VwGH vom 14.12.1994, 89/16/0094
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl sowie die Hofräte Dr. Karger, Dr. Steiner, Dr. Fellner und Dr. Höfinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peternell, über die Beschwerde der Dr. L in W, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in K, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , GA 11 - 574/1/89, betreffend Grunderwerbsteuer, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen von 4.565 S binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin erwarb durch Erteilung des Zuschlages am ein inländisches Grundstück im Ausmaß von
1.483 m2 um das Meistbot von 1,610.000 S. Auf diesem Grundstück befindet sich ein Haus mit einer Wohnnutzfläche von rund 117 m2.
Da die Beschwerdeführerin in der von ihr erstatteten Abgabenerklärung keine Grunderwerbsteuerbefreiung beantragte, setzte das Finanzamt mit Bescheid vom Grunderwerbsteuer gemäß § 14 Abs 1 Z 2 lit b GrEStG 1955 von 128.800 S fest.
Mit Berufung wandte die Beschwerdeführerin ein, das mit dem Grundstück erworbene Haus befinde sich in einem baufälligen Zustand und sei überdies nicht ständig bewohnbar. Sie beabsichtige dieses Haus, das derzeit nicht geeignet sei, ihre regelmäßigen Wohnbedürfnisse zu befriedigen, zu sanieren. Die dabei anfallenden Kosten erreichten die eines Neubaues, weswegen Grunderwerbsteuerbefreiung nach § 4 Abs 1 Z 2 lit a GrEStG 1955 zu gewähren sei.
Auf Vorhalt des Finanzamtes legte die Beschwerdeführerin eine Kostenschätzung samt Begleitschreiben der mit der Sanierung des Hauses beauftragten Architekten sowie einen Einreichplan über "kleinfügige" bauliche Veränderungen vor. Aus der Kostenschätzung ist ersichtlich, daß sich das Haus in einem desolaten Zustand befunden habe. Insbesondere sei es - der Hanglage entsprechend - feucht, weswegen sowohl eine Horizontalisolierung mit gleichzeitiger Fundamentsicherung als auch eine Neukonstruktion der Fußböden samt den Folgearbeiten (Erneuerung des Verputzes, der Malerei etc) notwendig wären. Ein Wärmeschutz sei überhaupt nicht vorhanden gewesen. Sämtliche Leitungen und die Heizungsanlage seien zu erneuern. Die Gesamtkosten der Sanierung betrügen 2,302.121 S, wobei in dieser Summe weder die Umsatzsteuer, noch Gebühren, Honorare, Sonderausführungen etc enthalten seien. Im Begleitschreiben wiesen die beauftragten Architekten ausdrücklich darauf hin, daß bei Sanierungen unvorhersehbare Mehrkosten entstehen könnten, weswegen die Kostenschätzung unverbindlich sei und Mehrkosten wahrscheinlich zu erwarten seien. Aus dem Einreichplan ist ersichtlich, daß das nicht unterkellerte, teilweise zweistöckige Haus mit einer Wohnnutzfläche von rund 117 m2 zuzüglich einem Wirtschaftsraum, einem Lager und einer Waschküche, über zwei Vorräume, eine Küche, zwei Wohnräume, zwei Bäder, zwei WC und drei Schlafräume verfügt. Als einziger Umbau sollte zwischen den beiden Wohnräumen im Erdgeschoß ein Türdurchbruch neu geschaffen werden.
In einer abweisenden Berufungsvorentscheidung hielt das Finanzamt der Beschwerdeführerin vor, eine Arbeiterwohnstätte könne auch durch Umgestaltung eines bereits bestehenden Hauses geschaffen werden, sofern hiedurch neuer oder zusätzlicher Wohnraum entstehe. Die bloße Umgestaltung eines baufälligen Hauses sei hingegen nicht als Schaffung einer Arbeiterwohnstätte anzusehen. Überdies übersteige die Wohnnutzfläche unter Einbeziehung des Wirtschaftsraumes, des Lagers und der Waschküche, die als im Wohnungsverband liegend zur Wohnnutzfläche zählten, 130 m2, weswegen auch aus diesem Grund der Befreiungstatbestand des § 4 Abs 1 Z 2 lit a GrEStG 1955 nicht anwendbar sei.
Im Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz führte die Beschwerdeführerin unter teilweiser Wiederholung ihres bisherigen Vorbringens und unter Hinweis auf die hg Erkenntnisse vom , 83/16/0126, 0138, und vom , 84/16/0242, aus, das Haus sei wegen seines baufälligen Zustandes im Zeitpunkt des Erwerbes nicht geeignet gewesen, ihre regelmäßigen Wohnbedürfnisse zu befriedigen. Erst durch die Sanierung werde eine Arbeiterwohnstätte geschaffen werden. Der Wirtschaftsraum, das Lager und die Waschküche zählten als bloße Nebenräume nicht zur Wohnnutzfläche. Die Grunderwerbsteuerbefreiung nach § 4 Abs 1 Z 2 lit a GrEStG 1955 sei daher zu gewähren.
