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VwGH vom 06.07.1990, 89/17/0110

VwGH vom 06.07.1990, 89/17/0110

Betreff

N gegen Oberösterreichische Landesregierung vom , Zl. BauR-010208/1-1988 See/Ja, betreffend Beitrag zu den Kosten der Herstellung der Fahrbahn und des Gehsteiges einer öffentlichen Verkehrsfläche (mitbeteiligte Partei: Stadtgemeinde X)

Spruch

Der Beschwerdeführer hat dem Land Oberösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom bewilligte der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde dem Beschwerdeführer auf dessen Ansuchen gemäß § 4 der O.ö. Bauordnung, LGBl. Nr. 35/1976, die Bauplätze KG Y EZ 2434 Grundstück Nr. 929/6 und 929/8 mit zusammen 3.405 m2.

Mit weiterem Bescheid vom sprach der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde aus, auf Grund der §§ 20 und 21 leg. cit. sowie laut näher genannten Verordnungen der O.Ö. Landesregierung und der Stadtgemeinde X habe der Beschwerdeführer einen Fahrbahnkostenbeitrag in der Höhe von S 163.380,-- und einen Gehsteigkostenbeitrag in der Höhe von S 57.766,50, somit einen Gesamtkostenbeitrag von S 221.146,50 zu entrichten. Diese Beiträge beträfen den oben genannten Bauplatz laut Bauplatzbewilligung vom .

Mit Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde vom wurde die dagegen erhobene Berufung des Beschwerdeführers abgewiesen. Die Abgabenbehörde zweiter Instanz berief sich dabei auf § 20 Abs. 10 leg. cit. idF der seit in Kraft stehenden O.ö. Bauordnungsnovelle 1988, LGBl. Nr. 33, und führte dazu aus, diese Bestimmung sei zur Begünstigung von Kleinhausbauten im Sinne des § 93 der O.ö. Bauverordnung 1985, LGBl. Nr. 5, geschaffen worden, nicht jedoch wie im vorliegenden Fall "für die Errichtung von Verkaufsmärkten mit nahezu 600 m2". Die Ermäßigungsbestimmungen für die Fahrbahnkostenbeiträge gemäß § 20 Abs. 1 der Bauordnung griffen daher nicht Platz.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid gab die Oberösterreichische Landesregierung der dagegen erhobenen Vorstellung des Beschwerdeführers keine Folge. Zur Begründung führte die belangte Behörde im wesentlichen aus, die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen für eine Ermäßigung des Fahrbahnkostenbeitrages nach § 20 Abs. 10 erster Satz der O.ö. Bauordnung idF der Bauordnungsnovelle 1988 könnten nur dann vorliegen, wenn auf einem Bauplatz ein Bauvorhaben geplant sei, welches weder mit mehr als zwei Geschossen über dem Erdgeschoß bebaut sei noch aus mehr als drei Wohnungen - nur als solches stelle es auch einen Kleinhausbau dar - bestehe. Wenngleich nun das vom Beschwerdeführer "angetragene" Bauvorhaben nur aus einem Geschoß bestehe, könne nicht davon gesprochen werden, daß es zugleich auch einen Kleinhausbau bzw. einen aus (nicht mehr als drei) Wohnungen bestehenden Bau darstelle. Das "angetragene" Bauvorhaben stelle nach der vorliegenden Aktenlage unbestrittenermaßen lediglich ein Geschäftsgebäude, welches als Verkaufsmarkt Verwendung finden solle, dar und könne daher mit Wohnungen in keinerlei Zusammenhang gebracht werden. Es liege daher kein Ermäßigungstatbestand nach der zitierten Bestimmung vor.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Nach dem Inhalt seines Vorbringens erachtet sich der Beschwerdeführer in seinen Rechten insoweit verletzt, als richtigerweise nur 40 % des Beitrages zu den Kosten der Herstellung der Fahrbahn hätten vorgeschrieben werden dürfen. Der Beschwerdeführer beantragt, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben "und der belangten Behörde die Behebung der Bescheide der Unterinstanzen vom und aufzutragen, ... in eventu den angefochtenen Bescheid der belangten Behörde dahingehend abzuändern, daß in Abänderung der Bescheide vom und der Anliegerbeitrag mit S 65.352,-- festgesetzt wird, ...".

