VwGH vom 22.05.1996, 95/21/0083
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Robl, Dr. Rosenmayr und Dr. Baur als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Loibl, über die Beschwerde des N, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol vom , Zl. III 142-5/94, betreffend Aufenthaltsverbot, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.980,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol (der belangten Behörde) wurde gegen den Beschwerdeführer, einen Staatsbürger der früheren sozialistischen föderativen Republik Jugoslawien, gemäß § 18 Abs. 1 Z. 1, Abs. 2 Z. 8 und den §§ 19, 20 und 21 ein Aufenthaltsverbot in der Dauer von zehn Jahren erlassen.
In der Begründung ging die belangte Behörde davon aus, daß die Firma T Gesellschaft m.b.H. mit Sitz in K in Tirol am von einem Organ des Arbeitsamtes Kitzbühel wegen rechtswidriger Beschäftigung des Beschwerdeführers am gemäß dem AuslBG der Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel angezeigt worden sei. Der handelsrechtliche Geschäftsführer dieser Gesellschaft sei von der Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel mit in Rechtskraft erwachsenem Straferkenntnis wegen rechtswidriger Beschäftigung des Beschwerdeführers am gemäß dem AuslBG bestraft worden. Damit stehe fest, daß der Beschwerdeführer am von einem Organ des Arbeitsamtes Kitzbühel bei einer Beschäftigung betreten worden sei, die er nach dem AuslBG nicht hätte ausüben dürfen. Der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 8 FrG sei erfüllt; die im § 18 Abs. 1 leg. cit. umschriebene Annahme gerechtfertigt.
Die Erlassung des Aufenthaltsverbotes gegen den Beschwerdeführer bewirke einen Eingriff in sein Privat- und Familienleben. Dieser Eingriff sei aber im Hinblick auf das gewichtige öffentliche Interesse an einem geordneten Arbeitsmarkt zur Erreichung des im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Zieles des Schutzes der öffentlichen Ordnung dringend geboten.
Der Beschwerdeführer und seine Familie (Ehegattin und drei minderjährige, schulpflichtige Kinder hielten sich seit dem Jahr 1986 rechtmäßig in Österreich auf. Der Beschwerdeführer und seine Ehegattin arbeiteten rechtmäßig im Bundesgebiet, der Beschwerdeführer mitunter auch "schwarz" wie am . Der Beschwerdeführer und seine Familie seien im Bundesgebiet relativ gut integriert und mit ebensolchen intensiven "sonstigen" und familiären Bindungen versehen. Die Kriterien des § 20 Abs. 1 FrG seien beim Beschwerdeführer in einem relativ hohen Ausmaß erfüllt, der Eingriff in sein Privat- und Familienleben wiege schwer. Im Hinblick auf den Hang des Beschwerdeführers zu "Schwarzarbeit" und demgemäß zur Mißachtung der öffentlichen Ordnung wöge der Eingriff in sein Privat- und Familienleben aber nicht schwerer als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes.
Aufgrund des in Rede stehenden Hanges des Beschwerdeführers zu Schwarzarbeit sei bis zum Wegfall des Grundes für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes das Verstreichen von zehn Jahren vonnöten.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aus diesen Gründen kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet. Auf die Erstattung einer Gegenschrift wurde verzichtet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer meint, der angefochtene Bescheid stütze sich zu Unrecht auf § 18 Abs. 2 Z. 8 FrG. Die belangte Behörde habe sich mit seinem Vorbringen und insbesondere mit seinen Beweismitteln nicht entsprechend auseinandergesetzt. Sie habe lediglich auf die rechtskräftige Bestrafung des Geschäftsführers der T Gesellschaft m.b.H. verwiesen. Daß der Geschäftsführer dieser Gesellschaft tatsächlich bestraft worden sei, habe die belangte Behörde ihm mitgeteilt und die Möglichkeit zur Stellungnahme eingeräumt. Tatsächlich sei das aber nicht ausreichend, weil der Beschwerdeführer an diesem Verfahren in keiner Weise beteiligt gewesen sei. Aus diesem Grunde hätte man ihm - wie beantragt - Akteneinsicht in diesen Verwaltungsstrafakt gewähren müssen.
Was die beantragte Akteneinsicht betrifft, macht der Beschwerdeführer gar nicht geltend, daß ihm diese verwehrt worden wäre. Nach Ausweis der Verwaltungsakten stellte der Beschwerdeführer den Antrag auf Aktenübersendung an die Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel, um ihm die Akteneinsicht zu ermöglichen. In der Nichtentsprechung dieses Ersuchens liegt aber keine Verletzung von Verfahrensvorschriften, weil § 17 Abs. 1 AVG die Behörde nicht verpflichtet, die Akte an die von der Partei gewünschte Behörde zum Zweck der leichteren Ermöglichung der Akteneinsicht zu übersenden (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Slg. 7074/A) oder der Partei eine Kopie des Aktes zuzusenden (vgl. das Erkenntnis vom , Zl. 95/18/1189).
Die belangte Behörde stützte sich auf die rechtskräftige Bestrafung des Geschäftsführers der genannten Gesellschaft wegen rechtswidriger Beschäftigung des Beschwerdeführers nach dem AuslBG. Eine Bindung der belangten Behörde an diese rechtskräftige Bestrafung besteht aber schon deswegen nicht, weil nicht von einer Vorfrage im Sinne des § 38 AVG gesprochen werden kann. Die belangte Behörde konnte lediglich das Ermittlungsverfahren in diesem Strafverfahren berücksichtigen und dann in freier Beweiswürdigung selbständig Feststellungen treffen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 94/18/0084). Da die belangte Behörde zu Unrecht von einer Bindung an dieses Straferkenntnis ausgegangen ist und aus diesem Grund es unterlassen hat, Feststellungen aufgrund des Ermittlungsverfahrens eigenständig zu treffen, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.