VwGH vom 18.12.1991, 90/01/0125

VwGH vom 18.12.1991, 90/01/0125

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Großmann und die Hofräte Dr. Dorner und Dr. Kremla als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Vesely, über die Beschwerde des J M in Y, vertreten durch Dr. S, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom , Zl. 8-78 Mo 3/1-90, betreffend Übertretung des Steiermärkischen Tierschutzgesetzes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Steiermark Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Straferkenntnis vom erkannte die Bezirkshauptmannschaft (BH) den Beschwerdeführer für schuldig, auf dem Grundstück Nr. 113/1 KG Y, Gemeinde Y, eine Silberfuchsfarm mit 130 Zuchtkäfigen (im Zeitpunkt der behördlichen Überprüfung durch die BH am seien 50 Zuchtkäfige belegt gewesen) zu betreiben, obwohl die Haltung und Züchtung von Wildtieren außer für jagdliche Zwecke verboten und seitens der Behörde keine Ausnahmebewilligung gemäß § 8 Abs. 2 des Steiermärkischen Tierschutzgesetzes 1984, LGBl. Nr. 74 (TSchG), erteilt worden sei. Der Beschwerdeführer habe dadurch § 14 Abs. 1 in Verbindung mit § 8 Abs. 1 TSchG verletzt und werde daher gemäß § 14 Abs. 1 TSchG mit einer Geldstrafe in der Höhe von S 1.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe ein Tag) belegt. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Beschwerdeführer habe zu seiner Rechtfertigung ausgeführt, farmgehaltene Silberfüchse seien, da sie auf Grund jahrzehntelanger Züchtung in Farmen deutliche Merkmale einer Domestikation aufwiesen, nicht mehr den Wildtieren zuzurechnen. Demgegenüber hätte der von der BH dem Verfahren beigezogene Amtstierarzt den Grad der Domestikation bei in Farmen gehaltenen Füchsen als eher gering eingestuft. Da eine eindeutige Zuordnung zu den Haustieren nicht möglich sei, seien Füchse eher zu den Wildtieren zu zählen. Für ihre Züchtung sei daher eine Bewilligung nach dem TSchG erforderlich, die aber nicht vorgelegen habe.

