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VwGH vom 10.10.1996, 95/20/0729

VwGH vom 10.10.1996, 95/20/0729

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Baur, Dr. Bachler und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hemetsberger, über die Beschwerde des Mag. A, vertreten durch Dr. B, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom , Zl. St 165-11/94, betreffend Feststellung der Rechtswirksamkeit einer Zustellung in Angelegenheit des Waffengesetzes 1986, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben, soweit er die Rechtswirksamkeit der Zustellung des Bescheides der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung vom , Zl. Sich-10/8-1980 (nunmehr: Sich 05/8/1980), betrifft.

Ein (zusätzlicher) Kostenzuspruch findet nicht statt.

Begründung

Für den Beschwerdeführer wurden mit Beschlüssen des Bezirksgerichtes Urfahr-Umgebung für den Zeitraum vom November 1982 bis Juli 1984 ein vorläufiger Beistand und für den Zeitraum ab ein einstweiliger Sachwalter bestellt. Seit dem ist für den Beschwerdeführer u. a. zur Vertretung "für den Umgang mit Behörden und Ämtern" die Sachwalterschaft angeordnet. Vertreten durch seine damalige Sachwalterin begehrte er bei der Erstbehörde, der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung, mit Schriftsatz vom die bescheidmäßige Feststellung, daß eine Reihe von durch Geschäftszahlen bezeichneten Bescheiden dieser Behörde nicht rechtswirksam zugestellt wurde und ihm gegenüber keine Rechtswirkungen entfalte.

Mit den im Instanzenzug ergangenen, in einer gemeinsamen Ausfertigung enthaltenen Bescheiden der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich wurde in Ansehung jenes Bescheides, der die Erlassung eines Waffenverbotes durch den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung vom betraf, in Abweisung der gegen den Erstbescheid vom erhobenen Berufung festgestellt, daß die Zustellung dieses Bescheides vom in rechtswirksamer Weise erfolgt sei.

In seiner an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend und beantragt dessen kostenpflichtige Aufhebung.

Die belangte Behörde legte die Akten vor, verzichtete auf die Erstattung einer Gegenschrift und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat, soweit es sich um die Zustellung des Bescheides im Administrativverfahren nach dem Waffengesetz 1986 handelt, erwogen:

Hinsichtlich der mit dem angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellung betreffend den Bescheid der Erstbehörde mit der Zl. Sich-10/8-1980 (nunmehr: Sich 05/8/1980), betreffend Verbot des Besitzes von Waffen und Munition, ergibt sich folgendes:

Dieser Bescheid wurde nach der Aktenlage am zugestellt und nicht mit Berufung bekämpft. Er ist daher - die Rechtswirksamkeit seiner Zustellung vorausgesetzt - in Rechtskraft erwachsen und gehört dem Rechtsbestand an. Das rechtliche Interesse an der begehrten Feststellung ist demnach nicht zu verneinen (vgl. das denselben Beschwerdeführer betreffende hg. Erkenntnis vom , Zl. 95/11/0365).

Die belangte Behörde begründet im angefochtenen Bescheid, das Bezirksgericht Urfahr-Umgebung habe dem Beschwerdeführer mit Beschluß vom , Zahl SW 21/89, einen Sachwalter für den Umgang mit Behörden und Ämtern bestellt. Dieser Beschluß habe konstitutive Wirkung. Aus ihm könne nicht abgeleitet werden, daß der Beschwerdeführer schon vor der Sachwalterbestellung prozeßrechtlich nicht handlungsfähig gewesen wäre.

Für die Prozeßfähigkeit sei entscheidend, ob die Partei im Zeitpunkt der betreffenden Verfahrensabschnitte in der Lage war, Bedeutung und Tragweite des Verfahrens und der sich in ihm ereignenden prozessualen Vorgänge zu erkennen, zu verstehen und sich den Anforderungen eines derartigen Verfahrens entsprechend zu verhalten (Verwaltungsgerichtshof Slg. Nr. 11.410 A).

