VwGH vom 28.11.2001, 2001/17/0183

VwGH vom 28.11.2001, 2001/17/0183

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Höfinger, Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler und Dr. Zens als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde des G F in P, vertreten durch Dr. Michael Göbel, Rechtsanwalt in 1080 Wien, Florianigasse 19/7, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom , Zl. IVW3-BE-3171901/003-00, betreffend Vorschreibung einer Kanalbenützungsgebühr (mitbeteiligte Partei: Marktgemeinde Perchtoldsdorf, 2380 Perchtoldsdorf, Marktplatz 11), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Kostenersatzantrag der mitbeteiligten Marktgemeinde Perchtoldsdorf wird abgewiesen.

Begründung

1.1. Der Bürgermeister der mitbeteiligten Marktgemeinde Perchtoldsdorf schrieb dem Beschwerdeführer mit Bescheid vom für die in dessen Eigentum befindliche näher genannte Liegenschaft unter Zugrundelegung einer Berechnungsfläche von 368 m2 und eines Einheitssatzes von S 29,48 eine jährliche Kanalbenützungsgebühr für die Schmutzwasserentsorgung im Ausmaß von S 10.848,64 (zuzüglich 10 % USt) zur Entrichtung jährlich in vier gleichen Teilbeträgen vor.

1.2. In seiner dagegen erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer vor, er wende sich gegen die 12,5 %ige Erhöhung der Schmutzwasserkanalgebühr; wie er erfahren habe, werde ein Teil davon "widmungsfremd verwendet".

1.3. Der Gemeinderat der Marktgemeinde Perchtoldsdorf als Abgabenbehörde zweiter Instanz wies die Berufung mit Bescheid vom ab.

Begründend verwies der Gemeinderat unter anderem auf seinen Beschluss vom , wonach für die Schmutzwasserkanalbenützungsgebühr ein Einheitssatz von S 26,80/m2 Berechnungsfläche festgesetzt worden sei; aus der Berechnung ergebe sich für den einfachen Jahresaufwand ein Betrag von S 22,81/m2. Der Schmutzwassersatz werde laut Gesetz um 10 % erhöht, wenn auch eine Regenwasserkanalbenützung statt finde. Die Berufung sei deshalb abzuweisen gewesen, weil nach § 1 Abs. 2 des Niederösterreichischen Kanalgesetzes 1977 den Gemeinden die Möglichkeit eingeräumt worden sei, auch über den einfachen Jahresaufwand hinaus Kanalgebühren festzusetzen, die somit nicht mehr zweckgebunden zu verwenden seien. Davon habe die Marktgemeinde Gebrauch gemacht und die Kanalbenützungsgebühr diesbezüglich mit angehoben. Der Bürgermeister als Abgabenbehörde erster Instanz sei an diese Verordnung gebunden und habe zu Recht den erhöhten Einheitssatz zur Anwendung gebracht.

1.4. Der Beschwerdeführer machte - rechtsfreundlich vertreten - in seiner dagegen erhobenen Vorstellung geltend, er fechte den Bescheid wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens, unrichtigen Sachverhaltsfeststellungen und unrichtiger rechtlicher Beurteilung sowie "Nichtigkeit zufolge Verfassungswidrigkeit" an. Dem Bescheid sei weder ein Ermittlungsverfahren, in dem ihm rechtliches Gehör gewährt worden wäre, vorangegangen noch seien ihm nachvollziehbare Feststellungen über die Berechnung der Berechnungsfläche, noch über die tatsächlichen Kosten von Kanalerrichtung und Kanalbenützung, noch über den "Anteil der darüber hinausgehenden nunmehr zur Einhebung gelangenden Beträge" zu entnehmen. Entgegen der Bestimmung des § 1 Abs. 5 des Niederösterreichischen Kanalgesetzes würden nun "zugestandenermaßen" Kanalbenützungsgebühren vorgeschrieben, die den tatsächlichen Aufwand überschritten und zweckentfremdet verwendet werden sollten. Bei richtiger rechtlicher Beurteilung hätte die Behörde keine Erhöhung der Gebühren vorschreiben dürfen. Weiters werde geltend gemacht, dass die Auslegung durch die Behörde gegen "geltendes EU-Recht", aber auch gegen Verfassungsrecht verstoße. Auf Grund der Verletzung des rechtlichen Gehörs blieben weitere und ergänzende Ausführungen nach Akteneinsicht vorbehalten.

