TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
VwGH vom 17.09.2001, 2001/17/0072

VwGH vom 17.09.2001, 2001/17/0072

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Höfinger, Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler und Dr. Zens als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde der H GesmbH in I, vertreten durch Dr. Hermann Rieder, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Stiftgasse 23, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom , Zl. Ib-1407/1-1998, betreffend Vorschreibung einer Ausgleichsabgabe nach § 9 Abs. 4 und 5 der Tiroler Bauordnung (mitbeteiligte Partei: Stadtgemeinde Kufstein, vertreten durch Dr. Siegfried Dillersberger und Dr. Helmut Atzl, Rechtsanwälte in 6330 Kufstein, Maderspergerstraße 8/I), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Tirol hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit einem Bescheid vom wurde der Beschwerdeführerin die Baubewilligung für den Neubau eines Wohn- und Geschäftshauses auf einem näher genannten Grundstück erteilt.

Unter Punkt 51 der Auflagen dieses Baubescheides heißt es:

"51) Für das Gebäude sind 46 PKW-Abstellplätze als unterirdische Stellplätze für die zu erwartenden Kraftfahrzeuge der ständigen Benützer und Besucher dieser Anlage in der künftigen Tiefgaragenanlage des E-Areals bzw. in einer Entfernung von nicht mehr als 300 m und außerhalb öffentl. Verkehrsflächen gemessen nach der kürzesten Wegverbindung von der Anlage, vorzusehen bzw. bereitzustellen, deren Benützung rechtlich und tatsächlich gewährleistet sein muss."

In Punkt II. dieses Bescheides heißt es weiters:

"Über Antrag der Bauwerberin bzw. der Eigentümerin des Bauplatzes wird gemäß § 9, Absatz 3, der Tiroler Bauordnung die Befreiung für die vorgeschriebenen PKW-Tiefgaragenplätze, und zwar für sechzehn Tiefgaragenplätze auf Dauer und dreißig Tiefgaragenplätze befristet bis sechs Monate nach Fertigstellung der Tiefgaragenanlage im E-Areal erteilt."

Am erließ der Bürgermeister der mitbeteiligten Stadtgemeinde gegenüber der Beschwerdeführerin einen Bescheid, welcher den Betreff "Einmalige Ausgleichsabgabe für die Befreiung von der Verpflichtung zur Schaffung von Kfz.- Abstellmöglichkeiten" aufweist. Der Spruch dieses Bescheides lautet:

"Bescheid

Auf Grund der Verordnung der Stadtgemeinde Kufstein vom zu § 9 der Tiroler Bauordnung in Verbindung mit § 150 der Tiroler Landesabgabenordnung wird Ihnen für die Nachsicht von der Verpflichtung zur Schaffung von 46 unterirdischen Stellplätzen für Kfz. die in der Baubewilligung vom ... festgesetzte einmalige Ausgleichsabgabe

im Betrage von S 2,649.600,-- ... zur Zahlung vorgeschrieben.

Berechnung der einmaligen Ausgleichsabgabe:

46 unterird. Stellplätze x 20.00 m2 x S 960,-- x 3 S 2,649.600,00

Diese Abgabe wird mit Ablauf eines Monates nach Bescheidzustellung zur Zahlung fällig."

In der Begründung dieses Bescheides heißt es, die Verordnung des Gemeinderates der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom bestimme unter § 2, dass für jede Kraftfahrzeug-Abstellmöglichkeit, deren Errichtung im Baubewilligungsbescheid nachgesehen werde, eine einmalige Ausgleichsabgabe zu leisten sei. Die Verpflichtung zur Schaffung von geeigneten Kfz-Abstellmöglichkeiten, die Befreiung davon durch Leistung einer einmaligen Ausgleichsabgabe sowie deren Höhe und Fälligkeit ergäben sich aus den Bestimmungen des § 9 Abs. 1 bis 5 der Tiroler Bauordnung, LGBl. Nr. 42/1974 (im Folgenden: TBO). Die Abgabe sei einen Monat nach Baubeginn bescheidmäßig vorzuschreiben, wobei die Bestimmungen der Tiroler Landesabgabenordnung (im Folgenden: TLAO) Anwendung fänden. Die der Beschwerdeführerin erteilte Baubewilligung vom sei in Rechtskraft erwachsen. Mit dem Bauvorhaben sei am begonnen worden.