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Vorweg sei im Hinblick auf die vom Beschwerdeführer gestellten Anträge bemerkt, daß dem Verwaltungsgerichtshof im Verfahren über Bescheidbeschwerden lediglich kassatorische Funktion zukommt.

Insofern der Beschwerdeführer die Verletzung seines verfassungsmäßig gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit vor dem Gesetz nach Art. 7 Abs. 1 B-VG geltend macht, weil anderen Bauwerbern in der K-Straße kein Anliegerbeitrag nach § 20 der O.ö. Bauordnung vorgeschrieben worden sei, ist ihm zu erwidern, daß die Entscheidung über die behauptete Verletzung eines verfassungsmäßig gewährleisteten Rechtes in die Zuständigkeit des Verfassungs- und nicht in jene des Verwaltungsgerichtshofes fällt; außerdem könnte sich - wie die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift zutreffend bemerkt - der Beschwerdeführer auf eine "Gleichheit im Unrecht" nicht berufen.

Die im Beschwerdefall relevanten Bestimmungen der O.ö. Bauordnung, LGBl. Nr. 35/1976, idF nach der O.ö. Bauordnungsnovelle 1988, LGBl. Nr. 33, lauten:

"§ 3

Ansuchen

(1) Um die Bauplatzbewilligung ist bei der Baubehörde schriftlich anzusuchen. ...

§ 4

Bauplatzbewilligung

(1) Über ein Ansuchen gemäß § 3 hat die Baubehörde einen schriftlichen Bescheid zu erlassen. ...

§ 20

Beitrag zu den Kosten der Herstellung der Fahrbahn

öffentlicher Verkehrsflächen

(1) Hat die Gemeinde eine öffentliche Verkehrsfläche errichtet, so hat sie anläßlich der Bewilligung eines durch diese Verkehrsfläche aufgeschlossenen Bauplatzes (§ 4) oder der Vergrößerung eines solches Bauplatzes oder einer solchen bebauten Liegenschaft (§ 7 Abs. 1 lit. b) einen Beitrag zu den ihr erwachsenen Kosten der Herstellung der Fahrbahn dieser öffentlichen Verkehrsfläche vorzuschreiben.

(10) Der Beitrag zu den Kosten der Herstellung der Fahrbahn öffentlicher Verkehrsflächen ermäßigt sich bei Bauplätzen, die höchstens zweigeschossig über dem Erdboden und mit nicht mehr als drei Wohnungen (Kleinhausbauten) bebaut werden, sowie bei Einfamilienhäusern mit einer bewohnbaren Fläche von höchstens 150 m2 um 60 v.H.

Der Beschwerdeführer meint, daß im Beschwerdefall die Bestimmungen der O.ö. Bauordnung VOR der Bauordnungsnovelle 1988 heranzuziehen seien. Im gegenständlichen Bauverfahren habe am die Bauverhandlung stattgefunden. Zu diesem Zeitpunkt sei bereits längst ein Bauplatzbewilligungsverfahren anhängig gewesen; der diesbezügliche Antrag des Beschwerdeführers stamme vom . Aus der Anberaumung einer Bauverhandlung müsse auf die zumindest konkludent erteilte Bauplatzbewilligung geschlossen werden. Da die Bauverhandlung am stattgefunden habe, habe daher spätestens an diesem Tag eine Bauplatzbewilligung vorgelegen.

Es genügt, diesem Vorbringen die oben zitierte Bestimmung des § 4 Abs. 1 erster Satz der O.ö. Bauordnung entgegenzuhalten, wonach über ein Ansuchen auf Bauplatzbewilligung die Baubehörde einen SCHRIFTLICHEN BESCHEID zu erlassen hat.

