VwGH vom 26.04.2000, 98/08/0120
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Nowakowski und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde des J in I, vertreten durch Dr. Jörg Hobmeier, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Maximilianstraße 9/II, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Tirol vom , Zl. LGSTi/V/1216/4724 -702/1998, betreffend Höhe der Notstandshilfe, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der am geborene Beschwerdeführer ist seit , nachdem er zuvor vom bis in Beschäftigung stand, arbeitslos. Nach dem Bezug von Arbeitslosengeld wurde ihm antragsgemäß Notstandshilfe für die Dauer von 364 Tagen gewährt. Das Einkommen der vom Beschwerdeführer bekannt gegebenen Lebensgefährtin wurde auf den Notstandshilfeanspruch angerechnet.
Ab wurde dem Beschwerdeführer neuerlich Notstandshilfe für die Dauer von 364 Tagen antragsgemäß gewährt. Das Einkommen der Lebensgefährtin wurde berücksichtigt. Die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice gab zu diesem Antrag in einer "Stellungnahme zu § 6 Abs. 3 NHVO" an, dass auch unter weitestmöglichem Einsatz von Förderungsmaßnahmen im Sinne des § 19 Abs. 1 AMSG keine geeignete, zumutbare Beschäftigung habe vermittelt werden können. Weiters habe der Beschwerdeführer auf Grund seines Alters in keine geeignete Schulungsmaßnahme einbezogen werden können, die einen arbeitsmarktpolitischen Effekt im Sinne einer höheren Verwendungsfähigkeit herbeiführen würde.
In diesem Bezugszeitraum wurde mit Bescheid der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice vom ausgesprochen, dass der Beschwerdeführer gemäß § 38 i.V.m. § 10 AlVG den Anspruch auf Notstandshilfe für die Zeit vom 19. August bis verloren habe. Nachsicht werde nicht erteilt. Begründet wurde dieser Bescheid damit, dass sich der Beschwerdeführer geweigert habe, an einer vom AMS vermittelten Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt teilzunehmen. Die vom Beschwerdeführer gegen diesen Bescheid erhobene Berufung wurde mit Bescheid der belangten Behörde vom abgewiesen.
Ab wurde dem Beschwerdeführer neuerlich antragsgemäß Notstandshilfe für die Dauer von 364 Tagen unter Berücksichtigung der doppelten Freigrenzenerhöhung bei der Berechnung der Anrechnung aus dem Einkommen der Lebensgefährtin zuerkannt. In diesem Bezugszeitraum sprach die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice mit Bescheid vom aus, dass der Beschwerdeführer den Anspruch auf Notstandshilfe gemäß § 38 i.V.m. § 10 AlVG in der Zeit vom 1. Oktober bis verloren habe. Nachsicht werde nicht erteilt. Dieser Ausspruch wurde damit begründet, dass der Beschwerdeführer eine Beschäftigung als Außendienstmitarbeiter bei einem namentlich genannten Dienstgeber nicht angenommen habe. Dieser Bescheid erwuchs nach der Aktenlage unbekämpft in Rechtskraft.
Am beantragte der Beschwerdeführer neuerlich die Gewährung von Notstandshilfe. Die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice gab zu diesem Antrag eine "Stellungnahme zu § 6 Abs. 3 NHVO" vom mit folgendem Inhalt ab:
"Unter weitestmöglichem Einsatz von Förderungsmaßnahmen im Sinne des § 19 Abs. 1 AMSG könnte eine geeignete, zumutbare Beschäftigung vermittelt werden.
Weiters hat der Antragsteller bereits eine seinem Alter und seiner Situation entsprechende Schulungsmaßnahme, die einen arbeitsmarktpolitischen Effekt im Sinne einer Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt herbeiführen könnte, von sich aus abgelehnt."
Mit Bescheid der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice vom wurde dieser Antrag des Beschwerdeführers mangels Notlage abgewiesen. In der Begründung ist dazu zu lesen, das anrechenbare Einkommen der Lebensgefährtin des Beschwerdeführers übersteige die ihm gebührende Notstandshilfe.