Mit Schreiben der Beschwerdeführerin vom setzte diese die mitbeteiligte Stadtgemeinde davon in Kenntnis, dass sie 14 Auto-Abstellplätze erworben habe. Sie stelle daher für die restlichen 16 (der bislang 30 befristet von der Bereitstellung befreiten) Abstellplätze den Antrag auf Erteilung einer unbefristeten Befreiung für deren Bereitstellung.

Mit einem Bescheid des Stadtrates der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom gab dieser einer Berufung der Beschwerdeführerin gegen einen Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom Folge und legte die Zahl der erforderlichen Stellplätze mit 37 neu fest. In der Begründung dieses Bescheides heißt es, der Bürgermeister der mitbeteiligten Stadtgemeinde habe der Beschwerdeführerin mit Bescheid vom die Baubewilligung für die Errichtung eines Wohn- und Geschäftshauses erteilt. In dieser Baubewilligung sei die erforderliche Stellplatzanzahl mit 46 festgelegt worden. In der Folge habe die Beschwerdeführerin am eine Änderung des Verwendungszweckes für die Räumlichkeiten im ersten Obergeschoß von Cafe in Büro beantragt. Gleichzeitig sei eine Neufestsetzung der Anzahl der erforderlichen Stellplätze für dieses Bauvorhaben beantragt worden. In der Folge sei am ein Baubescheid erlassen worden. Darin sei jedoch keine neue Stellplatzanzahl festgelegt worden. In der dagegen erhobenen Berufung sei eine Reduzierung der Gesamtstellplatzanzahl beantragt worden. Im ersten Rechtsgang sei dieser Berufung nicht Folge gegeben worden. Mit Bescheid der belangten Behörde vom sei einer dagegen erhobenen Vorstellung der Beschwerdeführerin Folge gegeben und die Rechtssache an die mitbeteiligte Stadtgemeinde zurückverwiesen worden.

In weiterer Folge gelangte die Berufungsbehörde in ihrem Bescheid vom schließlich zum Ergebnis, dass die Anzahl der erforderlichen Stellplätze nunmehr 37 betrage.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin ebenfalls Vorstellung (nach den Beschwerdebehauptungen wurde dieser Vorstellung mit einem Bescheid der belangten Behörde vom neuerlich Folge gegeben und die Rechtssache an die mitbeteiligte Stadtgemeinde zurückverwiesen, wobei das Verfahren dort nach wie vor anhängig ist).

Weiters beantragte die Beschwerdeführerin mit einer Eingabe vom festzustellen, dass sie 15 Stellplätze käuflich erworben habe. Weiters beantragte sie die dauernde Befreiung vom Nachweis 22 weiterer Stellplätze.

Aus der Aktenlage ergeben sich keine Hinweise darauf, dass mit Ausnahme des Spruchpunktes II. des Bescheides vom weitere Befreiungsbescheide gemäß § 9 Abs. 3 TBO ergangen wären oder dass der in Rechtskraft erwachsene Spruchpunkt II. des Bescheides vom abgeändert worden wäre.

Am erließ der Bürgermeister der mitbeteiligten Stadtgemeinde einen im Betreff als "Endgültiger Bescheid" bezeichneten Bescheid gegen die Beschwerdeführerin, dessen Spruch wie folgt lautet:

"Die mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde

Kufstein vom , ..., für die Befreiung von der

Verpflichtung zur Errichtung von Tiefgaragenabstellplätzen

betreffend Neubau Wohn- und Geschäftsgebäude in Kufstein, ...,

gemäß § 9 Tiroler Bauordnung vorgeschriebene einmalige

Ausgleichsabgabe von Tiefgaragenabstellplätzen von

gemäß § 150 Tiroler Landesabgabenordnung vorläufig S

2,649.600,--

wird gemäß § 150 Abs. 2 Tiroler Landesabgabenordnung

endgültig festgesetzt mit S 1,843.200,--

Differenzbetrag/Gutschrift S 806.400,--

Berechnung:

32 unterirdische Stellplätze x 20,000 m2 x S 960,-- x 3 = S 1,843.200,--

Die Abgabe wurde bereits bezahlt. Der zu Ihren Gunsten verbleibende Differenzbetrag von S 806.400,-- wurde mit Ihrem Einverständnis ... an die Fa. O in Kufstein überwiesen."