Der Beschwerdeführer meint weiters, auch wenn im Beschwerdefall bereits die Bestimmungen der Baurechtsnovelle 1988 anzuwenden seien, sei die Vorschreibung des Beitrages in voller Höhe zu Unrecht erfolgt. Aus der Bestimmung des § 20 Abs. 10 erster Satz leg. cit. in der genannten Fassung gehe nicht hervor, daß in dem dort genannten zweigeschossigen Gebäude überhaupt Wohnungen enthalten sein müßten. Hätte der Gesetzgeber lediglich ausschließlich oder doch überwiegend zu Wohnzwecken dienende zweigeschossige Gebäude begünstigen wollen, wären ihm durchaus die Worte "Wohnhäuser" oder "Wohnbauten" zur Verfügung gestanden. Wenn weiters von der Berufungsbehörde ins Treffen geführt werde, daß es sich bei dem auf dem gegenständlichen Bauplatz geplanten Gebäude um einen Verkaufsmarkt mit 600 m2 Verkaufsfläche handle, sei dem entgegenzuhalten, daß nach den gesetzlichen Bestimmungen die Ermäßigung bei zweigeschossigen Bauten an keine Quadratmeterhöchstgrenze gebunden sei.

Mit diesem Vorbringen zeigt der Beschwerdeführer eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht auf. Mit der Formulierung "Bauplätzen, die höchstens zweigeschossig über dem Erdboden und mit nicht mehr als drei Wohnungen (Kleinhausbauten) bebaut werden", bezieht sich der Gesetzgeber erkennbar auf § 93 der O.ö. Bauverordnung 1985, LGBl. Nr. 5, wo es heißt:

§ 93

Kleinhausbauten

(1) Kleinhausbauten sind Gebäude mit höchstens zwei Geschossen über dem Erdboden und nicht mehr als drei Wohnungen; ..."

Die genannte Bestimmung findet sich im II. Hauptstück, "Besondere Bauvorschriften", der genannten Verordnung, und zwar in deren 6. Abschnitt mit der Überschrift "Sonstige Bauten bestimmter Art". Die vorangehenden Abschnitte dieses Hauptstückes tragen folgende Überschriften:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
"1. Abschnitt
Hochhäuser
2. Abschnitt
Bauten für größere Menschenansammlungen
3. Abschnitt
Geschäftsbauten
4. Abschnitt
Betriebsbauten
5. Abschnitt
Landwirtschaftliche Bauten"

Nach der Bestimmung des § 26 Abs. 4 der O.ö. Bauordnung sind Bauten für größere Menschenansammlungen insbesondere Kirchen, Theater, Kinos, Konzertsäle, Tanzsäle, Schulen, Kindergärten, Krankenanstalten, Kuranstalten, GROSSKAUFHÄUSER und Sportstätten. Gemäß § 59 Abs. 1 der O.ö. Bauverordnung gelten als Bauten für größere Menschenansammlungen unter anderem Bauten mit mehreren unmittelbar zusammenhängenden Räumen, in denen sich widmungsgemäß mehr als 240 Personen aufhalten können, wie insbesondere ... Geschäftsbauten ... Nach § 70 Abs. 1 der zitierten Verordnung sind Geschäftsbauten Bauten für größere Menschenansammlungen, in denen sich Großgeschäfte, Warenhäuser oder Einkaufszentren befinden. Für Geschäftsbauten gelten die Bestimmungen des 2. Abschnittes, soweit im folgenden nichts anderes bestimmt wird. Nach den Bestimmungen der Absätze 2 bis 4 dieses Paragraphen setzen Großgeschäfte, Warenhäuser und Einkaufszentren jeweils eine Gesamtverkaufsfläche von mehr als 2000 m2 voraus.