Der Beschwerdeführer erhob Berufung. Darin machte er geltend, bei der Berechnung der Notstandshilfe sei nicht berücksichtigt worden, dass er bereits das 55. Lebensjahr vollendet habe und daher "Freibetragserhöhung gemäß § 36 Abs. 3 lit. b zur Anwendung gelangen müsste". Seine Lebensgefährtin habe in den letzten drei Monaten vor der Antragstellung ca. S 18.000,-- netto verdient. Ziehe man von diesem Betrag die dreifache Freigrenze ab, so bleibe ein anrechenbares Einkommen von ca. S 900,-- übrig. Es müsste ihm daher zumindest eine gekürzte Notstandshilfe zustehen.
Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge. Nach der Begründung dieses Bescheides sei von folgendem Sachverhalt auszugehen:
Der Beschwerdeführer habe zuletzt seit Notstandshilfe mit erhöhter Freigrenze bezogen, weil er zum Zeitpunkt der Meldung der Arbeitslosigkeit 52 Jahre alt gewesen sei und der Regionalbeirat bescheinigt habe, dass dem Beschwerdeführer auch trotz Einsatz von Förderungsmaßnahmen keine geeignete zumutbare Beschäftigung mehr vermittelt werden könne.
Der Beschwerdeführer lebe seit Jahren mit einer namentlich genannten Frau in Lebensgemeinschaft. Nach der Lohnbescheinigung habe die Lebensgefährtin des Beschwerdeführers in Oktober 1997 ein Nettoeinkommen von S 18.274,-- und im November und Dezember von jeweils S 18.537,-- bezogen. Die Lebensgefährtin des Beschwerdeführers habe auf Grund einer Wohnungsübernahme infolge einer Scheidung monatliche Rückzahlungsverpflichtungen in Höhe von S 10.000,--.
Nach der Aktenlage sei über den Beschwerdeführer im August 1996 eine Sperre gemäß § 10 Abs. 1 AlVG verhängt worden, weil er sich geweigert habe, eine vorgesehene Wiedereinstiegsmaßnahme zu besuchen. Im Oktober 1997 sei eine neuerliche Sperre gemäß § 10 Abs. 1 AlVG verfügt worden, weil sich der Beschwerdeführer geweigert habe, eine Stelle als Außendienstmitarbeiter bei einem namentlich genannten Dienstgeber anzunehmen. Weiters sei dem Akt zu entnehmen, dass dem Beschwerdeführer seit Jänner 1998 mehrere Stellen als Außendienstmitarbeiter vermittelt worden seien.
Am habe die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice zum Antrag des Beschwerdeführers auf Freigrenzenerhöhung auf 200 bzw. 300 % gemäß § 6 Abs. 3 NHVO nach Anhörung des Regionalbeirates Stellung genommen. Demnach könne die regionale Geschäftsstelle unter weitestmöglichem Einsatz von Förderungsmaßnahmen im Sinne des § 19 Abs. 1 AMSG dem Beschwerdeführer eine geeignete, zumutbare Beschäftigung vermitteln. Außerdem habe der Beschwerdeführer bereits eine seinem Alter und seiner Situation entsprechende Schulungsmaßnahme, die einen arbeitsmarktpolitischen Effekt im Sinne einer Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt herbeiführen hätte können, von sich aus abgelehnt.
