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VwGH vom 16.11.1993, 93/07/0022

VwGH vom 16.11.1993, 93/07/0022

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Hargassner und Dr. Bumberger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Möslinger-Gehmayr, über die Beschwerde des J in R, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in F, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom , Zl. VwSen-200008/8/Kl/Rd, betreffend Übertretung des Futtermittelgesetzes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe als verwaltungsstrafrechtlich verantwortlicher handelsrechtlicher Geschäftsführer und zur Vertretung nach außen berufenes Organ der S. GesmbH & Co. KG, wie anläßlich einer am im Betrieb des B. in T. von der Bundesanstalt für Agrarbiologie durchgeführten Futtermittelkontrolle festgestellt worden sei, das Beimischfutter mit der Bezeichnung "Kalbilyt" Reg. Nr.: A 10579 am an den kontrollierten Betrieb ausgeliefert (13 Kübeln a 2 kg) und dadurch in Verkehr gebracht, wobei der festgestellte Gehalt an Kobalt (1,6 mg/kg) um 84 %, an Molybdän (0,3 mg/kg) um 97 % und an Selen 0,4 mg/kg) um 93,3 %, somit mehr als die gesetzlich zulässigen 20 % vom angegebenen und garantierten Gehalt (Kobalt und Molybdän 10 mg/kg, Selen 6 mg/kg) nach der wertvermindernden Seite hin abgewichen sei. Der Beschwerdeführer habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach den §§ 7 Abs. 2 und 10 Abs. 1 und 2 des Futtermittelgesetzes, BGBl. Nr. 97/1952 (FMG) iVm § 8 Abs. 1 der Futtermittelverordnung 1976, BGBl. Nr. 28/1977 (FMVO) begangen. Gemäß § 15 Abs. 1 FMG wurde über den Beschwerdeführer eine Geldstrafe in der Höhe von S 2.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 4 Tage) verhängt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vorgelegt und in der Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhalts bringt der Beschwerdeführer vor, die verfahrensgegenständlichen Spurenelemente Molybdän, Kobalt und Selen seien nicht in der Spalte 2 der Anlage zur FMVO angeführt und daher keine wertbestimmenden Bestandteile. Es handle sich um Zusatzstoffe, die nur in der Spalte 4 der Anlage mit dem Hinweis angeführt seien, daß sie enthalten sein dürften, aber nicht enthalten sein müßten. Unzulässig sei lediglich eine Überschreitung der angegebenen Höchstwerte, nicht aber eine Abweichung nach der wertvermindernden Seite hin.

§ 15 Abs. 1 FMG erklärt Zuwiderhandlungen gegen die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes oder der aufgrund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnung zu Verwaltungsübertretungen.

Nach § 7 Abs. 2 FMG dürfen die in das Register nach § 6 Abs. 1 leg. cit. eingetragenen Futtermittel nur in der im Register festgehaltenen chemischen und physikalischen Beschaffenheit (lit. a) und mit einer der Eintragung in das Register entsprechenden Handelsbezeichnung und - soweit dies vom Bundesministererium für Land- und Forstwirtschaft durch Verordnung vorgeschrieben wird - mit der Angabe des Verwendungszweckes, der Herkunft, der verarbeiteten Rohstoffe und ihres Mischungsverhältnisses, der Art und des Zeitpunktes der Herstellung sowie des Gehaltes an wertbestimmenden Bestandteilen (lit. b) gewerbsmäßig veräußert, feilgeboten oder sonst in Verkehr gebracht werden.

Bei dem Produkt "Kalbilyt" handelt es sich um ein in das Register eingetragenes Futtermittel, und zwar um ein Beimischfutter zur Herstellung von Milchaustauschfutter zur Kälbermast und Milchaustauschfutter zur Kälberaufzucht (Positionen 03.01 und 03.02 des Teiles II der FMVO).

Für Beimischfutter (Zwischenprodukte zur Herstellung von Allein- und Ergänzungsfutter) bestimmt Teil I Z. 7 der Anlage zur FMVO, daß diese mit einer Mischanleitung versehen sein müssen und daß die wertbestimmenden Bestandteile des Beimischfutters anzugeben sind. Für das in Rede stehende Produkt besteht daher aufgrund des § 7 Abs. 2 lit. b FMG iVm Teil I Z. 7 FMVO die Verpflichtung zur Angabe des Gehaltes an wertbestimmenden Bestandteilen.

