VwGH 27.04.1999, 98/05/0239
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
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RS 1 | Es bedarf gerade bei einer nicht unbeträchtlichen Entfernung eines "nichtanrainenden" Nachbargrundstückes einer nachvollziehbaren Darlegung jener Umstände, welche die Möglichkeit einer Rechtsverletzung und damit die Parteistellung der Nachbarn begründen, wobei jedenfalls dann, wenn die Erfahrungen des täglichen Lebens zur Beurteilung dieser Frage nicht ausreichen und von den Parteien des Verfahrens unterschiedliche Standpunkte eingenommen werden, die Einholung eines Sachverständigengutachtens unerlässlich ist (Hinweis E , 91/06/0075, 91/060096). |
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RS 2 | Eine typenmäßige Beurteilung des Bauvorhabens bei der Beurteilung der Zulässigkeit eines Bauvorhabens bzw der Anrainerstellung durch die Baubehörde ist im Beschwerdefall deshalb erforderlich, weil die Widmung "Leichtindustrie" gemäß § 2 Abs 8 des Gemeindeplanungsgesetzes 1982 einen Immissionsschutz beinhaltet. Nach dieser Bestimmung sind als Leichtindustriegebiete nämlich jene Flächen festzulegen, die vornehmlich für Betriebsgebäude bestimmt sind, die zur Aufnahme von Betrieben dienen, durch welche die Umgebung nicht erheblich durch Lärm, Ruß, Geruch oder Erschütterung belästigt und nicht durch Explosivstoffe oder brennbare Flüssigkeiten gefährdet wird. |
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RS 3 | Aufgabe der entscheidenden Behörde ist es, das Gutachten auf seine Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit zu überprüfen (Hinweis E , 91/06/0213; hier betreffend die Frage, ob ein Grundstück im Einflussbereich des Bauvorhabens liegt). |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Dr. Gritsch, über die Beschwerde der Funder Industrie Gesellschaft m.b.H. in St. Veit an der Glan, vertreten durch Dr. Christian Kuhn und Dr. Wolfgang Vanis, Rechtsanwälte in Wien I, Elisabethstraße 22, gegen den Bescheid der Kärntner Landesregierung vom , Zl. 8 B-BRM-121/12/1998, betreffend Parteistellung in einem Baubewilligungsverfahren (mitbeteiligte Parteien: 1. Martin Auer in St. Veit an der Glan, vertreten durch Dr. Franz Unterasinger, Rechtsanwalt in Graz, Radetzkystraße 8, 2. Stadtgemeinde St. Veit an der Glan, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Land Kärnten Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- und dem Erstmitbeteiligten Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Eingabe vom ersuchte die Beschwerdeführerin um Erteilung der Baubewilligung zur Errichtung eines Zubaues beim Produktionsgebäude Werk III auf dem Grundstück Nr. 1311, KG St. Donat.
Anlässlich der über dieses Baugesuch am durchgeführten mündlichen Verhandlung, zu der auch der Erstmitbeteiligte als Anrainer geladen worden war, führte der Amtssachverständige unter anderem aus, die vorliegende Planung sehe den ostseitigen Zubau zum Werksgebäude Funder-Werk III im Ausmaß von 42 m x 42 m vor, wobei dieser je zur Hälfte als Papierrollenlager bzw. als Imprägnierhalle verwendet werden solle. Zwischen dem zu bebauenden Grundstück und dem Grundstück des Erstmitbeteiligten liegt die Zollfeld-Landesstraße L 71 mit einer durchschnittlichen Breite von rund 13 m. Die Ostflucht des geplanten Zubaues hat an der Südostecke einen Abstand von 83 m zur Landesstraße und an der Nordwestecke einen Abstand von 93 m. Der Erstmitbeteiligte führte unter anderem aus, die Widmung "Leichtindustriegebiet" sei rechtswidrig, er erhob Einwendungen gegen das Bauvorhaben, weil er unzumutbare Immissionen befürchte.
