VwGH vom 11.05.1990, 89/18/0193
Betreff
Dr. N gegen Wiener Landesregierung vom , Zl. MA 70-9/736/89/Str, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960.
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat der Bundeshauptstadt (Land) Wien Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Wiener Landesregierung vom wurde der Beschwerdeführer einer Verwaltungsübertretung nach § 24 Abs. 1 lit. a StVO 1960 für schuldig befunden, weil er am um 10.40 Uhr in Wien 1., Kohlmarkt 3, als Lenker eines dem Kennzeichen nach bestimmten Kraftfahrzeuges in einem beschilderten Halteverbot mit dem Zusatz: ausgenommen Ladetätigkeit von 6.00 bis
10.30 Uhr, gehalten habe. Über den Beschwerdeführer wurde daher unter Berufung auf § 99 Abs. 3 lit. a leg. cit. eine Geldstrafe in der Höhe von S 500,-- (Ersatzarreststrafe 30 Stunden) verhängt.
Über die gegen diesen Bescheid eingebrachte Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsstrafakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:
Es kann dahingestellt bleiben, ob der im Sinne des § 44 Abs. 1 StVO 1960 angefertigte Aktenvermerk über die Aufstellung der im Beschwerdefall maßgebenden Straßenverkehrszeichen dem § 16 Abs. 2 AVG 1950 ("Der Inhalt des Aktenvermerkes ist vom Amtsorgan durch Beisetzung von Datum und Unterschrift zu bestätigen.") auch insofern entspricht, als das unter dem Aktenvermerk angebrachte Handzeichen als Unterschrift zu qualifizieren ist, weil die - in dem vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten hg. Erkenntnis vom , Slg. N.F. Nr. 7742/A, erörterte - Frage der Beweiskraft dieses Aktenvermerkes angesichts des unbestritten gebliebenen Umstandes unerheblich ist, daß das in Rede stehende Straßenverkehrszeichen vor der Begehung der dem Beschwerdeführer angelasteten Übertretung im Tatortbereich aufgestellt war, sodaß die diesem Verkehrszeichen zugrundeliegende Verordnung im Hinblick auf die Vorschrift des ersten Satzes des § 44 Abs. 1 StVO 1960 zur Tatzeit jedenfalls in Kraft gestanden ist. Im übrigen ist in Erwiderung auf ein diesbezügliches Beschwerdevorbringen festzuhalten, daß den Parteien zufolge § 44 Abs. 1 dritter Satz leg. cit.
- lediglich - Einsicht in einen solchen Aktenvermerk, welcher den ZEITPUNKT der erfolgten Anbringung festzuhalten hat, zu gestatten ist, weshalb der Beschwerdeführer nicht dadurch in seinen Rechten verletzt worden ist, daß ihm die belangte Behörde in eine mit der Verordnung zusammenhängende Skizze nicht Einsicht gewährt hat.
Selbst wenn man dem Beschwerdeführer folgend davon ausgeht, daß entlang des in der Tatortumschreibung genannten "Hauses Kohlmarkt 3 ca. 4 bis 5 Autos stehen können", bestehen auch unter dem im hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom , Slg. N.F. Nr. 11.894/A, als wesentlich angesehenen Kriterien des Konkretisierungsgebotes des § 44 a lit. a VStG 1950 gegen die gewählte Tatortumschreibung keine Bedenken, zumal keine Anhaltspunkte dafür bestehen, daß dem Beschwerdeführer in einem weiteren Verwaltungsstrafverfahren eine im gegenständlichen Tatortbereich in zeitlicher Nähe zu der im angefochtenen Bescheid angenommenen Tatzeit begangene gleichartige Verwaltungsübertretung angelastet worden ist und sohin die Gefahr einer Doppelbestrafung bestünde. Einer erst jetzt erfolgenden Einleitung eines solchen Verfahrens stünden aber die Verjährungsbestimmungen des § 31 Abs. 1 VStG 1950 entgegen.
Der belangten Behörde kann nicht der Vorwurf einer im Sinne des § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG relevanten Verletzung von Verfahrensvorschriften gemacht werden, wenn sie dem Antrag des Beschwerdeführers auf Durchführung eines Erkundungsbeweises über die gesetzeskonforme Aufstellung der im Beschwerdefall maßgeblichen Straßenverkehrszeichen nicht entsprochen hat, weil es Aufgabe des Beschwerdeführers gewesen wäre, allfällige Mängel der ordentlichen Kundmachung der Verordnung im Verwaltungsstrafverfahren konkret vorzubringen (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 85/02/0284).