In der Begründung dieses Bescheides heißt es, mit Baubescheid vom sei der Beschwerdeführerin die Befreiung von der Schaffung von 16 Tiefgaragenabstellplätzen auf Dauer und von 30 Tiefgaragenabstellplätzen befristet bis auf sechs Monate nach Fertigstellung der Tiefgaragenanlage im E-Areal erteilt worden. Mit Schreiben vom sei hinsichtlich der 30 befristet befreiten Tiefgaragenabstellplätze der Ankauf von 14 Tiefgaragenabstellplätzen nachgewiesen und für die verbleibenden 16 Tiefgaragenabstellplätze um die Erteilung der unbefristeten Befreiung ersucht worden. Nachdem nach Ablauf von sechs Monaten nach Fertigstellung der Tiefgaragenanlage der Ankauf von weiteren Tiefgaragenabstellplätzen nicht nachgewiesen worden sei bzw. nicht möglich gewesen sei, hätte unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die einmalige Ausgleichsabgabe bereits für die gesamten 46 Tiefgaragenabstellplätze bezahlt worden sei, hinsichtlich der verbleibenden 16 befristet befreiten Tiefgaragenabstellplätze gemäß § 9 Abs. 3 TBO die dauernde Befreiung von der Verpflichtung zur Schaffung der erforderlichen Tiefgaragenabstellplätze ausgesprochen werden müssen (eine Feststellung, dass dies auch tatsächlich geschehen wäre, findet sich in diesem Bescheid nicht).

Die mit Bescheid vom gemäß § 150 TLAO für 46 Tiefgaragenabstellplätze vorläufig vorgeschriebene einmalige Ausgleichsabgabe von S 2,649.600,-- sei daher unter Berücksichtigung der nunmehrigen Zahl von 32 auf Dauer befreiten Tiefgaragenabstellplätze endgültig mit S 1,843.200,-- festzusetzen gewesen (46 vorgeschriebene Tiefgaragenabstellplätze abzüglich der angekauften 14 Tiefgaragenabstellplätze).

Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom sei der Umbau des ersten Obergeschoßes bewilligt worden. Hinsichtlich der neuerlichen Festsetzung der erforderlichen Anzahl von Tiefgaragenabstellplätzen sei dieses Verfahren noch anhängig. Eine dort allenfalls erfolgende Herabsetzung der erforderlichen Tiefgaragenabstellplätze böte jedoch auf Grund der Bestimmungen des § 9 Abs. 1 und 3 TBO keinen Raum für eine Neufestsetzung bzw. Änderung der nunmehr endgültig festgesetzten einmaligen Ausgleichsabgabe, weil diese gesetzlichen Bestimmungen nur eine Neuvorschreibung bei einer nachträglichen Erhöhung der erforderlichen Abstellmöglichkeiten bei zusätzlichem Bedarf bzw. bei nachträglicher Befreiung von der Verpflichtung zur Schaffung von Abstellmöglichkeiten bei Unmöglichkeit oder bei wirtschaftlich nicht vertretbarem Aufwand vorsähen. Eine Neuvorschreibung bzw. Berichtigung der Vorschreibung bei einer Herabsetzung der erforderlichen Zahl von Abstellmöglichkeiten sei somit ausgeschlossen.

Die Beschwerdeführerin erhob Berufung. Darin verwies sie insbesondere darauf, dass der Stadtrat der mitbeteiligten Stadtgemeinde mit seinem Bescheid vom die Zahl der erforderlichen Abstellplätze mit 37 neu festgelegt habe.

Mit Bescheid des Stadtrates der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom wurde diese Berufung als unbegründet abgewiesen. Die Berufungsbehörde teilte die Rechtsansicht der belangten Behörde, wonach sich eine Neufestsetzung der Zahl der erforderlichen Stellplätze in dem Verfahren betreffend die Bewilligung des Umbaues des ersten Obergeschoßes auf den einmal entstandenen Abgabenanspruch nicht auswirken könne.

Die Beschwerdeführerin erhob Vorstellung.

