VwGH vom 23.04.1996, 93/05/0293

VwGH vom 23.04.1996, 93/05/0293

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Gritsch, über die Beschwerde der Y-Werbung Gesellschaft m.b.H. in W, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom , Zl. MD-VfR - B XIX - 59/93, betreffend Baubewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Gegenstand des Ansuchens der Beschwerdeführerin um nachträgliche Baubewilligung vom waren drei Werbetafeln entlang der Straßenfront der Liegenschaft Wien XIX, X-Straße 155. Aus den Plänen und der Baubeschreibung ergibt sich, daß die Tafeln jeweils aus einer Sperrholzplatte im Ausmaß von 170 cm x 252 cm bestehen. Zwischen den einzelnen Werbetafeln werden die 24 cm breiten Abstände durch Plexiglasscheiben verblendet. Die an den Platten angenagelten Staffelhölzer sind an Lärchenstehern befestigt, welche ca. 90 cm tief senkrecht im Boden verankert sind. Laut Plan beträgt die Gesamtlänge der Werbeanlage 15,60 m, die Werbetafeln sind auf einer ca. 1 m hohen Mauer aufgesetzt, wobei zufolge des erforderlichen Niveauausgleiches der Abstand der Unterkante der Werbetafeln zum Boden zwischen 1 m und 1,20 m beträgt.

Über Aufforderung der Baubehörde erster Instanz (Magistratsabteilung 35) äußerte sich die für Fragen der Ortsbildgestaltung zuständige Magistratsabteilung in einem Gutachten vom wie folgt:

"Die X-Straße ist in diesem Abschnitt offen bebautes, begrüntes Wohngebiet mit Vorgärten auf beiden Straßenseiten. Begrünt ist auch der Straßenraum mit einer Baumreihe auf einem Grünstreifen. Der Vorgarten der Liegenschaft ONr. 155 ist von einer Plakatwand auf einer Sockelmauer, Länge ca. 15,5 m, Gesamthöhe ca. 3,7 m, abgedeckt.

Es ist erkennbar, daß in diesem Stadtbild die Werbeanlage mit dem Eindruck einer hohen Einfriedungsmauer in Erscheinung tritt, die den freien Durchblick auf den Vorgarten verhindert. Durch ihre Gestaltung wirkt die Anlage im Straßenbild als signalhaft hervortretender Fremdkörper, der völlig gegensätzlich zu dem begrünten Wohngebiet in Erscheinung tritt.

Durch die beschriebene Situierung, Gestaltung und die Ausmaße ist die Werbeanlage geeignet

*) den freien Durchblick auf den Vorgarten störend zu

verhindern

*) das begrünte Straßenbild nachteilig und störend zu verändern *) und das Wohngebiet zu entwerten.

Die Werbeanlage mit dem Eindruck einer Einfriedungsmauer entspricht nicht der Widmung g-Vorgarten im offenen Wohngebiet und überragt die zulässige Höhe für Einfriedungen.

..."

Bei der Bauverhandlung am wurde dieses Gutachten der Beschwerdeführerin zur Kenntnis gebracht und ein Entfernungsauftrag in Aussicht gestellt. Die Beschwerdeführerin erklärte, daß der hinter der Mauer bzw. der Plakatwand befindliche Vorgarten eine steil ansteigende Böschung darstelle und die Plakatwand die Sicht auf die hohen Bäume nicht behindere.

Mit Bescheid vom , Zl. MA 35-G/19-276/92, versagte die Baubehörde unter Spruchpunkt I gemäß den §§ 70 und 71 i.V.m. § 86 Abs. 2 und 3 der Bauordnung für Wien die begehrte Bewilligung, auf der Stützmauer der in Rede stehenden Liegenschaft eine Einfriedung gegen die Verkehrsfläche hin zu errichten und diese zum Anschlagen von Druckwerken verwenden zu dürfen, und erteilte unter Spruchpunkt II gemäß § 129 Abs. 10 der Bauordnung für Wien der Beschwerdeführerin den Auftrag, die unbefugt errichtete Einfriedung binnen einer Frist von zwei Wochen nach Rechtskraft des Bescheides zu entfernen. Zur Begründung der Abweisung des Bauansuchens wurde auf das Gutachten des Amtssachvertändigen der MA 19 verwiesen.