Aus dem Zusammenhalt dieser Bestimmungen ergibt sich, daß ein Verkaufsmarkt mit (nur) 600 m2 Verkaufsfläche, wie er im Beschwerdefall unbestrittenermaßen vorliegt, nach den baurechtlichen Bestimmungen der O.ö. Bauordnung und der O.ö. Bauverordnung zwar nicht unter den Begriff der "Geschäftsbauten", jedenfalls aber unter den Begriff "Bauten für größere Menschenansammlungen" fällt. Keineswegs aber sind Bauten dieser Art nach den genannten baurechtlichen Vorschriften unter den Begriff der "Kleinhausbauten" nach § 93 der O.ö. Bauverordnung zu subsumieren. Der belangten Behörde ist daher auch insofern beizupflichten, als aus der Wortfolge "mit ... nicht mehr als drei WOHNUNGEN" zu entnehmen ist, daß es sich jedenfalls um ein Wohnhaus handeln muß. Die so gewonnene Begriffsbestimmung des Wortes "Kleinhausbauten" nach § 93 der O.ö. Bauverordnung muß aber auch für die abgabenrechtliche Bestimmung des § 20 Abs. 10 der O.ö. Bauordnung in der genannten Fassung gelten, da dieser Begriff - mangels eines Anhaltspunktes für ein anderes Verständnis - mit jenem Begriffsinhalt im Jahre 1988 in das Gesetz Eingang gefunden hat, wie er zu diesem Zeitpunkt in den Normen des Oberösterreichischen Baurechtes dem Rechtsbestand angehörte.

Daran vermag auch der Hinweis des Beschwerdeführers auf den Bericht des Ausschusses für Umwelt-, Bau- und Straßenangelegenheiten betreffend die O.ö. Bauordnungsnovelle 1988, Beilage 169/1988 zum kurzschriftlichen Bericht des o.ö. Landtages, XXIII. GP, nichts zu ändern. Der Beschwerdeführer beruft sich auf die Ausführungen zu Art. I Z. 4, 5 und 8 der Novelle, Punkt 1. (Seite 2 des Ausschußberichtes), wo es unter anderem heißt:

"Trotz der durch die O.ö. Bauordnungsnovelle 1983 vorgenommenen Klarstellung bzw. Erweiterung der Ausnahmen von der Bauplatzbewilligungspflicht sind gerade im Jahre 1987 im Zusammenhang mit der Vorschreibung von Anliegerbeiträgen gravierende Härtefälle hervorgetreten, die nach der derzeitigen Gesetzeslage nicht berücksichtigt bzw. gemildert werden können. Es ist daher im Interesse einer vertretbaren Anliegerbeitragsvorschreibung gelegen, die im § 20 Abs. 9 umschriebenen Fälle einer Beitragsermäßigung zu erweitern bzw. noch klarer und eindeutiger zu formulieren."

§ 20 Abs. 9 erster Satz der O.ö. Bauordnung in der Fassung vor der Novelle 1988 hatte folgenden Wortlaut gehabt:

"(9) Bei Bauplätzen, die nach dem Bebauungsplan höchstens zweigeschossig zu bebauen sind, ermäßigt sich der Beitrag um die Hälfte."

Der Beschwerdeführer meint hiezu, der Entstehungsgeschichte und dem Sinn der Novelle sei nicht zu entnehmen, daß Bauvorhaben, welche nach der alten Regelung die Voraussetzung für die Ermäßigung mit sich gebracht hätten, nach der Novelle dieser verlustig gehen sollten, wie es für das gegenständliche Bauvorhaben zutreffe.

Es ist dem Beschwerdeführer zuzugestehen, daß nach der Rechtslage vor der O.ö. Bauordnungsnovelle 1988 sein Bauvorhaben der Ermäßigung des § 20 Abs. 9 unter der Voraussetzung teilhaft geworden wäre, daß der gegenständliche Bauplatz NACH DEM BEBAUUNGSPLAN höchstens zweigeschossig zu bebauen war. Eine Einschränkung auf "Kleinhausbauten" war nicht vorgesehen. Entgegen der erklärten Absicht des Ausschußberichtes hat nun die Novelle in diesem Punkt keine Erweiterung, sondern eine Einschränkung der Möglichkeit einer Beitragsermäßigung mit sich gebracht. Stehen jedoch Gesetzesmaterialien in eindeutigem Widerspruch zum Gesetz, so sind sie für die Auslegung bedeutungslos (vgl. hiezu die hg. Erkenntnisse vom , Slg. Nr. 4829/F, und vom , Slg. Nr. 5402/F).

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen. Hiebei konnte von der vom Beschwerdeführer beantragten Verhandlung gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.