VwGH vom 19.09.1995, 93/05/0235
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Gritsch, über die Beschwerde der B in W, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom , Zl. MA 50 - B/82/89, betreffend Wohnbeihilfe, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Die Bundeshauptstadt Wien hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin wurde durch ein Schreiben des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 50 (im folgenden: MA 50), darüber informiert, daß ihr die Wohnbeihilfe nur mehr bis Ende Juni 1989 gewährt werde. Falls sie an einer Verlängerung interessiert sei und bisher noch keinen Antrag auf Verlängerung gestellt habe, werde sie ersucht, den diesem Schreiben anhängenden, mit den gespeicherten Daten bereits ausgefüllten Antrag zu unterschreiben. Weiters enthielt diese Information eine Belehrung über die erforderlichen Belege. Der mit den gespeicherten Daten bereits ausgefüllte Antrag enthielt die Namen der vier Bewohner der gegenständlichen Wohnung, deren Geburtsdaten und unter der Rubrik "Eink." bei allen vier Personen das Wort "Nein".
Das von der Beschwerdeführerin am unterfertigte Ansuchen langte bei der MA 50 am ein. Angeschlossen war eine Bestätigung der "Heimbau" Gemeinnützige Bau-, Wohnungs- und Siedlungsgenossenschaft über den für die Wohnbeihilfe anrechenbaren monatlichen Wohnungsaufwand. Vom stammt ein Aktenvermerk, wonach "... (unleserlich) und Gattin" kein eigenes Einkommen hätten und zur Gänze von anderen unterstützt würden; in diesem Aktenvermerk wird auf einen Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 12, vom verwiesen, mit welchem ein Antrag des Gatten der Beschwerdeführerin auf Zuerkennung einer Geldaushilfe zur Sicherung des Lebensunterhaltes und Krankenhilfe abgewiesen wurde.
Mit Bescheid vom wies die MA 50 den Antrag auf Gewährung einer Wohnbeihilfe ab. Gemäß § 27 Abs. 1 WWFSG 1989 sei das Einkommen von Personen, die nicht zur Einkommensteuer veranlagt werden, durch eine Bestätigung des Arbeitgebers nachzuweisen. Weil ein solcher Einkommensnachweis nicht habe erbracht werden können, sei der Antrag abzuweisen.
In ihrer dagegen erhobenen Berufung brachte die Beschwerdeführerin vor, sie habe einen Antrag an die MA 12 auf Zuerkennung einer Geldaushilfe zur Sicherung des Lebensunterhaltes und Krankenhilfe gestellt, über den noch nicht rechtskräftig entschieden sei; daher könne kein Einkommensnachweis erbracht werden.
Mit Bescheid der belangten Behörde vom wurde die Beschwerdeführerin gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgefordert, binnen einer Frist von drei Wochen Nachweise über ihr Einkommen sowie das Einkommen aller im Haus wohnenden Personen der MA 50 vorzulegen. Der Bescheid enthält weiters den Hinweis, daß die Berufung als unzulässig zurückgewiesen werden müßte, wenn die Beschwerdeführerin innerhalb der gesetzten Frist der Aufforderung nicht nachkomme. Einem Aktenvermerk ist zu entnehmen, daß diese Frist bis verlängert wurde. Die belangte Behörde erhob selbst beim Landesarbeitsamt, daß zwischen 1. Juni und ein Zuschuß für eine Monatsmarke in Höhe von S 410,-- gewährt worden sei.
Mit Schreiben der MA 50 vom wurde die Beschwerdeführerin unter Bezugnahme auf die Berufung ersucht, den Bescheid der MA 12 über die Hilfe zur Sicherstellung des Lebensunterhaltes und Krankenhilfe vorzulegen, damit dieser als Einkommensbestätigung für den Berufungszeitraum herangezogen werden könne.