Nach § 8 Abs. 1 FMVO gelten die Angaben über den Gehalt an wertbestimmenden Bestandteilen noch als richtig und die vorgeschriebenen Gehaltszahlen noch als erfüllt, wenn der festgestellte Gehalt nach der wertvermindernden Seite hin nicht mehr abweicht, als in den nachstehenden Bestimmungen angeführt. Für Spurenelemente - dazu zählen Kobalt, Molybdän und Selen - ist eine Abweichung von 20 % des angegebenen oder vorgeschriebenen Gehaltes zugelassen. Darüber hinausgehende Abweichungen sind unzulässig.

Im Beschwerdefall ist unbestritten, daß im Futtermittelregister sowie im konkreten Beipackzettel ein Gehalt bei Kobalt von 10 mg/kg, bei Molybdän von 10 mg/kg und bei Selen von 6 mg/kg angegeben wurde. Bei der Probenuntersuchung wurden Gehaltswerte von 1,6 mg/kg Kobalt, 0,3 mg/kg Molybdän und 0,4 mg/kg Selen festgestellt, also Abweichungen von 84 %, 97 % und 93,3 %.

Im Teil II (besondere Bestimmungen) der FMVO enthält die Spalte 2 die Überschrift "wertbestimmende Bestandteile (zu garantierende Werte) Mindest- und Höchstgehalte", während Spalte 4 die Überschrift "Zusatzstoffe" (Teil III), die enthalten sein dürfen (mg/kg). (Die angegebenen Höchstwerte dürfen nicht überschritten werden; angegebene Zusatzstoffe ohne Höchstwertangabe dürfen unbegrenzt verwendet werden. Mit einem Sternchen bezeichnete Werte dürfen weder über-- noch unterschritten werden)" trägt. Bei den Positionen 03.01 und 03.02 (Milchaustauschfutter zur Kälbermast und Milchaustauschfutter zur Kälberaufzucht), zu deren Herstellung das Beimischfutter "Kalbilyt" dient, findet sich keines der Spurenelemente Kobalt, Molybdän oder Selen; diese sind vielmehr in der Spalte 4 enthalten. Aus den Spaltenüberschriften schließt der Beschwerdeführer offenbar, daß nur die in Spalte 2 angegebenen Stoffe als wertbestimmende Bestandteile einzustufen sind. Diese Auffassung trifft indes nicht zu. Dies ergibt sich eindeutig aus § 39 Abs. 2 I Z. 1 lit. d FMVO, wonach im Register unter Anweisung einer Registernummer die vom Anzeiger gemäß Spalte 2 und bei Verwendung von Zusatzstoffen auch gemäß Spalte 4 des Teiles II der Anlage garantierten wertbestimmenden Bestandteile einzutragen sind. Daraus geht hervor, daß der Verordnungsgeber auch die Stoffe in Spalte 4 des Teiles II der Anlage zur FMVO als wertbestimmende Bestandteile betrachtet und zwar, da die Spalte 4 diesbezüglich nicht differenziert, alle dort genannten Stoffe, sofern es sich um vom Anzeiger "garantierte" handelt, worunter solche zu verstehen sind, die bei der Anmeldung zum Register angegeben werden. Auch aus § 8 FMVO ergibt sich die Einstufung von Stoffen der Spalte 4 der Anlage als wertbestimmende Bestandteile, da dort einerseits Spurenelemente ausdrücklich angeführt sind und andererseits im Absatz 2 auch ausdrücklich auf die Stoffe der Spalte 4 Bezug genommen wird.

Der Beschwerdeführer irrt auch, wenn er meint, lediglich eine Überschreitung des in der Spalte 4 angegebenen Höchstwertes sei unzulässig, nicht hingegen ein Unterschreiten der in der Anmeldung zum Register bzw. im Beipackzettel angegebenen Werte. § 8 FMVO spricht auf der einen Seite vom "angegebenen", auf der anderen vom "zugelassenen" bzw. "vorgeschriebenen" Gehalt. Unter dem angegebenen Gehalt ist der in der Anmeldung zum Register bzw. beim Inverkehrbringen angegebene Wert zu verstehen, wie sich aus dem Umstand ergibt, daß der Terminus "angeben" im Zusammenhang mit dem Gehalt an wertbestimmenden Bestandteilen in diesem Sinne im § 4 Abs. 2 lit. e FMG bzw. an verschiedenen Stellen der FMVO, z.B. im Teil I Z. 7, verwendet wird. Die Unterschreitung des auf dem Beipackzettel angegebenen Gehaltes an Kobalt, Molybdän und Selen um mehr als die im § 8 FMVO zugelassenen Margen war daher unzulässig.