Mit dem angefochtenen, am zugestellten Bescheid der belangten Behörde vom wurde diese Vorstellung als unbegründet abgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde nach Schilderung des Verwaltungsgeschehens aus, gemäß § 9 Abs. 4 TBO könne die Gemeinde durch Verordnung bestimmen, dass für jede Abstellmöglichkeit, für die eine Befreiung nach Abs. 1 oder 3 erteilt worden sei, eine einmalige Ausgleichsabgabe zu leisten sei. Für die Bemessung dieser Ausgleichsabgabe sei der Zeitpunkt des Eintrittes der Rechtskraft des Befreiungsbescheides maßgebend. Gemäß § 9 Abs. 3 TBO sei im Bescheid, mit dem die Nachsicht erteilt werde, ausdrücklich festzustellen, für welche Anzahl von Abstellmöglichkeiten die Befreiung erteilt werde. Die Stadtgemeinde Kufstein habe durch Verordnung ihres Gemeinderates vom von der Möglichkeit der Erhebung einer Ausgleichsabgabe Gebrauch gemacht. Maßgeblich für die Entstehung und die Höhe des Ausgleichsabgabenanspruches sei daher der Inhalt des Befreiungsbescheides (also der Spruchpunkt II. des Bescheides vom ).

Dieser Bescheid sei durch die im Zuge des Umbaues des ersten Obergeschoßes erlassenen Baubescheide in seinem Bestand und seiner Rechtskraft unberührt geblieben. Eine "automatische" Änderung des Befreiungsbescheides sei durch diese Verwaltungsakte, welche nach Erlassung der Nachsicht ergangen seien, nicht erfolgt. Dergleichen sehe das Gesetz nicht vor, wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom , Zl. 85/17/0070, ausgeführt habe. Bei Festsetzung der Ausgleichsabgabe sei vielmehr vom Inhalt des Befreiungsbescheides auszugehen gewesen. Vorliegendenfalls habe die Abgabenbehörde mit Bescheid vom die Ausgleichsabgabenpflicht gemäß § 150 Abs. 1 TLAO für 46 Tiefgaragenabstellplätze vorläufig festgesetzt. Im Hinblick auf den Ankauf von 14 Tiefgaragenabstellplätzen sei die Ausgleichsabgabe nunmehr unter Berücksichtigung von 32 auf Dauer befreiten Abstellplätzen mit Bescheid vom endgültig gemäß § 150 Abs. 2 TLAO festgesetzt worden. Eine Berücksichtigung des auf Grund des Bescheides des Bürgermeisters der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom bewilligten Umbaues des ersten Obergeschoßes des gegenständlichen Objektes und einer damit verbundenen Reduktion der Tiefgaragenabstellplätze habe entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin gemäß § 9 Abs. 3 TBO nicht erfolgen können, weil diese Gesetzesstelle eine solche Vorgangsweise nicht vorsehe.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin zunächst Beschwerde vor dem Verfassungsgerichtshof. Darin machte sie geltend, § 9 TBO widerspreche dem verfassungsrechtlichen Gleichheitsgebot. Darüber hinaus unterstelle die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid dieser Bestimmung bzw. jener des § 150 TLAO einen gleichheitswidrigen Gehalt. Schließlich enthalte § 9 Abs. 2 TBO eine unzulässige formalgesetzliche Delegation. Die auf Grund dieser Bestimmung ergangene Verordnung der Stadtgemeinde Kufstein vom über die Berechnung der Stellplatzerfordernisse widerspreche ebenfalls dem Sachlichkeitsgebot.

Mit Beschluss vom , B 1954/98-7, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der Beschwerde ab und trat diese dem Verwaltungsgerichtshof ab. In der Begründung dieses Beschlusses heißt es:

"Soweit die Beschwerde aber verfassungsrechtliche Fragen tatsächlich berührt, lässt ihr Vorbringen, das übersieht,

( dass der Verfassungsgerichtshof in VfSlg. 14.549/1996 ausgesprochen hat, es sei nicht unsachlich, wenn dem Eigentümer eines Bauwerkes, für den die generelle Rechtspflicht zur Errichtung von Garagen und Abstellplätzen auf dem Baugrundstück oder in dessen Nähe besteht, für die Gewährung der Ausnahme von dieser Verpflichtung eine Ausgleichsabgabe zu entrichten hat,

( dass eine Regelung nicht unsachlich ist, derzufolge eine im Anschluss an eine Baubewilligung zu entrichtende Ausgleichsabgabe nicht zurückerstattet wird, wenn eine spätere Bewilligung eines Umbaus und einer Verwendungszweckänderung des Gebäudes zur Festsetzung einer geringeren Zahl von zu errichtenden Stellplätzen führt

( und dass ein Antrag der beschwerdeführenden Gesellschaft vom auf endgültige Befreiung von der Bereitstellungspflicht hinsichtlich 16 Abstellplätzen sehr wohl vorlag,

vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zu der dem § 9 Abs. 3 Tiroler Bauordnung 1988 vergleichbaren Regelung des § 13 Vbg BauG 1972 (VfSlg. 14.523/1996) die behaupteten Rechtsverletzungen oder die Verletzung eines nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes als so wenig wahrscheinlich erkennen, dass sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat."

Vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich die Beschwerdeführerin erkennbar in ihrem subjektiven Recht verletzt, eine Abgabe gemäß § 9 Abs. 4 TBO nur in jener Höhe vorgeschrieben zu erhalten, welche die zu Grunde liegenden generellen Normen zulassen. Sie macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften mit dem Antrag geltend, den angefochtenen Bescheid aus diesen Gründen aufzuheben.

Die belangte Behörde und die mitbeteiligte Stadtgemeinde erstatteten Gegenschriften, in denen sie die Abweisung der Beschwerde beantragten.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 3 Abs. 1 TLAO entsteht der Abgabenanspruch, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den die Abgabenvorschrift die Abgabepflicht knüpft. Im Zeitpunkt des Eintrittes der Rechtskraft des Bescheides vom stand § 9 TBO in der Fassung der Wiederverlautbarungskundmachung der Tiroler Landesregierung vom , LGBl. Nr. 33, in Geltung. Er lautete in dieser Fassung (auszugsweise):

"§ 9

Stellplätze und Garagen

(1) Für eine bauliche Anlage sind für die zu erwartenden Kraftfahrzeuge der ständigen Benützer und Besucher dieser Anlage geeignete Abstellmöglichkeiten (Stellplätze oder Garagen) einschließlich der erforderlichen Zu- und Abfahrten in ausreichender Zahl und Größe vorzusehen. Diese Verpflichtung gilt als erfüllt, wenn außerhalb öffentlicher Verkehrsflächen Abstellmöglichkeiten gegeben sind, die von der baulichen Anlage nicht mehr als 300 Meter - gemessen nach der kürzesten Wegverbindung - entfernt sind und deren Benützung rechtlich und tatsächlich gewährleistet ist. Wenn durch die Änderung einer baulichen Anlage oder durch die Änderung ihres Verwendungszweckes ein zusätzlicher Bedarf an Abstellmöglichkeiten entsteht, sind für diesen zusätzlichen Bedarf entsprechende Abstellmöglichkeiten vorzusehen. Zur Deckung dieses zusätzlichen Bedarfes dürfen bestehende Abstellmöglichkeiten nur so weit angerechnet werden, als sie nicht zur Deckung des bisherigen Bedarfes erforderlich waren. Fällt eine Abstellmöglichkeit, die zu schaffen der Eigentümer einer baulichen Anlage verpflichtet war, nachträglich weg, so hat die Behörde dem Eigentümer der baulichen Anlage aufzutragen, innerhalb einer angemessenen Frist eine neue Abstellmöglichkeit zu schaffen, es sei denn, dass dies nicht oder nur mit einem wirtschaftlich nicht vertretbaren Aufwand möglich ist. ...

(2) Die Gemeinde kann durch Verordnung unter Bedachtnahme auf die örtlichen Erfordernisse für bestimmte Arten von baulichen Anlagen die Zahl der nach Abs. 1 erforderlichen Abstellmöglichkeiten festlegen. Weiters kann die Gemeinde durch Verordnung bestimmen, dass im Bauland oder in bestimmten Teilen des Baulandes Abstellmöglichkeiten für Kraftfahrzeuge nur in der Form unterirdischer Garagen errichtet werden dürfen, wenn dies im Interesse der bestmöglichen Nutzung des Baulandes geboten oder zum Schutz der Gesundheit von Menschen und zur Vermeidung von unzumutbaren Belästigungen erforderlich ist.

(3) Die Behörde hat den Bauwerber auf seinen Antrag von der Verpflichtung nach Abs. 1 ganz oder teilweise zu befreien, wenn die entsprechenden Abstellmöglichkeiten nicht oder nur mit einem wirtschaftlich nicht vertretbaren Aufwand geschaffen werden könnten. In einem solchen Bescheid ist festzulegen, für welche Anzahl von Abstellmöglichkeiten die Befreiung erteilt wird.