Die belangte Behörde hielt der Beschwerdeführerin vor, bei einem Gesamtaufwand von rund 3,910.000 S (Grunderwerb 1,610.000 S, Sanierungskosten des Hauses rund 2,300.000 S) könne von der Schaffung einer Arbeiterwohnstätte nicht mehr die Rede sein. Denn ein durchschnittlich verdienender Erwerbstätiger könne sich einen solchen Kostenaufwand nicht leisten. Es sei daher beabsichtigt, die Berufung schon aus diesem Grund als unbegründet abzuweisen.
In Beantwortung dieses Vorhaltes führte die Beschwerdeführerin aus, der Erwerbspreis für das Grundstück entspreche dem in dieser Lage üblichen. Die voraussichtlichen Sanierungskosten des Hauses seien geringer als die Errichtungskosten eines Neubaues gleicher Größe. Der Gesamtaufwand von rund 3,910.000 S liege an der unteren Grenze der Kosten für die Schaffung einer Arbeiterwohnstätte mit einer Wohnnutzfläche von 130 m2. Ein durchschnittlich verdienender Erwerbstätiger müsse daher diese Kosten aufbringen, um eine Arbeiterwohnstätte zu schaffen.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung - wie bereits in ihrem Vorhalt angekündigt - ab, wobei sie unter Hinweis auf das hg Erkenntnis vom , 83/16/0108, 0109, wonach bei einem voraussichtlichen Gesamtaufwand von rund 3,180.000 S in den Jahren 1982 und 1983 der für einen Durchschnittsarbeiter erschwingliche Kostenaufwand zur Schaffung einer Arbeiterwohnstätte überschritten werde, die Ansicht vertrat, bei einem voraussichtlichen Gesamtaufwand von rund 3,910.000 S im Jahr 1986 könne unter Berücksichtigung der Erhöhung des durchschnittlichen Einkommens nicht davon gesprochen werden, daß ein solcher Betrag für einen Durchschnittsarbeiter zur Schaffung einer Arbeiterwohnstätte schon erschwinglich sei. Der Hinweis, der Erwerbspreis für das Grundstück entspreche dem in dieser Lage üblichen, sei nicht relevant, weil bei der Inanspruchnahme der Begünstigung des § 4 Abs 1 Z 2 lit a GrEStG 1955 objektive, nicht hingegen subjektive bzw lokale Kriterien maßgeblich seien.
Gegen diesen Bescheid wendet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht auf Nichtfestsetzung von Grunderwerbsteuer verletzt.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist unter dem Begriff Arbeiterwohnstätte eine Wohnstätte zu verstehen, die nach ihrer Größe und Ausstattung so beschaffen sein muß, daß sie einerseits geeignet ist, das Wohnbedürfnis eines Durchschnittsarbeiters zu befriedigen, anderseits jedoch für ihre Schaffung nur einen FÜR EINEN DURCHSCHNITTSARBEITER ERSCHWINGLICHEN GESAMTAUFWAND erfordert. Unter einem solchen Durchschnittsarbeiter ist der zugleich arbeit- und sparsame sowie bauwillige Mensch zu verstehen, dessen Ehegatte oder Lebensgefährte im Regelfall selbst durchschnittlich verdienender Erwerbstätiger ist. Bei der auch für die Frage der Erschwinglichkeit des Kostenaufwandes gebotenen objektiven Betrachtungsweise ist der Gesamtaufwand (Grund- und Baukosten) zur Schaffung einer Arbeiterwohnstätte maßgebend.
Wie der Verwaltungsgerichtshof in dem von der belangten Behörde zitierten Erkenntnis vom unter Hinweis auf Rechtsprechung und Literatur ausgeführt hat, war in den Jahren 1982 und 1983 ein voraussichtlicher Gesamtaufwand von rund 3,180.000 S zur Schaffung einer Arbeiterwohnstätte für einen Durchschnittsarbeiter nicht mehr erschwinglich. Es ist daher im vorliegenden Fall zu prüfen, ob der von der Beschwerdeführerin voraussichtlich zu tätigende Gesamtaufwand zur Schaffung der Wohnstätte unter Berücksichtigung der Erhöhung des durchschnittlichen Einkommens in etwas mehr als drei Jahren noch oder schon nicht mehr innerhalb des für den Arbeiterwohnstättenbau maßgeblichen Kostenrahmens liegt.
