saniert. Es kann eine solche Selbstversicherung - wie auch sonst - zwar jederzeit wieder beendet werden, der solcherart Versicherte kann sich aber - unbeschadet des allfälligen Vorliegens der Voraussetzungen einer Wiederaufnahme des Verfahrens gem. § 69 Abs. 1 AVG - ebenso wenig im Nachhinein darauf berufen, dass die bisherigen Beiträge zu Ungebühr entrichtet worden wären, wie dies dem Versicherungsträger bei der Inanspruchnahme durch den Versicherten nach Eintritt eines Leistungsfalles zustünde.

Diese Frage muss im Beschwerdefall jedoch offen bleiben, da sich der für ihre Beantwortung maßgebende Sachverhalt (insbesondere der Zeitpunkt der Bescheiderlassung, sowie dieser Bescheid selbst) aus den vorgelegten Verwaltungsakten nicht entnehmen lässt. Der angefochtene Bescheid erweist sich aber auch unter der Annahme, eine Beitragsentrichtung zu Ungebühr läge vor, schon aus den vorgenannten Gründen als frei von Rechtsirrtum.

Die Beschwerde war daher gem. § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001. Das Kostenbegehren der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse war abzuweisen, da deren Gegenschrift nicht durch einen Rechtsanwalt erstattet wurde.

Wien, am