1.5. Mit ihrem Bescheid vom wies die belangte Behörde die Vorstellung als unbegründet ab. Die Ermittlung der Berechnungsfläche, wie sie im Rahmen des erstinstanzlichen Bescheides erfolgt sei, sei vom Vorstellungswerber nicht bestritten worden; streitgegenständlich sei im Wesentlichen eine 12,5 %ige Erhöhung der Kanalbenützungsgebühr ab und die nach Meinung des Vorstellungswerbers (Beschwerdeführers) damit verbundene, mutmaßlich widmungswidrige Verwendung der eingehobenen Abgabe.

Zum Vorbringen des Beschwerdeführers, wonach ihm die tatsächlichen Kosten der Kanalerrichtung und Kanalbenützung nicht (persönlich) zur Kenntnis gebracht worden seien, sei anzumerken, dass in der Kanalabgabenordnung sehr wohl die Baukosten für die Errichtung des Schmutzwasserkanals und des Regenwasserkanals ersichtlich seien, da als Basis zur Errechnung des Einheitssatzes die auf einen Längenmeter entfallenden Baukosten, getrennt nach Schmutzwasser- und Regenwasserkanal angeführt würden.

Auf Grund des vom Beschwerdeführer unterfertigten Erhebungsbogens vom habe die Marktgemeinde rechtsrichtig von einer Schmutzwasserberechnungsfläche im Ausmaß von 368 m2 ausgehen können; durch die Multiplikation mit dem - gesetzeskonform - in § 4 Z. 2 der Kanalabgabenordnung festgelegten Einheitssatz von S 26,80 zuzüglich des 10 %igen Aufschlages für die Regenwasserentsorgung (sohin S 29,48) sei der Betrag von S 10.848,64 zutreffend errechnet und mit Bescheid des Bürgermeisters vom dementsprechend vorgeschrieben worden. Erstmals im Rahmen des Vorstellungsverfahrens sei behauptet worden, dass dem in Vorstellung gezogenen Bescheid nicht nachvollziehbare Feststellungen über die Berechnung der Berechnungsfläche zu Grunde lägen. Diese sei aber auf Grund des vom Beschwerdeführer am ausgefüllten Erhebungsbogen erfolgt. Da es sich dabei um Werte gehandelt habe, die der Beschwerdeführer der Gemeinde bekannt gegeben habe, seien diese nicht im Rahmen eines gesonderten Ermittlungsverfahrens zu überprüfen gewesen, zumal deren Unrichtigkeit im Verfahren vor den Abgabenbehörden der Gemeinde nicht geltend gemacht worden sei.

1.6. Der Beschwerdeführer bekämpfte diesen Bescheid zunächst vor dem Verfassungsgerichtshof. Dieser wies mit Erkenntnis vom , B 260/01-10, die Beschwerde ab und sprach aus, dass die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung im Sinne des Art. 144 Abs. 3 B-VG abgetreten werde.

1.7. Der Beschwerdeführer erachtet sich in dem an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Teil seiner Beschwerde seinen Ausführungen nach im einfach gesetzlich gewährleisteten Recht auf Unterlassung einer Erhöhung der Kanalgebühren, in eventu auf Erhöhung nur im Rahmen der sachlichen Zweckerfordernisse verletzt. Er bekämpft den Bescheid der belangten Behörde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

2.0. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

2.1. Soweit der Beschwerdeführer im Zusammenhang mit der gerügten Verletzung von Verfahrensvorschriften ausführt, die belangte Behörde habe den Sachverhalt in einem wesentlichen Teil aktenwidrig angenommen, bringt er vor, nachvollziehbare und objektive Beurteilungs- und Berechnungsrichtlinien seien nicht dargetan worden, insbesondere eine Berechnung der Erfordernisse und eine Rechtfertigung der Höhe der Vorschreibung seien nicht erfolgt.