(4) Die Gemeinde kann durch Verordnung bestimmen, dass für jede Abstellmöglichkeit, für die eine Befreiung nach den Abs. 1 oder 3 erteilt wurde, eine einmalige Ausgleichsabgabe zu leisten ist. Für die Bemessung dieser Ausgleichsabgabe ist der Zeitpunkt des Eintrittes der Rechtskraft des Befreiungsbescheides maßgebend. Im Falle der Befreiung nach Abs. 1 ist die Ausgleichsabgabe dem Eigentümer der baulichen Anlage, im Falle der Befreiung nach Abs. 3 dem Bauwerber bzw. seinem Rechtsnachfolger frühestens einen Monat nach Baubeginn vorzuschreiben. Die Gemeinde ist verpflichtet, den Ertrag der Ausgleichsabgabe ausschließlich zur Deckung ihres Aufwandes für die Errichtung öffentlicher Garagen oder Stellplätze zu verwenden.

(5) Bei der Berechnung der Ausgleichsabgabe ist davon auszugehen, dass für jede Abstellmöglichkeit eine Fläche von 20 Quadratmetern erforderlich wäre. Die sich aus der Zahl der fehlenden Abstellmöglichkeiten ergebende Quadratmeteranzahl ist mit dem von der Landesregierung in der Verordnung nach § 19 Abs. 6 festgelegten Erschließungskostenfaktor zu vervielfachen. Das Produkt ergibt die Höhe der Ausgleichsabgabe. Soweit jedoch die Verpflichtung zur Errichtung von unterirdischen Garagen besteht (Abs. 2), beträgt die Ausgleichsabgabe das Dreifache dieses Produktes."

Mit § 2 der Verordnung des Gemeinderates der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom ordnete dieser an, dass für jede Abstellmöglichkeit im Gemeindegebiet, von deren Schaffung bescheidmäßig die Befreiung nach § 9 Abs. 1 oder 3 der Tiroler Bauordnung erteilt wird, eine einmalige Ausgleichsabgabe zu leisten ist.

Die 1989 in Kraft gestandene Verordnung der Tiroler Landesregierung über die Festlegung des Erschließungskostenfaktors legte diesen in ihrem § 1 mit S 960,-- fest.

§ 150 Abs. 1 und 2 TLAO lautet:

"§ 150

(1) Die Abgabenbehörde kann die Abgabe vorläufig festsetzen, wenn nach den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens die Abgabepflicht zwar noch ungewiss, aber wahrscheinlich oder wenn der Umfang der Abgabepflicht noch ungewiss ist. Die Ersetzung eines vorläufigen durch einen anderen vorläufigen Bescheid ist im Falle der teilweisen Beseitigung der Ungewissheit zulässig.

(2) Wenn die Ungewissheit beseitigt ist, ist die vorläufige Abgabenfestsetzung durch eine endgültige Festsetzung zu ersetzen. Gibt die Beseitigung der Ungewissheit zu einer Berichtigung der vorläufigen Festsetzung keinen Anlass, so ist ein Bescheid zu erlassen, der den vorläufigen zum endgültigen Abgabenbescheid erklärt.

..."

Der Baubewilligungsbescheid vom enthält keine Abgabenfestsetzung. Vor diesem Hintergrund ist der Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom als (erstmaliger) Abgabenfestsetzungsbescheid zu deuten, auch wenn es dort heißt, es werde die mit dem in Rede stehenden Baubescheid festgesetzte Abgabe zur Zahlung vorgeschrieben. Die Bezugnahme auf den Bescheid vom ist offenkundig bloß dahin zu verstehen, dass damit nicht etwa die Abgabe selbst, sondern die Zahl der befreiten Stellplätze festgesetzt wurde. Dies ergibt sich unzweifelhaft auch aus dem in der Begründung des Bescheides vom enthaltenen Hinweis auf die Rechtskraft der in diesem Baubewilligungsbescheid erteilten Nachsicht als das den Abgabentatbestand auslösende Ereignis.

