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VwGH vom 08.03.1991, 89/17/0121

VwGH vom 08.03.1991, 89/17/0121

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Kramer, Dr. Wetzel, Dr. Puck und Dr. Gruber als Richter, im Beisein der Schriftführerin Regierungskommissär Mag. Kirchner, über die Beschwerde der N gegen den Bescheid der Berufungskommission in Abgabensachen der Landeshauptstadt Innsbruck vom , Zl. StS. - 17/1986, betreffend Haftung für Abgabenschuldigkeiten, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat der Landeshauptstadt Innsbruck Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Haftungsbescheid des Magistrates der Landeshauptstadt Innsbruck vom wurde die Beschwerdeführerin "gemäß § 7 TLAO, LGBl. Nr. 34/1984, in Verbindung mit §§ 60 und 172 leg. cit. ... als alleinige Geschäftsführerin der Firma XY-Ges.m.b.H. zur Haftung für die aushaftenden Steuerrückstände, resultierend aus Vergnügungssteuer und Kriegsopferabgabe sowie Getränkesteuer für den Zeitraum Feber - Juli 1985 in der Höhe von ingesamt S 233.513,-- samt Nebengebühren herangezogen."

In ihrer gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung brachte die Beschwerdeführerin im wesentlichen vor, die Uneinbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgabenschuldigkeiten stehe trotz Einleitung des Konkursverfahrens über das Vermögen der hauptschuldnerischen GesmbH im Oktober 1985 noch nicht fest; ferner seien der GesmbH die zur Entrichtung der haftungsgegenständlichen Abgabenschuldigkeiten notwendigen Mittel schon damals - gemeint offenbar: im Fälligkeitszeitpunkt dieser Abgaben - nicht zur Verfügung gestanden. Die Gesellschaft sei bereits illiquid gewesen. Der Beschwerdeführerin sei daher keine schuldhafte Verletzung ihrer Pflichten als Vertreterin der GesmbH anzulasten und es stünde auch eine allfällige derartige Pflichtverletzung nicht in einem Kausalzusammenhang mit der Uneinbringlichkeit der Abgabenschuldigkeiten.

Nach Erlassung einer abweislichen Berufungsvorentscheidung beantragte die Beschwerdeführerin fristgerecht die Vorlage ihrer Berufung an die Abgabenbehörde zweiter Instanz. In diesem Schriftsatz führte sie zur Ergänzung ihrer Behauptung, der GesmbH seien seinerzeit die Mittel zur Entrichtung der haftungsgegenständlichen Abgabenschuldigkeiten nicht zur Verfügung gestanden, noch aus, die auf Grund von Umsätzen im Zeitraum von Februar bis Juli 1985 der GesmbH zugeflossenen Einnahmen hätten zur Begleichung insolvenzrechtlich bevorrechteter Forderungen gedient. So seien insbesondere zur Aufrechterhaltung des Betriebes der GesmbH Dienstnehmerforderungen bezahlt sowie der Bestandzins entrichtet worden. Die zur Entrichtung der haftungsgegenständlichen Abgabenschuldigkeiten erforderlichen Mittel seien nicht zur Verfügung gestanden. Zum Beweis dieses Vorbringens beantragte die Beschwerdeführerin "die Einholung eines Sachverständigengutachtens eines Buchprüfers und Einholung sämtlicher Buchhaltungsunterlagen aus dem entscheidungswesentlichen Zeitraum."