Die Beschwerdeführerin erhob "gegen den ablehnenden Bescheid" vom Berufung und forderte die Behörde auf, den Bescheid vom aufzuheben und ihrem Ansuchen um Bewilligung der Werbeanlage stattzugeben. Der Vorgarten sei ein wenige Meter breiter Streifen mit einer Steigung von ca. 100 %. Auf dieser Böschung stünden wenige Bäume, die die Werbeanlage aber bei weitem überragten und daher gut sichtbar seien. Die behauptete Höhe der Werbeanlage von 3,70 m entspreche nicht den Tatsachen. Der Amtssachverständige gebe die Höhe vergleichend mit dem Straßenniveau an. Gemäß § 86 Abs. 2 der Bauordnung für Wien sei aber dafür der Boden der höher gelegenen anschließenden Grundflächen heranzuziehen. Die Mauer an der Grundgrenze sei daher keine Einfriedung, sondern eine Stützmauer, an deren Oberkante das Grundstück eigentlich beginne. Auch die Nachbargrundstücke wiesen zur Straße hin Stützmauern auf. Die Werbetafeln seien auf Privatgrund errichtet worden, dessen Niveau sich von der Straße um ca. 1,2 m abhebe. Auch ohne Werbeanlage werde die Böschung, die mehrere Meter ansteige, dominant in Erscheinung treten. Die Teile zwischen den einzelnen Werbeflächen seien transparent, um die geforderte "Einsicht" in den "Vorgarten" zumindest teilweise zu erfüllen. Weiters wies die Berufungswerberin auf andere, viel größere Werbeanlagen in der Umgebung hin.

Im angefochtenen Bescheid ging die belangte Behörde davon aus, daß nur gegen den Punkt I des erstinstanzlichen Bescheides Berufung eingebracht worden sei, wies die Berufung als unbegründet ab und bestätigte den zu I bekämpften Bescheid. Den sachkundigen Feststellungen des Amtssachverständigen der MA 19 sei die Beschwerdeführerin nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, sodaß auch die belangte Behörde davon auszugehen habe, daß durch die Werbeanlage das örtliche Stadtbild beeinträchtigt werde. Die Plakattafeln wiesen auch ohne die Stützmauer eine Höhe von mehr als 2,5 m auf und es sei der freie Durchblick auf eine Länge von mehr als 15 m durch diese Tafeln gehindert, zumal die beiden lediglich 0,24 m breiten Abstände zwischen den drei Werbeflächen durch Plexiglasscheiben verblendet seien. Die Bestimmungen des § 86 Abs. 2 und 3 der Bauordnung für Wien stünden der Baubewilligung entgegen. Auch eine Bewilligung nach § 71 BauO komme nicht in Betracht, weil die Beschwerdeführerin das Vorliegen eines begründeten Ausnahmefalles nicht habe anführen können und aus ihrem Vorbringen im Zusammenhang mit der gegebenen Situation besondere Gründe nicht erkennbar seien, die eine Abstandnahme von den Vorschriften der Bauordnung für Wien rechtfertigen würden.

In der vorliegenden Beschwerde erachtet sich die Beschwerdeführerin in ihrem Recht auf ein gesetzmäßiges Verwaltungsverfahren, auf Erteilung einer Baubewilligung für die Errichtung der drei Plakatanschlagtafeln auf der genannten Liegenschaft und in ihrem Recht, diese Tafeln nicht entfernen zu müssen, verletzt. Die Beschwerdeführerin beantragt die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften sowie wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und

erstattete eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 66 Abs. 4 AVG hat die Berufungsbehörde in der Sache selbst zu entscheiden. Diese Verpflichtung erstreckt sich jedoch nur auf die "Sache" des Berufungsverfahrens, also auf den Gegenstand des Verfahrens der Vorinstanz, soweit der darüber ergangene Bescheid mit Berufung angefochten wurde (siehe das hg. Erkenntnis vom , Zl. 89/05/0027, m.w.N.). Da die Beschwerdeführerin in der Berufung ausdrücklich nur die Versagung der Baubewilligung, nicht jedoch die Erteilung des Entfernungsauftrages bekämpfte, entschied die belangte Behörde nur über die Abweisung des Baubewilligungsansuchens, sodaß die Beschwerdeführerin durch den angefochtenen Bescheid in ihrem Recht, die Tafeln nicht entfernen zu müssen, nicht verletzt sein kann.

Gemäß Art. IV der Bauordnungsnovelle, LGBl. Nr. 34/1992, ist für das vorliegende, vor dem eingeleitete Bauverfahren die Bauordnung für Wien i.d.F. der Novelle LGBl. Nr. 28/1987 (im folgenden: BO) anzuwenden.

Nach § 86 Abs. 2 BO müssen Einfriedungen so ausgestaltet werden, daß sie das örtliche Stadtbild nicht beeinträchtigen. Sie dürfen den Boden der höher gelegenen, anschließenden Grundfläche nicht mehr als 2,50 m überragen. Nach Abs. 3 dieser Gesetzesstelle dürfen Einfriedungen von Vorgärten gegen die Verkehrsfläche und an den seitlichen Grundgrenzen auf die Tiefe des Vorgartens den freien Durchblick nicht hindern; Abweichungen können zugelassen werden, wenn dadurch das örtliche Stadtbild nicht beeinträchtigt wird.

Mit Erkenntnis vom , Zl. 89/05/0089, hat der Verwaltungsgerichtshof aufgrund einer Beschwerde derselben Beschwerdeführerin eine an derselben Adresse angebrachte Plakatfläche samt Umrahmung mit eine Länge von 15,70 m und einer Höhe von 2,60 m, die mit Stehern mit dem Boden verbunden war, als i.S.d. § 60 Abs. 1 lit. b BO bewilligungspflichtig angesehen und ausgeführt, daß eine solche Plakatwand aufgrund der dort gegebenen örtlichen Situierung als Einfriedung von Verkehrsflächen zu qualifizieren ist.

