VwGH vom 11.07.1996, 93/07/0119
Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):
93/07/0120
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Dr. Hargassner, Dr. Bumberger, Dr. Pallitsch und Dr. Beck als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Bachler, über die Beschwerden
1) des F in L (93/07/0119) sowie 2) des J in W und 3) der V, ebendort (beide zu 93/07/0120), alle vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in L, gegen die Bescheide des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft je vom , Zl. 411.250/01-I4/92 (93/07/0119) und 411.252/01-I4/92 (93/07/0120), jeweils betreffend die Zurückweisung von Anträgen auf Ausscheidung von Grundflächen aus dem öffentlichen Wassergut, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.
Der Erstbeschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,--, die Zweit- und Drittbeschwerdeführer haben dem Bund zu gleichen Teilen Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit den angefochtenen Bescheiden wurden die Anträge der Beschwerdeführer auf Feststellung der dauernden Entbehrlichkeit bestimmt bezeichneter Flächen für die mit der Widmung als öffentliches Wassergut verbundenen Zwecke im Instanzenzug mangels Parteistellung der Beschwerdeführer mit der Begründung zurückgewiesen, daß die Beschwerdeführer einen Rechtstitel für den Erwerb der beanspruchten Liegenschaften nicht hätten vorweisen können.
Gegen diese Bescheide erhoben die Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, welcher deren Behandlung jedoch mit seinen Beschlüssen vom , B 2101/92 und B 2099/92, abgelehnt und sie dem Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG zur Entscheidung abgetreten hat. Vor diesem Gerichtshof begehren die Beschwerdeführer in ihren schon in den Beschwerden an den Verfassungsgerichtshof erstatteten Beschwerdeausführungen an den Verwaltungsgerichtshof die Aufhebung der angefochtenen Bescheide aus dem Grunde der Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes, wobei sich dem Vorbringen der Beschwerdeführer entnehmen läßt, daß diese sich durch die angefochtenen Bescheide in ihren Rechten darauf als verletzt erachten, daß ihre Anträge auf Erlassung der im § 4 Abs. 8 erster Fall WRG 1959 genannten Feststellungsbescheide nicht aus dem Grunde eines ihnen mangelnden Rechtstitels für den Erwerb der betroffenen Grundflächen zurückgewiesen werden.
Die belangte Behörde hat die Akten der Verwaltungsverfahren vorgelegt und in ihren Gegenschriften die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerden beantragt. Die Beschwerdeführer haben repliziert.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die wegen ihres sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Beschlußfassung verbundenen Beschwerden erwogen:
Wasserführende und verlassene Bette öffentlicher Gewässer sowie deren Hochwasserabflußgebiet (§ 38) sind gemäß § 4 Abs. 1 WRG 1959 öffentliches Wassergut, wenn der Bund als Eigentümer in den öffentlichen Büchern eingetragen ist. Sie gelten aber bis zum Beweis des Gegenteiles auch dann als öffentliches Wassergut, wenn sie wegen ihrer Eigenschaft als öffentliches Gut in kein öffentliches Buch aufgenommen sind oder in den öffentlichen Büchern ihre Eigenschaft als öffentliches Gut zwar ersichtlich gemacht (§ 12 des Allgemeinen Grundbuchsanlegungsgesetzes, BGBl. Nr. 2/1930), aber kein Eigentümer eingetragen ist.
Nach dem vierten Absatz dieses Paragraphen werden wasserführende und verlassene Bette öffentlicher Gewässer sowie deren Hochwasserabflußgebiet (§ 38), die den im Abs. 2 genannten Zwecken dienlich sein können, öffentliches Wassergut, sobald der Bund Eigentum an diesen Flächen erwirbt.