Im Rahmen der rechtlichen Beurteilung führte die belangte Behörde nach Darstellung der anzuwendenden Gesetzesstellen aus, bei Berechnung der Anrechnung aus dem Einkommen der Lebensgefährtin des Beschwerdeführers habe auf Grund der Stellungnahme der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice vom nur eine einfache Freigrenzenerhöhung berücksichtigt werden können. Vom durchschnittlichen Einkommen der Lebensgefährtin des Beschwerdeführers von S 18.449,33 könne daher nur die persönliche Freigrenze für die Lebensgefährtin in Höhe von S 5.696,-- und das Werbungskostenpauschale in Höhe von S 483,-- in Abzug gebracht werden, sodass für eine Anrechnung S 12.270,33 verblieben. Da die Lebensgefährtin des Beschwerdeführers auf Grund einer Wohnungsübernahme monatliche Rückzahlungsverpflichtungen in Höhe von S 10.000,-- habe, sei auch diese Kreditrückzahlung bei der Berechnung der Anrechnung zu berücksichtigen. Nach den in der Wiener Zeitung vom kundgemachten Richtlinien des Arbeitsmarktservice Österreich zur Freigrenzenerhöhung könnten ausgehend von einer monatlichen Rückzahlungsverpflichtung von S 10.000,-- maximal S 5.000,-- bei einer Freigrenzenerhöhung berücksichtigt werden. Da die Maximalhöhe der Freigrenze auf Grund von Rückzahlungsverpflichtungen die persönliche Freigrenze gemäß § 6 Abs. 2 bis 4 NHVO um maximal 50 % übersteigen dürfe, könne im vorliegenden Fall nur eine weitere Freigrenze für die Kredite in Höhe von S 2.848,-- (= die Hälfte der persönlichen Freigrenze der Lebensgefährtin des Beschwerdeführers) gewährt werden. Wenn vom oben dargestellten monatlichen Nettoeinkommen der Lebensgefährtin des Beschwerdeführers auch dieser Betrag abgezogen werde, verbleibe für die Anrechnung aus dem Einkommen der Lebensgefährtin ein monatlicher Betrag von S 9.422,33 bzw. von täglich S 309,78. Dem Beschwerdeführer stehe aber nur ein fiktiver Notstandshilfeanspruch nach der Lohnklasse 60 in Höhe von S 244,90 täglich zu. Da somit der monatliche Anrechnungsbetrag aus dem Einkommen der Lebensgefährtin den fiktiven Anspruch des Beschwerdeführers bei weitem übersteige, sei die notwendige Anspruchsvoraussetzung der Notlage nicht gegeben.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Zur Erleichterung des Notstandshilfebezuges für ältere Arbeitslose wurde mit der Beschäftigungssicherungsnovelle 1993, BGBl. Nr. 502/1993 (vgl. Art. IV Z. 8 dieses Bundesgesetzes), in § 36 Abs. 3 lit. B sublit b AlVG eine für diesen Personenkreis festgelegte ex lege Freigrenzenerhöhung eingeführt.
Diese Bestimmung lautete:
"8. Im § 36 Abs. 3 lit. B erhält die bisherige sublit. b die Bezeichnung 'c' und folgende neue sublit. b wird eingefügt:
"b) Der Freibetrag nach sublit. a ist um 100 vH zu erhöhen, wenn der Arbeitslose nach dem 50. Lebensjahr einen Anspruch auf Arbeitslosengeld für die Dauer von 52 Wochen (§ 18 Abs. 2 lit. b) oder länger erschöpft hat. Der Freibetrag nach sublit. a ist um 200 vH zu erhöhen, wenn der Arbeitslose bei Eintritt der Arbeitslosigkeit nach dem 55. Lebensjahr einen Anspruch auf Arbeitslosengeld für die Dauer von 52 Wochen (§ 18 Abs. 2 lit. b) oder länger erschöpft und auf die Anwartschaft anrechenbare Zeiten (§ 14 Abs. 4) von mindestens 240 Monaten oder von 1 040 Wochen nachgewiesen hat. In beiden Fällen ist eine Freibetragserhöhung nur zulässig, wenn die Arbeitsmarktverwaltung dem Arbeitslosen auch unter weitestmöglichem Einsatz von Förderungsmaßnahmen im Sinne des § 19 Abs. 1 des Arbeitsmarktförderungsgesetzes keine zumutbare Beschäftigung vermitteln konnte und der Vermittlungsausschuss vor der Zuerkennung und jeweiligen Verlängerung der Notstandshilfe zur Erhöhung des Freibetrages angehört wurde.''
Die vorerst mit (§ 80 Abs. 2 AlVG i.d.F. der genannten Beschäftigungssicherungsnovelle) befristete Bestimmung wurde zunächst durch Art. 6 Z. 12 des AMS-Begleitgesetzes, BGBl. Nr. 314/1994, dahin geändert, dass der Ausdruck "die Arbeitsmarktverwaltung" durch den Ausdruck "das Arbeitsmarktservice" und der Ausdruck "Förderungsmaßnahmen im Sinne des § 19 Abs. 1 des Arbeitsmarktförderungsgesetzes" durch den Ausdruck "Beihilfen des Arbeitsmarktservice" ersetzt wurde. Ferner wurde mit dem Strukturanpassungsgesetz 1995, BGBl. Nr. 297/1995 (Art. XXII Z. 39), die Dauer dieser Maßnahme bis erstreckt und die Regelung schließlich mit dem Arbeitsmarktpolitikgesetz 1996, BGBl. Nr. 153/1996, durch Aufhebung des § 80 Abs. 2 AlVG in Dauerrecht umgewandelt.
