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VwGH vom 19.12.1996, 93/06/0229

VwGH vom 19.12.1996, 93/06/0229

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten und Dr. Köhler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. König, über die Beschwerde der G-GesmbH in W, vertreten durch Dr. B, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Bauberufungskommission der Landeshauptstadt Salzburg vom , Zl. MD/00/67808/93/11 (BBK/44/93), betreffend eine Bewilligung nach dem Salzburger Ortsbildschutzgesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat der Landeshauptstadt Salzburg Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

Im Jahre 1981 hatte die Beschwerdeführerin aufgrund einer auf fünf Jahre befristeten baurechtlichen Bewilligung auf der Gp 1148/1, KG M, eine Ankündigungsanlage, bestehend aus fünf Plakattafeln (drei Tafeln mit einer Länge von 5,10 m, zwei Tafeln mit einer Länge von 3,60 m und entsprechende Verbindungsteile, Gesamtlänge der Anlage 23,5 m, Gesamthöhe 3 m), errichtet. Die Werbetafeln befinden sich im Bereich einer Autobushaltestelle in der Randzone des Flugfeldes des Flughafens Salzburg in der sogenannten K-Siedlung. Gegenüber der Busbucht und der verfahrensgegenständlichen Anlage befindet sich eine als Spielplatz ausgestaltete Grünfläche. Hinter der Werbeanlage stehen Fichten, die die Plakatwand überragen, bzw. befindet sich neben der Fichtenpflanzung ein Lagerplatz.

Mit Bescheid vom wies der Magistrat der Landeshauptstadt Salzburg den von der Beschwerdeführerin nach Ablauf der Befristung gestellten Antrag auf neuerliche Bewilligung gemäß § 6 Abs. 1 und 3 Salzburger Ortsbildschutzgesetz, LGBl. Nr. 1/1975, in der Fassung LGBl. Nr. 46/1980, 76/1986, 101/1992 und 48/1993, ab und begründete dies im wesentlichen mit der von den Werbetafeln ausgehenden, in verschiedenen Amtssachverständigengutachten festgestellten Störung und Verunstaltung des Ortsbildes (in den Gutachten wird insbesondere auf die positiven Veränderungen des Ortsbildes in der Zeit nach der Aufstellung der Plakattafeln hingewiesen, so vor allem auf die Errichtung des Kinderspielplatzes, die Bepflanzung beiderseits der Straße und die Errichtung von Gebäuden, durch welche eine Verbesserung des Straßenbildes erreicht worden sei).

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung verwies die Beschwerdeführerin auf das von ihr eingeholte Privatgutachten, demzufolge es weder die nähere noch die weitere Umgebung erlaubten, von einem schützenswerten Ortsbild zu sprechen. Vielmehr bilde die Situierung der Tafeln im Rückenbereich der Bushaltestelle einen signifikanten Hinweis auf die Haltestelle selbst. Derartige Tafeln kämen in der gewählten Ausführung in ländlichen Gegenden immer wieder vor. Die Beschwerdeführerin wandte sich gegen die von der Behörde eingeholten, die Ortsbildstörung feststellenden Amtssachverständigengutachten, die wegen offensichtlicher Oberflächlichkeit sachlich unzureichend seien. In einem von der Behörde eingeholten weiteren Gutachten (vom ) wurde seitens des Amtssachverständigen festgestellt, daß die gegenständlichen Großflächenplakate im Orts-, Straßen- und Landschaftsbild in einer eine Störung und Verunstaltung verursachenden Weise in Erscheinung träten. Zwar liege die farbliche Reizwirkung einer mit wechselnden Plakaten beklebten Großflächenplakatwand im Wesen der plakativen Werbung begründet. Im konkreten Fall stünden die Werbetafeln jedoch zu dem durch Ausgewogenheit und durch weitgehend werbefreien Straßenraum geprägten Ortsbild in klarem Widerspruch. Unter Zugrundelegung dieser gutachterlichen Feststellungen wies die belangte Behörde mit Bescheid vom die Berufung der Beschwerdeführerin ab.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde begehrt.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die Beschwerdeführerin wendet sich im wesentlichen gegen die von der belangten Behörde vertretene Auffassung, die Plakattafeln hätten eine störende und verunstaltende Wirkung. Das dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegte Amtsgutachten erwecke völlig zu Unrecht den Eindruck einer Naturidylle. Die sich auf der Liegenschaft des Flughafens befindlichen Tafeln seien in unmittelbarer Nähe einer mit Werbetafeln versehenen Unterführung und eines Buswartehäuschens. Die vom Gutachter getätigten Ausführungen über die Lichtmasten, welche ein den Straßenraum in positiver Form gestaltendes Element darstellten, zeigten deutlich die offensichtlich plakatfeindliche Grundeinstellung des Sachverständigen, der eine durch die Tafeln verursachte Störung des durch moderne Lichtmasten geprägten Ortsbildes festgestellt hätte.

