VwGH vom 21.05.2001, 2001/17/0074
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Höfinger, Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler und Dr. Zens als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde des J K in T, vertreten durch Gruner & Pohle, Rechtsanwälte in 1070 Wien, Kirchengasse 19/11, gegen den Bescheid der Abgabenberufungskommission der Bundeshauptstadt Wien vom , Zl. MD-VfR - K 195/2000, betreffend Haftung und Entrichtung von Anzeigenabgabe, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof bekämpften Bescheid vom hat die belangte Behörde - wie sich aus der mit der Beschwerde vorgelegten Ausfertigung des Bescheides ergibt -
den Beschwerdeführer gemäß § 12 Abs. 1 Z 1 Wiener Abgabenordnung - WAO, LGBl. Nr. 21/1962 in der geltenden Fassung, für Rückstände eines näher genannten Vereines an Anzeigenabgabe und Nebenansprüchen in der Höhe von S 67.916,-- für die Monate Oktober und Dezember 1994 sowie für die Monate Februar, Mai, Juni, August, Oktober und Dezember 1995 haftbar gemacht und diesen aufgefordert, den Betrag binnen einem Monat ab Zustellung zu entrichten.
Der Beschwerdeführer habe mit dem erwähnten Verein folgenden Kaufvertrag vom abgeschlossen:
"Der Verein ... verkauft auf Grund der Vereinsauflösung ...
sämtliches Büromaterial, Büroeinrichtung, Kunden- und Adresskartei
und speziell das Recht auf den Zeitschrifttitel ... an Herrn K.
(Beschwerdeführer) per .
Die Büroeinrichtung beinhaltet neben 4 Schreibtischen, 4 Bürostühle, 2 Regale für Bücher, 1 Kühlschrank, 1 Kaffeemaschine, 2 Holzregale länglich auch folgende Büromaschinen: 2 Schreibmaschinen Marke SHARP, PA-3000 H, 1 Computer Marke HIGHSREEN, 1 Drucker STAR LC 20, 1 Faxgerät MURATA-F 30, 2 Telefonanlagen mit Schwenkarm.
Als Kaufpreis wird S 100.000,-- vereinbart."
Die belangte Behörde ging davon aus, dass der Beschwerdeführer mit diesem Kaufvertrag ein Unternehmen, nämlich die vom erwähnten Verein herausgegebene Zeitschrift, erworben habe; dies ergebe sich insbesondere daraus, dass der Beschwerdeführer das Druckwerk - wenn auch in geänderter Gestaltung - weiterhin mit dem erworbenen Titel herausgebe. Der Beschwerdeführer hafte somit gemäß § 12 Abs. 1 WAO für die Abgabenverbindlichkeiten des veräußernden Vereines.
Der Beschwerdeführer bekämpft diesen Bescheid vor dem Verwaltungsgerichtshof ausschließlich wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes. Er erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid im seinem Recht auf "rechtsrichtige Anwendung" des § 12 Abs. 1 WAO verletzt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Wird ein Unternehmen oder ein im Rahmen eines Unternehmens gesondert geführter Betrieb im Ganzen übereignet, so haftet der Erwerber nach dem ersten Haftungstatbestand des § 12 Abs. 1 WAO für Abgaben, bei denen die Abgabepflicht sich auf den Betrieb des Unternehmens gründet, soweit die Abgaben auf die Zeit seit dem Beginn des letzten, vor der Übereignung liegenden Kalenderjahres entfallen.
Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom , Zl. 93/17/0261, unter Hinweis auf den vergleichbaren Haftungstatbestand des § 14 Abs. 1 lit. a BAO ausgeführt hat, dient § 12 Abs. 1 WAO dem Zweck, die im Unternehmen (Betrieb) als solchem liegende Sicherung für die auf den Betrieb sich gründenden Abgabenschulden durch den Übergang des Unternehmens (Betriebes) in andere Hände nicht verloren gehen zu lassen. Die Haftung knüpft dabei an die Übereignung eines Unternehmens (oder eines im Rahmen eines Unternehmens gesondert geführten Betriebes) im Ganzen, also an den Übergang eines lebenden (lebensfähigen) Unternehmens bzw. Betriebes an; dabei müssen nicht alle zum Unternehmen (Betrieb) gehörigen Wirtschaftsgüter übereignet werden, sondern nur jene, welche die wesentliche Grundlage des Unternehmens (Betriebes) bildeten und den Erwerber in die Lage versetzen, das Unternehmen fortzuführen. Die Frage, welche Wirtschaftsgüter die wesentliche Grundlage des Unternehmens (Betriebes) bildeten, ist in funktionaler Betrachtungsweise nach dem jeweiligen Unternehmens- bzw. Betriebstypus (z.B. ortsgebundene Tätigkeit, kundengebundene Tätigkeit, Produktionsunternehmen usw.) zu beantworten.
Es kommt jedoch dabei nicht darauf an, dass der Erwerber (tatsächlich) die gleichen Produkte erzeugt wie der Veräußerer; maßgeblich ist vielmehr, ob der Erwerber durch die Übernahme der wesentlichen Betriebsmittel in die Lage versetzt wird, das Unternehmen bzw. den Betrieb fortzuführen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 95/15/0037, zu § 14 BAO).