Die Gesetzesmaterialien zur Beschäftigungssicherungsnovelle 1993 (RV 1194 Blg.sten. Prot NR XVIII. GP, 10ff) führen dazu nach Hinweisen auf eine dramatische Zunahme der Arbeitslosigkeit bei älteren Arbeitnehmern aus, dass "ein umfassendes Maßnahmenpaket für Ältere zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und zur Stabilisierung der Beschäftigung ... aus volkswirtschaftlichen und sozialpolitischen Gründen, aber auch wegen der ausgewogenen Verteilung der Finanzierung des Sozialsystems unverzichtbar" sei. In der Folge werden verschiedene Maßnahmen zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und sodann "Maßnahmen zur Existenzsicherung" aufgezählt, wobei als erste folgende Maßnahme beschrieben wird:
"Im Fall von längerdauernder Arbeitslosigkeit und dem Scheitern von Reintegrationsmaßnahmen in den Arbeitsmarkt soll die Existenzsicherung der älteren Personen nach dem Arbeitslosengeldbezug durch die Erhöhung des Freibetrages bei der Anrechnung des Partnereinkommens auf die Notstandshilfe nach Eintritt der Arbeitslosigkeit ab dem 50. Lebensjahr um 100% bzw um 200% ab dem 55. Lebensjahr erfolgen."
Im besonderen Teil der Erläuterungen (a.a.O., 13) wird zur Änderung des § 22 Abs. 1 AlVG (Wegfall des Anspruchs auf Geldleistungen aus der Arbeitslosenversicherung schon bei Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen für eine Pension aus einem der Versicherungsfälle des Alters und nicht erst bei Bezug einer solchen Leistung) und zu § 36 Abs. 3 lit. B sublit. b AlVG gemeinsam Folgendes ausgeführt:
"Im § 22 Abs. 1 wird die Überleitung der älteren Notstandshilfebezieher in die Alterspension bei Erreichung der Altersgrenze sichergestellt.
Im Hinblick auf die für ältere Personen besonders nachteiligen Auswirkungen der Einkommensanrechnung von Ehepartnern oder Lebensgefährten auf die Notstandshilfe soll der Freibetrag für diesen Bezieherkreis erhöht werden. Voraussetzung dafür ist, dass das Arbeitsamt nach Anhörung des Vermittlungsausschusses bei der Zuerkennung und Verlängerung der Notstandshilfe jeweils zur Überzeugung gelangt ist, dass trotz forcierter Vermittlungsbemühungen und Vermittlungsunterstützung durch spezifische Qualifizierungsmaßnahmen, Einstellungs- und Einschulungsförderung bei gemeinnützigen Einrichtungen und Gebietskörperschaften, Errichtung von Beschäftigungsgesellschaften, sonstiger individuell ausgerichteter Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen und Arbeitsstiftungen die Arbeitslosigkeit nicht beendet werden konnte.
Die Erhöhung der Freigrenzen ist dadurch gerechtfertigt, dass die Vermittlungsschwierigkeiten bei Eintritt der Arbeitslosigkeit nach dem 50. Lebensjahr signifikant zunehmen und dass durch die erforderliche vorangegangene Mindestbeschäftigungszeit von 240 Monaten bzw. 1040 Wochen entsprechende Beitragszeiten vorliegen. Durch diese Erhöhung wird auch vermieden, dass für den noch in Beschäftigung stehenden Partner ein Anreiz besteht, die Arbeitstätigkeit zu beenden, um der Einkommensanrechnung zu entgehen."