Die Baubehörde hat ein Gutachten des D.I. O. vom zur Frage eingeholt, ob auf Grund der geplanten Bauführung die Möglichkeit von Beeinträchtigungen in Bezug auf Grundstücke des Erstmitbeteiligten bestehe. Der Gutachter stützte sich auf einen von ihm am durchgeführten Ortsaugenschein, den Bauakt betreffend das Produktionsgebäude mit Baubewilligung vom sowie den Bauakt betreffend den gegenständlichen Zubau. Der Sachverständige führte aus, im Flächenwidmungsplan sei für das Baugrundstück die Widmung Bauland-Leichtindustrie gegeben. Es gelte der Bebauungsplan der mitbeteiligten Stadtgemeinde, Zone 5. Es seien daher die Abstandsvorschriften der §§ 4 bis 10 des Kärntner Bauvorschriftengesetzes (gemeint wohl: der Kärntner Bauvorschriften) anzuwenden. Die geforderten Mindestabstände würden bei weitem überschritten. Die zulässige Gebäudehöhe sei 11 m, die geplante Höhe betrage 9,95 m und sei daher zulässig. Die zulässige Geschoßflächenzahl betrage 0,8 m und werde bei weitem nicht erreicht. Zum Immissionsschutz wurde wörtlich ausgeführt: "Im baubehördlichen Bewilligungsverfahren steht dem Nachbarn ein Immissionsschutz nur aus dem Titel der Flächenwidmung zu. Das gegenständliche Bauvorhaben ist durch die Widmungskategorie 'Leichtindustrie' abgedeckt. Die Abwehr der von einer Betriebsanlage ausgehenden Immissionen der Nachbargrundstücke ist Aufgabe der Gewerbe- und nicht der Baubehörde." Zusammenfassend kam der Sachverständige zum dem Schluss, bei dem geplanten Bauvorhaben bestünden aus technischer Sicht keine Möglichkeiten von Beeinträchtigungen und Rückwirkungen auf die Grundflächen des Erstmitbeteiligten.
Mit Bescheid vom erteilte der Bürgermeister der mitbeteiligten Stadtgemeinde der Beschwerdeführerin die beantragte Baubewilligung. Diese wurde neben der Beschwerdeführerin auch einigen Anrainern zugestellt, nicht jedoch dem Erstmitbeteiligten.
Mit Schriftsatz vom beantragte der Erstmitbeteiligte, ihm im gegenständlichen Bauverfahren die Parteistellung zuzuerkennen und ihm den Bescheid des Bürgermeisters vom zuzustellen. Zur Begründung führte er unter anderem aus, seine Grundstücke seien vom zu bebauenden Grundstück nur durch die Landesstraße getrennt und demgemäß benachbart. Durch die geplante Erweiterung der Industriehalle würden Rechte des Erstmitbeteiligten auf Einhaltung entsprechender Abstandsflächen, Brandschutzbestimmungen und unter anderem auf Schutz vor Immissionen berührt.
Mit Bescheid vom hat der Bürgermeister der mitbeteiligten Stadtgemeinde den Antrag des Erstmitbeteiligten auf Zuerkennung der Parteistellung als unbegründet abgewiesen.
Die Abweisung wurde nach Wiedergabe des Gutachtens des D.I. O. vom im Wesentlichen damit begründet, dass es durch die Errichtung des Zubaues zu keinen zusätzlichen Immissionen sowie Emissionen kommen würde. Ausdrücklich wies der Bürgermeister darauf hin, dass im gegenständlichen Zubau keine Imprägniertätigkeiten durchgeführt würden und keine betrieblichen Abläufe stattfänden, die im Verhältnis zum genehmigten Hauptbetrieb zusätzliche Umweltauswirkungen hervorrufen würden. Der Verwendungszweck des gegenständlichen Zubaues ergebe sich im Übrigen aus den Einreichunterlagen.
Der dagegen erhobenen Berufung des Erstmitbeteiligten gab der Stadtrat der mitbeteiligten Stadtgemeinde mit Bescheid vom keine Folge. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, nach Maßgabe des Einreichsprojektes seien die Ausführungen des Sachverständigen D.I. O., was den maschinellen Einsatz und die Produktionsabläufe betreffe, richtig. Es fänden keine Imprägniertätigkeiten im eigentlichen Sinn im neuen Zubau statt.