Der Blick auf die hinter den Plakattafeln gepflanzten Fichten sowie auf die am Horizont auftretende Bergsilhouette werde nach Meinung des Gutachters beeinträchtigt. Nach Auffassung der Beschwerdeführerin könne entgegen den diesbezüglichen Feststellungen des Gutachters auch ohne Vorhandensein der Werbetafeln nicht in die freie Landschaft geblickt werden. Die dem Akt beigelegten Fotos seien so aufgenommen worden, daß die Tafeln allgegenwärtig erschienen. Dies sei in der Beweiswürdigung ebensowenig berücksichtigt worden wie der Umstand, daß die Werbetafeln immerhin den Blick auf das "nicht sehr schöne" Gebäude einer Gerüstverleihfirma verhinderten.

Insgesamt wäre die Bewilligung nach § 6 Ortsbildschutzgesetz aufgrund mangelnder Störung und Verunstaltung des Ortsbildes zu erteilen gewesen.

2. Dazu ist folgendes festzustellen:

Gemäß § 39 Abs. 2 AVG hat die Behörde bei der Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes von Amts wegen vorzugehen und unter Beobachtung der Vorschriften des AVG den Gang des Ermittlungsverfahrens zu bestimmen. Zweck des Ermittlungsverfahrens ist neben der Wahrung des Parteiengehörs die Feststellung des maßgebenden, d.h. des für die zu treffende Entscheidung aufgrund der anzuwendenden Rechtsvorschrift relevanten Sachverhaltes.

§ 52 AVG sieht als ein der Erforschung der materiellen Wahrheit dienendes Mittel die Beweisaufnahme durch Sachverständige vor, deren Beiziehung dann zu erfolgen hat, wenn es "notwendig" ist (d.h. wenn für die Feststellung der maßgeblichen Sachverhaltselemente besondere Fachkenntnisse nötig sind).

Der Verwaltungsgerichtshof hat zu vergleichbaren Ortsbildschutzbestimmungen mehrfach ausgesprochen, daß die Behörde zur Frage, ob eine Plakattafel das Ortsbild stört, das Gutachten eines Sachverständigen einzuholen hat (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 84/06/0183, vom , Zl. 89/05/0191, und vom , Zl. 90/05/0092).

Im gegenständlichen Verwaltungsverfahren wurden insgesamt drei Amtssachverständigengutachten zur Frage der durch die Werbetafeln verursachten Störung des Ortsbildes eingeholt. Alle drei Gutachter kamen zum Ergebnis, daß die Ankündigungsanlage eine Störung des Ortsbildes im Sinne des § 6 Salzburger Ortsbildschutzgesetz verursache. Die Beschwerdeführerin trat den beiden ersten Amtssachverständigengutachten durch Einholung eines Privatgutachtens (dessen Verfasser gerichtlich beeideter Sachverständiger für Hochbau und Architektur, Stadtbildpflege, Denkmalschutz, Stadt- und Landesplanung ist) entgegen.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat die Behörde bei einander widersprechenden Gutachten nach den Grundsätzen der freien Beweiswürdigung zu prüfen, welchem von ihnen höherer Glaube beizumessen ist. Dabei hat sie jene Gedankengänge aufzuzeigen, die sie veranlaßt haben, von den an sich gleichwertigen Beweismitteln dem einen einen höheren Beweiswert zuzubilligen als dem anderen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 85/18/0061, oder vom , Zl. 85/17/0086). Die Aussagen von Amts- und Privatsachverständigen besitzen grundsätzlich den gleichen verfahrensrechtlichen Beweiswert. Der Wert eines Beweismittels muß stets nach seiner Beweiskraft, d.h. nach der Schlüssigkeit der Aussagen, beurteilt werden.

