VwGH vom 15.02.1994, 93/05/0294
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Hauer und die Hofräte Dr. Degischer, Dr. Giendl, Dr. Kail und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Gritsch, über die Beschwerde der A in W, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in X, gegen den Bescheid der Kärntner Landesregierung vom , Zl. 8 BauR1-77/4/1993, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Partei: Gemeinde W, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Aus der Beschwerde und dem vorgelegten Bescheid ergibt sich nachstehender Sachverhalt: Die Gemeinde W beantragte am die (nachträgliche) Baubewilligung zur Errichtung eines Sporthauses mit diversen Nebenanlagen (PKW-Abstellfläche, Eisflächenumrandung, Flutlichtmasten, Gastank, Befestigung der Zufahrt zur Zugangsfläche, WC-Anlage mit Senkgrube, Fertigteilböschungsmauer und Hofbeleuchtung) auf den Grundstücken Nr. 113/1, 113/2 und 113/3. Bei der Bauverhandlung vom wendete die nunmehrige Beschwerdeführerin als Nachbarin ein, die Umwidmung der gegenständlichen Grundstücke von "Grünland - Sonderwidmung Kinderspielplatz" in "Grünland - Sonderwidmung Erholung-Sport" sei unter Mißachtung des § 9 des Gemeindeplanungsgesetzes 1982 erfolgt. Die Beschwerdeführerin sei nun widmungsfremden und ortsunüblichen Lärm-, Geruchs- und Lichtimmissionen ausgesetzt. Die nunmehrige Widmung sei für das Bauvorhaben nicht ausreichend. Der Umfang, die Ausgestaltung und tatsächliche Benutzung des Gebäudes gehe weit über das zulässige Maß der Grünlandwidmung hinaus. Ebenso verhalte es sich mit den PKW-Abstellplätzen, der Flutlichtanlage und den übrigen Nebenanlagen.
Am erteilte der Bürgermeister die Baubewilligung für das beantragte Bauvorhaben unter einer Reihe von Auflagen. Die dagegen erhobene Berufung wies der Gemeindevorstand der Gemeinde W mit Bescheid vom als unzulässig zurück, ging aber in der Begründung offenbar auf die Sachargumente der Berufung ein. Schon die Distanz zwischen dem Gebäude der Anrainerin und jenem der Gemeinde betrage 54 m, sodaß eine Beeinträchtigung irgendwelcher Art als ausgeschlossen erscheine.
Die dagegen erhobene Vorstellung wies die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid als unbegründet ab. Im Hinblick auf die Begründung der Berufungsentscheidung handle es sich bei der gewählten "Zurückweisung" um ein Vergreifen im Ausdruck. Das Bauvorhaben entspreche der festgelegten Widmung; aus § 3 Abs. 2 lit. a des Gemeindeplanungsgesetzes 1982 könne ein Immissionsschutz für Nachbarn nicht abgeleitet werden. Der Nachbar besitze auch nur dann ein subjektiv-öffentliches Recht auf die Einhaltung der einzelnen Widmungskategorien des Flächenwidmungsplanes, wenn die bestimmte Widmungskategorie einen Immissionsschutz gewährleiste.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit welcher Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird. Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid insoferne als beschwert, als eine dem derzeitigen Flächenwidmungsplan der Gemeinde W sowie den Bestimmungen des § 3 Abs. 3 lit. b Gemeindeplanungsgesetz und § 21 Abs. 5 der Kärntner Bauordnung zuwiderlaufende Rechtslage geschaffen werde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 21 Abs. 5 Kärntner Bauordnung 1992, LGBl. Nr. 64/1992 (im folgenden: BO), lautet:
"(5) Öffentlich-rechtliche Einwendungen der Parteien (Abs. 4) sind im Baubewilligungsverfahren nur zu berücksichtigen, wenn sie sich auf die Bestimmungen des Baurechtes oder der Bebauungspläne stützen, die nicht nur dem öffentlichen Interesse, sondern auch dem Interesse der Nachbarschaft dienen. Hiezu gehören insbesondere die Bestimmungen über die Bebauungsweise, die Ausnutzbarkeit des Baugrundstückes, die Lage des Bauvorhabens, die Abstände von den Grundstücksgrenzen und von Gebäuden oder sonstigen baulichen Anlagen auf Nachbargrundstücken, die Gebäudehöhe sowie jene Bestimmungen, die dem Schutz der Nachbarschaft in gesundheitlichen Belangen, im Interesse der Brandsicherheit oder gegen Immissionen dienen."
