VwGH vom 17.05.1999, 98/05/0241
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Dr. Gritsch, über die Beschwerde des Georg und der Beatrix Materna, beide in Wien, vertreten durch Dr. Harald Hauer, Rechtsanwalt in Wien II, Taborstraße 23, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom , Zl. MD-VfR - B XIII - 22/98, betreffend Nichtigerklärung eines Baubewilligungsbescheides, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführer haben der Bundeshauptstadt Wien insgesamt Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführer sind Miteigentümer der Liegenschaft EZ 893, KG Auhof, bestehend aus den Grundstücken Nr. 2357 und .1324, Wien XIII, Aschergasse 7-9. Die Liegenschaft ist ca. 30 m breit und ca. 29,50 m tief. Zirka 15 Meter von der Aschergasse entfernt ist drei Meter von der nördlichen (das ist die rechte) Grundstücksgrenze das Hauptgebäude in einer Breite von 9,90 m und einer Länge von 10,50 m errichtet.
Für die Liegenschaft gilt das Plandokument 5804, in dessen Punkt II.3. gemäß § 5 Abs. 4 der Bauordnung für Wien u.a. bestimmt wird:
"3.4. Für das gesamte Plangebiet wird bestimmt, dass pro Bauplatz nur ein Nebengebäude bis zu einer bebauten Fläche von max. 25 m2 errichtet werden darf."
Es sind Baufluchtlinien und die Bauklasse I mit einer maximalen Gebäudehöhe von 6,5 m und einer bebaubaren maximalen Fläche von 150 m2 bzw. 25 % festgesetzt.
Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 37/13, vom wurde den Beschwerdeführern die Bewilligung für die Errichtung einer Kleingarage im Ausmaß von insgesamt 27,90 m2 zwischen dem Hauptgebäude und der rechten Grundgrenze gemäß § 71 der Bauordnung für Wien erteilt. Die Bewilligung erfolgte deshalb auf jederzeitigen Widerruf, "weil die bebaute Fläche der Garage u.a. das im Bebauungsplan festgesetzte Höchstausmaß für Nebengebäude von 25 m2 geringfügig überschreitet".
Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 37/13, vom wurde den Beschwerdeführern die Baubewilligung erteilt, auf der gegenständlichen Liegenschaft an der hinteren Grundgrenze einen "Wintergarten (Nebengebäude)" mit einer bebauten Fläche von ca. 25 m2 in Holzkonstruktion mit Isolierglasdach zu errichten.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom wurde gemäß § 68 Abs. 4 Z. 4 AVG dieser Bescheid als nichtig erklärt. Ein Widerspruch des Baubewilligungsbescheides zum Flächenwidmungs- und Bebauungsplan rechtfertige eine Nichtigkeitserklärung (§ 137 Bauordnung für Wien; im Folgenden: BO). Die Erteilung der Baubewilligung widerspreche im vorliegenden Fall einer aufgrund des § 5 Abs. 4 lit. d BO erlassenen Bebauungsbestimmung. Der Hinweis der Beschwerdeführer darauf, die Garage sei bloß nach § 71 BO bewilligt worden, könne am Ergebnis nichts ändern, da § 14 BO nur für Bestimmungen der Bauordnung selbst, nicht jedoch für die auf ihrer Basis erlassenen Verordnungen (z.B. Flächenwidmungs- und Bebauungspläne) Gültigkeit habe. Der Bebauungsplan lasse nur ein Nebengebäude pro Bauplatz zu, ohne dahingehend zu differenzieren, ob dieses auf Widerruf oder auf Dauer bewilligt worden sei. Von dieser Möglichkeit hätten die Beschwerdeführer aber schon durch die Errichtung der Garage Gebrauch gemacht. Im Übrigen würde die von den Beschwerdeführern vertretene Rechtsmeinung dazu führen, dass durch die Erteilung von § 71 BO Bewilligungen die Anordnungen des Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes umgangen werden könnten und auf diese Weise letztlich die Planungsvorstellungen des Wiener Gemeinderates zunichte gemacht würden. Die Materialien zur Verordnung des Gemeinderates (Plandokument 5804) führten aus, dass die Bebauungsbestimmungen im Punkt 3.4. darauf abzielten, den durchgrünten Charakter der Siedlung zu wahren und somit der Aufrechterhaltung des mit der gärtnerischen Ausgestaltung von Grünflächen verbundenen Kleinklimas diene sowie einer übermäßigen Zersiedelung des Bodens vorbeugen soll. Diese öffentlichen Interessen überragten bei weitem den privaten Nachteil, den die Beschwerdeführer durch die Verpflichtung zur Entfernung der bestehenden Baulichkeit erleiden, die mit Rechtskraft der Nichtigerklärung gemäß § 129 Abs. 10 BO ex lege entstehe.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die Beschwerdeführer erachten sich durch den angefochtenen Bescheid in dem Recht verletzt, die erteilte Baubewilligung nicht für nichtig zu erklären.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 137 Abs. 1 BO können Bescheide der Behörde gemäß § 68 Abs. 4 Z. 4 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes als nichtig erklärt werden, wenn sie einer zwingenden Vorschrift dieses Gesetzes oder der aufgrund dieses Gesetzes erlassenen Verordnungen widersprechen.
