VwGH vom 21.05.2001, 2001/17/0022
Beachte
Serie (erledigt im gleichen Sinn):
2001/17/0023 E
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Höfinger, Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler und Dr. Zens als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde des MM in W, vertreten durch Dr. Wolfgang Rainer, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Schwedenplatz 2/74, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom , Zl. UVS - KO 919/2000/1, betreffend Beteiligtengebühren nach § 51d AVG, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Die Bundeshauptstadt Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer erhob eine Beschwerde vor dem unabhängigen Verwaltungssenat wegen der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt sowie eine Beschwerde wegen Verletzung von Richtlinien gemäß dem Sicherheitspolizeigesetz.
Mit Ladungsbescheid vom unter den Zlen. UVS- 02/43/2772/2000/10 und UVS-02/43/3102/2000 wurde der Beschwerdeführer zur Einvernahme für den , 9.00 Uhr, in den Verfahren über die Maßnahmenbeschwerde und die Richtlinienbeschwerde geladen. Der Beschwerdeführer erschien zu dieser öffentlichen mündlichen Verhandlung und wurde vernommen. Mit Eingabe vom beantragte er im Hinblick darauf, dass er der Ladung zur Vernehmung als Beteiligter am in der Zeit von 9.00 bis 10.25 Uhr Folge geleistet habe, Ersatz für Reisekosten im Ausmaß von S 38,--.
Mit Schreiben vom wurde dem Beschwerdeführer mitgeteilt, dass er als Partei keinen Anspruch auf Gebühren habe. In einem Antrag vom gemäß § 51b Z 2 AVG auf Bestimmung der am beantragten Gebühren verwies der Beschwerdeführer auf § 51d AVG, wonach die §§ 51a bis 51c AVG auch für Beteiligte gälten und sich unter anderem aus § 8 AVG ergebe, dass Parteien auch als Beteiligte zu verstehen seien.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die gemäß § 51b Z 2 AVG zuständige Vorsitzende (Präsidentin) des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien dem Antrag keine Folge. Begründend führte die belangte Behörde aus, dass die Partei des Verwaltungsverfahrens zugleich auch Beteiligter sei. Nach Wiedergabe des § 51a AVG und des § 2 Abs. 1 Gebührenanspruchsgesetz 1975, BGBl. Nr. 136 (im Folgenden: GebAG), wird ausgeführt, dass § 2 Abs. 1 GebAG "lediglich die Definition des Begriffes Zeuge, wobei der Zeuge dem Sachverständigen, der Partei oder dem Parteienvertreter, die demnach keine Zeugen" seien, gegenübergestellt werde, enthalte. Die Bestimmungen über die Gebühr der Zeugen würden ausdrücklich nach der (nicht näher zitierten) "Regierungsvorlage" (wohl: zum Gebührenanspruchsgesetz) auch auf die sogenannten Auskunftspersonen des außerstreitigen Verfahrens ausgedehnt, die zu Beweiszwecken, ohne "Parteienstellung" zu haben oder Parteienvertreter zu sein, vernommen würden. Die Einschränkung auf Nichtparteien und Nichtparteienvertreter sei deshalb gerechtfertigt, weil die Regelung des Aufwandersatzes der Parteien oder der Parteienvertreter den einzelnen Verfahrensgesetzen vorzubehalten sei.
Beim Beschwerdeführer handle es sich, da er gemäß § 8 AVG auf Grund seines rechtlichen Interesses an der Sache beteiligt gewesen sei, um die Partei (den Beschwerdeführer) der genannten Verfahren. In dieser Eigenschaft sei er mit Ladungsbescheid vom zur Verhandlung vom geladen worden. In dieser Eigenschaft habe er auch an der Verhandlung teilgenommen. Als Partei in diesen Verfahren habe er aber "im Hinblick auf vorige Ausführungen und Erwägungen" für seine Teilnahme an der mündlichen Verhandlung bzw. für seine Einvernahme keinen Anspruch auf Gebühren nach dem Gebührenanspruchsgesetz.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof wegen Verletzung des aus § 51d AVG iVm § 51a AVG und den einschlägigen Bestimmungen des Gebührenanspruchsgesetzes gewährleisteten Rechtes auf Zuerkennung von Beteiligtengebühren.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. § 51a AVG lautet:
"§ 51a. Zeugen, die im Verfahren vor den unabhängigen Verwaltungssenaten zu Beweiszwecken vernommen werden oder deren Vernehmung ohne ihr Verschulden unterbleibt, haben Anspruch auf Gebühren nach § 2 Abs. 3 und den §§ 3 bis 18 des Gebührenanspruchsgesetzes 1975, BGBl. Nr. 136. Die Gebühr ist gemäß § 19 des Gebührenanspruchsgesetzes 1975 beim unabhängigen Verwaltungssenat geltend zu machen."