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wurde die Berufung der Beschwerdeführerin unter gleichzeitiger Aufnahme der Aufforderung, die Haftungsschuld binnen einer Frist von einem Monat nach Zustellung dieses Bescheides zu entrichten, in den Spruch des Bescheides als unbegründet abgewiesen. Dies im wesentlichen mit der Begründung, daß die Beschwerdeführerin zwar dann keine Schuld an der Nichtentrichtung der haftungsgegenständlichen Abgabenschuldigkeiten träfe, wenn ihr hiefür überhaupt keine Mittel zur Verfügung gestanden wären. Durch die im Vorlageantrag von der Beschwerdeführerin angeführten Umsätze der GesmbH seien dieser aber doch gewisse Mittel zur Verfügung gestanden. Das Verschulden der Beschwerdeführerin liege darin, daß sie diese Mittel "für die Aufrechterhaltung des Betriebes zur bevorzugten Befriedigung anderer Gläubiger zu Ungunsten der Abgabenschuldigkeiten verwendet" habe. Hinsichtlich der Einräumung einer bevorzugten Stellung für einzelne vor der Konkurseröffnung entstandende Forderungen bestehe seit dem Insolvenzrechtsänderungsgesetz, BGBl. Nr. 370/1982, keine hinreichende Begründung mehr. Die Beschwerdeführerin habe auch im Hinblick darauf schuldhaft gehandelt, daß sie trotz Kenntnis der Vermögens- und Ertragslage der GesmbH nicht (rechtzeitig) einen Konkursantrag gestellt und damit die Fortführung eines Defizitärbetriebes ermöglicht habe. Die schuldhafte Pfichtverletzung der Beschwerdeführerin sei auch die Ursache für die Uneinbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgabenschuldigkeiten.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Nach ihrem gesamten Vorbringen erachtet sich die Beschwerdeführerin in dem Recht verletzt, nicht zur Vertreterhaftung herangezogen zu werden.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 7 TLAO haften die in den §§ 60 ff bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Nach § 60 Abs. 1 leg. cit. haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, daß die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu mit diesen Bestimmungen gleichartigen Rechtsvorschriften in anderen Landesabgabenordnungen sowie in der Bundesabgabenordnung setzt eine darauf gestützte Haftungsinanspruchnahme voraus, daß die rückständigen Abgaben uneinbringlich wurden und dies auf eine schuldhafte Pflichtverletzung des Vertreters zurückzuführen ist. Neben dem Eintritt eines objektiven Schadens - Ausfall der gegen den Vertretenen gerichteten Abgabenforderung - und dem Verschulden des Vertreters ist ein Rechtswidrigkeitszusammenhang - die Verletzung von Vertreterpflichten führt zur Uneinbringlichkeit - erforderlich. Das tatbestandsmäßige Verschulden kann in einem vorsätzlichen oder in einem fahrlässigen Handeln oder Unterlassen bestehen. Fahrlässig die Verpflichtung, für die Abgabenentrichtung Sorge zu tragen, vernachlässigt zu haben wird angenommen, wenn der Vertreter keine Gründe darlegen kann, wonach ihm die Erfüllung unmöglich war. Das Tatbestandsmerkmal "... infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können" ist etwa dann als erfüllt anzusehen, wenn der Vertretene bei oder nach Fälligkeit der Verbindlichkeiten Mittel für die Bezahlung - gegebenenfalls nach gleichmäßiger Aufteilung der Zahlungsmittel auf alle Verbindlichkeiten - zur Verfügung hatte und nicht - wenn auch nur anteilig - für die Abgabentilgung Sorge getragen hat. Insoweit - der Vertreter darf Abgabenschulden nicht schlechter behandeln als die übrigen aus dem von ihm verwalteten Vermögen zu begleichenden Schulden, auch wenn nicht verlangt wird, daß der Abgabengläubiger vor allen übrigen Gläubigern befriedigt wird - ist auch das Ausmaß der Haftung bestimmt (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 84/13/0246, unter Bezugnahme auf Stoll, Bundesabgabenordnung-Handbuch, 28 f).

Die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach das Gleichbehandlungsgebot bei der Abstattung von Abgabenschuldigkeit und anderen Schuldigkeiten nicht gilt, wenn die anderen Schuldigkeiten gegenüber den Abgabenschuldigkeiten im Konkursfall priviligiert gewesen wären (vgl. hiezu beispielsweise die hg. Erkenntnisse vom , Zlen. 17/1977/79, 17/1978/79, und vom , Zlen. 17/0294/79, 17/0295/79), erging zur Rechtslage vor dem Insolvenzrechtsänderungsgesetz BGBl. Nr. 370/1982. Ihr ist im Hinblick auf die Aufhebung der §§ 51 bis 53 der Konkursordnung mit diesem Gesetz der Boden entzogen.

Zur Beweislast im besonderen vertritt der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung die Rechtsansicht, daß nicht die Abgabenbehörde das Ausreichen der Mittel zur Abgabenentrichtung nachzuweisen hat, sondern der zur Haftung herangezogene Vertreter das Fehlen ausreichender Mittel. Außerdem hat er darzutun, daß er die Abgabenforderungen bei der Verfügung über die vorhandenen Mittel nicht benachteiligt hat (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 89/14/0043). Die den Vertreter treffende Behauptungs- bzw. Nachweispflicht kann allerdings nicht so aufgefaßt werden, daß die Abgabenbehörde jedweder Ermittlungspflicht entbunden wäre (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 14/2609/80). Die grundsätzliche Beweislast des Vertreters betreffend das Fehlen der erforderlichen Mittel zur Abgabenentrichtung entbindet die belangte Behörde nämlich dann nicht von ihrer Ermittlungs- und Feststellungspflicht, wenn sich aus dem Akteninhalt deutliche Anhaltspunkte für das Fehlen dieser Mittel ergeben.

Solche Anhaltspunkte bestehen im Beschwerdefall im Hinblick auf die von der Beschwerdeführerin erwähnten Umsätze der GesmbH in dem die Fälligkeitszeitpunkte der haftungsgegenständlichen Abgabenschuldigkeiten umfassenden Zeitraum nicht. Angesichts dieser einbekannten Mittel und zugestandenen nicht anteilsmäßigen Verwendung derselben zur Tilgung von Abgabenschuldigkeiten und sonstigen Schuldigkeiten hat daher die belangte Behörde keine Verfahrensvorschriften verletzt, wenn sie den von der Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren beantragten Sachverständigenbeweis nicht aufgenommen hat.