Die belangte Behörde erblickt eine Nichtigkeit des Baubewilligungsbescheides des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 37/13, vom in dem Umstand, dass die Errichtung eines zweiten Nebengebäudes entgegen dem Plandokument 5804 bewilligt worden ist. Diese von der belangten Behörde vertretene Rechtsansicht ist im Beschwerdefall aus folgenden Gründen frei von Rechtsirrtum:
Gemäß § 5 Abs. 4 BO wird im hier anzuwendenden Plandokument 5804 bestimmt, dass für das gesamte Plangebiet "pro Bauplatz" nur ein Nebengebäude bis zu einer bebauten Fläche von maximal 25 m2 errichtet werden darf. Durch ein Verbot in den Bebauungsbestimmungen, nicht mehr als ein Nebengebäude zu errichten, wird auch die Ausnützbarkeit des Bauplatzes eingeschränkt (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 93/05/0262), eine solche Regelung gründet sich somit auch auf § 5 Abs. 4 lit. d BO, wonach über die Festsetzungen nach Abs. 2 und 3 dieses Paragraphen hinaus die Bebauungspläne zusätzlich Bestimmungen über die Ausnützbarkeit der Bauplätze bzw. der Baulose enthalten können. Die bauliche Ausnützbarkeit von Bauplätzen kann nämlich auf verschiedene Weise beschränkt werden. Nach der Bauordnung für Wien werden die zulässige Gebäudehöhe, die Bauweisen, Strukturen, Lichteinfallsbestimmungen und Abstandsvorschriften, sowie auch Vorschriften über die äußere Gestaltung von Gebäuden im VIII. Abschnitt mit der Überschrift "Bauliche Ausnützbarkeit der Bauplätze" zusammengefasst. Auch die Regelungen über die Nebengebäude sind in diesem Abschnitt enthalten (siehe § 82 BO). Bebauungspläne dürfen und können daher von den im VIII. Abschnitt der Bauordnung für Wien über die bauliche Ausnützbarkeit der Bauplätze enthaltenen Vorschriften abweichende Regelungen enthalten. Insoweit das hier anzuwendende Plandokument 5804 daher für Nebengebäude eine abweichende Regelung in Bezug auf die Ausnützbarkeit des Bauplatzes trifft, ist diese durch die Bauordnung gedeckt. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Bauordnung für Wien bestehen seitens des Verwaltungsgerichtshofes insoweit nicht.
§ 14 BO trifft die Regelung, dass überall dort, wo in der Bauordnung von bebauten Grundflächen die Rede ist, hierunter Grundflächen, die gegen Widerruf oder unbefugt bebaut worden sind, nicht zu verstehen sind; solche Grundflächen gelten als unbebaut.
Grundflächen, die gegen Widerruf bebaut worden sind, sind solche, bei denen die Baubewilligung unter Berufung auf § 71 BO erteilt worden ist. Da der Bebauungsplan eine Durchführungsverordnung zur Bauordnung ist, kann zwar grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass § 14 BO auch für das Plandokument 5804 gilt. Dadurch ist jedoch im Beschwerdefall für die Beschwerdeführer nichts gewonnen, weil der hier anzuwendende Punkt 3.4. des Plandokumentes 5804 nicht primär auf die bebaute Fläche abstellt, sondern pro Bauplatz die Errichtung nur eines Nebengebäudes (bis zu einer bebauten Fläche von max. 25 m2) zulässt, dies unabhängig davon, ob für dieses Gebäude eine Bewilligung nach § 70 (§ 70a) oder § 71 BO erteilt worden ist. Ist daher - wie im Beschwerdefall - bereits eine Baubewilligung für die Errichtung eines Nebengebäudes erteilt und dieses Nebengebäude errichtet worden, dann widerspricht die Erteilung einer weiteren Baubewilligung zur Errichtung eines Nebengebäudes auf dem selben Bauplatz dem Plandokument 5804. Ein solcher Baubewilligungsbescheid kann gemäß § 68 Abs. 4 Z. 4 AVG für nichtig erklärt werden, weil er einer zwingenden Vorschrift einer aufgrund der Bauordnung erlassenen Verordnung im Sinne des § 137 Abs. 1 BO widerspricht.
Gemäß § 82 Abs. 1 BO sind Nebengebäude Gebäude oder gesondert in Erscheinung tretende Teile eines Gebäudes, wenn sie nicht mehr als ein über dem anschließenden Gelände liegendes Geschoß aufweisen, keine Aufenthaltsräume enthalten und eine bebaute Grundfläche von nicht mehr als 100 m2, in Gartensiedlungsgebieten von nicht mehr als 5 m2 haben.
Die Herstellung einer Verbindung mit dem Hauptgebäude beeinträchtigt den Charakter eines Nebengebäudes nicht, vielmehr kommt es für die Beurteilung der Frage, ob ein Bauwerk als Nebengebäude zu beurteilen ist, auf das äußere Erscheinungsbild an (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom , Zlen. 83/05/0204, 0209, BauSlg. Nr. 673). Nach dem einen integrierenden Bestandteil des Bescheides des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 37, vom , mit welchem die Errichtung eines Wintergartenzubaues bewilligt worden ist, bildenden Plan ist die Errichtung einer selbständigen Holzkonstruktion durch teilweisen Anbau an das Hauptgebäude im Westen des Grundstückes vorgesehen, welche mit Isolierglas versehen werden soll. Der Zutritt zu diesem "Wintergarten" ist über einen Gang aus dem Hauptgebäude möglich. Der auch im Bewilligungsbescheid als "Nebengebäude" bezeichnete "Wintergarten" stellt sich demnach jedenfalls als ein gesondert in Erscheinung tretender Teil des Hauptgebäudes dar. Er ist sohin als Nebengebäude im Sinne des § 82 BO und des Plandokumentes 5804 anzusehen. Dass das als "Wintergarten" bezeichnete Gebäude ein Aufenthaltsraum im Sinne des § 82 Abs. 1 BO wäre, kann im Hinblick auf die projektierte Lage zum Hauptgebäude nicht angenommen werden und ist dies auch auf Grund der im Spruch des Bewilligungsbescheides enthaltenen Bezeichnung als "Nebengebäude" auszuschließen. In der Beschwerde wird die Beurteilung des bewilligten Wintergartens durch die belangte Behörde als Nebengebäude im Sinne des § 82 BO auch nicht näher begründet angezweifelt.
Schon aus diesen Gründen durfte die Behörde in Anwendung des § 68 Abs. 4 Z. 4 AVG den Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 37, vom als nichtig erklären. Bei diesem Ergebnis ist es ohne Bedeutung, ob das bereits bestehende Nebengebäude zu Recht gemäß § 71 BO bewilligt worden ist. Auch der Umstand, wie es zur baubehördlichen Bewilligung des Wintergartens gekommen ist, ist daher bei dem gegebenen Sach- und Rechtszusammenhang ohne entscheidungserhebliche Bedeutung.
Da auch unbestritten ist, dass sich die baubehördliche Bewilligung des Wintergartens auf den Bauplatz bezieht, auf welchem bereits ein Nebengebäude errichtet ist, bedurfte es keiner weiteren Erhebungen durch die belangte Behörde zur Frage, dass die Beschwerdeführer Eigentümer zweier Bauplätze sein sollen. Eine entscheidungserhebliche Verletzung von Verfahrensvorschriften liegt ebenfalls nicht vor, weshalb die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am