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VwGH vom 16.05.1997, 95/19/1303

VwGH vom 16.05.1997, 95/19/1303

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Bachler und Dr. Zens als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Kopp, über die Beschwerde des G in W, vertreten durch Dr. C, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom , Zl. 115.066/3-III/11/95, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.

Der Bund (Bundesministerium für Inneres) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Ungarn, beantragte mit Schreiben vom die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung. Die Behörde erster Instanz wies den Antrag gemäß § 5 Abs. 2 Aufenthaltsgesetz (AufG) ab.

Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer an seine von ihm im Antrag namhaft gemachte Adresse 1150 Wien, R-Gasse 30/3, laut dem im Akt erliegenden Rückschein am zuzustellen versucht und in der Folge beim Postamt 1150 Wien mit Beginn der Abholfrist hinterlegt. Mit Schriftsatz vom gab Rechtsanwältin Dr. H die ihr erteilte Vollmacht zur Vertretung des Beschwerdeführers bekannt und erhob im gleichen Schriftsatz Berufung. Der Schriftsatz wurde am zur Post gegeben.

Mit Schriftsatz vom , zur Post gegeben am , stellte der Beschwerdeführer durch seine Vertreterin den "Wiedereinsetzungsantrag in die Berufungsfrist zur Berufung vom ". Er führte im Antrag aus, daß dem Rechtsfreund des Beschwerdeführers der erstinstanzliche Bescheid am "per Fax" übermittelt worden sei; es sei dem Rechtsfreund nicht mitgeteilt worden, daß der Bescheid bereits "am hinterlegt" worden sei. Der Bescheid sei "an die Geschäftsadresse der V & C OHG, deren Gesellschafter der Antragsteller ist, in Wien, P-Gasse 22, adressiert" gewesen. Der Hinterlegungsschein sei "infolge eines Kanzleiversehens in ein falsches Ablagefach" gelangt. Der Antragsteller habe sich vom bis "im Ausland auf Urlaub" befunden. Im Antrag wurden weder nähere konkrete Daten genannt noch Beweise angeboten.

Der Rechtsfreund des Antragstellers habe vom Ablauf der Berufungsfrist keine Kenntnis gehabt. Der Antragsteller sei durch ein unvorhersehbares und unüberwindliches Ereignis an der rechtzeitigen Einbringung der Berufungsschrift gehindert gewesen.

Die Behörde erster Instanz wies mit dem Bescheid vom diesen Antrag gemäß § 71 Abs. 2 AVG zurück, weil für die Stellung eines Wiedereinsetzungsantrages die Frist ab "KENNTNIS der Verspätung des eingebrachten Rechtsmittels zu bezeichnen" sei. Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am (Übernahme durch einen Arbeitnehmer der berufsmäßigen Parteienvertreterin Dr. H in deren Kanzlei) zugestellt. Der Bescheid erwuchs nach dem Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes in Rechtskraft.

Die belangte Behörde erließ daraufhin den nunmehr angefochtenen Bescheid vom , mit welchem sie die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der ersten Instanz vom gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 5 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) und § 10 Abs. 1 Z. 4 des Fremdengesetzes (FrG) abwies.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in dem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Dreiersenat erwogen hat:

Ist die Berufung verspätet eingebracht worden, reicht die aus der Einbringung der Berufung erwachsende Zuständigkeit der Berufungsbehörde nur soweit, daß sie die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG durch verfahrensrechtlichen Bescheid (vgl. Walter/Mayer, Grundriß des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts6, Rz 535) zurückzuweisen hat (vgl. Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, S. 582). Mit der meritorischen Erledigung der wegen Verfristung zurückweisenden Berufung hingegen überschreitet die Berufungsbehörde ihre Zuständigkeit und belastet ihren Bescheid insoweit mit Rechtswidrigkeit infolge ihrer Unzuständigkeit (vgl. Oberndorfer, Die österreichische Verwaltungsgerichtsbarkeit, S. 172; weiters das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 93/07/0167).

Der Beschwerdeführer ging in seinem seinerzeitigen Wiedereinsetzungsantrag selbst von der Verspätung der am erhobenen Berufung aus. Zwar machte er mit dem Vorbringen, er sei urlaubsbedingt im Ausland gewesen, inhaltlich einen Zustellmangel geltend, doch wurde mit der bloßen Behauptung einer Ortsabwesenheit, welche lediglich durch Nennung des Abwesenheitszeitraumes konkretisiert wurde, der jedoch nähere Angaben (etwa zum konkreten Aufenthaltsort) und ein Anbot entsprechender Bescheinigungsmittel fehlten, das Vorliegen einer unwirksamen Zustellung durch Hinterlegung nicht dargetan (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 95/17/0072, uva.).

Da ausgehend vom Datum der Hinterlegung mit Beginn der Abholfrist die Frist zur Erhebung der Berufung am Montag, dem , ablief, wurde die am zur Post gegebene Berufung verspätet erhoben.

Die belangte Behörde war daher zur Sachentscheidung nicht berechtigt, weshalb der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde gemäß § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG aufzuheben war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Stempelgebührenersatz war nur in Höhe von S 270,-- (Beschwerde zweifach, angefochtener Bescheid einfach) zuzusprechen.

Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

Fundstelle(n):
RAAAE-44244