Der Beschwerdeführerin muß somit, soweit sie sich durch die Nichteinhaltung des § 21 Abs. 5 BO beschwert erachtet, entgegengehalten werden, daß aus dieser Bestimmung allein keine Nachbarrechte abgeleitet werden können. Vielmehr verweist diese Bestimmung auf Bestimmungen des Baurechtes oder der Bebauungspläne, die auch dem Interesse der Nachbarschaft dienen. Eine Bestimmung hingegen, die einen allgemeinen Immissionsschutz gewährt (siehe etwa § 23 Abs. 2 der Oö. Bauordnung), kennt die Kärntner Bauordnung auch in der Neufassung des § 21 (früher: § 18) durch die 4. Bauordnungsnovelle nach wie vor nicht (vgl. zur alten Rechtslage hg. Erkenntnis vom , Slg. 12.448/A).
Das gegenständliche Bauvorhaben wurde unbestrittenermaßen auf Grundstücken verwirklicht, die im rechtswirksamen Flächenwidmungsplan als "Grünland - Sonderwidmung
Erholung - Sport" ausgewiesen sind. Soweit die Beschwerdeausführungen auf eine Gesetzwidrigkeit dieser Verordnung abzielen, ist ihnen zu entgegnen, daß auch den raumordnungsrechtlichen Bestimmungen Kärntens ein ALLGEMEINER Immissionsschutz nicht entnommen werden kann. Hingegen wird im § 2 Abs. 2 Z. 4 Kärntner Raumordnungsgesetz die Zielsetzung der Raumordnung, den Erfordernissen der Erholung und der körperlichen Ertüchtigung Rechnung zu tragen, ausdrücklich normiert. Da die Beschwerde keine weiteren Gesichtspunkte hinsichtlich einer Rechtswidrigkeit des geänderten Flächenwidmungsplanes darlegt und der Verwaltungsgerichtshof auch von sich aus keine Bedenken gegen die Änderung des Flächenwidmungsplanes hegt, sieht er sich nicht zu einer Stellung eines Antrages an den Verfassungsgerichtshof gemäß Art. 139 B-VG veranlaßt.
Ein Recht auf Einhaltung der einzelnen Widmungskategorien eines Flächenwidmungsplanes besitzt der Nachbar nicht schlechthin, sondern nur dann, wenn die bestimmte Widmungskategorie auch einen Immissionsschutz gewährleistet (Hauer, Der Nachbar im Baurecht3, 186). So gebietet etwa § 2 Gemeindeplanungsgesetz 1982 (in der Fassung LGBl. Nr. 78/1979 und Nr. 70/1981, im folgenden: GemPlG) für gewisse Nutzungen des Baulandes, daß die Bauvorhaben keine örtlich unzumutbare Umweltbelastung mit sich bringen; für das Leichtindustriegebiet wird gefordert, daß die Umgebung nicht erheblich durch Lärm, Ruß, Geruch oder Erschütterung belästigt werde. Auf die Einhaltung derartiger Bestimmungen steht dem Nachbarn somit gemäß § 21 Abs. 5 BO ein subjektiv-öffentliches Recht zu (Hauer, Kärntner Baurecht2, 340).
Hingegen ist der Bestimmung des § 3 GemPlG (Grünland) kein vergleichbares Gebot zu entnehmen. Insbesondere zu Abs. 3 dieser Bestimmung hat der Verwaltungsgerichtshof im oben genannten Erkenntnis Slg. 12.448/A ausgeführt, daß mit dieser Bestimmung ein Immissionsschutz für Nachbarn nicht verbunden ist. Der Nachbar hat nach dem Gesetz auch kein Recht darauf, daß auf Flächen für Erholungszwecke-Sportzwecke nur Gebäude und bauliche Anlagen errichtet werden, die auch im Hinblick auf ihre Situierung erforderlich und spezifisch sind.
Schließlich verkennt die Beschwerdeführerin auch, daß entscheidend für die Baubehörde allein die Widmung des zu bebauenden Grundes, nicht aber die Widmung der Grundstücke der Nachbarn ist (Hauer, a.a.O., 187).
Da somit schon der Inhalt der Beschwerde erkennen ließ, daß die von der Beschwerdeführerin behauptete Rechtsverletzung mangels gesetzlicher Grundlagen nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen. Es erübrigte sich daher eine Entscheidung über den mit der Beschwerde gestellten Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung.