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VwGH vom 16.03.1995, 93/06/0056

VwGH vom 16.03.1995, 93/06/0056

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Müller, Dr. Waldstätten und Dr. Köhler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Knecht, über die Beschwerde des P in S, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid der Salzburger Landesregierung vom , Zl. 1/02-23.130/44-1993, betreffend einen baubehördlichen Beseitigungsauftrag (mitbeteiligte Parteien: 1. H in S, und 2. Marktgemeinde S, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Salzburg hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 13.100,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid aus dem Jahre 1963 wurde dem Beschwerdeführer die baubehördliche Bewilligung zur Errichtung einer Garage auf dem Grundstück 1651/40, KG S, entsprechend den Einreichunterlagen erteilt. Mit Bescheid aus dem Jahre 1964 wurde die Benützungsbewilligung erteilt. Im Gefolge der Errichtung einer Böschungsmauer durch den Erstmitbeteiligten dieses verwaltungsgerichtlichen Verfahrens kam es zwischen dem Beschwerdeführer und dem Erstmitbeteiligten zu Rechtsstreitigkeiten hinsichtlich des Verlaufes der gemeinsamen Grundgrenze. Im Zuge dieser Rechtssteitigkeiten wurde ein auch in den Verwaltungsakten einliegendes Gutachten des Geometers Dipl.-Ing. T eingeholt, der feststellte, daß Bauteile der Garage des Beschwerdeführers in näher genannten Teilen "bis zu 4 cm", "bis zu 8 cm", "bis zu 4 cm", hinsichtlich des Daches "bis zu 10 cm" und hinsichtlich der Terassenmauer "bis zu 7 cm" bzw. bezüglich der Abdeckung der Terassenmauer "bis zu 13 cm" auf das Grundstück des Erstmitbeteiligten ragten. Entsprechend den Ausführungen im genannten Gutachten ließ sich die damals zwischen den Parteien strittige Frage, ob der nördliche Grenzstein vom Erstmitbeteiligten dieses verwaltungsgerichtlichen Verfahrens versetzt worden sei, deshalb nicht klären, weil "bei der Berechnung (Transformation) Differenzen bis zu 14 cm auftreten" und außerdem "infolge der Steilheit des Geländes schon bei der Straßenherstellung die Lage der Grenzsteine verändert worden sein" könnte.

Im Jahre 1972 wurde dem Beschwerdeführer die baubehördliche Bewilligung des Umbaues des Gebäudes auf dem Grundstück 1651/40 erteilt, wobei auch bauliche Maßnahmen hinsichtlich der Garage erfolgten und eine Verwendungsänderung der Garage in Wohnraum tatsächlich durchgeführt wurde, diese jedoch im damals erteilten Konsens nicht enthalten war. Daher ersuchte der Beschwerdeführer mit Eingabe vom um die nachträgliche Umwidmung der Garage in einen Wohnraum. Mit Bescheid vom wurde dem Beschwerdeführer die beantragte Bewilligung der Umwidmung erteilt, wobei "folgende Vorschreibungen" erteilt wurden:

"1.) sämtliche Teile des Bauwerkes müssen auf eigenem Grund stehen bzw. dürfen nicht in den Nachbargrund hineinragen.

2.) Es ist durch geeignete Maßnahmen (1 m hohes und kindersicher ausgebildetes Geländer) dafür zu sorgen, daß das Dach dieses Objektes nicht begehbar ist bzw. niemand dort hinfallen kann.

3.) Die Sicherheit und die gefahrlose Benützbarkeit ist durch eine Bestätigung des Bauführers nachzuweisen."

Eine gegen diesen Bescheid erhobene Berufung des Mitbeteiligten wurde mit Bescheid der Gemeindevertretung vom abgewiesen.

Aufgrund einer baupolizeilichen Überprüfung gemäß § 17 des Salzburger Baupolizeigesetzes erging sodann der Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom , in dem festgestellt wird, daß das verfahrensgegenständliche Objekt im wesentlichen konsensgemäß ausgeführt worden sei, daß jedoch "bereits mehrfach festgestellte Überbauungen" bestünden. Dem Beschwerdeführer wurde aufgetragen, die Abweichungen von der erteilten Bewilligung innerhalb von 3 Monaten ab Rechtskraft des Bescheides zu beseitigen. Eine Berufung des Beschwerdeführers gegen diesen Bescheid wurde mit Bescheid der Gemeindevertretung der mitbeteiligten Gemeinde vom abgewiesen; aufgrund der dagegen erhobenen Vorstellung erging der nunmehr angefochtene Bescheid, mit welchem die belangte Behörde den Bescheid der Gemeindevertretung aufhob und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Gemeinde zurückverwies. Die belangte Behörde geht im angefochtenen Bescheid begründend davon aus, daß "Abweichungen" von der baubehördlichen Bewilligung im Sinne der Bestimmung des § 17 Abs. 1 Baupolizeigesetz nicht vorlägen, die verfahrensgegenständliche, nunmehr als Wohnraum genutzte Garage vielmehr entsprechend der baubehördlichen Bewilligung errichtet worden sei. Sie sei jedoch "dadurch rechtswidrig, daß entgegen der (in ihrer Durchsetzbarkeit zweifelhaften) Auflage des Bewilligungsbescheides aus dem Jahre 1982 mit dem bestehenden Objekt die Grundgrenze und somit das Eigentum des unmittelbaren Nachbarn verletzt" werde. Im Hinblick darauf, daß ein "unbedingter" Abtragungsauftrag, wie er unter Heranziehung des § 17 Baupolizeigesetz von der mitbeteiligten Gemeinde verfügt worden sei, einen weitergehenden Eingriff in die Rechtsphäre des Beschwerdeführers darstelle als ein alternativer Abbruchauftrag gemäß § 16 Abs. 3 Baupolizeigesetz, wurde die Entscheidung der Gemeindevertretung gleichwohl aufgehoben.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit welcher inhaltliche Rechtswidrigkeit im Hinblick auf die der Aufhebung zugrundeliegenden Rechtsansicht, daß die Lage der gegenständlichen (nunmehr als Wohnraum genutzten) Garage rechtswidrig sei, geltend gemacht wird.