Im Hinblick auf die Begründungen der Abgabenbescheide wie auch insbesondere des bekämpften Bescheides und mangels näherer Ausführungen ist dieses Beschwerdevorbringen jedoch nicht nachvollziehbar; die Abgabenbehörden haben ihre Entscheidung unter Berufung auf Rechtsquellen, vor allem auf die ihrer Ansicht nach anzuwendende Verordnung und den daraus resultierenden Einheitssatz gestützt und hieraus durch Multiplikation mit der Berechnungsfläche die ihrer Ansicht nach zu leistende Abgabe errechnet. Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid im Hinblick auf ein gleich gelagertes Vorbringen des Beschwerdeführers in der Vorstellung dargelegt, warum diese Vorgangsweise ihrer Ansicht nach zulässig und zutreffend war. Soweit eine Aktenwidrigkeit in der Unterlassung der Bekanntgabe "nachvollziehbarer und objektiver Beurteilungs- und Berechnungsrichtlinien" überhaupt bestehen kann, vermag der Verwaltungsgerichtshof eine solche im Beschwerdefall jedenfalls nicht zu erkennen.

2.2. Auch soweit der Beschwerdeführer den Sachverhalt in einem wesentlichen Punkt ergänzungsbedürftig erachtet, liegt die gerügte Verletzung von Verfahrensvorschriften nicht vor. Wenn der Beschwerdeführer - ohne dies freilich im einzelnen darzulegen - vorbringt, er sei in seinem Recht auf Gehör verletzt worden, ist ihm entgegen zu halten, dass es ihm freigestanden wäre, spätestens vor der Vorstellungsbehörde seine Ansicht vorzubringen. Überdies führt er nicht weiter aus, was er im Falle der Unterlassung der von ihm behaupteten Rechtswidrigkeit vorgebracht hätte, sodass auch die Relevanz dieses angeblichen Verfahrensmangels nicht erkennbar ist. Soweit den Beschwerdeausführungen entnommen werden könnte, der Beschwerdeführer erachte sich in seinem Recht auf Gehör hinsichtlich der Bemessungsgrundlagen des Einheitssatzes verletzt, ist er darauf hinzuweisen, dass ihm zum einen ein solcher Rechtsanspruch im Abgabenbemessungsverfahren nicht zusteht und zum anderen vermeintliche Fehler bei Erlassung der Kanalabgabenordnung nicht unter dem Titel einer Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften im Bescheidprüfungsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof geltend gemacht werden können (zur verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der Verordnung siehe im Folgenden).

In gleicher Weise ist dem Beschwerdeführer zu erwidern, wenn er rügt, dass keine nachvollziehbaren Feststellungen über die Berechnung der Berechnungsfläche angestellt worden seien. Die belangte Behörde hat dem Beschwerdeführer bereits dargelegt, dass die zu Grunde gelegte Berechnungsfläche auf seinen eigenen Angaben beruht. Dem hält der Beschwerdeführer in seiner Beschwerde nichts entgegen, sodass nicht zu erkennen ist, welche nachvollziehbaren Feststellungen diesbezüglich hätten getroffen werden sollen.