Die Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens gehen weiters übereinstimmend von der Rechtsauffassung aus, der Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom sei lediglich als vorläufiger Abgabenbescheid im Verständnis des § 150 Abs. 1 TLAO aufzufassen. Diese Auffassung erweist sich schon deshalb als zutreffend, weil die erstinstanzliche Abgabenbehörde im Spruch ihres Bescheides vom ausdrücklich § 150 TLAO zitiert, eine Norm, die die vorläufige Abgabenfestsetzung regelt. Unabhängig davon, ob die in § 150 Abs. 1 TLAO umschriebenen Voraussetzungen für eine vorläufige Abgabenfestsetzung überhaupt vorlagen, ist dieser Bescheid nach seinem unzweideutigen Spruchinhalt als vorläufiger und nicht etwa als endgültiger Abgabenfestsetzungsbescheid zu werten.

Die Erlassung eines endgültigen Abgabenfestsetzungsbescheides war vorliegendenfalls daher geboten. Der Bescheid des Stadtrates der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom , mit dem diese endgültige Abgabenfestsetzung vorgenommen wurde und der Gegenstand der hier angefochtenen Vorstellungsentscheidung war, erweist sich jedoch aus folgenden Erwägungen als rechtswidrig:

Vorliegendenfalls ist der maßgebliche Abgabentatbestand gemäß § 9 Abs. 4 zweiter Satz TBO der Eintritt der Rechtskraft des Befreiungsbescheides, hier also des Spruchpunktes II. des Bescheides vom . In diesem wurde in Ansehung von 16 Abstellplätzen eine unbefristete und in Ansehung von 30 Abstellplätzen eine bloß befristete Befreiung ausgesprochen. Zwar spricht § 9 Abs. 3 TBO von einer gänzlichen oder teilweisen Befreiung von der Verpflichtung nach Abs. 1 leg. cit., der letztgenannte Fall bezieht sich aber ganz offenkundig bloß auf die Befreiung von der Errichtung eines Teils der Anzahl der gemäß § 9 Abs. 1 TBO vorgeschriebenen Abstellmöglichkeiten, nicht jedoch auf die Befreiung für Teilzeiträume. Damit ist aber davon auszugehen, dass ein den Abgabentatbestand des § 9 Abs. 4 zweiter Satz TBO auslösender Sachverhalt nur dann eintritt, wenn die gemäß § 9 Abs. 3 TBO vorgesehene Befreiung hinsichtlich der betreffenden Abstellmöglichkeit auf Dauer erfolgt. Wie oben dargelegt, sind weitere Befreiungsbescheide gemäß § 9 Abs. 3 TBO nicht ergangen, auch eine Abänderung des in Rechtskraft erwachsenen Spruchpunktes II. des Bescheides vom ist nicht erfolgt.

Es ist daher ein Abgabentatbestand lediglich in Ansehung von 16 Abstellplätzen überhaupt entstanden. Die Abgabenbehörden der mitbeteiligten Stadtgemeinde hätten daher eine endgültige Abgabenvorschreibung bloß für 16 Abstellmöglichkeiten vornehmen dürfen. Der spätere Ankauf von Abstellplätzen durch die Beschwerdeführerin war demgegenüber nicht geeignet, den einmal entstandenen Abgabentatbestand wieder zum Erlöschen zu bringen (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 94/17/0090).

Indem der Stadtrat der mitbeteiligten Stadtgemeinde mit Bescheid vom im Instanzenzug eine Abgabenvorschreibung für 32 Stellplätze vornahm, verletzte er die Beschwerdeführerin in ihrem subjektiven Recht darauf, die Abgabe gemäß § 9 Abs. 4 TBO zwar endgültig, aber nur in jener Höhe vorgeschrieben zu erhalten, welche die zu Grunde liegenden generellen Normen zulassen.

Die Vorstellungsbehörde wäre daher verpflichtet gewesen, die inhaltliche Rechtswidrigkeit dieser Abgabenvorschreibung wahrzunehmen und den gemeindebehördlichen Bescheid aus diesem Grund aufzuheben.

Indem sie dies unterließ, belastete sie ihrerseits den vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Vorstellungsbescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit.

Dieser war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil neben dem Pauschalbetrag für den Ersatz des Schriftsatzaufwandes Kosten aus dem Titel der Umsatzsteuer nicht zugesprochen werden können (vgl. die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, S. 687 wiedergegebene Judikatur).

Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

Wien, am

Fundstelle(n):
ZAAAE-44023