VwGH vom 17.10.2002, 2001/20/0601
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Sulzbacher, Dr. Grünstäudl und Dr. Berger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schlegel, über die Beschwerde des JR in G, vertreten durch Dr. Peter Wiesauer und Mag. Johannes Mühllechner, Rechtsanwälte in 4020 Linz, Graben 21/3, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom , Zl. St 118-1/01, betreffend Waffenverbot, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 332,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 12 Abs. 1 des Waffengesetzes 1996, BGBl. I Nr. 12/1997 (WaffG), der Besitz von Waffen und Munition verboten. Bis zur Erlassung dieses Bescheides ergibt sich nach der Aktenlage folgendes Verwaltungsgeschehen:
Mit der an die Bezirkshauptmannschaft Perg am gerichteten Note eines Richters des Bezirksgerichtes Mauthausen wurde ein Aktenvermerk vom selben Tag mit der Anregung übermittelt, auf Grund des Geisteszustandes des Beschwerdeführers die Verhängung eines Waffenverbotes zu prüfen.
Der "AV.v." hat folgenden Inhalt:
"Beim Amtstag spricht heute zum zweiten Mal ein Herr R. vor, der wissen möchte, ob er entmündigt oder unter Sachwalterschaft ist oder ob gegen ihn ein diesbezügliches Verfahren anhängig ist. Es wird ihm mitgeteilt, dass diesbezüglich kein Verfahren anhängig ist. Der Herr fühlt sich von Nachbarn oder unbekannten Leuten schwer verfolgt. Er wirkt deutlich verwirrt, er dürfte an Verfolgungswahn leiden. Er erzählt unter anderem, dass er Jäger sei und sehr ausdauernd mit der Waffe etwa auf ein Wildschwein warte. Dem Gericht erscheint es bedenklich, wenn eine Person mit diesem Geisteszustand Waffen besitzt. Eine Rückfrage bei der Gendarmerie ergibt, dass es sich bei dem Herrn um J. R., Pensionist, geb. , St. G, D. 6, handelt. Die Gendarmerie teilt mit, dass Herr R. auch auf andere Personen einen verwirrten Eindruck mache. Herr R. ist ledig. Er wohnt alleine in seinem Haus, eine dazugehörige Landwirtschaft wurde verpachtet."
Die hierauf von der Bezirkshauptmannschaft Perg eingeholte Stellungnahme der Amtsärztin vom hat folgenden Wortlaut:
"Herr R. wurde am amtsärztlich untersucht, ob aufgrund seines Geisteszustandes nicht ein allgemeines Waffenverbot verhängt werden sollte.
Aufgrund des Untersuchungsgespräches besteht bei Herrn R. der dringende Verdacht auf eine paranoide Erkrankung. Zur endgültigen Beurteilung - insbesondere ob eine Gemeingefährlichkeit besteht - ist jedoch eine psychiatrische Untersuchung notwendig. Am hat Herr R. mitgeteilt, dass er den Untersuchungstermin bei der Fachärztin Frau Dr. Rettensteiner wieder abgesagt hat, weil er nicht bereit ist, sich untersuchen zu lassen. Er hat weiters mitgeteilt, dass er freiwillig die Jagdkarte abgeben will und auch seine Gewehre verkaufen werde.
Der gegenständliche Akt wird daher unerledigt rückgemittelt."
Hierauf erließ die Bezirkshauptmannschaft Perg mit dem erstinstanzlichen Bescheid vom gemäß § 12 Abs. 1 WaffG gegen den Beschwerdeführer ein Waffenverbot.