Dem auf § 96 Abs. 2 StVO 1960 gestützten Beschwerdevorbringen ist zu entgegnen, daß selbst das Unterbleiben der in dieser Bestimmung vorgesehenen Überprüfung der Erforderlichkeit aller Einrichtungen zur Regelung und Sicherung des Verkehrs nicht zur Folge hat, daß die der jeweiligen Einrichtung allenfalls zugrundeliegende Verordnung schon allein deshalb ex lege außer Kraft tritt. Die belangte Behörde hatte die im Beschwerdefall maßgebende Halteverbotsverordnung demnach anzuwenden, und es gibt keine Bestimmung, welche die Behörde verpflichtet, sich mit der Frage der Gesetzmäßigkeit einer Verordnung auseinanderzusetzen, darüber Beweise abzuführen und in diesem Zusammenhang ihre Erwägungen in die Bescheidbegründung aufzunehmen (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 82/02/0164). Im übrigen hat der Beschwerdeführer nicht zu erkennen gegeben, auf Grund welcher konkreten Umstände das im Tatortbereich angeordnete Halteverbot nicht mehr gesetzmäßig gewesen sein soll, weshalb für den Gerichtshof keine Veranlassung besteht, einen Antrag im Sinne des Art. 139 B-VG zu stellen. Schließlich wäre es dem Beschwerdeführer unbenommen geblieben, allfällige diesbezügliche Bedenken in einer Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 1 B-VG an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen.
Dem Vorbringen des Beschwerdeführers, er habe während des Verwaltungsstrafverfahrens den Antrag gestellt, den Meldungsleger unter Beachtung des § 44 Abs. 3 AVG 1950 zu vernehmen, er habe nicht auf die Verlesung der Verhandlungsschrift verzichtet, und es genüge nicht, daß der Meldungsleger seine Aussage allenfalls gelesen habe, ist zu entgegnen, daß der Meldungsleger am als Zeuge einvernommen und darüber, wie dem verwendeten Vordruck zu entnehmen ist, eine Niederschrift im Sinne des § 14 AVG 1950 aufgenommen worden ist. Es hat demnach gar keine Verhandlung im Sinne des § 44 Abs. 3 AVG 1950 stattgefunden. Ob die Verhandlungsschrift, welche vor Erlassung der Halteverbotsverordnung aufgenommen worden ist, vom Verhandlungsleiter verlesen worden ist, bedarf im gegebenen Zusammenhang keiner Erörterung, weil dies für die im Beschwerdefall zu prüfende Frage, ob durch den angefochtenen Bescheid Rechte des Beschwerdeführers verletzt worden sind, ohne rechtliche Bedeutung ist.
Da der Beschwerdeführer nicht konkret aufgezeigt hat und auch für den Gerichtshof nicht zu erkennen ist, inwiefern die Beweiswürdigung der belangten Behörde in dem der Kontrolle des Gerichtshofes unterliegenden Bereich (vgl. dazu u.a. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 85/18/0034) fehlerhaft sein soll, vermag der Beschwerdeführer mit seinem diesbezüglichen Vorbringen für seinen Standpunkt nichts zu gewinnen.
Der Vorwurf des Beschwerdeführers, die belangte Behörde hätte das erstinstanzliche Straferkenntnis gemäß § 66 Abs. 2 AVG 1950 beheben müssen, ist unbegründet, weil die Berufungsbehörde gemäß § 66 Abs. 1 AVG 1950 (§ 24 VStG 1950) notwendige Ergänzungen des Ermittlungsverfahrens auch selbst vornehmen darf und für die belangte Behörde im Beschwerdefall nach der Aktenlage keine Veranlassung bestanden hat, wegen mangelnder Sachverhaltsfeststellung durch die Behörde erster Instanz im Sinne des § 66 Abs. 2 AVG 1950 vorzugehen.
Die belangte Behörde hat im Zusammenhang mit der Strafbemessung eine einschlägige Verwaltungsstrafe des Beschwerdeführers als erschwerend gewertet sowie "das überdurchschnittliche Einkommen, die Vermögenslosigkeit und die Sorgepflicht für die Ehefrau und 1 Kind berücksichtigt", wobei dem im Akt erliegenden Polizeibericht vom zu entnehmen ist, daß der Beschwerdeführer über ein monatliches Einkommen in der Höhe von S 20.000,-- verfügt. Wenn der Beschwerdeführer nunmehr meint, "weder das festgestellte überdurchschnittliche Einkommen noch die angebliche Vermögenslosigkeit sind richtig", so muß darauf hingewiesen werden, daß der Beschwerdeführer in der Beschwerde keine konkreten Angaben über jene Höhe des Einkommens gemacht hat, von welcher die belangte Behörde seiner Meinung nach auszugehen gehabt hätte, weshalb auch der Gerichtshof nicht beurteilen kann, ob der geltend gemachte Verfahrensmangel im Sinne des § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wesentlich ist, also zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führen muß (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 87/02/0200, und die darin zitierte Vorjudikatur). Wenn die belangte Behörde entsprechend dem wiedergegebenen Beschwerdevorbringen zu Unrecht von "angeblicher Vermögenslosigkeit" des Beschwerdeführers ausgegangen sein sollte, dann spricht dies nicht gegen die Höhe der verhängten Geldstrafe. Im übrigen kann aber der belangten Behörde keine gesetzwidrige Ermessensübung vorgeworfen werden, wenn sie unter den gegebenen Umständen eine Geldstrafe im Ausmaß von lediglich fünf Prozent des im § 99 Abs. 3 lit. a StVO 1960 festgelegten Strafrahmens verhängt hat.
Die Beschwerde erweist sich sohin als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.