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VwGH vom 13.03.2001, 2001/18/0014

VwGH vom 13.03.2001, 2001/18/0014

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Thoma als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Paal, über die Beschwerde des SM in Linz, geboren am , vertreten durch Mag. Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11/6, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom , Zl. St 58/00, betreffend Abweisung eines Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und Zurückweisung einer Berufung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit Bescheid vom hatte die Bundespolizeidirektion Linz gegen den Beschwerdeführer ein Aufenthaltsverbot erlassen. Mit Schriftsatz vom beantragte der anwaltlich vertretene Beschwerdeführer die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist und erhob unter einem gegen den genannten Bescheid Berufung. Die Bundespolizeidirektion Linz wies den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mit Bescheid vom ab.

2. Mit Bescheid vom gab die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich (die belangte Behörde) der Berufung gegen die Abweisung des Wiedereinsetzungsantrages gemäß § 66 Abs. 4 iVm § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG keine Folge und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid. Weiters wies sie gemäß § 66 Abs. 4 iVm § 63 Abs. 5 AVG die Berufung gegen das Aufenthaltsverbot als verspätet zurück.

Der Beschwerdeführer habe seinem Vorbringen zufolge den Bescheid vom - dieser sei am durch Hinterlegung zugestellt worden - erst am bei der Post behoben. Der Beschwerdeführer mache geltend, bis der Rechtsauffassung gewesen zu sein, dass die zweiwöchige Berufungsfrist erst mit der Abholung des Schriftstückes bei der Post begonnen hätte. Nach Ansicht des Beschwerdeführers könne ihm dieser Rechtsirrtum deshalb nicht vorgeworfen werden, weil ihm der Sachbearbeiter der Bundespolizeidirektion Linz (der Erstbehörde) am telefonisch mitgeteilt hätte, dass ihm (dem Beschwerdeführer) ein Schriftstück zugehen würde, gegen das er innerhalb von zwei Wochen, nachdem er es in Händen hätte, Berufung einlegen könnte. Der Beschwerdeführer hätte diese Auskunft unrichtiger Weise dahingehend ausgelegt, dass die Rechtsmittelfrist erst in dem Zeitpunkt zu laufen begänne, in dem er das Schriftstück tatsächlich in Händen hätte. Dieses Missverständnis wäre dadurch bestärkt worden, dass eine Angestellte des Vereines zur Betreuung der AusländerInnen am die Auskunft erteilt hätte, dass er ab zwei Wochen Zeit hätte, Berufung einzulegen. Erst am wäre er durch seinen Rechtsvertreter über die Rechtslage und die Fristversäumnis aufgeklärt worden. Die irrige Rechtsansicht und die daraus folgende Fristversäumung könnten ihm nicht vorgeworfen werden.

Die belangte Behörde führt zur Begründung ihres Bescheides im Wesentlichen aus, dass auch in einem Irrtum ein Ereignis im Sinn des § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG liegen könne. Im vorliegenden Fall sei davon auszugehen, dass dem Beschwerdeführer - zumindest vom Referenten der Erstbehörde - keine unrichtige Rechtsauskunft erteilt worden sei. Es stehe außer Zweifel, dass die Auskunft vor Erlassung des Aufenthaltsverbotsbescheides erteilt worden sei. In diesem Zeitpunkt habe der Referent noch gar nicht absehen können, dass die bevorstehende Zustellung des Bescheides durch Hinterlegung erfolgen werde. Es würde den Rahmen jeder Rechtsauskunft sprengen, wenn Behördenorgane bei Rechtsauskünften auf alle Eventualitäten eingehen müssten. Die Auskunft des Referenten der Erstbehörde, wonach eine Berufung binnen 14 Tagen nach Zugang des Schriftstückes einzubringen wäre, sei richtig, weil "Zugang" im Sinn von "Zustellung" zu verstehen sei. Betreffend den Kontakt mit der Betreuungsstelle für AusländerInnen sei auszuführen, dass diese Ausländerberatungsstelle keine verbindlichen Rechtsauskünfte erteilen könne. Bei gehöriger Aufmerksamkeit hätte dem Beschwerdeführer klar sein müssen, dass die Hinterlegung und nicht die Abholung der Sendung als Zustellung gelte. Ihm sei ein verschuldeter, auf Sorglosigkeit zurückzuführender Irrtum anzulasten, sodass kein unvorhersehbares oder unabwendbares Ereignis vorliege. Die Zurückweisung der Berufung gründe sich auf die Versäumung der Berufungsfrist.