Soweit die Beschwerdeführerin in ihrer Beschwerde weiters meint, der angefochtene Bescheid sei im Hinblick darauf nicht nachvollziehbar, daß der Haftungsbetrag nicht nach einzelnen Abgabenschuldigkeiten aufgeschlüsselt sei, ist ihr zu erwidern, daß sie darin im Verwaltungsverfahren keinen Mangel erblickt hat. Die Beschwerdeführerin hat auf Verwaltungsebene bloß vorgebracht, daß noch nicht feststehe, ob die haftungsgegenständlichen Abgabenschuldigkeiten im Konkurs der GesmbH befriedigt werden könnten, daß ihr die Mittel zur Abstattung dieser Abgabenschuldigkeiten seinerzeit nicht zur Verfügung gestanden seien und daß zwischen einer allfälligen Pflichtverletzung und der Uneinbringlichkeit dieser Abgabenschuldigkeiten kein Kausalzusammenhang bestehe. Die Beschwerdeführerin hat dagegen nichts vorgebracht, was die Annahme rechtfertigen könnte, eine nähere Aufgliederung des Haftungsbetrages sei zu ihrer Rechtsverteidigung erforderlich. Hinzu kommt, daß sich schon die Abgabenbehörde erster Instanz in der Begründung des Haftungsbescheides einerseits auf die Getränkesteuererklärungen der GesmbH und andererseits auf die rechtskräftigen Abgabenfestsetzungen bezogen hat, welche der Beschwerdeführerin in ihrer Eigenschaft als alleinige Geschäftsführerin der GesmbH bekannt sein mußten. Die haftungsgegenständlichen Abgabenschuldigkeiten wurden auch in bezug auf Abgabenarten und Abgabenzeiträume sowie in bezug auf ihre Höhe insgesamt näher charakterisiert. Eine vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifende relevante Rechtsverletzung liegt daher insoweit nicht vor.

Soweit die Beschwerdeführerin meint, im angefochtenen Bescheid sei die Uneinbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgabenschuldigkeiten nicht hinreichend begründet, vermag ihr der Verwaltungsgerichtshof ebenfalls nicht zu folgen. In der Begründung des angefochtenen Bescheides heißt es zu diesem Punkt, über das Vermögen der GesmbH sei am das Konkursverfahren eröffnet und mit Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck vom nach Verteilung des Massevermögens, ohne daß hiebei jedoch die Stadtgemeinde Innsbruck eine Zahlung erhalten habe, wiederum aufgehoben worden; daraus müsse auf die Uneinbringlichkeit der die GesmbH betreffenden Abgaben bei dieser geschlossen werden.

Aus diesen Ausführungen der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid geht zweifelsfrei die Feststellung hervor, daß die haftungsgegenständlichen Abgabenschuldigkeiten durch die GesmbH weder entrichtet worden sind noch mit ihrer Entrichtung im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides gerechnet werden konnte. Die belangte Behörde hat daraus zu Recht geschlossen, das Tatbestandselement der Uneinbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgabenschuldigkeiten sei erfüllt.

Der Haftungsinanspruchnahme der Beschwerdeführerin stand im Beschwerdefall Verjährung schon deswegen nicht entgegen, weil die haftungsgegenständlichen Abgabenschuldigkeiten erst im Laufe des Jahres 1985 entstanden sind und die Verjährungsfrist gemäß § 154 Abs. 2 TLAO - diese Bestimmung ist im Hinblick auf § 172 Abs. 2 leg. cit. maßgebend - grundsätzlich fünf Jahre beträgt.

Soweit die Beschwerdeführerin schließlich meint, ein Verschulden an der Nichtentrichtung der haftungsgegenständlichen Abgabenschuldigkeiten könne ihr deswegen nicht angelastet werden, weil sie "bei der gemeinschuldnerischen Gesellschaft lediglich pro forma als Geschäftsführerin auf Grund ihrer Konzession gemeldet war und der Großteil der Agenden von dem Alleingesellschafter ... geführt" wurde, die Beschwerdeführerin habe nicht einmal eine Bankvollmacht gehabt, ist ihr - abgesehen davon, daß es sich hiebei um eine unzulässige Neuerung handelt - die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entgegenzuhalten, wonach ein an der ordnungsgemäßen Wahrnehmung seiner Obliegenheiten gehinderter Geschäftsführer einer GesmbH entweder sofort die Behinderung seiner Funktion abstellen oder seine Funktion niederlegen und als Geschäftsführer ausscheiden muß (vgl. hiezu beispielsweise das hg. Erkenntnis vom , Zl. 89/15/0159).

Da dem angefochtenen Bescheid weder die behauptete noch eine vom Verwaltungsgerichtshof aus eigenem aufzugreifende relevante Rechtswidrigkeit anhaftet, mußte die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abgewiesen werden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991, insbesondere auf deren Art. III Abs. 2.