Die belangte Behörde ist von Sanierungskosten von rund 2,300.000 S ausgegangen. Dabei hat sie jedoch nicht berücksichtigt, daß in der Kostenschätzung der mit der Sanierung des Hauses beauftragten Architekten weder die Umsatzsteuer, noch Gebühren, Honorare, Sonderausführungen etc enthalten sind. Darüber hinaus haben die Architekten ausdrücklich darauf hingewiesen, daß bei Sanierungen unvorhersehbare Mehrkosten entstehen könnten, weswegen die Kostenschätzung unverbindlich sei und Mehrkosten wahrscheinlich zu erwarten seien. Die belangte Behörde hätte daher nicht von voraussichtlichen Sanierungskosten von rund 2,300.000 S ausgehen dürfen, sondern hätte diese zumindest um 25 % erhöht, somit mit rund 2,875.000 S veranschlagen müssen. Nach der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung ist das durchschnittliche Pro-Kopf-Einkommen der Arbeitnehmer im Zeitraum 1982 bis 1986 um rund 21 % gestiegen. Bei einer dementsprechenden Valorisierung des vom Verwaltungsgerichtshof in dem bereits mehrfach erwähnten Erkenntnis vom in den Jahren 1982 und 1983 als zur Schaffung einer Wohnstätte für einen Durchschnittsarbeiter nicht mehr erschwinglichen Gesamtaufwandes von rund 3,180.000 S auf rund 3,848.000 S kann von der Schaffung einer Arbeiterwohnstätte bei einem voraussichtlichen Gesamtaufwand von rund 4.485.000 S nicht mehr die Rede sein. Dieser Betrag ist für einen Durchschnittsarbeiter nicht erschwinglich und liegt somit außerhalb des für den Arbeiterwohnstättenbau maßgeblichen Kostenrahmens. Selbst wenn bloß voraussichtliche Sanierungskosten von rund 2,300.000 S zum Ansatz gebracht werden, übersteigt der so errechnete Betrag den für die Schaffung einer Arbeiterwohnstätte maßgeblichen (valorisierten) Kostenrahmen. Die Beschwerdeführerin hat daher das Grundstück nicht zur Schaffung einer Arbeiterwohnstätte erworben, weswegen sie in ihrem Recht auf Nichtfestsetzung von Grunderwerbsteuer nicht verletzt worden ist. Daran vermag die Behauptung der Beschwerdeführerin, die Sanierungskosten des Hauses könnten auf etwa 1,600.000 S bis 1,800.000 S herabgesetzt werden, nichts zu ändern, weil es sich dabei um eine im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof unbeachtliche Neuerung im Sinn des § 41 VwGG handelt. Was den Hinweis der Beschwerdeführerin betrifft, bei der von der belangten Behörde vertretenen Ansicht könne im Umland einer Großstadt die Begünstigung des § 4 Abs 1 Z 2 lit a GrEStG 1955 niemals gewährt werden, genügt es darauf hinzuweisen, daß es für die Befreiung eines Erwerbsvorganges von der Grunderwerbsteuer nicht von rechtserheblicher Bedeutung ist, ob in einem bestimmten Gebiet Wohnstätten unter Umständen bereits wegen der Höhe der dort gewöhnlich anfallenden Grundkosten, was in gleicher Weise für Baukosten, somit für den voraussichtlichen Gesamtaufwand gilt, regelmäßig die Merkmale einer Arbeiterwohnstätte nicht aufweisen werden (vgl das hg Erkenntnis vom , 81/16/0001, mwA). Mit dem Hinweis auf eine möglichst günstige Finanzierung zeigt die Beschwerdeführerin schließlich nicht auf, der voraussichtliche Gesamtaufwand zur Schaffung der Wohnstätte wäre für einen Durchschnittsarbeiter erschwinglich.
Als Verletzung von Verfahrensvorschriften macht die Beschwerdeführerin geltend, die belangte Behörde hätte ihr Vorbringen nicht berücksichtigt sowie die lückenlose Beweisaufnahme über die tatsächlich notwendigen Sanierungskosten des Hauses unterlassen. Mit diesen Ausführungen zeigt die Beschwerdeführerin keine Verletzung von Verfahrensvorschriften auf. Abgesehen davon, daß die Beschwerdeführerin nicht darstellt, welches Vorbringen von der belangten Behörde nicht berücksichtigt worden sei sowie, welche Beweise die belangte Behörde hinsichtlich der voraussichtlichen Sanierungskosten nicht aufgenommen habe, sie somit die Relevanz von möglichen Verfahrensmängel nicht aufzeigt, ist die belangte Behörde sachverhaltsbezogen ausschließlich vom Vorbringen der Beschwerdeführerin ausgegangen und hat auch die von ihr bekannt gegebenen voraussichtlichen Sanierungskosten ihrer Entscheidung zugrunde gelegt. Die Beschwerdeführerin hat im Administrativverfahren auch nie behauptet, die von ihr bekannt gegebenen voraussichtlichen Sanierungskosten seien zu hoch gegriffen. Die Anwendung der im § 4 Abs 1 Z 2 lit a GrEStG 1955 normierten Befreiungsbestimmung stellt eine Begünstigung dar, weswegen es Sache der Beschwerdeführerin und nicht der belangten Behörde gewesen wäre darzulegen, die voraussichtlich tatsächlich notwendigen Sanierungskosten würden im Gegensatz zur Kostenschätzung der mit der Sanierung des Hauses beauftragten Architekten und deren Begleitschreiben niedriger sein.
Die Beschwerde erweist sich somit insgesamt als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs 1 VwGG abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl Nr 416/1994.