VwGH vom 25.01.1991, 89/17/0089
Beachte
Serie (erledigt im gleichen Sinn):
89/17/0098 E
Besprechung in:
ÖStZ 1992, 37;
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Kramer, Dr. Wetzel, Dr. Puck und Dr. Gruber als Richter, im Beisein der Schriftführerin Regierungskommissär Mag. Kirchner, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid der Abgabenberufungskommission der Bundeshauptstadt Wien vom , Zl. MDR-G 16/88, betreffend Haftung für Abwasser- und Nebengebühren, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird, soweit der Beschwerdeführer mit ihm zur Haftung für eine Pfändungsgebühr betreffend den Zeitraum Oktober 1985 bis Februar 1986 in Höhe von S 334,--, für einen Säumniszuschlag betreffend Oktober 1985 in Höhe von S 876,--, für Zinsen betreffend Jänner 1986 in Höhe von S 193,-- und für einen Säumniszuschlag betreffend April 1986 in Höhe von S 312,-- haftbar gemacht wurde, wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde, im übrigen aber wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Die Bundeshauptstadt Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 9.810,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Haftungsbescheid des Magistrates der Stadt Wien vom wurde der Beschwerdeführer "als Geschäftsführer der G-Ges.m.b.H. & Co KG, über deren Vermögen das Konkursverfahren eröffnet wurde, gemäß § 7 Abs. 1 und § 54 Abs. 1 der Wiener Abgabenordnung - WAO 1962, LGBl. für Wien Nr. 21/62, in der derzeit geltenden Fassung, zur Haftung hinsichtlich der für den Zeitraum bis aushaftenden Abwassergebühren im Betrag von S 31.059,-- (netto: S 28.235,46, 10 Prozent USt.: S 2.823,54) zuzüglich Nebengebühren: S 99,--, insgesamt S 31.158,--, herangezogen".
Auf Grund der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung änderte die belangte Behörde - nachdem sie in ihrem Vorhalt vom dargelegt hatte, daß sich der Haftungsbetrag aus rückständigen Abgabenschuldigkeiten, die mit Gebührenbescheiden vom 7. und 12. Mai und festgesetzt worden waren, zusammensetzt - mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid den erstinstanzlichen Haftungsbescheid dahin ab, "daß die Haftung für den Zeitraum vom bis den Gebührenbetrag von S 28.392,-- (netto: S 25.810,91 + 10 Prozent
Umsatzsteuer: S 2.581,--) und die Nebengebühren von insgesamt S 1.814,-- umfaßt". In der diesem Bescheid beigegebenen
Begründung heißt es sinngemäß im wesentlichen wie folgt:
Voraussetzung für eine Haftung gemäß § 7 Abs. 1 WAO sei eine "Abgabenforderung gegen den Vertretenen, die Stellung als Vertreter, die Uneinbringlichkeit der Abgabenforderung, eine Pflichtverletzung des Vertreters, dessen Verschulden an der Pflichtverletzung und die Ursächlichkeit der Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit". Nach der Aktenlage stehe fest, daß die Abgabenforderungen gegenüber dem Hauptschuldner - einer GesmbH und Co KG - in der haftungsgegenständlichen Höhe bestünden. Dem Beschwerdeführer seien die maßgebenden Gebührenbescheide vorgehalten worden. Die Abgabenfestsetzungen beruhten jeweils nicht auf einer Schätzung, sondern auf der Ablesung von Wasserzählerständen. Der Beschwerdeführer sei bis zur Eröffnung des (Anschluß-)Konkurses am unbestritten einziger Geschäftsführer der Gesellschaft gewesen und gehöre damit zu dem im § 54 Abs. 1 WAO angeführten Personenkreis. Auch die Uneinbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgabenschuldigkeiten stehe fest. Die Pflichtverletzung des Beschwerdeführers ergebe sich "aus der Mißachtung des Gebührenbescheides vom , mit dem vorläufige Teilbeträge von S 15.622,-- zu den Fälligkeiten , , und rechtskräftig festgesetzt" worden seien. Wäre der Beschwerdeführer diesem Bescheid nur hinsichtlich der Fälligkeit und nachgekommen, so wäre der gesamte Rückstand nicht entstanden. Somit sei für den Beschwerdeführer nichts gewonnen, wenn ihm die (Abgaben-)Bescheide vom , und nicht zugekommen wären. Die Gründe, deretwegen es ihm nicht möglich gewesen sei, die dem Hauptschuldner obliegenden abgabenrechtlichen Pflichten zu erfüllen, habe der Beschwerdeführer nicht dargetan. Die vom Beschwerdeführer behauptete Krankheit vermöge ihn nicht zu entschuldigen, weil er in diesem Fall seine Funktion hätte zurücklegen müssen. Daß er dazu nicht mehr in der Lage gewesen sei, habe der Beschwerdeführer selbst nicht behauptet. Das Verhalten des Beschwerdeführers sei auch für die spätere Uneinbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgabenschuldigkeiten beim Hauptschuldner kausal gewesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Seinem gesamten Vorbringen zufolge erachtet sich der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in dem Recht verletzt, für die haftungsgegenständlichen Abgabenschuldigkeiten nicht zur Haftung herangezogen zu werden. Zur Begründung der Beschwerde bringt der Beschwerdeführer insbesondere vor, ihn treffe an der Uneinbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgabenschuldigkeiten beim Hauptschuldner "keine schuldhafte Pflichtverletzung".
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im vorliegenden Fall fällt zunächst auf, daß die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid zwar den gleichen HaftungsBETRAG geltend gemacht hat wie zuvor die Abgabenbehörde erster Instanz, daß sich aber die Haftungsinanspruchnahme in beiden Verwaltungsinstanzen teilweise NICHT AUF DIESELBEN ABGABENSCHULDIGKEITEN erstreckt; während nämlich der Beschwerdeführer mit dem erstinstanzlichen Haftungsbescheid zur Haftung für Abwassergebühren in Höhe von S 31.059,-- und für einen Säumniszuschlag betreffend den Monat Juni 1986 in Höhe von S 99,-- herangezogen worden war, wurde der Beschwerdeführer mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid lediglich für Abwassergebührenschuldigkeiten in Höhe von S 28.392,--, dafür aber außer für den schon erwähnten Säumniszuschlag für andere Säumniszuschläge, Zinsen und Pfändungsgebühren in der Höhe von insgesamt S 1.814,-- haftbar gemacht.
Auf Grund des § 224 Abs. 1 erster Satz WAO hat die Abgabenbehörde zweiter Instanz, sofern die Berufung nicht gemäß § 213 leg. cit. zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Gemäß § 224 Abs. 2 WAO ist die Abgabenbehörde zweiter Instanz berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde der ersten Instanz zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern oder die Berufung als unbegründet abzuweisen. Diese Abänderungsbefugnis findet aber dort ihre Grenze, wo ein Eingriff in die sachliche Zuständigkeit der Abgabenbehörde erster Instanz vorliegt. Der § 224 WAO setzt die Identität der Sache im erstinstanzlichen und im Rechtsmittelverfahren voraus. "Sache" ist in diesem Zusammenhang die Angelegenheit, die den Inhalt des Spruches des Bescheides der Abgabenbehörde erster Instanz gebildet hatte. Die Abgabenbehörde darf sohin in einer Angelegenheit, die überhaupt noch nicht oder in der von der Rechtsmittelentscheidung in Aussicht genommenen rechtlichen Art nicht Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens gewesen war, nicht einen Sachbescheid erlassen (vgl. hiezu bspw. das hg. Erkenntnis vom , Zlen. 16/2087/79, 16/2088/79). Insoweit im vorliegenden Fall die Haftung für Nebengebühren nicht schon mit dem erstinstanzlichen Haftungsbescheid geltend gemacht worden war, hat die belangte Behörde mit ihrer sich darauf erstreckenden meritorischen Entscheidung die Grenze ihrer Zuständigkeit überschritten. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG insoweit wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufzuheben.
Im übrigen ist folgendes zu bemerken:
Aus der Aktenlage geht hervor, daß die haftungsgegenständlichen Abwassergebühren Zeiträume betreffen, die jeweils vor der Eröffnung des (Anschluß-)Konkurses geendet haben. In den eingangs angeführten Gebührenbescheiden vom
7. und 12. Mai und wird jedoch als Zeitpunkt der Fälligkeit dieser Abgaben der 15. des auf die Zustellung des Bescheides folgenden Monats bestimmt. Selbst wenn man entgegen der Behauptung des Beschwerdeführers, daß ihm diese Bescheide nicht zugestellt worden seien, annehmen wollte, daß diese Bescheide ihm sogleich nach ihrer Verfassung zugestellt worden sind, trat die Fälligkeit der haftungsgegenständlichen Abgabenschuldigkeiten erst NACH Eröffnung des Konkurses ein. Da gemäß § 3 Konkursordnung Rechtshandlungen des Gemeinschuldners nach der Konkurseröffnung, welche die Konkursmasse betreffen, den Konkursgläubigern gegenüber unwirksam sind, vielmehr der Masseverwalter während seiner Bestellung hinsichtlich der Konkursmasse die Rechte und Pflichten des Gemeinschuldners durch die gesetzlich auf ihn übergegangene Vertretungsbefugnis ausübt, kann sohin dem Beschwerdeführer nicht zum Vorwurf gemacht werden, er hätte pflichtwidrig die haftungsgenständlichen Gebührenschuldigkeiten bei Fälligkeit nicht entrichtet.
Was den haftungsgegenständlichen Säumniszuschlag in Höhe von S 99,-- anlangt, so kann dessen Entstehungszeitpunkt und Fälligkeit nicht einmal aus der Aktenlage entnommen werden, geschweige denn, daß aus dem angefochtenen Bescheid hervorginge, weswegen dem Beschwerdeführer insoweit eine schuldhafte Pflichtverletzung anzulasten ist.
Soweit sich die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides auf eine "Mißachtung des Gebührenbescheides vom " beruft, ist ihr zu erwidern, daß damit eine schuldhafte Pflichtverletzung des Beschwerdeführers bei Entrichtung der mit ANDEREN Abgabenbescheiden festgesetzten Gebührenschuldigkeiten nicht dargetan zu werden vermag.
Der Beschwerdeführer bestreitet auch nicht, daß er als Geschäftsführer Vertreter der GesmbH als einziger Komplementär der hauptschuldnerischen KG und damit auch Vertreter der KG im Sinne des § 7 Abs. 1 WAO war (vgl. hiezu bspw. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 83/17/0104, und die dort zitierten Vorerkenntnisse vom , Slg.Nr. 5370/F, und vom , Slg.Nr. 5494/F).
Somit mußte der angefochtene Bescheid, soweit er nicht nach dem weiter oben Gesagten wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufzuheben war, gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben werden.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989. Für den der Beschwerde angeschlossenen angefochtenen Bescheid hätte nur eine Beilagengebühr von S 60,-- entrichtet werden brauchen, weswegen für diese Beilage auch nur ein Ersatz in dieser Höhe zuerkannt werden konnte.