§ 2 Gebührenanspruchsgesetz 1975, BGBl. Nr. 136 in der Fassung BGBl. Nr. 343/1989, bestimmt:
"II. ABSCHNITT
Zeugen
Begriff. Anspruchsberechtigung
§ 2. (1) Als Zeuge im Sinn dieses Bundesgesetzes ist jede Person anzusehen, die innerhalb oder außerhalb eines förmlichen gerichtlichen Beweisverfahrens zu Beweiszwecken, aber nicht als Sachverständiger, Partei oder Parteienvertreter gerichtlich vernommen oder durch einen gerichtlich bestellten Sachverständigen der Befundaufnahme beigezogen wird.
(2) Eine Begleitperson des Zeugen ist einem Zeugen gleichzuhalten, wenn der Zeuge wegen seines Alters oder wegen eines Gebrechens der Begleitung bedurft hat; das Gericht (der Vorsitzende), vor dem die Beweisaufnahme stattgefunden hat, hat die Notwendigkeit der Begleitperson zu bestätigen.
(3) Keinen Anspruch auf die Gebühr haben
Tabelle in neuem Fenster öffnen
1. | der Zeuge, der die Aussage ungerechtfertigt verweigert, | |||||||||
2. | im Strafverfahren der Privatbeteiligte, der statt des öffentlichen Anklägers einschreitet, und der Privatankläger." | |||||||||
Gemäß § 51b AVG ist die Gebühr vom zuständigen Bediensteten der Geschäftsstelle des unabhängigen Verwaltungssenates vorläufig zu berechnen, die vorläufig berechnete Gebühr ist dem Zeugen schriftlich oder mündlich bekanntzugeben (§ 51b Z 2 AVG). Der Zeuge kann binnen zwei Wochen nach Bekanntgabe der Gebühr schriftlich oder mündlich die Gebührenbestimmung durch den unabhängigen Verwaltungssenat beantragen, der durch den Vorsitzenden zu entscheiden hat. | ||||||||||
§ 51d AVG in der Fassung BGBl. I Nr. 158/1998 lautet: |
"§ 51d. Die §§ 51a bis 51c gelten auch für Beteiligte."
§ 79a AVG idF BGBl. Nr. 471/1995 lautet auszugsweise:
"§ 79a. (1) Die im Verfahren nach § 67c obsiegende Partei hat Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei.
(2) Wenn der angefochtene Verwaltungsakt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist der Beschwerdeführer die obsiegende und die belangte Behörde die unterlegen Partei.
...
(4) Als Aufwendungen gemäß Abs. 1 gelten:
1. die Stempel- und Kommissionsgebühren sowie Barauslagen, für die der Beschwerdeführer aufzukommen hat,
2. die Fahrtkosten, die mit der Wahrnehmung seiner Parteirechte in Verhandlungen vor dem unabhängigen Verwaltungssenat verbunden waren, sowie
3. die durch Verordnung des Bundeskanzlers im Einvernehmen mit dem Hauptausschuß des Nationalrates festzusetzenden Pauschbeträge für den Schriftsatz- und für den Verhandlungsaufwand."