Gemäß § 4 Abs. 8 WRG 1959 ist bei den zum öffentlichen Wassergut gehörenden Liegenschaften unbeschadet der für die Veräußerung oder Belastung von unbeweglichem Bundesvermögen geltenden Vorschriften bei sonstiger Nichtigkeit des Rechtsaktes
Tabelle in neuem Fenster öffnen
- | die Übertragung des Eigentums erst nach bescheidmäßiger Feststellung der dauernden Entbehrlichkeit für die mit der Widmung als öffentliches Wassergut verbundenen Zwecke (Ausscheidung), | |||||||||
- | die Einräumung eines anderen dinglichen Rechtes erst nach bescheidmäßiger Feststellung, daß hiedurch keine Beeinträchtigung der Widmungszwecke (Abs. 2) eintritt, | |||||||||
zulässig. |
Feststellungsbescheide nach Abs. 8 sind gemäß § 4 Abs. 9 WRG 1959 vom Landeshauptmann zu erlassen, wobei Parteien der Bund sowie derjenige sind, der einen Rechtstitel für den Erwerb der beanspruchten Liegenschaft besitzt.
Die Beschwerdeführer stellen eingehend jene Rechtstitel dar, die dem Erwerb der betroffenen Grundflächen durch sie die rechtliche Grundlage geboten hätten, und berufen sich dabei auf Ersitzung, Bauführung nach den Bestimmungen des § 418 ABGB, auf "gutgläubigen Erwerb nach § 367 ABGB", auf die erfolgte "Anerkennung" ihres Eigentumsrechtes im Rahmen einer Mappenberichtigung im Jahre 1951 ebenso wie im Rahmen des Abschlusses eines Pachtvertrages im Jahre 1952, ferner auf die "Anerkennung des Eigentumsrechtes durch die zuständigen Organe der Republik Österreich und der politischen Behörden" und schließlich auch noch auf die Bestimmung des § 47 des Oberösterreichischen Wasserrechtsgeseztes 1870 über den "Eigentumserwerb durch die Errichtung von Regulierungsbauten". Mit diesem Vorbringen verkennen die Beschwerdeführer jedoch sowohl den Gegenstand des im § 4 Abs. 8 WRG 1959 vorgesehenen Feststellungsverfahrens, als auch den Bedeutungsgehalt des Begriffes "Rechtstitel für den Erwerb" im § 4 Abs. 9 WRG 1959.
Gegenstand des im § 4 Abs. 8 WRG 1959 vorgesehenen Feststellungsbescheides ist ausschließlich die öffentlich-rechtliche Frage der Entbehrlichkeit der betroffenen Flächen für jene Zwecke, denen öffentliches Wassergut nach § 4 Abs. 2 WRG 1959 zu dienen hat. Über die zivilrechtlichen Fragen des Eigentumsrechtes und aus anderen Rechtstiteln des Zivilrechtes herrührender Nutzungsrechte an solchen Flächen wird mit einem Feststellungsbescheid nach § 4 Abs. 8 WRG 1959 nicht abgesprochen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Slg. N.F. Nr. 5.754/A, sowie Krzizek, Kommentar zum Wasserrechtsgesetz, 38). Da Gegenstand eines Feststellungsbescheides nach § 4 Abs. 8 WRG 1959 ausschließlich die Entscheidung über die öffentlich-rechtliche Frage von Aufhebung oder Weiterbestand der öffentlich-rechtlichen Widmung betroffener Flächen für die im § 4 Abs. 2 leg. cit. genannten Zwecke ist, räumt § 4 Abs. 9 WRG 1959 Parteistellung in einem solchen Feststellungsverfahren folgerichtig nur jenen Rechtsträgern ein, deren rechtliche Interessen von Weiterbestand oder Aufhebung der öffentlich-rechtlichen Zweckbindung betroffener Flächen berührt sein können. Dies ist neben dem Bund als Eigentümer mit der Widmung als öffentliches Wassergut belasteter Flächen derjenige, der an der Vermeidung der im § 4 Abs. 8 WRG 1959 normierten Nichtigkeitssanktion eines von ihm mit dem Verwalter öffentlichen Wassergutes abgeschlossenen Rechtsgeschäftes ein rechtliches Interesse hat. Dem entsprechend kann unter einem "Rechtstitel für den Erwerb" im Sinne des § 4 Abs. 9 WRG 1959 nicht jeder der in den §§ 380 ff ABGB genannten Rechtsgründe für den Erwerb des Eigentumsrechtes und auch nicht jeder der