Am legte die Beschwerdeführerin den abweisenden Berufungsbescheid in der Sozialhilfesache vor und gab an, daß dagegen eine Verwaltungsgerichtshofbeschwerde erhoben werde. Diesem Bescheid ist die Feststellung zu entnehmen, daß für den Zeitraum vom bis keinerlei Einkommensnachweise erbracht werden konnten und daß der Vertreter des Gatten der Beschwerdeführerin angegeben habe, die Familie lebe insgesamt von geborgtem Geld, das zum Großteil von der Schwägerin der Beschwerdeführerin stamme. Letztere habe angegeben, daß sie ihren Bruder und seine Familie mit Lebensmitteln, Bekleidung und Möbeln, jedoch nur in ganz geringem Umfang mit Bargeld unterstützt habe.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung der Beschwerdeführerin keine Folge. Es liege kein Einkommensnachweis im Sinne des § 27 Abs. 1 WWFSG 1989 vor; da keine Einkommensnachweise im Sinne dieser Bestimmung vorgelegt werden konnten, sei die Abweisung des Wohnbeihilfenantrages zu Recht erfolgt.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit welcher die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes begehrt wird.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und
erstattete eine Gegenschrift.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im Zeitpunkt der Antragstellung galt das Wiener Wohnbauförderungs- und Wohnhaussanierungsgesetz - WWFSG 1989 in der Stammfassung LGBl. Nr. 18/1989 (im folgenden: WWFSG), weil dieses Gesetz gemäß dessen § 62 Abs. 1 am in Kraft trat. Am selben Tag trat auch die aufgrund der §§ 20 bis 25 WWFSG erlassene Verordnung über die Gewährung von Wohnbeihilfe, LGBl. Nr. 32/1989 (im folgenden: VO), in Kraft. Gemäß § 21 Abs. 2 WWFSG darf die Wohnbeihilfe höchstens auf ein Jahr gewährt werden, sodaß der vorliegende Antrag den Zeitraum vom bis betraf. Auch die am in Kraft getretene Neufassung des § 21 Abs. 2 WWFSG (LGBl. Nr. 42/90) hat an der Einjahresfrist nichts geändert.
Die Berufungsbehörde hatte im vorliegenden Fall nicht das im Zeitpunkt der Erlassung ihres Bescheides geltende Recht anzuwenden, weil darüber abzusprechen war, was in einen bestimmten Zeitraum rechtens war (hg. Erkenntnis vom , Slg. Nr. 9315/A), somit die Stammfassung des WWFSG bzw. für den Beihilfenmonat Juni 1990 unter Berücksichtigung der Novelle LGBl. Nr. 42/90.
Gemäß § 20 Abs. 1 WWFSG ist dem Mieter einer Wohnung, deren Errichtung im Sinne des ersten Hauptstückes dieses Gesetzes gefördert wurde, und der durch den Wohnungsaufwand unzumutbar belastet wird, auf Antrag mit Bescheid Wohnbeihilfe zu gewähren, soferne er ausschließlich diese Wohnung zur Befriedigung eines dringenden Wohnbedürfnisses regelmäßig verwendet. § 22 WWFSG sieht die sinngemäße Anwendung dieser Bestimmung für geförderte Eigentumswohnungen vor. Gemäß § 20 Abs. 2 WWFSG ist die Wohnbeihilfe in der Höhe zu gewähren, die sich aus dem Unterschied zwischen zumutbarer und der in den Absätzen 4 und 5 näher bezeichneten Wohnungsaufwandbelastung je Monat ergibt. § 2 VO regelt, wie die zumutbare Wohnungsaufwandbelastung zu ermitteln ist.
Gemäß § 26 Abs. 1 letzter Satz leg. cit. sind die Anträge auf Gewährung von Wohnbeihilfe an den Magistrat zu richten. Diesem Antrag sind gemäß Abs. 5 dieses Paragraphen unter anderem der Nachweis des Einkommens (Familieneinkommens) und ein Nachweis über den Wohnungsaufwand gemäß § 20 Abs. 4 anzuschließen. Gemäß § 27 Abs. 4 WWFSG sind bei aufrechten Ehen oder Lebensgemeinschaften die Einkünfte beider Partner der Berechnung des Einkommens zugrunde zu legen. § 27 Abs. 1 leg. cit. sieht vor, daß das Einkommen im Sinne des ersten Hauptstückes folgendermaßen nachzuweisen ist:
1. Bei Personen, die zur Einkommensteuer veranlagt werden, durch Vorlage des Einkommensteuerbescheides für das letzte veranlagte Kalenderjahr;
2. bei Arbeitnehmern, die nicht zur Einkommensteuer veranlagt werden, durch Vorlage eines Lohnzettels für das vorangegangene Kalenderjahr;
3. bei Personen mit anderen Einkünften durch Vorlage von Nachweisen, aus denen Art und Höhe der Einkünfte ersichtlich sind.