Auf Grund der gegen diesen Bescheid erhobenen Vorstellung des Erstmitbeteiligten hat die belangte Behörde mit Bescheid vom den Bescheid des Stadtrates der mitbeteiligten Stadtgemeinde aufgehoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Stadtgemeinde zurückverwiesen. In dem im Akt enthaltenen und baubehördlich genehmigten Einreichplan vom sei eine Imprägnierungshalle (im Zubau) angeführt. Auch der Amtssachverständige habe im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom ausgeführt, dass die Planung im ostseitigen Zubau zum Werksgebäude Funder-Werk III vorsehe, dass dieser je zur Hälfte als Papierrollenlager bzw. als Imprägnierhalle verwendet werden solle. Auch im Baubewilligungsbescheid vom werde unter Hinweis auf die Planung ausgeführt, dass diese im ostseitigen Zubau zur Hälfte ein Papierrollenlager bzw. eine Imprägnierhalle vorsehe. Dazu im krassen Widerspruch stünden somit die Ausführungen der Behörde auf Gemeindeebene in der Begründung ihrer Bescheide, dass nämlich im Zubau keine Imprägnierarbeiten durchgeführt würden, wobei die Berufungsbehörde diese Feststellung in der Begründung insofern modifiziert habe, als keine Imprägniertätigkeiten im "eigentlichen Sinn" im neuen Zubau stattfänden. Sollten aber nun tatsächlich Imprägnierarbeiten im geplanten und bewilligten Zubau durchgeführt werden, so könnte dies auch auf die Beurteilung der Parteistellung von wesentlichem Einfluss sein. Insoweit sei aber das Verfahren auf Gemeindeebene wesentlich mangelhaft geblieben. Laut genehmigtem Plan sei im Südosten des Zubaues auch ein Ladehof vorgesehen. Da das Bauvorhaben grundsätzlich ein einheitliches Ganzes darstelle, sei auch bei der Entscheidung über die Parteistellung auf die Auswirkungen des Betriebsverkehrs auf dem Betriebsgelände Bedacht zu nehmen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde hat den Verwaltungsakt vorgelegt und in einer Gegenschrift, ebenso wie die erstmitbeteiligte Partei, die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 23 der hier anzuwendenden Kärntner Bauordnung 1996
(K-BO 1996) lautet wie folgt:
"§ 23
Parteien, Einwendungen
(1) Parteien des Baubewilligungsverfahrens sind:
der Antragsteller;
der Grundeigentümer;
die Miteigentümer des Baugrundstückes, deren Zustimmung nach § 10 Abs. 1 lit. b erforderlich ist;
der Eigentümer eines Superädifikates bei Bauführungen an diesem;
die Anrainer (Abs. 2).
(2) Anrainer sind:
die Eigentümer (Miteigentümer) der an das Baugrundstück angrenzenden Grundstücke und aller weiteren im Einflussbereich des Vorhabens liegenden Grundstücke sowie
die Inhaber von Anlagen, insbesondere von gewerblichen Betriebsanlagen, sofern das Grundstück, auf dem sich die Anlage befindet, an das Baugrundstück angrenzt oder von diesem nur durch eine Verkehrsfläche getrennt ist, ausschließlich im Rahmen des Abs. 4.
(3) Anrainer im Sinn des Abs. 2 dürfen gegen die Erteilung der Baubewilligung nur begründete Einwendungen dahingehend erheben, dass sie durch das Vorhaben in subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt werden, die ihnen durch die Bestimmungen dieses Gesetzes, der Kärntner Bauvorschriften, des Flächenwidmungsplanes oder des Bebauungsplanes eingeräumt werden, welche nicht nur dem öffentlichen Interesse, sondern auch dem Schutz der Anrainer dienen. Einwendungen der Anrainer im Sinn des ersten Satzes können insbesondere gestützt werden auf Bestimmungen über
die widmungsgemäße Verwendung des Baugrundstückes;
die Bebauungsweise;
die Ausnutzbarkeit des Baugrundstückes;
die Lage des Vorhabens;
die Abstände von den Grundstücksgrenzen und von Gebäuden oder sonstigen baulichen Anlagen auf Nachbargrundstücken;
die Bebauungshöhe;
die Brandsicherheit;
den Schutz der Gesundheit der Anrainer;
den Immissionsschutz der Anrainer.
(4) Anrainer im Sinn des Abs. 2 lit. b dürfen nur gegen die Erteilung der Baubewilligung für ein Vorhaben nach § 6 lit. a auf bisher unbebauten Grundstücken Einwendungen im Sinn des Abs. 3 lit. a erheben.
(5) Wurde eine mündliche Verhandlung durch Anschlag in der Gemeinde, bei Vorhaben nach § 1 Abs. 2 lit. c und d auch durch Verlautbarung in der Kärntner Landeszeitung kundgemacht und wurden die Anrainer im Sinn des § 16 Abs. 2 lit. d persönlich geladen, so bleiben im weiteren Verfahren über die Erteilung der Baubewilligung nur jene Anrainer Parteien, die spätestens bei der mündlichen Verhandlung Einwendungen im Sinn des Abs. 3 und 4 erhoben haben.