Der Beschwerdeführer bestreitet vor dem Verwaltungsgerichtshof nicht, die in dem angeführten Kaufvertrag erwähnten Sachen entgeltlich erworben zu haben. Er geht aber davon aus, dass darin nicht die Übereignung eines ganzen Unternehmens oder eines gesondert geführten Betriebes zu erblicken sei; eine solche würde nur dann vorliegen, "wenn ein Betrieb als organische Gesamtheit in einem einheitlichen wirtschaftlichen Vorgang entgeltlich einem anderen übertragen" werde. Wesentliches Kriterium hiebei sei die Aufrechterhaltung der Unternehmensidentität, die vornehmlich durch den Unternehmenszweck bestimmt werde. Der Beschwerdeführer verfolge aber bei der Herausgabe der Zeitung - für die er ein "vollkommen neues Unternehmen gegründet" habe - einen dem Vereinszweck des veräußernden Vereines entgegengesetzten Unternehmenszweck. Bis auf die Verwertungs- und Nutzungsrechte am Titel seien vom Verein keinerlei Rechte erworben und weder Personal noch Redaktion übernommen worden. Auch werde mit "der neuen Zeitung" ein vollständig anderer Kundenkreis "bedient"; "allein mit den angekauften Gegenständen wäre das neu gegründete Unternehmen des Beschwerdeführers bei der Verfolgung des Unternehmenszweckes nicht lebensfähig gewesen".
Der Beschwerdeführer bringt vor dem Gerichtshof selbst vor, dass er mit dem erwähnten Kaufvertrag vom das Büromaterial, die Büroeinrichtung (komplett) die Kunden- und Adressenkartei und das Recht auf den Zeitschriftentitel erworben habe. Sämtliche andere, für den "Vereinsbetrieb notwendigen und erforderlichen Güter und Rechte, wie insbesondere Lager, Mietrechte, Personal, Urheber- und Verwertungsrechte", seien beim Verein verblieben. Bei einem Zeitungsunternehmen der Art, wie es vom veräußernden Verein - neben der Verfolgung anderer vom Beschwerdeführer angeführten Vereinszwecke - unbestrittenermaßen betrieben wurde, insbesondere bei der durch die veräußerte Büroeinrichtung erschließbaren Größe, kommt es jedoch nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes nicht entscheidend auf etwa vorhandene Mietrechte an Betriebsräumlichkeiten oder auf die Übernahme von Mitarbeitern an; ein solches Zeitungsunternehmen ist seiner Größe nach nicht entscheidend auf bestimmte Räumlichkeiten und einen zahlreichen Stab erfahrener Mitarbeiter angewiesen.
Wird als charakteristisch für ein Zeitungsunternehmen die zum Zwecke der Herausgabe einer periodischen Druckschrift erfolgte Zusammenfassung rechtlicher, organisatorischer und wirtschaftlicher Mittel zu einer mit dem Erscheinen des Blattes verknüpften Betriebseinheit verstanden, wobei diese insbesondere die Verlagsrechte, den Goodwill, die Mitarbeiter, die technischen Mittel und den Zeitungstitel umfasst (vgl. etwa die Rechtsprechung des OGH zum Journalistengesetz: ArbSlg 10.915; SZ 56/1 und ArbSlg 10.220), so kommt es im Beschwerdefall entscheidend auf die Veräußerung des Zeitungstitels und des Goodwill an, wie die belangte Behörde im Ergebnis zutreffend erkannt hat. Der Beschwerdeführer hat den Zeitungstitel erworben und unter diesem das periodische Druckwerk - mit anderer Zielsetzung - weiterhin verbreitet. Er hat damit - die Übernahme von Mitarbeitern wird nicht behauptet - und auch mit der Übernahme der Kunden- und Adressenkartei den Goodwill des Zeitungsunternehmens verwertet.
Die Haftung besteht unabhängig davon, ob der Erwerber den Betrieb tatsächlich fortführt; sie besteht somit etwa auch dann, wenn der Erwerber das Unternehmen (den Betrieb) aus Konkurrenzgründen stilllegt (vgl. Ritz, Bundesabgabenordnung2 RZ 7 zu § 14 mwN aus der Rechtsprechung des VwGH), mithin den Unternehmenszweck ändert. Da es - wie erwähnt - Zweck der hier anzuwendenden Vorschrift ist, die im Unternehmen (Betrieb) als solchem liegende Sicherung für die auf den Betrieb sich gründenden Abgabenschulden durch den Übergang des Unternehmens (Betriebes) in andere Hände nicht verloren gehen zu lassen, kommt es - entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers - nicht auf die Beibehaltung des "Unternehmenszweckes" im Sinne der vom Beschwerdeführer angesprochenen Beibehaltung der "Blattlinie" als entscheidendes Merkmal für die Beantwortung der Frage, ob das Unternehmen (der Betrieb) übergegangen ist oder nicht, an. Bei der gebotenen funktionalen Betrachtungsweise überwiegen demnach die für einen Unternehmens(Betriebs)übergang sprechenden Merkmale derart, dass der Verwaltungsgerichtshof eine inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides zumindest im Ergebnis insoweit nicht erkennen kann.
Sonstige Gründe für die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides, wie insbesondere etwa eine unrichtige Berechnung der Abgabe, werden in der Beschwerde nicht vorgebracht.
Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen ließ, dass die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.
Es wird weiters darauf hingewiesen, dass die Beendigung des Beschwerdeverfahrens, für dessen Dauer die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung beantragt wurde, einen Abspruch über diesen Antrag entbehrlich macht.
Wien, am