Die belangte Behörde hat die Akten ihres Verfahrens sowie den Akt der mitbeteiligten Gemeinde vorgelegt und den Zuspruch des Vorlageaufwandes beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Dem Beschwerdeführer ist zuzustimmen, wenn er davon ausgeht, daß eine aufhebende Vorstellungsentscheidung Bindungswirkung für das weitere Verfahren hinsichtlich der tragenden Aufhebungsgründe entfaltet (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 85/05/0098, oder das hg. Erkenntnis vom , Zl. 94/05/0116, das Erkenntnis vom , Zl. 94/05/0096 und andere). Wie der Verwaltungsgerichtshof (auch in den eben zitierten Erkenntnissen) in ständiger Rechtsprechung betont, sind jedoch nur jene Ausführungen in der Begründung eines Vorstellungsbescheides in dieser Hinsicht bindend, welche kausal für die Aufhebung des angefochtenen Gemeindebescheides sind. Im vorliegenden Falle ist daher zunächst zu prüfen, ob im Beschwerdefall die von der belangten Behörde zunächst getroffene Annahme, daß das gegenständliche Bauwerk auf das Grundstück der erstmitbeteiligten Partei rage, einen derartigen tragenden Aufhebungsgrund darstellt. Die Aufhebung des angefochtenen Gemeindebescheides erfolgte deshalb, weil der unbedingte Abtragungsauftrag nach § 17 Baupolizeigesetz einen weitergehenden Rechtseingriff als der Alternativauftrag nach § 16 Abs. 3 Baupolizeigesetz darstelle. Tragender Grund für die Aufhebung war somit, daß die Gemeindebehörde auf dem Boden der von ihr getroffenen Sachverhaltsfeststellungen (Überragen des Grundstückes des Erstmitbeteiligten durch das Bauwerk des Beschwerdeführers) nicht die von ihr gewählte Rechtsfolge nach dem Baupolizeigesetz setzen hätte dürfen, sondern daß sie mit einem Auftrag nach § 16 Abs. 3 Baupolizeigesetz vorzugehen gehabt hätte, um dem Beschwerdeführer die Möglichkeit der Antragstellung um nachträgliche Baubewilligung zu geben. Im angefochtenen Bescheid ist dazu auch abschließend ausdrücklich festgehalten, daß die Gemeindebehörden im fortgesetzten Verfahren dem Beschwerdeführer alternativ die Beseitigung der bescheid- und gesetzwidrigen Verbauung bzw. das Ansuchen um nachträgliche baubehördliche Bewilligung für diese Überbauung aufzutragen hätten. Bei dieser Sachlage kann nicht davon gesprochen werden, daß die belangte Behörde für den Fall, daß ein bestimmter Sachverhalt festgestellt werde, die Setzung einer konkreten Maßnahme aufgetragen hätte, sondern die belangte Behörde hat ihrer Entscheidung die entsprechende Sachverhaltsfeststellung dezidiert zugrunde gelegt. Da beide Alternativen, die von der Vorstellungsbehörde abgewogen wurden, nämlich sowohl § 16 Abs. 3 als auch § 17 Baupolizeigesetz, die Feststellung eines konsenswidrigen Zustandes voraussetzen, und die belangte Behörde wie dargestellt der Gemeindebehörde die Erlassung eines Auftrages nach § 16 Abs. 3 Baupolizeigesetz aufgetragen hat, ist damit in einer die Gemeindebehörden bindenden Weise festgestellt, daß sie von der Sachverhaltsannahme, daß das Bauwerk auf das Nachbargrundstück rage, auszugehen hätten.

Die von der belangten Behörde getroffene Feststellung, daß das gegenständliche Bauwerk rechtswidrig sei, ist daher als ein tragender Grund im Sinne der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes anzusehen. Dieses Begründungselement kann den Beschwerdeführer daher in seinen Rechten verletzen.

2. Der Beschwerdeführer begründet die Beschwerde zunächst mit dem Hinweis darauf, daß die Rechtsansicht der belangten Behörde insoweit unzutreffend sei, als sie zum einen von der bewilligungsgemäßen Errichtung der Baulichkeit "Garage" ausgehe, andererseits aber doch von einem "rechtswidrigen" Bestand.

Schon mit diesem Hinweis ist der Beschwerdeführer im Recht.

Unabhängig davon, welchen Inhalt die seinerzeitige Bewilligung der Umwidmung der Verwendung des Bauwerks hatte (welche rechtskräftig wurde), setzt die Erteilung eines baupolizeilichen Auftrages gemäß § 16 Abs. 3 (oder § 17) Salzburger Baupolizeigesetz voraus, daß die Konsenswidrigkeit des Bestandes in einem ordnungsgemäßen Verwaltungsverfahren festgestellt wird.

Der angefochtene Bescheid enthält zur Frage der Lage der gegenständlichen "Garage" nur die bereits oben wiedergegebenen und von der Beschwerde als widersprüchlich kritisierten Ausführungen, daß Abweichungen von der baubehördlichen Bewilligung nicht vorlägen, die Garage jedoch dadurch rechtswidrig sei, daß die Auflage des "Bewilligungsbescheides aus dem Jahr 1982" verletzt werde.

Nach § 37 AVG 1950 ist es Zweck des Ermittlungsverfahrens, den für die Erledigung einer Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalt festzustellen und den Parteien Gelegenheit zur Geltendmachung ihrer Rechte und rechtlichen Interessen zu geben.