3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 71 Abs. 1 AVG ist gegen die Versäumung einer Frist auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn (Z. 1) die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten, und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft oder (Z. 2) die Partei die Berufungsfrist versäumt hat, weil der Bescheid fälschlich die Angabe enthält, dass keine Berufung zulässig sei.

2. § 71 Abs. 1 Z. 2 AVG regelt die Zulässigkeit der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Rechtsmittelfrist nicht abschließend: Die Wiedereinsetzung ist in diesem Fall auch nach Abs. 1 Z. 1 leg. cit. möglich, wenn die Partei durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis ohne ihr Verschulden an der rechtzeitigen Einbringung des Rechtsmittels verhindert war. Die Z. 2 stellt sich im Verhältnis zur Z. 1 des § 71 Abs. 1 AVG als lex specialis dar (vgl. Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I, 2. Auflage, Anm. 11 zu § 71 AVG).

Nicht nur ein äußeres Ereignis, sondern auch ein Irrtum, etwa über den Beginn der Berufungsfrist, kann ein Ereignis im Sinn des § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG darstellen. Allerdings ist im Einzelfall jeweils die Verschuldensfrage zu prüfen und eine Wiedereinsetzung dann zu verwehren, wenn dem Antragsteller ein den minderen Grad des Versehens übersteigendes Verschulden zur Last fällt.

Auch wenn ein aus einer unrichtigen Rechtsauskunft eines behördlichen Organs resultierender Rechtsirrtum einen Wiedereinsetzungsgrund iSd § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG darstellen kann (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom , Slg. 10.325/A), ist damit für den Beschwerdeführer nichts gewonnen, geht er doch selbst davon aus, dass er anlässlich seiner Vorsprache beim Referenten der Erstbehörde eine grundsätzlich richtige Rechtsauskunft erhalten habe und nur die Eventualität einer Hinterlegung nicht diskutiert worden sei.

3.1. Der Beschwerdeführer erblickt die inhaltliche Rechtswidrigkeit des bekämpften Bescheides darin, dass er auf die -

unrichtige - Rechtsauskunft eines ihm äußerst kompetent erscheinenden Beraters vertraut habe. Angesichts einer qualifizierten Beratungstätigkeit durch die Betreuungsstelle für AusländerInnen sei es - seinem Beschwerdevorbringen zufolge - unhaltbar, von einer unverbindlichen Rechtsauskunft und von einem Ausschluss eines Wiedereinsetzungsgrundes auszugehen. Solange eine Institution wie der Verein zur Betreuung von AusländerInnen im Rechtsverkehr gegenüber den Betroffenen den Anschein einer kompetenten, seriösen und ordentlich geführten Beratungsstelle erwecke, dürfe der Hilfe Suchende auf die Richtigkeit von Auskünften vertrauen.

3.2. Dem ist entgegen zu halten, dass gerade in Anbetracht der Auskunft des Sachbearbeiters der Erstbehörde das vorbehaltlose Vertrauen in den äußeren Anschein der Kompetenz der Beratungsstelle den minderen Grad des Versehens überstieg, hatte doch der Beschwerdeführer - abgesehen vom ersten Eindruck - keine hinreichende Vertrauensgrundlage dafür, ob und inwiefern Auskünfte der Beratungsstelle auch tatsächlich richtig seien. Es überstieg den minderen Grad des Versehens, dass der Beschwerdeführer seine offensichtlich verbliebenen Zweifel über den Beginn der Berufungsfrist einzig durch die Auskunft der Beratungsstelle ausgeräumt sah.

Die behauptete inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides liegt daher nicht vor.

4. Auch die geltend gemachte Verletzung von Verfahrensvorschriften im Wiedereinsetzungsverfahren ist nicht gegeben. Den Antragsteller trifft die Obliegenheit, im Antrag konkret jenes unvorhergesehene oder unabwendbare Ereignis darzutun, das ihn an der Einhaltung der Frist gehindert hat. Eine amtswegige Prüfung, ob weitere oder andere, vom Antragsteller nicht geltend gemachte Umstände die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand rechtfertigen könnten, hat nicht zu erfolgen (vgl. die in Walter/Thienel, aaO, unter E 298 ff zu § 71 AVG zitierte hg. Rechtsprechung).

5. Im Hinblick darauf, dass die Berufung unbestritten erst nach Ablauf der hiefür vorgesehenen zweiwöchigen Frist (§ 63 Abs. 5 AVG) eingebracht, somit verspätet erhoben wurde, steht deren Zurückweisung mit dem Gesetz (§ 66 Abs. 4 AVG) in Einklang.

6. Da bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.

7. Somit erübrigt sich auch ein Ausspruch über den Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung.

Wien, am