In der gegen dieses Straferkenntnis erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer vor, dem Gutachten des Amtstierarztes könne entnommen werden, daß die jahrzehntelange Zucht die angeborenen Bewegungs- und Verhaltensbedürfnisse der Tiere stark verändert habe, sodaß diese in freier Wildbahn nicht überleben könnten. Es sei unverständlich, solche Tiere "wohl eher als Wildtiere" einzustufen. Auf Grund des sohin vorliegenden Zweifelfalles wäre für den Beschwerdeführer als Beschuldigten zu entscheiden gewesen.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom wies die belangte Behörde die Berufung gemäß § 66 Abs. 1 AVG 1950 in Verbindung mit § 24 VStG 1950 als unbegründet ab. In der beigegebenen Begründung führte die belangte Behörde aus, nach dem TSchG, welches insbesondere dem Schutz des Lebens und des Wohlbefindens der Tiere diene, sei die Haltung und Züchtung von Wildtieren außer für jagdliche Zwecke verboten. Gemäß § 8 Abs. 2 TSchG könnten Ausnahmen von diesem Verbot nur genehmigt werden, wenn sichergestellt sei, daß den besonderen Bedürfnissen des Tieres Rechnung getragen werde, oder wenn die Tierhaltung im öffentlichen Interesse liege. Das Steiermärkische Jagdgesetz 1986, BGBl. Nr. 23 (JagdG), welches gerade bezüglich der Wildtierhaltung mit dem TSchG abgestimmt sei, bezeichne in seinem § 2 Abs. 2 "Fuchs" als "Wild". Demgemäß stehe fest, daß die Haltung von "Füchsen in der gegenständlichen Form" gemäß dem TSchG bewilligungspflichtig sei. Daß der Beschwerdeführer die angeführten Wildtiere, ohne im Besitz einer tierschutzrechtlichen Bewilligung zu sein, züchte, sei unbestritten. Das Ausmaß der schon eingetretenen Domestizierung dieser Tiere könne nur die Möglichkeit der Bewilligung der Tierhaltung aus tierschutzrechtlicher Sicht dokumentieren, vermöge aber nichts an dem Erfordernis des Ansuchens um eine solche Bewilligung zu ändern. Die Strafhöhe sei angesichts des bis zu S 30.000,-- reichenden Strafrahmens und der Einkommensverhältnisse des Beschwerdeführers angemessen. Die als Milderungsgrund anzusehende verwaltungsstrafrechtliche Unbescholtenheit des Beschwerdeführers habe aber nicht zu einer Herabsetzung der Strafe führen können.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes erhobene Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht, "entgegen der Bestimmung des § 14 Abs. 1 in Verbindung mit § 8 Abs. 1 Steiermärkisches Tierschutzgesetz 1984 nicht bestraft zu werden, verletzt". Die belangte Behörde habe es unterlassen, auf die zu § 5 TSchG ergangene Steiermärkische Intensivtierhaltungsverordnung, LGBl. Nr. 19/1987 (IThV), Bedacht zu nehmen. Gemäß § 18 dieser Verordnung sei vor Erlassung einer Ausnahmegenehmigung gemäß § 8 TSchG ein amtstierärztliches Gutachten einzuholen. Daß ein derartiges Gutachten bereits vorgelegen sei, habe die belangte Behörde aber übersehen. Hingegen sei ein Verbot der Pelztierzucht aus der IThV nicht ableitbar. Bei der Bezugnahme auf das Jagdgesetz habe die belangte Behörde nicht berücksichtigt, daß gemäß § 2 Abs. 2 JagdG die Bestimmungen dieses Gesetzes nicht auf Wild anzuwenden seien, das im Rahmen eines land- oder forstwirtschaftlichen Betriebes ausschließlich zur Zucht gehalten werde. Der Hinweis der belangten Behörde, es sei erforderlich, um eine Ausnahmegenehmigung gemäß § 8 TSchG anzusuchen, gehe insofern ins Leere, als der Beschwerdeführer ein derartiges Ansuchen ohnedies bereits gestellt habe. Der Mangel des Vorliegens einer baurechtlichen Bewilligung könne trotz der Bestimmung des § 8 Abs. 2 TSchG, derzufolge die Ausnahmebestimmung nach dieser Gesetzesstelle erst nach Vorliegen sonstiger nach anderen landesrechtlichen Bestimmungen erforderlichen Bewilligungen erteilt werden dürfe, nicht die Strafbarkeit nach sich ziehen. Denn einerseits könne bei Zugrundelegungen der IThV auch ohne Vorliegen einer rechtskräftigen Baubewilligung eine Ausnahmegenehmigung erteilt werden. Andererseits sei im Fall des Erfordernisses einer rechtskräftigen Baubewilligung ein Rechtswidrigkeitszusammenhang nicht gegeben, weil der im TSchG enthaltene Schutzzweck der Berücksichtigung des Lebens und des Wohlbefindens von Tieren mit baurechtlichen Bestimmungen etwa betreffend den Schutz von Anrainern vor Geruchsbelästigungen nichts zu tun habe.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 8 Abs. 1 TSchG ist die Haltung und Züchtung von

Wildtieren außer für jagdliche Zwecke verboten.

Gemäß Abs. 2 dieses Paragraphen kann die Behörde Ausnahmen von diesem Verbot genehmigen, wenn sichergestellt ist, daß den besonderen Bedürfnissen des Tieres Rechnung getragen wird oder die Tierhaltung im öffentlichen Interesse liegt. Bedarf die Haltung von Wildtieren noch der Bewilligung nach anderen landesrechtlichen Vorschriften, so darf die Bewilligung nach diesem Gesetz erst nach Eintritt der Rechtskraft der anderen Bewilligung erteilt werden.

Im Hinblick auf die Verwendung der Begriffe "Wildtiere" und "jagdliche Zwecke" kann der belangten Behörde zunächst nicht entgegengetreten werden, wenn sie den Inhalt dieser Begriffe anhand des Jagdgesetzes auszulegen versucht hat. Gemäß § 2 Abs. 1 lit. d JagdG it der "Fuchs" "Wild" im Sinne dieses Gesetzes. Daß es sich bei "Wild" in der Regel um solche Wildtiere handelt, die im Geltungsbereich des Gesetzes heimisch sind, ergibt sich aus dem Gesamtzweck jagdlicher Regelungen, die der Erhaltung und Entwicklung eines den Verhältnissen des Lebensraumes angepaßten, artenreichen und gesunden Wildstandes zum Ziel haben. Demgemäß ist unter dem Ausdruck "Fuchs" grundsätzlich der in ganz "Eurasien" verbreitete (und somit auch in der Steiermark heimische) Rotfuchs (vgl. Jagdlexikon, BLV Verlagsgesellschaft, München, 1983, S 219 ff) zu verstehen. Bei dem im Beschwerdefall in Rede stehenden Silberfuchs hingegen handelt es sich um eine in Nordeuropa und Nordamerika auftretende Farbvarietät des Rotfuchses (vgl. z.B. Meyers Enzyklopädisches Lexikon, Mannheim/Wien/Zürich, 1977, Band 21, S 724). Daraus folgt, daß der Silberfuchs als wild bzw. frei lebendes Tier in der Steiermark nicht heimisch ist. Aus dem Jagdgesetz kann somit für die Frage, ob Silberfüchse als Wildtiere im Sinne des TSchG zu gelten haben, nichts gewonnen werden.