Auf dem Boden dieser Rechtslage kann der belangten Behörde kein Vorwurf gemacht werden, die von ihr eingeholten schlüssigen und begründeten Sachverständigengutachten ihrer Entscheidung zugrundegelegt zu haben. Dies umsoweniger, als die belangte Behörde als Folge der von der Beschwerdeführerin eingebrachten Berufung, in der sie auf die Ausführungen des von ihr bestellten Sachverständigen verwiesen hat, ein ergänzendes Amtssachverständigengutachten eingeholt hat, in dem neuerlich eingehend ein Befund betreffend das bestehende Ortsbild und ein Gutachten zur Auswirkung der Plakatanlage auf das Ortsbild erstattet wird.

3. § 6 Abs. 1 und 3 Salzburger Ortsbildschutzgesetz, LGBl. Nr. 1/1975 in der Fassung der Novellen LGBl. Nr. 46/1980, 76/1986, 101/1992 und 48/1993, lauten:

"(1) Die Errichtung und die nicht nur geringfügige Änderung von Anlagen, die für die Anbringung wechselnder Ankündigungen gemäß § 4 Abs. 1 bestimmt sind (Plakatwände, Litfaßsäulen u. dgl.) bedarf einer Bewilligung. Als Errichtung gilt auch die Widmung baulicher oder sonstiger Anlagen oder von Teilen hievon für solche Zwecke.

...

(3) Die Bewilligung ist zu erteilen, wenn durch die Ankündigungsanlage unter Berücksichtigung der darauf vorzunehmenden Ankündigungen das Ortsbild weder gestört noch verunstaltet wird. Zur Sicherstellung dieses Erfordernisses kann die Bewilligung auch unter Auflagen erteilt werden."

Den der Berufungsentscheidung der belangten Behörde zugrunde gelegten Ausführungen des Amtssachverständigen setzt die Beschwerdeführerin im wesentlichen die aus dem von ihr in Auftrag gegebenen Gutachten übernommene Aussage gegenüber, daß im fraglichen Bereich kein schützenswertes Ortsbild gegeben sei. Diese Aussage wird aber in diesem Gutachten nicht näher belegt; der belangten Behörde kann daher nicht entgegengetreten werden, wenn sie aus den Gutachten der Amtssachverständigen im Hinblick auf die darin beschriebenen Gegebenheiten den Schluß gezogen hat, daß sehr wohl ein schützenswertes Ortsbild vorliege. Dies auch im Hinblick darauf, daß unter "Ortsbild" im Sinne des Salzburger Ortsbildschutzgesetzes gemäß § 1 des Gesetzes "das allgemein wahrnehmbare und vorwiegend durch Bauten und sonstige bauliche Anlagen geprägte Bild einer Stadt, eines Ortes oder von Teilen hievon" zu verstehen ist.