Soweit der Beschwerdeführer zur Erlassung eines nachvollziehbaren und gesetzmäßigen Bescheides noch die Ergänzung des Sachverhaltes dahingehend als geboten ansieht, welche tatsächlichen Kosten und Erfordernisse betreffend Kanalerrichtung und Kanalbenützung bestanden und bestehen bzw. zu erwarten seien, ist er allerdings auf die von den Abgabenbehörden und der belangten Vorstellungsbehörde zu Grunde gelegte Verordnung zu verweisen, aus der sich die für die Kanalbenützung zu verrechnenden Sätze ergeben. Dass die Berechnungsgrundlagen für die Höhe dieses Einheitssatzes in der Kanalabgabenordnung angeführt werden, verlangt das Gesetz (§ 6 Abs. 2 lit. b des Niederösterreichischen Kanalgesetzes 1977 LGBl. 8230-5, in der Folge: KanalG) nicht und wäre im Übrigen im Bescheidprüfungsverfahren nicht zu prüfen. Hingewiesen sei weiters darauf, dass die Kosten der Kanalerrichtung bei der bescheidmäßigen Berechnung der Kanalbenützungsgebühr keine Rolle spielen (vgl. zu dem Ganzen näher das erwähnte Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , B 260/01, mit dem die Beschwerde des Beschwerdeführers abgewiesen worden war).

2.3. Unter dem Gesichtspunkt der inhaltlichen Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides geht der Beschwerdeführer offenbar davon aus, dass die Abgabenbehörden den Einheitssatz der von ihnen zu Grunde gelegten Verordnung nicht ohne weitere Prüfung hätten heranziehen dürfen. Dem Vorbringen des Beschwerdeführers kann entnommen werden, dass er den Einheitssatz als Höchstbetrag der von den Abgabenbehörden heranzuziehenden Festsetzung ansieht. Damit verkennt er aber das Wesen des Einheitssatzes im Zusammenhang mit der Bestimmung der Kanalbenützungsgebühr. Diese errechnet sich nämlich gemäß § 5 Abs. 2 erster Satz KanalG aus dem Produkt der Berechnungsfläche und dem Einheitssatz zuzüglich eines - im Beschwerdefall nicht in Betracht kommenden - schmutzfrachtbezogenen Gebührenanteiles. Die Heranziehung des Einheitssatzes in dem Sinne, dass dieser nur eine Höchstgrenze bedeute, kann dem Gesetz (und der darauf gestützten Verordnung) nicht entnommen werden.

Dass die Verordnung aber in der geltenden (Verfassungs)Rechtslage entspricht, hat der Verfassungsgerichtshof bereits in dem mehrfach erwähnten Erkenntnis vom näher dargelegt; die Heranziehung des Einheitssatzes zur Berechnung der Abgabe begegnet daher auch seitens des Verwaltungsgerichtshofes im Hinblick auf den Beschwerdefall keinerlei Bedenken.

2.4. Der Beschwerdeführer macht weiters geltend, dass die (in der Begründung des angefochtenen Bescheides getroffene) Auslegung gegen "geltendes EU-Recht" verstoße, "welches die Zweckbindung und Angemessenheit von Abgaben" vorsehe. - Eine derartige, im Beschwerdefall heranzuziehende Norm des Gemeinschaftsrechts ist jedoch dem Verwaltungsgerichtshof nicht bekannt und wird vom Beschwerdeführer auch nicht dargelegt, sodass schon aus diesem Grunde eine nähere Befassung mit der behaupteten Gemeinschaftsrechtswidrigkeit der dem Beschwerdeführer vorgeschriebenen Kanalgebühren zu unterbleiben hat.

2.5. Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

2.6. Die Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof war auch nicht unter dem Aspekt des Art. 6 MRK erforderlich, da Abgabenangelegenheiten - in der Art wie im vorliegenden Beschwerdefall - nicht "civil rights" betreffen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 94/17/0094, mwN).

2.7. Die im verfassungsgerichtlichen Verfahren mitbeteiligte Marktgemeinde Perchtoldsdorf hat in ihrer an den Verfassungsgerichtshof gerichteten Gegenschrift für den Fall der Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof den Antrag auf Kostenzuspruch durch diesen gestellt. Da der Gegenschrift jedoch keine das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof betreffenden Ausführungen zu entnehmen sind, war der diesbezügliche Kostenersatzantrag schon aus diesem Grunde als zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung insofern nicht geeignet abzuweisen.

Wien, am