Die Notstandshilfeverordnung, BGBl. Nr. 352/1973, wurde entsprechend den genannten Änderungen der gesetzlichen Rahmenbestimmung des § 36 AlVG für die Richtlinien über das Ausmaß der Notstandshilfe mit der Novelle BGBl. Nr. 329/1995 angepasst. Die im Beschwerdefall anzuwendenden Bestimmungen des § 6 Abs. 1 bis 5 der Notstandshilfeverordnung in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 329/1995 (die Ergänzung im Abs. 4 mit BGBl. Nr. 240/1996 ist für den vorliegenden Fall nicht von Bedeutung) lauten wie folgt:
"§ 6. (1) Bei Heranziehung des Einkommens des Ehepartners (Lebensgefährten bzw. der Lebensgefährtin) des (der) Arbeitslosen für die Beurteilung der Notlage ist wie folgt vorzugehen: Von dem Einkommen ist ein Betrag freizulassen, der zur Bestreitung des notwendigen Lebensunterhaltes des Ehepartners (Lebensgefährten bzw. der Lebensgefährtin) und der allenfalls von ihm zu versorgenden Familienmitglieder bestimmt ist (Freigrenze). Der die Freigrenze übersteigende Teil des Einkommens ist auf die Notstandshilfe anzurechnen.
(2) Die Freigrenze beträgt pro Monat S 5.495,-- für den das Einkommen beziehenden Ehepartner (Lebensgefährten bzw. die Lebensgefährtin) und S 2.768,-- für jede Person, für deren Unterhalt der Ehepartner (Lebensgefährte bzw. die Lebensgefährtin) auf Grund einer rechtlichen oder sittlichen Pflicht tatsächlich wesentlich beiträgt.
(3) Die Freigrenze beträgt pro Monat S 10.990,-- für den das Einkommen beziehenden Ehepartner (Lebensgefährten bzw. die Lebensgefährtin) und S 5.536,-- für jede Person, für deren Unterhalt der Ehepartner (Lebensgefährte oder die Lebensgefährtin) auf Grund einer rechtlichen oder sittlichen Pflicht tatsächlich wesentlich beiträgt, wenn der Arbeitslose nach dem 50. Lebensjahr einen Anspruch auf Arbeitslosengeld für die Dauer von 52 Wochen (§ 18 Abs. 2 lit. b AlVG) oder länger erschöpft hat.
(4) Die Freigrenze beträgt pro Monat S 16.485,-- für den das Einkommen beziehenden Ehepartner (Lebensgefährten bzw. die Lebensgefährtin) und S 8.304,-- für jede Person, für deren Unterhalt der Ehepartner (Lebensgefährte oder die Lebensgefährtin) auf Grund einer rechtlichen oder sittlichen Pflicht tatsächlich wesentlich beiträgt, wenn der Arbeitslose bei Eintritt der Arbeitslosigkeit nach dem 55. Lebensjahr einen Anspruch auf Arbeitslosengeld für die Dauer von 52 Wochen oder länger erschöpft und auf die Anwartschaft anrechenbare Zeiten (§ 14 Abs. 4 AlVG) von mindestens 240 Monaten oder von 1.040 Wochen nachgewiesen hat ...
(5) Die im Abs. 3 und 4 genannten höheren Freigrenzen sind jeweils nur anzuwenden, wenn das Arbeitsmarktservice dem Arbeitslosen auch unter weitestmöglichem Einsatz von Förderungsmaßnahmen im Sinne des § 34 des Arbeitsmarktservicegesetzes, BGBl. Nr. 313/1994, keine zumutbare Beschäftigung vermitteln konnte. Zur Erhöhung der Freigrenze ist der Regionalbeirat vor der Zuerkennung und jeweiligen Verlängerung der Notstandshilfe anzuhören."
Im Beschwerdefall ist nicht strittig, dass der Beschwerdeführer die Voraussetzungen gemäß Abs. 3 des § 6 Notstandshilfeverordnung für die Zuerkennung der diesbezüglich höheren Freigrenze erfüllt. Ebenso ist die Berechnung des anrechenbaren Einkommens der Lebensgefährtin des Beschwerdeführers unter Berücksichtigung der Freigrenzenerhöhungsrichtlinie des AMS Österreich unstrittig. Streit herrscht lediglich, ob die im § 6 Abs. 5 Notstandshilfeverordnung vorgesehene Voraussetzung für den Ausschluss der im Abs. 3 genannten höheren Freigrenze vorliegt.
Die belangte Behörde geht auf Grund der Stellungnahme der regionalen Geschäftsstelle nach Anhörung des Regionalbeirates davon aus, dass dem Beschwerdeführer sehr wohl eine geeignete und zumutbare Beschäftigung hätte vermittelt werden können. Diese Annahme stützt sich darauf, dass über den Beschwerdeführer im August 1996 und im Oktober 1997 jeweils eine Sperre gemäß § 10 AlVG verhängt worden sei und dem Beschwerdeführer im Jänner 1998 Stellenangebote hätten vermittelt werden können.