Was dies betreffe, liege im Verfahren zur Erlassung eines Waffenverbotes ein amtsärztliches Gutachten vom vor, in welchem unter anderem angeführt werde, daß sich beim Beschwerdeführer kein Anhalt für eine Geisteskrankheit oder Unzurechnungsfähigkeit ergebe. Seine Verhaltensweisen seien mit ziemlicher Sicherheit auf einen Milieuschaden zurückzuführen.

Der Umstand, daß er sich seit dem Jahre 1979 fallweise in stationärer Behandlung in einem psychiatrischen Krankenhaus befunden habe, lasse noch nicht darauf schließen, daß er - als Jurist - in den dazwischenliegenden Zeiten unfähig gewesen wäre, Zustellvorgänge wahrzunehmen und deren Bedeutung zu erfassen. Immerhin sei erst im Jahre 1991, nach immerhin zweijähriger Verfahrensdauer, ein Sachwalter bestellt worden.

Durch die Beibringung von Gutachten über die Zurechnungsunfähigkeit zum Zeitpunkt einzelner gerichtlich strafbarer Handlungen sei für seine Argumentation nichts gewonnen, weil sich daraus nicht ergebe, daß er sich zum Zeitpunkt der Zustellung in einem die Prozeßfähigkeit ausschließenden Zustand befunden hätte. Ein bloß pauschaler Hinweis auf eine sich im übrigen schubweise äußernde Erkrankung vermöge den Nachweis der fehlenden Prozeßfähigkeit zu einem bestimmten Zeitpunkt nicht zu erbringen.

Die belangte Behörde übersieht hiebei aber mehrere Umstände:

a) Die Rechtsgültigkeit des Zustellvorganges vom wäre schon deshalb anzuzweifeln, da aus dem Akt Sich 05/8/1980 an mehreren Stellen (ua. im Befund und Gutachten vom , OZl. 57, Gutachten zB. S. 6, 15) zu ersehen ist, daß der Beschwerdeführer das erste Mal vom bis wegen Schizophrenie in stationärer Behandlung war.

b) Das von der belangten Behörde erwähnte Gutachten vom ist nur bedingt aussagekräftig, weil es eine "vorläufige amtsärztliche Stellungnahme" zur "konkreten Frage des Verbotes eines Waffenbesitzes" und nicht zur hier gegenständlichen Frage darstellt.

c) Entscheidend fällt aber ins Gewicht, daß der Gutachter ohne Befundaufnahme durch aktuelle Untersuchung des Beschwerdeführers (offenbar weil ihm der Beschwerdeführer "seit zwei Jahrzehnten selbst persönlich bekannt ist") darauf geschlossen hat, daß sich beim Beschwerdeführer "kein Anhalt für eine Geisteskrankheit oder Unzurechnungsfähigkeit" ergebe. Dieser Schluß ist angesichts des Umstandes, daß der Beschwerdeführer bereits im Jänner 1980 wegen Schizophrenie in stationärer Behandlung war, aufgrund der offenbaren Unaktualität der Grundlagen des Gutachters nicht geeignet, eine gesicherte Aussage darüber treffen zu können, daß der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Erlassung des Waffenverbotes prozeß- und handlungsfähig war.

Damit hält die Beweiswürdigung der belangten Behörde, daß die amtsärztliche Stellungnahme vom geeignet sei, die Frage der Prozeß- und Handlungsfähigkeit des Beschwerdeführers im Zeitpunkt der Bescheiderlassung beurteilen zu können, der vom Verwaltungsgerichtshof anzustellenden Schlüssigkeitsprüfung nicht stand.

Der angefochtene Bescheid war daher in dem im Spruch genannten Umfang gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Da mit dem hg. Erkenntnis vom , Zl. 95/10/0255 - welches denselben angefochtenen Bescheid vom (hinsichtlich der Verwaltungsübertretung nach Art. IX Abs. 1 Z. 1 EGVG) betraf -, dem Beschwerdeführer bereits Aufwandersatz zugesprochen wurde, kommt ein weiterer Kostenzuspruch nicht in Betracht (vgl. das ebenfalls den gleichen angefochtenen Bescheid betreffende hg. Erkenntnis vom , Zl. 95/02/0544).