VwGH vom 28.09.1990, 89/17/0041
Beachte
Besprechung in:
ÖStZ 1991, 126;
Betreff
A gegen Bundesminister für Finanzen vom , Zl. 94 4230/9-V/6/89, betreffend Abberufung von der Funktion eines Treuhänders gemäß § 22 Abs. 1 Versicherungsaufsichtsgesetz
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.380,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid berief die belangte Behörde den Beschwerdeführer gemäß § 22 Abs. 1 Versicherungsaufsichtsgesetz, BGBl. Nr. 569/1978, in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 558/1986, von seiner Funktion als Treuhänder für die Überwachung des Deckungsstocks der D-Versicherung AG ab. Dies im wesentlichen mit der Begründung, der Beschwerdeführer habe in drei näher ausgeführten Fällen durch sein Verhalten mangelnde Kenntnis der maßgeblichen Rechtsvorschriften und mangelnde Sorgfalt bewiesen. Dies schließe die Erfüllung der dem Treuhänder von der Rechtsordnung übertragenen Aufgaben aus. Der Beschwerdeführer erscheine daher nicht geeignet, die Funktion eines Treuhänders weiterhin auszuüben.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Nach seinem Vorbringen erachtet sich der Beschwerdeführer durch den bekämpften Bescheid in seinem subjektiven Recht, als Treuhänder der D-Versicherung AG nicht abberufen zu werden, verletzt. Er beantragt, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Mit Beschluß vom , Zl. A 24/89, hat der Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 140 Abs. 1 B-VG an den Verfassungsgerichtshof den Antrag gestellt, die oben genannte Gesetzesstelle als verfassungswidrig aufzuheben.
Mit Erkenntnis vom , G 259/89-6, sprach der Verfassungsgerichtshof aus, daß § 22 Abs. 1 dritter Satz des Bundesgesetzes über den Betrieb und die Beaufsichtigung der Vertragsversicherung (Versicherungsaufsichtsgesetz), BGBl. Nr. 569/1978, in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 558/1986, verfassungswidrig war.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 22 Abs. 1 des Versicherungsaufsichtsgesetzes, BGBl. Nr. 569/1978 (VAG), in der Fassung der gemäß ihrem Art. II am in Kraft getretenen Novelle BGBl. Nr. 558/1986, hat die Versicherungsaufsichtsbehörde für die Überwachung des Deckungsstocks einen Treuhänder und dessen Stellvertreter zu bestellen. Besteht der Deckungsstock aus mehreren Abteilungen, so können für jede Abteilung gesondert Treuhänder und Stellvertreter bestellt werden, wenn dies im Hinblick auf den Geschäftsumfang angemessen erscheint. DER TREUHÄNDER UND SEIN
STELLVERTRETER KÖNNEN VON DER VERSICHERUNGSAUFSICHTSBEHÖRDE
JEDERZEIT ABBERUFEN WERDEN. Im Verfahren über die Bestellung und die Abberufung des Treuhänders und des Stellvertreters ist das Versicherungsunternehmen anzuhören. (Der vom Verfassungsgerichtshof als verfassungswidrig erkannte Satz ist hervorgehoben.)
Vorweg sei bemerkt, daß nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes die vorliegende Beschwerde nicht etwa mangels Rechtsverletzungsmöglichkeit auf seiten des Beschwerdeführers zurückzuweisen ist. Zwar hat der Verfassungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen, daß Rechtsnormen, die nur die AUSÜBUNG staatlicher Funktionen zum Gegenstand haben, die Rechtssphäre der diese Funktion ausübenden Organwalter nicht berühren (VfSlg. 8385/1978 und die dort wiedergegebene weitere Rechtsprechung). In den Beschlüssen VfSlg. 8774/1980 und 9713/1983 hat er weiters ausgesprochen, daß durch die Enthebung von einer solchen Funktion in die subjektive Rechtssphäre des die Funktion ausübenden Organwalters nicht eingegriffen wird.
Der Beschwerdefall ist jedoch insofern anders als die den beiden zuletzt zitierten Beschlüssen zugrundeliegenden Fälle gelagert, als gemäß § 22 Abs. 3 VAG dem Treuhänder und seinem Stellvertreter von der Versicherungsaufsichtsbehörde eine Vergütung (Funktionsgebühr) zu leisten ist, die in einem angemessenen Verhältnis zu der mit seiner Tätigkeit verbundenen ARBEIT und zu den Aufwendungen hierfür steht. Im Falle des Beschlusses VfSlg. 8774/1980 stand hingegen dem damaligen Beschwerdeführer, einem ehrenamtlichen Bewährungshelfer, lediglich eine nur den AUFWAND pauschal ersetzende Entschädigung zu; im Fall des Beschlusses VfSlg. 9713/1983 hatte der Beschwerdeführer, ein Versicherungsvertreter nach § 421 ff ASVG, keinen Rechtsanspruch auf die Gewährung einer Entschädigung. Im Beschwerdefall ist jedoch die in § 22 Abs. 3 VAG genannte "Vergütung (Funktionsgebühr)" zufolge der rechtlichen Verknüpfung mit der zu leistenden Arbeit als Entgelt für dieselbe (vergleichbar etwa dem Entgelt beim zivilrechtlichen Dienst- oder Werkvertrag) anzusehen. Durch den mit der Abberufung von der Funktion des Treuhänders verbundenen Entgang an Einkommen konnte sohin der Beschwerdeführer jedenfalls in seinen Rechten verletzt werden.
Da die als verfassungswidrig erkannte Gesetzesstelle die maßgebliche Rechtsgrundlage des vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheides darstellt und der Ausspruch des Verfassungsgerichtshofes gemäß Art. 140 Abs. 7 B-VG ihre Anwendung auf den vorliegenden Anlaßfall ausschließt, ist der angefochtene Bescheid nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit behaftet. Dies führt gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG zur Aufhebung des Bescheides.
Damit erübrigte sich ein Eingehen auf das weitere Beschwerdevorbringen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich im Rahmen des gestellten Begehrens auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung vom , BGBl. Nr. 206, insbesondere auch auf deren Art. III Abs. 2.