im § 424 ABGB als geeignete Rechtsgründe mittelbaren Eigentumserwerbs angeführten Titel, sondern nur ein solches schuldrechtliches Verpflichtungsgeschäft oder eine einem solchen gleichkommende hoheitliche Verfügung im Sinne des § 424 ABGB verstanden werden, mit welchem oder welcher dem Eigentümer der mit der Widmung als öffentliches Wassergut belasteten Flächen gegenüber der Anspruch auf Übertragung des Eigentumsrechtes begründet worden ist. Rechtstitel für den Erwerb im Sinne des § 4 Abs. 9 WRG 1959 sind nur Rechtsgeschäfte mit (und solche ersetzende Hoheitsakte gegenüber) dem Träger des öffentlichen Wassergutes, nicht jedoch Rechtstitel für den mittelbaren Eigentumserwerb gegenüber anderen Personen und Rechtstitel zum ursprünglichen Eigentumserwerb im Sinne des bürgerlichen Rechtes.
Ein solches Verständnis vom Begriff des "Rechtstitels für den Erwerb" im Sinne des § 4 Abs. 9 WRG 1959 resultiert zwangsläufig daraus, daß andere als die in der dargestellten Weise von der genannten Norm erfaßten Rechtstitel ein rechtliches Interesse an der Aufhebung der Zweckwidmung betroffener Flächen als öffentliches Wassergut nicht begründen können. Ein solches Interesse setzt nämlich den aufrechten Bestand der öffentlich-rechtlichen Zweckwidmung der betroffenen Flächen voraus. Jeder Erwerb des Eigentumsrechtes an als öffentliches Wassergut gewidmeten Flächen in anderer als der im § 4 Abs. 8 WRG 1959 vorgesehenen Weise aber bringt die öffentlich-rechtliche Widmung mit dem zivilrechtlich in anderer Weise wirksam erworbenen Eigentum zum Erlöschen. Ein bescheidmäßiger Abspruch über die bereits eingetretene Beendigung der Zweckwidmung von Flächen als öffentliches Wassergut aber ist im Gesetz nicht vorgesehen und auch durch ein Interesse einer Partei an der - den Gerichten vorbehaltenen - Klarstellung ihrer Eigentumsrechte nicht gerechtfertigt (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 94/07/0183).
Die von den Beschwerdeführern vorgetragene Auffassung, auch im privaten Eigentum stehende Flächen könnten als öffentliches Wassergut gewidmet sein, widerspricht dem Gesetz. Setzt doch die Bestimmung des § 4 Abs. 1 WRG 1959 für die Beurteilung von Flächen als öffentliches Wassergut ausdrücklich entweder die Eintragung des Bundes als Eigentümers dieser Flächen in den öffentlichen Büchern oder deren Beurteilung als öffentliches Gut im Sinne des § 287 ABGB voraus, was eigentumsrechtlich zum selben Ergebnis führt (vgl. Raschauer, Kommentar zum Wasserrecht, Rz 8 zu § 1 WRG 1959). Ebenso eindeutig ist die gesetzliche Bindung der Zweckwidmung von Flächen als öffentliches Wassergut an das Eigentumsrecht des Bundes an solchen Flächen aus den Bestimmungen des § 4 Abs. 8 und 9 WRG 1959 abzuleiten. In der erstgenannten Bestimmung wird auf die für die Veräußerung oder Belastung von unbeweglichem Bundesmögen geltenden Vorschriften hingewiesen und in der zweitgenannten Bestimmung neben demjenigen, der einen Rechtstitel für den Erwerb der beanspruchten Liegenschaft besitzt, ausdrücklich nur der Bund als jener Rechtsträger genannt, dessen Interessen vom Bestand der Zweckwidmung als öffentliches Wassergut betroffen sein können. Im Privateigentum stehende Flächen können nicht öffentliches Wassergut sein. Gegenteiliges hat der Verwaltungsgerichtshof auch in seinem von den Beschwerdeführern ins Treffen geführten Erkenntnis vom , Slg. N.F. Nr. 5626/A, nicht ausgesprochen; die von den Beschwerdeführern in ihren Repliken zitierten Aussagen dieses Erkenntnisses dürfen nicht aus dem Sinnzusammenhang herausgerissen werden, innerhalb dessen sie getroffen worden waren.