(6) Anrainer, denen der Baubewilligungsbescheid nicht zugestellt wurde, dürfen nur bis zum Ablauf von drei Jahren ab Rechtskraft des Bescheides dessen Zustellung beantragen oder Berufung erheben.
(7) Einwendungen der Parteien, deren Austragung dem Rechtsweg vorbehalten ist, hat die Behörde niederschriftlich festzuhalten. Auf die Entscheidung über den Antrag haben solche Einwendungen keinen Einfluß."
Strittig ist zunächst, ob der Erstmitbeteiligte als Eigentümer des von dem zu bebauenden Grundstück durch die Landesstraße L 71 mit einer Breite von durchschnittlich 13 m getrennten Grundstückes Eigentümer eines "im Einflußbereich des Vorhabens" liegenden Grundstückes ist.
Bei der Beurteilung dieser Frage ist auf den technischen Bericht vom zu verweisen, welcher Grundlage des Baubewilligungsbescheides vom ist. Nach diesem technischen Bericht werden die Imprägnierkanäle Nr. 1 und 2 demontiert und durch einen neuen Kanal ersetzt. Dieser Kanal habe die gleiche Bauweise wie der Kanal 3, jedoch eine höhere Produktionskapazität. Der bisherige Kanal 1 habe eine Kapazität von 8,8 mio m2 Papier pro Jahr gehabt, die zukünftige Produktionsmenge des Kanals 1 betrage 33,8 mio m2 Papier pro Jahr. Zum Imprägnierverfahren wird in diesem technischen Bericht ausgeführt, dass die Imprägnierung in zwei Schritten erfolge, d.h. die Papiere würden im ersten Harzbad der Imprägniermaschine mit Harz vorimprägniert, worauf eine Zwischentrocknung erfolge und danach das Papier mit Melaminharz überzogen werde. Im ersten Harzbad saugten die Papiere mehr oder weniger große Mengen (je nach Saugfähigkeit) des Harzes auf. Der Imprägniervorgang selbst wird eingehend beschrieben, nach der Beschichtung mit Harz und der Glättung durch eine Glättvorrichtung wird das Papier durch einen zweiten Abschnitt des Trocknungskanals geschickt, wo es frei hängend (schwebend) mit Heißluft getrocknet werde, um eine Beschädigung der Papieroberfläche zu vermeiden. Die Heißluft würde über Ventilatoren durch Düsenreihen von oben und nach unten auf die Papierbahn gelenkt. Um die durch die Trocknung entstehenden Dämpfe abzuleiten, seien Absaugventilatoren vorgesehen, die auf der Oberseite des Trocknungsofens angebracht seien. Einstellbare Klappen seien in den Abluftrohren vorhanden, um die Abluftmenge zu regeln. Hinter dem Trocknungsofen befinde sich eine Kühlzone, wo kühle Luft auf die Papierbahn geblasen werde. Es wird in diesem Bericht ausgeführt, dass im Chemikalienlager eine Dieseltankstelle mit einem Behältervolumen von 1000 Litern aufgestellt werde. Unter Punkt 9.4 ist angeführt, "durch die Erweiterung des Imprägnierwerkes kommt es zu keiner Erhöhung der Lärmsituation, da an der Hauptlärmquelle, dem Lüftungssystem, keine Änderungen vorgenommen werden."
Bei der Beurteilung der Anrainerstellung, nämlich ob ein Grundstück im Einflussbereich eines Vorhabens liegt, reicht die Möglichkeit der Beeinträchtigung der im Einflussbereich des Vorhabens liegenden Grundstücke aus. Ob tatsächlich eine Verletzung von subjektiv-öffentlichen Rechten des Grundstückseigentümers vorliegt, ist hingegen bei der Anrainerstellung nicht zu prüfen. Auf diese Frage ist erst dann einzugehen, wenn feststeht, dass das Grundstück des Eigentümers, der behauptet, Anrainer im Sinne des § 23 Abs. 2 lit. a K-BO zu sein, tatsächlich im Einflussbereich des Vorhabens liegt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits in seinem Erkenntnis vom , Zlen. 91/06/0075, 91/06/0096, ausgeführt, dass es gerade bei einer nicht unbeträchtlichen Entfernung eines "nichtanrainenden" Nachbargrundstückes einer nachvollziehbaren Darlegung jener Umstände bedürfe, welche die Möglichkeit einer Rechtsverletzung und damit die Parteistellung der Nachbarn begründeten, wobei jedenfalls dann, wenn die Erfahrungen des täglichen Lebens zur Beurteilung dieser Frage nicht ausreichen und von den Parteien des Verfahrens unterschiedliche Standpunkte eingenommen werden, die Einholung eines Sachverständigengutachtens unerlässlich ist.