Der Beschwerdeführer bekämpft diese Annahme sowohl unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes als auch einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Soweit der Beschwerdeführer unter Bezugnahme auf den zuletzt genannten Gesichtspunkt die Verletzung des Parteiengehörs rügt, weil ihn die belangte Behörde über die Berücksichtigung der Sperrfrist vom August 1996 und Oktober 1997 in Unkenntnis gelassen habe, übersieht er, dass es sich nach dem oben dargestellten Sachverhalt um rechtskräftige, daher sowohl die Behörde als auch den Beschwerdeführer, der Partei in dem diesem Bescheid zu Grunde liegenden Verfahren war, bindende Bescheide handelt. Die Bindung besteht darin, dass über den Beschwerdeführer mit den genannten Bescheiden jeweils eine Sperrfrist im Sinne des § 10 Abs. 1 AlVG wegen Arbeitsunwilligkeit im Falle konkreter Vermittlungsversuche verhängt worden ist. Die Behörde hatte insoweit keine Verpflichtung, zu diesen Bescheiden dem Beschwerdeführer neuerlich Parteiengehör zu gewähren. Ob die Behörde aus diesen Bescheiden im vorliegenden Beschwerdefall zutreffende Schlüsse gezogen hat, ist eine vor dem Verwaltungsgerichtshof ohnehin relevierbare Rechtsfrage.
Nach der oben dargestellten unbedenklichen Aktenlage ist somit davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer den Anspruch auf Notstandshilfe im Zeitraum vom bis verloren hat, weil er sich weigerte, an einer Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt teilzunehmen, und der Anspruch auf Notstandshilfe auch vom 1. Oktober bis aberkannt wurde, weil der Beschwerdeführer eine Beschäftigung nicht angenommen hat.
Die Beschwerde ist im Ergebnis jedoch berechtigt, weil es im Zusammenhang mit der Erhöhung der Freigrenzen im Sinne des § 36 Abs. 3 lit. B sublit b AlVG auf das Verhalten des Arbeitslosen nicht in dem Sinne ankommt, in dem dies die belangte Behörde annimmt:
Die Formulierung, wonach es darauf ankommt, dass das Arbeitsmarktservice "auch unter weitestmöglichem Einsatz von Förderungsmaßnahmen" keine zumutbare Beschäftigung vermitteln kann, einschließlich der angeordneten Anhörung des Regionalbeirates (vorm: des Vermittlungsausschusses), wurde bereits mit der AlVG-Novelle 1989, BGBl. Nr. 364 (vgl. Art. I Z. 5) in § 14 Abs. 1 Z. 2 AlVG eingeführt und war dort die Voraussetzung dafür, dass Arbeitslose vor Vollendung des 25. Lebensjahres, die infolge ihrer kurzen Erwerbstätigkeit die normale Anwartschaft nicht erfüllen konnten (RV 986 Blg.stenProt NR XVII.GP, 12), eine verkürzte Anwartschaft von 20 Wochen arbeitslosenversicherungspflichtiger Tätigkeit in Anspruch nehmen konnten. Diese Anwartschaft sollte nach den Erläuterungen (RV 986 Blg.stenProt NR XVII.GP, 12) genügen, "sofern dem Jugendlichen von der Arbeitsmarktverwaltung keine arbeitsmarktpolitisch sinnvolle Maßnahme zur Aus- oder Weiterbildung angeboten werden kann".
Daraus wird deutlich, dass die genannte Bestimmung nicht in erster Linie auf ein Verhalten des Arbeitslosen abstellen will, sondern auf die vom AMS zu beurteilenden Bedingungen des Arbeitsmarktes einerseits und die (bereits bekannten oder nach den Umständen zu erwartenden) Erfolgschancen arbeitsmarktpolitischer Maßnahmen andererseits. Sind diese gering, dann soll ein Jugendlicher, der "eigentlich" die Anwartschaft auf das Arbeitslosengeld nicht erfüllt, dennoch Geldleistungen aus der Arbeitslosenversicherung erhalten können.
Die Zielrichtung der nahezu wortgleichen Regelung in § 36 Abs. 3 lit. B sublit b AlVG ist zwar insoweit eine andere, als sie offensichtlich älteren, nicht oder nur schwer vermittelbaren Arbeitslosen durch die Erhöhung der Freigrenzen eine Art erleichterten "Vorruhestand" ermöglichen soll, der Inhalt der Bestimmung ist jedoch kein anderer: die Frage, ob die Voraussetzungen für die Freigrenzenerhöhung bei einem älteren Arbeitslosen vorliegen, soll vom Arbeitsmarktservice (wohl auch unter Berücksichtigung der Kenntnisse und Fähigkeiten des älteren Arbeitslosen) anhand der konkreten Nachfragesituation nach derartigen Tätigkeiten auf dem Arbeitsmarkt einerseits und der Erfolgschance der ihr zu Gebote stehenden Maßnahmen andererseits (unter Anhörung des Regionalbeirates) beurteilt werden. Das individuelle Verhalten des Arbeitslosen in der Vergangenheit steht dabei nicht zur Debatte, wie auch der Umstand beweist, dass der Regionalbeirat gemäß § 76 Abs. 1 AlVG (in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 314/1994) unter Bedachtnahme auf die Arbeitsmarktlage einhellig beschließen kann, dass bei bestimmten Gruppen von Geschäftsfällen an die Stelle der Anhörung die nachträgliche Berichterstattung durch den Leiter der regionalen Geschäftsstelle oder einen von ihm damit betrauten Bediensteten treten kann. Die Möglichkeit zur generellen Freistellung von Anhörungsfällen "unter Bedachtnahme auf die Arbeitsmarktlage" zeigt, dass es in diesen Fällen um generalisierbare Umstände des Arbeitsmarktes, nicht aber um das (notwendigerweis nur individuell beurteilbare) Verhalten einzelner Arbeitsloser im Vermittlungsfalle gehen kann.
Auch die Bestimmungen der §§ 9 und 10 AlVG, welche die (zeitlich stets befristeten) Sanktionen im Falle der Arbeitsunwilligkeit anscheinend abschließend regeln, sprechen dagegen, dass eine weitere Sanktion für Arbeitsunwilligkeit ohne zeitliche Begrenzung in unterschiedlichen Freigrenzen bei der Einkommensanrechnung bestünde, sodass von dieser Sanktion von vornherein nur ein Kreis älterer Arbeitsloser mit Ehepartnern oder Lebensgefährten, nicht aber allein stehende Arbeitslose betroffen sein könnten.
Das Arbeitsmarktservice hat in Fällen wie dem im Beschwerdefall vorliegenden daher nur zu beurteilen, ob es sich vor dem Hintergrund der konkreten Arbeitsmarktlage um einen Fall handelt, bei dem wegen des Alters und des Wissens- bzw Ausbildungsstandes des Arbeitslosen auch unter Bedachtnahme auf die dem AMS zu Gebote stehenden Förderungsmaßnahmen eine erfolgreiche Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt bis zum Zeitpunkt der Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen für eine Pension aus dem Versicherungsfall des Alters (§ 22 Abs. 1 AlVG) nicht zu erwarten ist. Sofern also das AMS einen Anlass zur Gewährung von Beihilfen nicht als gegeben erachtet, ist eine Freigrenzenerhöhung zu gewähren. Die Zuerkennung der höheren Freigrenze gilt jeweils für die Periode eines Anspruchs; sie schließt weitere Vermittlungsversuche im Sinne des § 9 AlVG, bzw im Falle der Vereitelung oder Weigerung des Arbeitslosen eine zumutbare Beschäftigung anzunehmen, die Verhängung von Sperrfristen im Sinne des § 10 AlVG weiterhin nicht aus, wird davon aber - über die Sanktionen des § 10 AlVG hinaus - nicht weiter betroffen.
Dadurch, dass die belangte Behörde die Verhängung von Sperrfristen im Sinne des § 10 AlVG in die Voraussetzungen für die Erhöhung der Freigrenzen im Sinne des § 36 Abs. 3 lit. B sublit b AlVG (bzw des § 6 Abs. 4 NHVO) einbezogen hat, belastete sie den angefochtenen Bescheid daher mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes; dieser war daher gem. § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am