2. Die belangte Behörde hat in der Begründung des angefochtenen Bescheides aus § 2 Abs. 1 GebAG den Schluss gezogen, dass Parteien des Verwaltungsverfahrens keinen Anspruch auf Beteiligtengebühr hätten. Diese Argumentation der belangten Behörde ist insoweit unzutreffend, als die Grundlage für den Anspruch auf Beteiligtengebühren § 51d AVG ist. Maßgeblich ist - worauf der Beschwerdeführer zutreffend hingewiesen hat - nicht, welche Personen der Gesetzgeber des Gebührenanspruchsgesetzes mit dem Begriff "Zeuge" erfassen wollte, sondern, ob der Verweis in § 51d AVG auf die §§ 51a bis 51c AVG für "Beteiligte" auch bewirkt, dass Parteien des Verfahrens bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen den Anspruch auf Gebühren nach dem Gebührenanspruchsgesetz besitzen. Dass der Zeugenbegriff des § 2 Abs. 1 GebAG für die Frage der Anspruchsberechtigung nach den §§ 51a ff AVG nicht maßgeblich ist, ergibt sich auch daraus, dass das AVG nicht auf § 2 Abs. 1 GebAG (sondern nur auf § 2 Abs. 3 GebAG und die §§ 3 bis 18 GebAG) verweist. (Auch vor der Novelle BGBl. I Nr. 158/1998 war § 51a AVG zufolge seines Wortlautes "unter den gleichen Voraussetzungen und im gleichen Ausmaß wie Zeugen im gerichtlichen Verfahren" dahingehend zu verstehen, dass Zeugen und Beteiligte unabhängig vom Zeugenbegriff nach § 2 Abs. 1 GebAG den Gebührenanspruch besaßen.)
Der Begriff des "Beteiligten" nach dem AVG umfasst auch die Parteien im Sinne des § 8 AVG. Eine Einschränkung der Vorschrift des § 51d AVG auf Beteiligte, die nicht Parteien sind, über den Wortlaut hinaus müsste sich in eindeutiger Weise entweder aus den Materialien oder sonstigen (etwa systematischen) Überlegungen ergeben. Derartige Überlegungen hat die belangte Behörde nicht angestellt (zu dem Hinweis auf § 79a AVG in der Gegenschrift vgl. unten). Auch dem Verwaltungsgerichtshof ist unter Einbeziehung der Materialien zur Novelle zum AVG BGBl. I Nr. 158/1998 (1167 BlgNR 20. GP) kein Argument für eine derartige Einschränkung ersichtlich. Während gemäß § 24 VStG § 51d AVG im Verwaltungsstrafverfahren nicht anwendbar ist, hat auch der Gesetzgeber die zitierte Novelle des Jahres 1998, in der aus § 51a AVG die nunmehrigen §§ 51a bis 51d wurden, nicht zum Anlass genommen, den Wortlaut, der in vergleichbarer Weise bereits in § 51a AVG vor der Novelle BGBl. I Nr. 158/1998 den Anspruch auch den Beteiligten gewährt hatte, zu ändern. Zu § 51a AVG in der Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 158/1998 vertraten etwa Walter/Thienel, Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze, I2, Anmerkung 3 zu § 51a, die Auffassung, dass der Gebührenanspruch auch den Parteien zustehe; die gleichen Autoren zeigten in der Monographie "Die Verwaltungsverfahrensnovellen 1995", 78, auf, dass unklar sein könnte, ob im Verwaltungsstrafverfahren auch dem Beschuldigten die Gebühr zustehe. Diese Frage hat der Gesetzgeber mit der Novelle aus 1998 geklärt. (Den Erläuterungen zur Regierungsvorlage zur AVG-Novelle 1990, 1089 BlgNR, 17. GP, sind keine näheren Ausführungen zur vorliegenden Frage zu entnehmen.)
Da sich die Rechtslage im AVG durch die Neuformulierung in den §§ 51a bis 51d AVG in der Fassung BGBl. I Nr. 158/1998 nicht geändert hat, ist weiter davon auszugehen, dass auch der Partei der Anspruch auf Auszahlung von Beteiligtengebühren gemäß § 51d iVm § 51a AVG und dem Gebührenanspruchsgesetz 1975 zusteht (vgl. 1167 BlgNR, 20. GP, 35).