Gemäß Abs. 2 dieser Bestimmung können bei Prüfung des Einkommens weitere Nachweise oder Erklärungen beigebracht oder verlangt werden.
Nach der Begriffsbestimmung im § 2 Ziffer 14 WWFSG gilt als Einkommen das Einkommen gemäß § 2 Abs. 2 Einkommensteuergesetz 1988, vermehrt um gewisse bei der Einkommensermittlung abgezogene Beträge und um steuerfrei gestellte Bezüge, und vermindert um die Einkommensteuer. § 2 Z. 15 WWFSG definiert als Familieneinkommen die Summe der Einkommen des Förderungswerbers oder Mieters und der mit ihm im gemeinsamen Haushalt lebenden Personen mit Ausnahme von im Haushalt beschäftigten Arbeitnehmern und angestellten Pflegepersonal.
Materielle Voraussetzung eines Anspruches auf Wohnbeihilfe ist unter anderem, daß der Mieter "unzumutbar" durch den Wohnungsaufwand belastet wird; um feststellen zu können, ob diese Belastung "unzumutbar" ist, muß gemäß § 20 Abs. 3 WWFSG bzw. gemäß § 2 VO das Familieneinkommen ermittelt werden. Aus § 2 Abs. 1 Ziffer 1 VO ergibt sich, daß ein Einkommen unter den bei der Antragstellerin gegebenen Familienverhältnissen von S 9.600,-- (S 7.100,-- plus S 2.500,-- für zwei Kinder) jedenfalls anrechnungsfrei bleibt, also erst vom darüberhinaus erzielten Einkommen ein als zumutbar angesehener Wohnungsaufwand in Betracht kommt. Der hier geforderte Einkommensnachweis dient allein der Feststellung, daß das Einkommen höher als S 9.600,-- (bzw. als S 10.000,-- unter Bedachtnahme auf die am in Kraft getretene Verordnung LGBl. Nr. 46/90) ist. Wenn somit ein unter dieser Grenze liegendes Einkommen bei der Ermittlung der Wohnbeihilfe keine Rolle spielt, kann der vom Gesetz geforderten Voraussetzung der Beibringung eines Einkommensnachweises (§ 26 Abs. 3 und § 27 WWFSG) keinesfalls der Inhalt unterstellt werden, daß Personen, die über kein Einkommen (aus den im § 2 Abs. 2 Einkommensteuergesetz taxativ aufgezählten Einkunftsarten) verfügen, keinen Anspruch auf Wohnbeihilfe hätten. Der Umstand, daß "Einkommensnachweise nicht vorgelegt werden konnten", ist daher für sich allein noch kein Grund zur Abweisung des Ansuchens.
Sollte die Behörde im Rahmen der freien Beweiswürdigung den Angaben der Beschwerdeführerin über ihr mangelndes Einkommen keinen Glauben schenken, hat sie dies in der Begründung des Bescheides darzulegen. Nur wenn festgestellt wird, daß die Beschwerdeführerin Einkünfte von mehr als S 9.600,-- hat und diese Einkünfte verschweigt, also die geforderten Nachweise nicht vorlegt, obwohl sie sie vorlegen kann, ist eine Abweisung wegen der Nichterfüllung der Voraussetzung des § 26 Abs. 3 WWFSG möglich.
Eine derartige Feststellung hat die belangte Behörde, weil sie von einer anderen rechtlichen Beurteilung ausging, nicht getroffen. Damit belastete sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes, weshalb dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere deren Art. III Abs. 2.
Von der beantragten Verhandlung konnte aus dem Grunde des § 39 Abs. 1 Ziffer 6 VwGG abgesehen werden.