Wenn der Beschwerdeführer meint, Anzeige wegen Übertretung des FMG sei nur zu erstatten, wenn Schäden für das menschliche oder tierische Leben zu erwarten seien oder eine unökonomische Verwendung von Futtermittel unterbunden werden solle oder finanzielle Vorteile für den Betrieb bzw. korrespondierend finanzielle Nachteile für den Tierhalter vorliegen könnten, so ist ihm zu erwidern, daß für eine solche Auffassung das FMG bzw. die FMVO keine Grundlage bieten.

Der Beschwerdeführer wendet weiter ein, falls die rechtliche Beurteilung im angefochtenen Bescheid richtig sei, daß die Zusatzstoffe durch die Angabe eines Wertes bei der Registrierung zu wertbestimmenden Bestandteilen gemacht würden, so sei eine solche Auslegung des Gesetzes für den juristischen Laien nicht erkennbar. Es läge daher ein entschuldbarer Irrtum seitens des Beschwerdeführers im Sinne des § 5 Abs. 2 VStG vor.

Nach § 5 Abs. 2 VStG entschuldigt Unkenntnis der Verwaltungsvorschriften, der der Täter zuwidergehandelt hat, nur dann, wenn dies erwiesenermaßen unverschuldet ist und der Täter das Unerlaubte seines Verhaltens ohne Kenntnis der Verwaltungsvorschrift nicht einsehen konnte.

Dem Beschwerdeführer ist zuzugeben, daß die Auslegung des LMG und der LMVO für einen juristischen Laien mit Schwierigkeiten verbunden sein kann. Es wäre daher Sache des Beschwerdeführers gewesen, sich bei der zuständigen Behörde oder bei der gesetzlichen beruflichen Vertretung über den Inhalt dieser Normwerke zu informieren. Dem kann auch nicht entgegengehalten werden, hiefür habe der Beschwerdeführer unverschuldet keine Notwendigkeit gesehen, da für ihn die Auslegung klar auf der Hand gelegen sei. Diese Argumentation geht deshalb ins Leere, weil bei gehöriger Aufmerksamkeit auch einem juristischen Laien klar sein mußte, daß eine Interpretation des LMG und der LMVO, wie sie der Beschwerdeführer vornimmt, nicht die naheliegende sei. Ein Schuldausschließungsgrund liegt daher nicht vor.

Weiters macht der Beschwerdeführer geltend, er habe bereits im Zuge des Verwaltungsstrafverfahrens als mögliche Ursache für die beanstandete Abweichung zwischen angegebenem und tatsächlich festgestelltem Gehalt an wertbestimmenden Bestandteilen einen Fehler in den zugekauften und beigemischten Rohprodukten angegeben und die Einholung eines Sachverständigengutachtens hiezu beantragt. Weiters habe er vorgebracht, eine Fehlerquelle könnte auch in einer Unaufmerksamkeit des Personals trotz ausreichender Überwachung gelegen sei. Zum Beweis habe er seine und seines Bruders Vernehmung angeboten. Es gäbe keine Mischer, die eine einwandfreie Aufteilung von z.B. 6 dkg auf 10 kg gleichmäßig durchführen könnten. Im angefochtenen Bescheid werde lediglich darauf hingewiesen, daß er seiner Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen sei bzw. keine geeigneten Beweismittel angeboten habe. Diese Ansicht sei unrichtig.

Zum Tatbestand der dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Verwaltungsübertretung gehört weder der Eintritt eines Schadens noch einer Gefahr. Es handelt sich um ein sogenanntes Ungehorsamsdelikt. Dies bedeutet, daß es dem Beschwerdeführer oblag, glaubhaft zu machen, daß ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden traf.