3. Wenn die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift darauf hinweist, dass in der Begründung des angefochtenen Bescheides ausgeführt worden sei, die Regelung des Aufwandersatzes der Parteien oder Parteienvertreter sei den einzelnen Verfahrensgesetzen vorbehalten, so ist nicht zu erkennen, inwiefern dies zu einer anderen Auslegung der in Rede stehenden Verfahrensbestimmung des § 51d AVG führen sollte.
An dem vorstehenden Ergebnis ändert im Beschwerdefall auch der Hinweis der belangten Behörde auf § 79a AVG nichts. Abgesehen davon, dass zu klären wäre, ob dem Gesetzeswortlaut der von der belangten Behörde unterstellte Gehalt des § 79a AVG zu entnehmen ist, wurde der Beschwerdeführer nicht nur im Verfahren über die Beschwerde wegen der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt geladen und vernommen, sondern auch im Verfahren über die Richtlinienbeschwerde gemäß § 89 Abs. 1 SPG. Eine derartige Beschwerde ist eine Beschwerde gemäß Art. 129a Abs. 1 Z 3 B-VG (vgl. die Erläuterungen zu § 89 SPG, RV 148 BlgNR, 18. GP) und somit keine Maßnahmenbeschwerde im Sinne des Art. 129a Abs. 1 Z 2 B-VG. Ungeachtet der Frage, wie § 79a AVG für das Verfahren über Maßnahmenbeschwerden auszulegen ist (in der Regierungsvorlage 1089 BlgNR 17. GP war § 79a noch nicht enthalten, im Ausschussbericht 1350 BlgNR 17. GP wird die Einfügung des § 79a AVG nicht gesondert kommentiert), besteht für Verfahren, in denen sich die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates aus einer gesetzlichen Bestimmung gemäß Art. 129a Abs. 1 Z 3 B-VG ergibt, keine Sondervorschrift neben § 51d AVG, die die Anwendbarkeit der §§ 51a bis 51c AVG iVm dem Gebührenanspruchsgesetz 1975 allenfalls einschränken könnte. Es ist daher hier das Verhältnis zwischen § 79a AVG, der für den obsiegenden Beschwerdeführer einen Ersatz der "Fahrtkosten, die mit der Wahrnehmung seiner Parteirechte in Verhandlungen vor dem unabhängigen Verwaltungssenat" verbunden waren, vorsieht, und § 51d AVG, der einen Anspruch auf Gebühren nach § 2 Abs. 3 und den §§ 3 bis 18 GebAG auch für Beteiligte im Fall der Vernehmung zu Beweiszwecken regelt, nicht abschließend zu klären.
Wie sich aus dem Verweis in § 79a Abs. 7 AVG auf die §§ 52 bis 54 VwGG ergibt, ist der Gesetzgeber davon ausgegangen, dass die Frage des Aufwandersatzes bei der Anfechtung mehrerer Verwaltungsakte in einer Beschwerde so zu beurteilen ist, wie wenn jeder der Verwaltungsakte in einer gesonderten Beschwerde angefochten worden wäre (§ 52 Abs. 1 VwGG). Es steht daher nichts entgegen, im Falle einer Ladung in verschiedenen Verfahren gegebenenfalls auch die Frage des Kostenersatzes für Fahrtkosten für jedes Verfahren gesondert zu beurteilen.
4. Der Beschwerdeführer wurde in der mündlichen Verhandlung zu den Vorgängen anlässlich der Amtshandlung, die Gegenstand der Beschwerden vor dem unabhängigen Verwaltungssenat war, eingehend befragt. Er wurde daher zu Beweiszwecken vernommen (§§ 51 und 51a AVG).
Der Beschwerdeführer hatte somit jedenfalls im Hinblick auf seine Ladung und Vernehmung im Verfahren über die Richtlinienbeschwerde den Anspruch auf Gebühren nach § 51d AVG.
5. Aus den dargelegten Erwägungen war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
6. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994. Auf das hg. Erkenntnis vom , Slg. Nr. 14.889/A, wird hingewiesen.
Wien, am