Auch im Beschwerdeverfahren kann die Frage, ob das Grundstück des Erstmitbeteiligten im Einflussbereich des Vorhabens liegt, nicht mit den Erfahrungen des täglichen Lebens gelöst werden. Zu Recht hat daher schon der Bürgermeister der mitbeteiligten Stadtgemeinde vor Erlassung des Baubewilligungsbescheides ein Gutachten eines Sachverständigen eingeholt. In seinem Gutachten vom geht D.I. O. davon aus, dass das gegenständliche Bauvorhaben durch die Widmungskategorie "Leichtindustriegebiet" abgedeckt sei, ohne darzulegen, welche Tätigkeiten in dem geplanten Projekt vorgesehen sind. Damit ist dieses Gutachten aber nicht nachvollziehbar; die in diesem Gutachten geäußerte Ansicht, die Abwehr der von einer Betriebsanlage ausgehenden Immissionen auf Nachbargrundstücke sei Aufgabe der Gewerbe- und nicht der Baubehörde, lässt überdies außer Acht, dass die Baubehörde bei der Beurteilung der Zulässigkeit eines Bauvorhabens bzw. der Anrainerstellung eine typenmäßige Beurteilung des Bauvorhabens durchzuführen hat. Eine derartige typenmäßige Beurteilung des Bauvorhabens ist im Beschwerdefall deshalb erforderlich, weil die Widmung "Leichtindustrie" gemäß § 2 Abs. 8 des Gemeindeplanungsgesetzes 1982 einen Immissionsschutz beinhaltet. Nach dieser Bestimmung sind als Leichtindustriegebiete nämlich jene Flächen festzulegen, die vornehmlich für Betriebsgebäude bestimmt sind, die zur Aufnahme von Betrieben dienen, durch welche die Umgebung nicht erheblich durch Lärm, Ruß, Geruch oder Erschütterung belästigt und nicht durch Explosivstoffe oder brennbare Flüssigkeiten gefährdet wird.
Aufgabe der entscheidenden Behörde ist es, das Gutachten auf seine Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit zu überprüfen (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 91/06/0213). Diese Prüfung haben aber die Gemeindebehörden insofern unrichtig vorgenommen, als sie nicht erkannt haben, dass das Gutachten des D.I. O. mangels einer Befundaufnahme der geplanten Tätigkeiten nicht vollständig und nachvollziehbar ist.
Die Gemeindebehörden haben dieses Gutachten - ungeachtet der mangelnden Befundaufnahme - als schlüssig angesehen und dazu ausgeführt, dass in dem eingereichten Projekt keine "Imprägniertätigkeiten im eigentlichen Sinn" durchgeführt würden.
Die Ansicht der Gemeindebehörden, wonach im Bauvorhaben keine Imprägniertätigkeiten (Bescheid erster Instanz) bzw. keine "Imprägniertätigkeiten im eigentlichen Sinn" (Berufungsbescheid) durchgeführt würden, steht im Widerspruch zum Inhalt des technischen Berichtes, der Bescheidbestandteil der erteilten Baubewilligung ist.
Nach dieser Sachlage hat die belangte Behörde zu Recht den Bescheid des Stadtrates der mitbeteiligten Stadtgemeinde aufgehoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Stadtgemeinde zurückverwiesen.
Auf das Beschwerdevorbringen, das Bauvorhaben sei mit der Widmung "Leichtindustriegebiet" vereinbar, brauchte nicht eingegangen zu werden, da, wie bereits ausgeführt, die Frage, ob eine widmungsgemäße Verwendung des Baugrundstückes vorliegt, erst dann relevant ist, wenn über die Einwendungen des Erstmitbeteiligten abzusprechen ist.
Da sich die Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am
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Schlagworte | Planung Widmung BauRallg3 Sachverständiger Erfordernis der Beiziehung Besonderes Fachgebiet Gutachten Beweiswürdigung der Behörde Bauverfahren (siehe auch Behörden Vorstellung Nachbarrecht Diverses) Parteien BauRallg11/1 Begründungspflicht Beweiswürdigung und Beweismittel Begründung hinsichtlich einander widersprechender Beweisergebnisse Anforderung an ein Gutachten |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:1999:1998050239.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
GAAAE-44012