VwGH vom 22.05.2003, 2001/20/0268
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Sulzbacher, Dr. Grünstäudl und Dr. Berger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Trefil, über die Beschwerde des HK (auch K) in S, geboren 1967, vertreten durch Dr. Robert Pressl, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Dreifaltigkeitsgasse 9, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom , Zl. 206.302/0-IX/26/98, betreffend §§ 7 und 8 Asylgesetz (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger des Irak, reiste am in das Bundesgebiet ein und beantragte am Asyl. Das Bundesasylamt wies diesen Antrag mit Bescheid vom gemäß § 7 AsylG ab und stellte gemäß § 8 AsylG fest, die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in den Irak sei zulässig. Dagegen erhob der Beschwerdeführer Berufung.
Im ersten Spruchpunkt des angefochtenen Bescheides wurde die Berufung des Beschwerdeführers "gemäß §§ 7, 8 AsylG abgewiesen". Im zweiten Spruchpunkt stellte die belangte Behörde gemäß § 8 AsylG fest, die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers "in den Nordirak" sei zulässig.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Die belangte Behörde ist in ihrer Entscheidung davon ausgegangen, dem Beschwerdeführer drohe wegen seiner illegalen Ausreise aus dem Irak eine Gefängnisstrafe von etwa acht Jahren, was zweifellos eine Gefährdung im Sinne des § 57 Abs. 1 FrG bedeute. Der Gefahr, dieser - auch nach Ansicht der belangten Behörde - unverhältnismäßig hohen Strafe ausgesetzt zu werden, hat die belangte Behörde für die gemäß § 7 AsylG zu treffende Entscheidung über die Asylgewährung aber keine Bedeutung beigemessen, weil "die illegale Ausreise ... mangels dahingehender Anhaltspunkte nicht automatisch die Annahme begründet, der illegal Ausgereiste sei politisch oppositionell eingestellt". In Ermangelung einer auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgungsgefahr sah die belangte Behörde - die dem individuellen, im Zuge des Verwaltungsverfahrens mehrfach ausgetauschten bzw. modifizierten Vorbringen des Beschwerdeführers aus näher dargestellten Gründen keinen Glauben schenkte - keine Veranlassung, sich bei der Entscheidung über die Asylgewährung unter dem Gesichtspunkt des von ihr (für den Zeitpunkt ihrer Entscheidung) angenommenen Fehlens einer "Gebietshoheit" des "Zentralirak" im Norden des Landes mit der Frage auseinander zu setzen, ob die Voraussetzungen für die Annahme einer inländischen Schutzalternative erfüllt seien.
Der Verwaltungsgerichtshof vertritt dem gegenüber in Bezug auf die hier maßgeblichen Umstände zur Zeit der Erlassung des angefochtenen Bescheides die Ansicht, dass in der Unverhältnismäßigkeit der für die unerlaubte Ausreise aus dem Irak vorgesehenen Sanktionen ein Anhaltspunkt dafür zu sehen ist, dass den von der Strafdrohung Betroffenen unter den damaligen politischen Verhältnissen eine oppositionelle Gesinnung unterstellt wurde (vgl. in diesem Sinn die Nachweise in dem Erkenntnis vom , Zl. 98/20/0221, und seither die Erkenntnisse vom , Zl. 99/20/0577, vom , Zl. 99/20/0401, vom , Zl. 99/20/0160, Zl. 99/20/0175, Zl. 99/20/0545, Zl. 2000/20/0037, Zl. 2000/20/0409, Zl. 2000/20/0475, Zl. 2000/20/0546 und Zl. 2000/20/0562, vom , Zl. 2001/20/0022 und Zl. 2001/20/0265, sowie vom , Zl. 2000/20/0320).
Hätte die belangte Behörde dies erkannt und den Beschwerdeführer davon ausgehend bei der Entscheidung über den Asylantrag auf eine inländische Schutzalternative im Nordirak verweisen wollen, so hätte dies im Sinne des hg. Erkenntnisses vom , Zl. 99/20/0401, unter anderem eine Auseinandersetzung mit der Frage erfordert, durch welche Hindernisse der irakische Staat daran gehindert war, sich über die betroffenen Gebiete jederzeit und ohne Vorankündigung wieder die volle Gebietsgewalt zu verschaffen, oder ob Informationen darüber vorlagen, dass die irakische Führung dies nicht beabsichtige (vgl. seither auch die Erkenntnisse vom , Zl. 99/20/0430, vom , Zl. 99/20/0175, Zl. 2000/20/0185, Zl. 2000/20/0475 und Zl. 2000/20/0546, sowie vom , Zl. 2001/20/0265).
Der angefochtene Bescheid war aus diesen Gründen gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001.
Wien, am
Fundstelle(n):
LAAAE-45111