In der dagegen erhobenen Berufung machte der Beschwerdeführer im Wesentlichen geltend, es lägen "außer Verdachtsmomenten und nicht näher qualifizierten Eindrücken keinerlei erwiesene Tatsachen" vor, die ein Waffenverbot rechtfertigen würden. Selbst wenn man davon ausginge, dass er tatsächlich an einer paranoiden Erkrankung leide, hätte die Behörde darzulegen, inwieweit durch diese Erkrankung eine konkrete Gefahr eines Waffenmissbrauchs zu befürchten wäre. Der Beschwerdeführer habe bisher Waffe und Munition immer sicher verwahrt, sei nie leichtfertig mit der Waffe umgegangen, niemals aggressiv gewesen, habe niemanden bedroht oder sei sonst straffällig geworden. Sein Handeln sei von Verantwortungsgefühl und Verlässlichkeit bestimmt worden. Nach Kenntnis vom Verdacht der Amtsärztin auf eine paranoide Erkrankung habe er am seinen Jagdschein freiwillig zurückgegeben und seine Waffe samt Munition seinem Bruder "schenkungsweise ins Eigentum übertragen und ausgehändigt". Er besitze daher weder eine Waffe noch Munition.
Mit Schreiben vom wurde dem Beschwerdeführer mitgeteilt, die Berufungsbehörde gehe davon aus, dass er bei seiner Weigerung bleibe, sich einer psychiatrischen Untersuchung zu unterziehen, wenn nicht innerhalb von zwei Wochen eine anders lautende schriftliche Mitteilung einlange. Über die hierauf erfolgte Vorsprache des Beschwerdeführers bei der Berufungsbehörde am wurde folgender Aktenvermerk verfasst:
"Nach vorangegangener telefonischer Ankündigung erscheint heute Herrr J. R. im Amt, und zwar auf Grund des an ihn ergangenen Schreibens vom .
Herr R. führt aus, nicht einzusehen, aus welchem Grund er sich einer psychiatrischen Untersuchung unterziehen solle. Er sei seit 42 Jahren Jäger und habe sich bei Ausübung der Jagd nie etwas zu Schulden kommen lassen.
Zu dem ganzen Verfahren sei es insofern gekommen, als er im September des Vorjahres eine Anzeige wegen Verdacht des versuchten Mordes, unerlaubten Eindringens in sein Wohnhaus und vermutliches Abhören des Telefons erstatten wollte. Er war zu diesem Zweck schon hier im Hause bei der Kriminalabteilung vorstellig, und wurde in weiterer Folge an den Gendarmerieposten St. G. verwiesen. Die Anzeige war gegen den Jagdleiter gerichtet.
Herr R. legt ausdrücklich Wert auf die Feststellung, dass er lediglich eine Erhebung in seiner Angelegenheit wollte; er wäre auch damit zufrieden gewesen, wenn ihm gesagt worden wäre, an der Angelegenheit sei nichts dahinter.
Von einem beim Nachbarn aufhältigen Gast wurde er Ende September, Anfang Oktober des Vorjahres auch als 'Entmündigter' über den Zaun hinweg beschimpft.
Auf die ausdrückliche Frage, ob er bereit sei, sich einer psychiatrischen Untersuchung zu unterziehen, antwortet Herr R. mit 'nein'. Er sehe dies nicht ein, weil er keine Gründe für ein solches Ansinnen sehe."
Mit dem eingangs erwähnten Bescheid der belangten Behörde vom wurde der Berufung keine Folge gegeben und der erstinstanzliche Bescheid bestätigt. Nach zusammenfassender Wiedergabe der dargestellten Aktenlage, des § 12 WaffG und der zu dieser Bestimmung in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entwickelten Rechtssätze führte die belangte Behörde im Rahmen der rechtlichen Beurteilung im Wesentlichen aus, das Entscheidungsorgan habe nach dem Gespräch mit dem Beschwerdeführer am den Eindruck, er fühle sich Verfolgungen ausgesetzt, nämlich vom Jagdleiter am Leben bedroht, und er sei der Meinung, sein Telefon werde abgehört. Dieser Eindruck decke sich mit jenem, den auch andere Personen, unter anderem die Amtsärztin, vom Beschwerdeführer gewonnnen hätten. Er hätte es "in der Hand gehabt", durch ein fachärztliches Gutachten diesen Eindruck "zu zerstreuen", habe es aber klar und unmissverständlich abgelehnt, sich einer solchen Untersuchung zu unterziehen. Der Beschwerdeführer müsse daher gegen sich gelten lassen, dass er "als Mensch anzusehen" sei, "der unter Vorstellungen leidet, von anderen verfolgt zu werden." Der Beschwerdeführer könnte beispielsweise eine Notwehrsituation annehmen, die ihn zur Waffe greifen lasse, ohne dass dies durch "die tatsächlichen Gegebenheiten objektiv gerechtfertigt wäre."
