VwGH vom 20.02.1990, 90/01/0010
Betreff
A gegen Bundesminister für Inneres vom , Zl. 400.457/2-II/13/89, betreffend Ausfolgungsantrag gemäß § 392 ABGB
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen, nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für Wien vom keine Folge und bestätigte den angefochtenen Bescheid. Mit diesem wiederum war der Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien, Fundbüro, vom bestätigt worden, womit der Antrag des Beschwerdeführers auf Ausfolgung der von ihm bei der Verwaltungsbehörde erster Instanz am abgegebenen Brieftasche (Inhalt S 5.028,--) abgewiesen worden war.
In der Begründung des angefochtenen Bescheides ging die belangte Behörde von folgendem Sachverhalt aus:
Am habe der Beschwerdeführer in der Toilettenanlage (Herrentoilette) beim Haupttor des Schlosses Schönbrunn - innerhalb der Schloßanlage - eine Brieftasche (mit Inhalt: S 5.028,--) aufgefunden und diese einem Sicherheitswacheorgan vor dem Haupteingang des Schlosses übergeben. Die Toilettenanlage stehe unter Aufsicht einer Toilettenfrau, die auch am besagten Tag ihren Dienst versehen habe.
Rechtlich wertete die belangte Behörde dies (unter Berufung auf zahlreiche im einzelnen zitierte Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes) dahin, daß die Brieftasche nicht als gewahrsamsfrei anzusehen gewesen sei, weil sie sich zur Zeit der "Bergung" durch den Beschwerdeführer in der Herrentoilette beim Haupttor des Schlosses Schönbrunn innerhalb der Schloßanlage befunden habe, wo am Tage der Auffindung eine Toilettenfrau Aufsichtsdienst gehabt habe. Ob sich die Toilettenfrau gerade zum Zeitpunkt des Auffindens der Brieftasche durch den Beschwerdeführer in der Anlage aufgehalten habe oder nicht, sei unbeachtlich.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem gesetzlich gewährleisteten Recht auf Ausfolgung einer gefundenen Sache in seine Gewahrsame als Finder verletzt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 392 ABGB bestimmt:
"Wird die gefundene Sache innerhalb der Jahresfrist von niemandem mit Recht angesprochen, so erhält der Finder das Recht, die Sache oder den daraus gelösten Wert zu benützen. Meldet sich der vorige Inhaber in der Folge, so muß ihm nach Abzug der Kosten und des Finderlohns die Sache oder der gelöste Wert samt den etwa daraus gezogenen Zinsen zurückgestellt werden. Erst nach der Verjährungszeit erlangt der Finder, gleich einem redlichen Besitzer, das Eigentumsrecht."
Die Beschwerde, die beide geltend gemachten Beschwerdegründe vermischt ausführt, bestreitet die ausdrückliche Sachverhaltsfeststellungen der belangten Behörde, daß die Toilettenanlage (Herrentoilette) beim Haupttor des Schlosses Schönbrunn innerhalb der Schloßanlage gelegen ist und unter der Aufsicht einer Toilettenfrau steht, die am ihren Dienst versah, nicht, argumentiert aber im Ergebnis dahin, es sei nicht geprüft worden, ob sich die Toilettenfrau ununterbrochen in der Toilettenanlage aufgehalten habe. Nur wenn man dies bejahen könnte, wäre eine Gewahrsame der Schloßhauptmannschaft anzunehmen gewesen.
Diesen Argumenten vermag sich der Verwaltungsgerichtshof nicht anzuschließen. Der Beschwerdeführer übersieht, daß nach herrschender Ansicht in der zivil- und strafrechtlichen Lehre und Judikatur Sachen, die zB in einem öffentlichen Verkehrsmittel, im Warteraum einer Bahnstation oder in Lokalitäten, die unter der Aufsicht eines anderen stehen (etwa: Gasthaus, Restaurant, Verkaufslokal usw) vergessen bzw. unbeabsichtigt zurückgelassen wurden, nicht als gewahrsamsfrei und damit nicht als verloren anzusehen sind (vgl. dazu insbesondere die von Leukauf-Steininger, Kommentar zum StGB (2. Auflage) in Rz 20 zu § 127 StGB referierte Judikatur; Pimmer in Schwimann, Praxiskommentar zum ABGB II Rz 6 zu § 388 ABGB; Spielbüchler in Rummel, Kommentar zum ABGB I Rz 3 zu § 388 ABGB; Klang in Klang, Kommentar zum ABGB (2. Auflage) II 258, 259).
Da es in allen genannten Beispielsfällen, wie überhaupt bei der Frage der Gewahrsame im Sinne des § 309 ABGB keineswegs um die ständige körperliche Verfügung des Inhabers über die Sache geht, sondern lediglich um die Tatsache, daß Gegenstände, die sich in einem bestimmten Bereich einer Person befinden, von anderen erfahrungsgemäß als fremdes Gut geachtet werden (Schey-Klang in Klang (2. Auflage) aaO 59 ebenso Spielbüchler in Rummel aaO Rz 2 zu § 309 ABGB), kommt es für die Frage, ob eine Sache gewahrsamsfrei ist oder nicht, keinesfalls auf die ständige körperliche Präsenz des in Verkehrsmitteln, Warteräumen oder Gastlokalen an sich tätigen Personals an, was auch für die Frage der unmittelbaren Anwesenheit der Toilettenfrau der Herrentoilettenanlage der Schönbrunner Schloßanlage zu gelten hat.
Da sohin bereits dem Beschwerdeinhalt zu entnehmen war, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.