Es kommt entgegen den Ausführungen der Beschwerdeführerin bei der Frage der Störung des Ortsbildes nicht darauf an, wieviele andere Werbetafeln sich in der näheren Umgebung befinden, oder ob durch die verfahrensgegenständlichen Werbetafeln ein wenig schönes Gebäude abgedeckt wird (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 92/05/0242). Zu beurteilen ist ausschließlich die von den konkreten Werbetafeln ausgehende Störung im Verhältnis zum Gesamteindruck des Orts- und Landschaftsbildes. Die belangte Behörde hat dazu im angefochtenen Bescheid unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zutreffend darauf hingewiesen, daß es nicht auf das Vorhandensein einzelner störender Objekte ankomme. Der Verwaltungsgerichtshof kann - auch vor dem Hintergrund der im Akt erliegenden Fotos - die Beweiswürdigung der belangten Behörde, die im Anschluß an die Sachverständigengutachten von einer Störung des Ortsbildes durch die gegenständliche Anlage ausgegangen ist, nicht als unschlüssig erkennen. Vor allem ist in rechtlicher Hinsicht darauf hinzuweisen, daß die Beurteilung, ob eine solche Störung vorliegt, nicht aufgrund bestimmter, ausgewählter Betrachtungspunkte zu erfolgen hat. Dem im Gutachten, das die Beschwerdeführerin vorgelegt hat, betonten Umstand, daß die Anlage für auf der Straße herannahende Fahrzeuglenker aus einer Richtung kommend erst spät sichtbar würde, kommt daher keine ausschlaggebende Bedeutung zu, da unbestritten ist, daß die Anlage aus anderen Blickwinkeln - und zwar nicht nur von der Straße - deutlich wahrnehmbar ist; auch insoweit erscheint die Beweiswürdigung der belangten Behörde, die diesen Darlegungen im von der Beschwerdeführerin vorgelegten Gutachten nicht die Bedeutung beigemessen hat, daß damit die Amtssachverständigengutachten entkräftet wären, nicht unschlüssig.

Auch die von der Beschwerdeführerin vertretene Meinung, der Gesetzgeber hätte ein generelles Verbot für das Aufstellen von Ankündigungsanlagen erlassen, wenn er meinte, daß eine Plakattafel ein an sich störendes Element darstellte, vermag der Verwaltungsgerichtshof nicht zu teilen. Wie die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift zu Recht festhält, wird hier die Frage der Genehmigungspflicht mit der Frage der Genehmigungsfähigkeit vermengt.

4. Der Vorwurf, die gutachterlichen Ausführungen zu den Lichtmasten bekundeten die "offensichtlich plakatfeindliche Grundeinstellung" des Sachverständigen, ist unter Zugrundelegung der übrigen Darlegungen in dem genannten Gutachten sachlich ebenso wenig gerechtfertigt wie der in der Beschwerde vertretene Standpunkt, das Gutachten vermittle den Eindruck einer "Naturidylle". Vielmehr handelt es sich bei dem Gutachten um eine genaue Auseinandersetzung mit den örtlichen Gegebenheiten, aus dem sich die Gründe für die Versagung der Bewilligung nachvollziehbar ableiten lassen (aktenwidrig ist etwa die Behauptung in der Beschwerde, daß die Plakattafel im gegenüberliegenden Buswartehäuschen vom Amtsgutachten nicht beachtet worden sei; vgl. Seite 2 und 4 des Gutachtens vom , wo sowohl im Befund als auch im Gutachten diese Plakattafel dargestellt und in ihrer Wirkung beurteilt wird). Nicht ausschlaggebend ist schließlich, wenn im Amtsgutachten auch auf die Beeinträchtigung des Ausblickes auf die Bergsilhouette Bezug genommen wird, wie in der Beschwerde gerügt wird. Wenngleich es zutrifft, daß nach den zitierten Vorschriften lediglich die Störung des Ortsbildes zu beurteilen ist und nach § 1 Ortsbildschutzgesetz das zu schützende Ortsbild nur das "Bild einer Stadt, eines Ortes oder von Teilen hievon" ist, sind die diesbezüglich im Befund des Gutachtens enthaltenen Ausführungen im Gesamtzusammenhang des Gutachtens nicht von zentraler Bedeutung und wurden von der belangten Behörde bei der Entscheidung auch nicht herangezogen.

5. Insgesamt sind die von der Beschwerdeführerin erhobenen Vorwürfe somit nicht geeignet, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

6. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.