Die im Einklang mit der Rechtsprechung (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 1945/75, ebenso auch die hg. Erkenntnisse vom , 1291/58, und vom , Slg. N.F. Nr. 5427/A) im Instanzenzug ausgesprochene Zurückweisung der Anträge der Beschwerdeführer mangels Vorweises eines Rechtstitels für den Erwerb der betroffenen Grundflächen im Sinne des § 4 Abs. 9 WRG 1959 war auch nicht deswegen rechtswidrig, weil es die Behörden abgelehnt haben, das Bestehen der von den Beschwerdeführern geltend gemachten Rechtstitel zum Eigentumserwerb als Vorfrage im Sinne des § 38 AVG zu prüfen, wie die Beschwerdeführer dies rügen. Es hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem bereits zitierten Erkenntnis vom , Zl. 94/07/0183, die Möglichkeit einer Prüfung der Eigenschaft von Flächen als öffentliches Wassergut als Vorfrage in einem Verfahren nach § 4 Abs. 8 und 9 WRG 1959 bejaht. Eine solche Prüfung setzt aber verfahrensrechtlich das Vorliegen eines zulässigen und deshalb zur Einleitung eines Verfahrens nach § 4 Abs. 8 und 9 WRG 1959 geeigneten Antrages eines hiezu berechtigten Antragstellers voraus. Fehlt es einem Antragsteller aber wie im Beschwerdefall am Vorliegen eines von ihm vorweisbaren Rechtstitels für den Erwerb im Sinne des § 4 Abs. 9 WRG 1959, dann kann es zu der im zitierten Vorerkenntnis für möglich erachteten Vorfragenprüfung schon aus dem verfahrensrechtlichen Hindernis des Fehlens eines zulässig gestellten verfahrenseinleitenden Antrages nicht kommen. Daß die von den Beschwerdeführern vermißte "Vorfragenbeurteilung" in bezug auf die von ihnen geltend gemachten Rechtstitel mit jedem Ergebnis einer solchen Beurteilung zur Zurückweisung ihrer Anträge führen hätte müssen, wurde den Beschwerdeführern schon in den erstinstanzlichen Bescheiden zutreffend dargestellt.
Die Beschwerden erwiesen sich somit als unbegründet und waren deshalb gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Von der Durchführung der von den Beschwerdeführern beantragten mündlichen Verhandlung hat der Verwaltungsgerichtshof aus dem Grunde der unverändert in Kraft stehenden Bestimmung des § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG Abstand genommen, wozu er auch in einer Interpretation dieser Verfahrensvorschrift unter dem Aspekt des Art. 6 MRK umsomehr berechtigt war, als die Beschwerdefälle zivilrechtliche Ansprüche der Beschwerdeführer nicht berühren konnten. Gegenstand der Verwaltungsangelegenheit war nämlich ausschließlich ihre verfahrensrechtliche Berechtigung zur Einleitung eines Verfahrens zur Aufhebung der öffentlich-rechtlichen Zweckbindung von Grundflächen, die im Falle des Eigentumsrechtes der Beschwerdeführer an diesen Grundflächen gar nicht mehr vorliegen konnte.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.