Dennoch ist der belangten Behörde, wenn sie die in der Farm des Beschwerdeführers gehaltenen Silberfüchse als Wildtiere im Sinne des TSchG gewertet hat, im Ergebnis beizupflichten. Nach der zu den §§ 383 und 384 ABGB entwickelten Lehre sind unter wilden Tieren solche zu verstehen, die sich regelmäßig im Zustand ihrer natürlichen Freiheit befinden und, wenn sie gefangen sind, ihre Freiheit wieder zu erlangen streben (vgl. Klang in Klang, Kommentar zum Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuch 2, Wien 1950, zweiter Band, S 245). Hingegen handelt es sich bei zahmen Tieren um solche, deren ganze Gattung sich zum Menschen hält, wie Hunde, Pferde, Schafe und die anderen Haustiere. Als gezähmte Tiere sind solche anzusehen, deren Gattung im allgemeinen wild, das einzelne (d.i. das gezähmte) Tier aber an den Menschen gewöhnt ist; dies aber nur so lange, als das gezähmte Tier die "consuetudo revertendi" - also die Gewohnheit (zum Menschen) zurückzukehren - besitzt (vgl. Klang aaO., S 252). Wenn auch Silberfüchse allgemein schon über lange Zeiträume hinweg in Farmen gezüchtet und gehalten werden und die belangte Behörde auch von einem dadurch bei diesen Tieren bereits eingetretenen gewissen Domestizierungseffekt ausgegangen ist, so deutet nichts darauf hin und wurde auch vom Beschwerdeführer nicht geltend gemacht, daß in Farmen gehaltene Silberfüchse das wilden Tieren eigene Bestreben nach Erlangung ihrer Freiheit verloren hätten. Ebensowenig können diese Tiere als zahme oder gezähmte Tiere angesehen werden, weil sie sich weder "an den Menschen halten" noch die Gewohnheit besitzen, zum Menschen zurückzukehren. Die von der belangten Behörde vorgenommene Unterordnung der gegenständlichen Silberfüchse unter den vom Gesetzgeber in § 8 Abs. 1 TSchG verwendeten Begriff "Wildtiere" war sohin nicht rechtswidrig.

Soweit der Beschwerdeführer versucht, aus der Nichtanwendung von Bestimmungen der IThV eine Bewilligungsfreiheit seiner Tierhaltung und somit die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides abzuleiten, ist ihm entgegenzuhalten, daß diese Verordnung keine eigenen Bewilligungstatbestände für Intensivtierhaltungen, aber auch keinerlei Befreiungen vom in anderen Vorschriften, so insbesondere dem TSchG, festgelegten Erfordernis der Einholung einer Bewilligung für eine Tierhaltung vorsieht. So kann auch aus dem vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten Umstand, es sei bereits ein gemäß § 18 IThV erforderliches amtstierärztliches Gutachten eingeholt worden, nichts für seinen Standpunkt gewonnen werden, weil die Einholung eines solchen Gutachtens ebensowenig wie der geltend gemachte Umstand, es sei bereits um eine Ausnahmegenehmigung gemäß § 8 Abs. 2 TSchG angesucht worden, an dem auch in § 18 IThV zum Ausdruck kommenden Erfordernis des Vorliegens einer solchen Ausnahmegenehmigung etwas zu ändern vermag. Daß dem Beschwerdeführer aber eine solche Ausnahmegenehmigung bereits erteilt worden wäre, hat er selbst nicht behauptet. Das vom Beschwerdeführer angezogene Fehlen einer baurechtlichen Bewilligung wurde ihm nicht zum Vorwurf gemacht, weshalb sich ein Eingehen auf diese Thematik erübrigte.

Die sich sohin zusammenfassend als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991, insbesondere deren Art. III Abs. 2.