Nach § 39 Abs. 2 AVG hat die Behörde, soweit die Verwaltungsvorschriften hierüber keine Anordnung enthalten, von Amts wegen vorzugehen und unter Beobachtung der im II. Teil des AVG enthaltenen Vorschriften den Gang des Ermittlungsverfahrens zu bestimmen.

Gemäß § 45 Abs. 3 AVG ist den Parteien Gelegenheit zu geben, von dem Ergebnis der Beweisaufnahme Kenntnis und dazu Stellung zu nehmen.

Nach § 59 Abs. 1 erster Satz AVG hat der Spruch des Bescheides die in Verhandlung stehende Angelegenheit ... in möglichst gedrängter deutlicher Fassung und unter Anführung der angewendeten Gesetzesbestimmungen zu erledigen.

Gemäß § 60 AVG sind in der Begründung die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen.

Wenngleich der Verwaltungsgerichtshof bereits mehrfach ausgesprochen hat (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 90/06/0066, mit weiteren Hinweisen), daß eine Berufungsbehörde ihrer Begründungspflicht auch durch eine kurze Verweisung auf die Gründe im Bescheid der Vorinstanz genüge (was auch für die Entscheidung einer Vorstellungsbehörde gelten kann), so ist eine derartige Verweisung auf die Begründung eines unterinstanzlichen Bescheides oder eines Bescheides der Gemeindebehörden im Vorstellungsverfahren nur dann zulässig, wenn diese Gründe aufgrund eines ausreichenden Ermittlungsverfahrens und in einer den §§ 59 und 60 AVG entsprechenden Weise im Bescheid dargelegt sind, sodaß dem Verwaltungsgerichtshof die Überprüfung des (hier: Vorstellungs-) Bescheides möglich ist.

Im vorliegenden Falle läßt sich jedoch weder den Gemeindebescheiden noch dem angefochtenen Bescheid entnehmen, worauf sich die Annahme, daß das Objekt des Beschwerdeführers auf den Nachbargrund reiche, gründe. Wie bereits dargestellt, enthält das von den Behörden offenbar ihrer Beweiswürdigung zugrundegelegte Gutachten von Dipl.-Ing. T einerseits die Feststellung, daß eine Überragung bis zu 13 cm vorliege, andererseits aber den Hinweis, daß bei der Berechnung Differenzen bis zu 14 cm auftreten könnten.

Bei dieser Sachlage kann nicht davon ausgegangen werden, daß die belangte Behörde aufgrund der Aktenlage ohne nähere Ausführungen und Begründungen von der von ihr getroffenen Sachverhaltsannahme ausgehen konnte. Insbesondere ist im Hinblick auf die ständige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu Fragen des Sachverständigenbeweises jedenfalls aufzuklären, woraus sich der (zumindest scheinbare) Widerspruch im Gutachten von Dipl.-Ing. T erklärt und wie dennoch bei der zugestandenen Unschärfe der vom Sachverständigen erstellte Befund, daß eine Überragung bis zu 13 cm vorliege, zustande gekommen ist.

3. Wenngleich die belangte Behörde aufgrund dieses Umstandes den bei ihr bekämpften Gemeindebescheid aufgrund des ihr vorliegenden Sachverhaltes bereits wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften aufheben hätte können, ist es der Vorstellungsbehörde an sich nicht untersagt, in ihrem Verfahren auch selbst Beweise zu erheben und je nach Ergebnis des Beweisverfahrens den Gemeindebehörden auch bereits eine Rechtsanschauung in der Sache zu überbinden. Da die belangte Behörde dies jedoch im Beschwerdefall ohne Vorliegen von ausreichenden Sachverhaltsfeststellungen getan hat, war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, bei deren Einhaltung die Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, aufzuheben. Auf die weiteren Ausführungen in der Beschwerde hinsichtlich des Inhaltes der seinerzeitigen Bewilligung der Umwidmung ist daher nicht mehr einzugehen.

4. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.