Gegenstand der vor dem Verwaltungsgerichtshof zur Zl. 91/05/0093 von der Beschwerdeführerin erhobenen Beschwerde war gleichfalls eine Plakatfläche auf der Liegenschaft Wien XIX, X-Straße 155, welche eine Höhe von 2,60 m aufweisen sollte, wobei unter Bedachtnahme auf die vorhandene Einfriedung Gesamthöhen von 3,52 m bzw. 3,83 m, kotiert waren. Der Verwaltungsgerichtshof teilte im zitierten Erkenntnis (vom ) die Auffassung der Verwaltungsbehörden, daß die angebrachte Plakatfläche als Einfriedung i.S.d. § 86 BO zu beurteilen sei, zumal sie unmittelbar auf die bestehende Einfriedung aufgesetzt worden sei.

Das gegenständliche Vorhaben unterscheidet sich vom zuletzt entschiedenen dadurch, daß die Plakatwand einerseits nur mehr 2,52 m hoch ist und andererseits die genannten beiden 24 cm breiten Plexiglas-Zwischenteile aufweist.

Allerdings scheitert auch das vorliegende Vorhaben an den Voraussetzungen gemäß § 86 Abs. 2 und 3 BO: Zunächst übersteigt die eigentliche Plakatfläche schon das Höchstausmaß von 2,50 m, weil sie 2,52 m hoch sein soll. Soweit die Beschwerdeführerin - erstmals in der Beschwerde - anführt, es hätte eine Baubewilligung nach § 71 BO in Betracht gezogen werden müssen, kann weder ihrem Vorbringen vor den Verwaltungsbehörden noch in der Beschwerde entnommen werden, worin die sachlichen Gegebenheiten für eine diesbezügliche Ausnahme bestünden.

Die Beschwerdeführerin bestritt auch hier - wie schon in dem mit Erkenntnis vom zugrundeliegenden Verfahren - nicht, daß ein Vorgarten i.S.d. § 79 Abs. 1 BO einzuhalten sei, sodaß § 86 Abs. 3 BO zur Anwendung kommt.

Der Verwaltungsgerichtshof vermag sich aber der Auffassung der Beschwerdeführerin nicht anzuschließen, daß durch die Einfügung von zwei je 24 cm breiten Plexiglas-Zwischenteilen zwischen den drei je 5,04 m breiten Plakatwänden der FREIE Durchblick hergestellt werde.

Die Tatsachenfeststellung, daß durch die gegenständliche Werbeanlage das örtliche Stadtbild beeinträchtigt werde, traf die belangte Behörde aufgrund schlüssiger Beweiswürdigung: Es ist Aufgabe eines Sachverständigen im Verwaltungsverfahren, nach Erstellung eines ausreichenden Befundes aufgrund seines Fachwissens ein nachvollziehbares Urteil über die von ihm zu beantwortenden Fragen abzugeben (hg. Erkenntnis vom , Zl. 92/05/0132, m.w.N.). Der von der Beschwerdeführerin zitierte Satz des genannten Gutachtens vom ("durch ihre Gestaltung wirkt die Anlage im Staßenbild als signalhaft hervortretender Fremdkörper, der völlig gegensätzlich zu dem begrünten Wohngebiet in Erscheinung tritt") muß im Zusammenhang mit dem gesamten Gutachten gesehen werden. Aus diesem ergibt sich, daß der Amtssachverständige einen ausreichenden Befund erstellt hat, in dem er festgestellt hat, die Werbeanlage sei in einem offen bebauten begrünten Wohngebiet gelegen, welches Vorgärten auf beiden Straßenseiten und eine Baumreihe mit einem Grünstreifen im Straßenbereich aufweise. In nachvollziehbarer Weise zog der Amtssachverständige daraus den Schluß, daß die Werbeanlage durch die beschriebene Situierung und Gestaltung sowie aufgrund ihres Ausmaßes geeignet sei, das Bild der begrünten Straße nachteilig und in störender Weise zu verändern.

Es kommt keineswegs darauf an, ob einzelne störende Objekte schon vorhanden sind, weil allein das Vorhandensein derartiger Objekte noch keine weiteren Störungen erlaubt; die gegenteilige Argumentation würde auf eine Gleichbehandlung im Unrecht hinauslaufen (siehe das hg. Erkenntnis vom , Zl. 89/05/0036, m.w.N.). Da somit die belangte Behörde aufgrund des Gutachtens davon ausgehen durfte, daß durch die in Rede stehende bauliche Anlage der Beschwerdeführerin das örtliche Stadtbild beeinträchtigt werde, lagen die Voraussetzungen für eine Zulassung der Abweichung nach § 86 Abs. 3 BO nicht vor.

Somit erwies sich die Beschwerde insgesamt als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere deren Art. III Abs. 2.