Daran ändere nichts, dass der Beschwerdeführer bisher nie leichtfertig mit einer Waffe umgegangen sei und auch niemanden mit eine Waffe bedroht habe. Die Gefahr, dass er in einer aus seiner Vorstellungswelt entspringenden Verkennung der Situation zu einer Waffe greifen könnte, erscheine zu groß, als dass dem Beschwerdeführer weiterhin der Besitz von Waffen gestattet werden könnte.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
§ 12 Abs. 1 WaffG lautet:
"Die Behörde hat einem Menschen den Besitz von Waffen und Munition zu verbieten (Waffenverbot), wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass dieser Mensch durch missbräuchliches Verwenden von Waffen Leben, Gesundheit oder Freiheit von Menschen oder fremdes Eigentum gefährden könnte."
Die Verhängung eines Waffenverbotes dient der Verhütung von Gefährdungen der in § 12 Abs. 1 WaffG bezeichneten Art und setzt nicht voraus, dass es schon zu einem missbräuchlichen Verwenden von Waffen durch den Betroffenen gekommen ist. Es genügt, wenn konkrete Umstände vorliegen, durch die die im Gesetz umschriebene Annahme für die Zukunft gerechtfertigt erscheint. Bei der Beurteilung dieser Frage ist nach dem Schutzzweck des Waffengesetzes ein strenger Maßstab anzulegen (vgl. zuletzt das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2000/20/0425, mwN).
Angesichts dieser Rechtsprechung geht zunächst der - in der Beschwerde ausführlich dargestellte - Hinweis auf das untadelige Vorleben des Beschwerdeführers, insbesondere auf seine langjährige Tätigkeit als Jäger sowie auf seinen bisher sorgfältigen Umgang mit Waffen ins Leere, weil eine schon erfolgte missbräuchliche Verwendung von Waffen - wie erwähnt - nicht Voraussetzung für die Verhängung eines Waffenverbotes ist. Zwar bestand bei den in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entschiedenen Fällen, in denen die Verhängung eines Waffenverbotes aufgrund von paranoiden Tendenzen für gerechtfertigt erachtet wurde, überwiegend ein Zusammenhang mit einem in der Vergangenheit gesetzten, waffenrechtlich relevanten (Fehl)Verhalten (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 97/20/0086, und vom , Zl. 95/20/0426, vgl. auch das hg. Erkenntnis vom , Zl. 97/20/0060, mwN). Aber auch ohne einen solchen aus dem bisherigen Verhalten herrührenden "waffenrechtlichen Bezug" kommt eine Gefährdungsprognose im Sinn des § 12 Abs. 1 WaffG in Fällen von psychischen Erkrankungen in Betracht, wenn deren konkrete Auswirkungen und Symptome in der im jeweiligen Einzelfall vorliegenden Ausprägung für sich genommen eine Gefährdung im erwähnten Sinn befürchten lassen. Derartige Feststellungen können aber - insofern ist der Beschwerde beizupflichten - grundsätzlich nur auf der Basis eines schlüssigen und nachvollziehbaren Sachverständigengutachtens getroffen werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2000/20/0242, mwN).
Im vorliegenden Fall liegt nun ein den dargestellten Anforderungen entsprechendes Sachverständigengutachten nicht vor. Entgegen seinem Standpunkt ist aber daraus für den Beschwerdeführer nichts zu gewinnen. Im Einklang mit den oben angestellten Erwägungen wurde im Verwaltungsverfahren die Einholung eines solchen Gutachtens entsprechend den Ausführungen der Amtsärztin, die eine "psychiatrische Untersuchung" zur endgültigen Beurteilung, ob aufgrund der angenommenen paranoiden Erkrankung insbesondere eine "Gemeingefährlichkeit" besteht, für notwendig erachtete, versucht. Dass eine Klärung dieser Frage unterblieb, geht aber zu Lasten des Beschwerdeführers. Im Hinblick auf die schon bestehenden Anhaltspunkte für das Vorliegen einer paranoiden Erkrankung - aufgrund persönlicher Wahrnehmungen hatte bereits vor der Amtsärztin auch ein Richter den Eindruck, der Beschwerdeführer wirke "deutlich verwirrt" und "er dürfte an Verfolgungswahn leiden" - erweist sich die Weigerung des Beschwerdeführers, sich dieser Begutachtung (durch einen Facharzt für Neurologie und Psychiatrie) zu unterziehen, als nicht gerechtfertigt, sodass er dadurch seine sich aus § 39 AVG ergebende Mitwirkungspflicht verletzt hat (vgl. dazu ganz allgemein die in Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2 E 117 ff zu § 39 AVG zitierte Rechtsprechung). Der Beschwerdeführer hat sich damit selbst um die Gelegenheit gebracht, den nach einem persönlichen Untersuchungsgespräch von der Amtsärztin angenommenen "dringenden Verdacht auf eine paranoide Erkrankung" und damit die Grundlage für den von der belangten Behörde gezogenen rechtlichen Schluss auf eine Waffenmissbrauchsgefahr im Sinne des § 12 Abs. 1 WaffG zu entkräften. Insoweit ist der vorliegende Fall aber nicht mit dem Sachverhalt vergleichbar, der dem in der Beschwerde zitierten hg. Erkenntnis vom , Zl. 2000/20/0153, zugrunde lag, in dem es im Übrigen nicht um eine psychische Erkrankung, sondern um Alkoholmissbrauch ging. Dass aber aus der (erst) in der Beschwerde erklärten Bereitschaft, sich nunmehr einer fachärztlichen Untersuchung zu unterziehen, nichts zu gewinnen ist, bedarf keiner besonderen Erörterung, weil der angefochtene Bescheid bezogen auf den Zeitpunkt seiner Erlassung zu überprüfen ist.
Es kann daher unter den vorliegenden Umständen nicht als rechtswidrig erkannt werden, wenn die belangte Behörde aufgrund der aktenkundigen Anhaltspunkte davon ausging, dass beim Beschwerdeführer eine paranoide Erkrankung in einer mit Waffenmissbrauchsgefahr im Sinne des § 12 Abs. 1 WaffG verbundenen Ausprägung vorliegt (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 93/01/1539; siehe auch das hg. Erkenntnis vom , Zl. 97/20/0086, und das Erkenntnis vom , Zl. 95/20/0426, in dem bezogen auf eine paranoide Tendenzen aufweisende Person mit der Befürchtung der Abwehr bloß in ihrer Einbildung existierender Verfolgung bzw. Gefahren mit Waffen - wie auch im angefochtenen Bescheid - argumentiert wurde), zumal der Beschwerdeführer als Jäger bis kurz vor der Erlassung des erstinstanzlichen Waffenverbotes mehrere Gewehre besaß, die er jederzeit hätte benützen können. Das wäre aber auch für die Zukunft nicht auszuschließen. Daran vermag der Hinweis des Beschwerdeführers, er habe die Jagdkarte zurückgelegt und die Waffe seinem Bruder überlassen, nichts zu ändern, weil er im Falle der Aufhebung des Waffenverbotes nicht gehindert wäre, wieder Waffen zu besitzen.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001.
Wien, am