Der Beschwerdeführer hat im Verwaltungsstrafverfahren eine Reihe von möglichen Ursachen - neben den in der Beschwerde angeführten auch noch Fehler bei der Probenuntersuchung - als denkbare Gründe für die festgestellten Abweichungen präsentiert und die Behörde aufgefordert, durch Einholung eines Sachverständigengutachtens bzw. durch Zeugeneinvernahme festzustellen, auf welche dieser möglichen Ursachen die Abweichung zurückzuführen sei. Damit hat er aber nicht glaubhaft gemacht, daß ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft. Es wäre Sache des Beschwerdeführers gewesen, durch entsprechende Unterlagen darzulegen, daß die Abweichungen auf die von ihm angeführten Fehler zurückzuführen seien und daß in seinem Betrieb ein Kontrollsystem installiert sei, welches nach menschlichem Ermessen solche Fehler grundsätzlich ausschließe. In bezug auf die potentielle Fehlerquelle beim zugekauften Futter hat der Beschwerdeführer überhaupt nichts vorgebracht, was darauf schließen ließe, daß im Betrieb Vorkehrungen bestünden, um derlei nach Möglichkeit zu verhindern. Wenn es - worauf das Argument mit den Mischern hinzudeuten scheint - technisch nicht möglich sein sollte, zu gewährleisten, daß nur Futtermittel in den Verkehr gelangen, die der angegebenen Zusammensetzung entsprechen, dann dürfte der Beschwerdeführer eben keine solche Zusammensetzung garantieren.

Hinsichtlich möglicher Fehlerquellen beim Personal hat der Beschwerdeführer im Zuge des Verwaltungsstafverfahrens vorgebracht, er überwache stichprobenartig täglich, zumindest jedoch mehrmals in der Woche das diesbezüglich eingesetzte Personal. Derartige Überwachungen würden auch von seinem Bruder durchgeführt. Auch mit diesem Vorbringen wird kein adäquates Kontrollsystem dokumentiert (vgl. die bei Hauer-Leukauf, Handbuch des Österreichischen Verwaltungsverfahrens4, S. 720 angeführte Rechtsprechung). Dazu hätte es einer Darstellung der Aufbau- und Ablauforganisation der Produktion im Betrieb des Beschwerdeführers und insbesondere der Einbindung des Personals in den Produktionsprozeß und einer darauf bezogenen Erörterung der Kontrollmaßnahmen bedurft. Nur eine solche Darstellung ließe verläßliche Schlüsse darüber zu, ob die Kontrolle des Personals - der Beschwerdeführer erläutert auch nicht näher den Kontrollvorgang und was dieser bewirken soll - ausreichte, um Fehler des Personals zu verhindern und ob nicht vielmehr eine produktbezogene Qualitätskontrolle erforderlich gewesen wäre.

Schließlich bemängelt der Beschwerdeführer die Strafbemessung. Es handle sich um schwierige Mischungen, er sei unbescholten, was den Schluß zulasse, daß derartige Übertretungen normalerweise bei der von ihm geführten Firma nicht vorkämen und es sei kein Schaden für die Gesundheit von Mensch oder Tier zu erwarten; es seien daher die Voraussetzungen für die Anwendung des § 21 VStG erfüllt.

Nach § 21 Abs. 1 VStG kann die Behörde ohne weiteres Verfahren von der Verhängung einer Strafe absehen, wenn das Verschulden des Beschuldigten geringfügig ist und die Folgen der Übertretung unbedeutend sind. Sie kann den Beschuldigten jedoch gleichzeitig unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens mit Bescheid ermahnen, sofern dies erforderlich ist, um den Beschuldigten von weiteren strafbaren Handlungen gleicher Art abzuhalten.

Eine Anwendung des § 21 Abs. 1 VStG kommt nur dann in Betracht, wenn das tatbildmäßige Verhalten des Täters hinter dem in der betreffenden Strafdrohung typisierten unrechts- und schuldgehalterheblich zurückbleibt (vgl. die bei Hauer-Leukauf, aaO, S. 817 angeführte Rechtsprechung). Diese Voraussetzungen liegen im Beschwerdefall nicht vor. Die Anwendung des § 21 VStG kam daher nicht in Betracht.

Aus den dargelegten Erwägungen erweist sich die Beschwerde als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.