VwGH 19.01.1999, 98/05/0195
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
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Norm | BauO Wr §71; |
RS 1 | Da die Erteilung einer Baubewilligung nach § 71 Wr BauO nur zulässig ist, wenn ein begründeter Ausnahmefall vorliegt (Hinweis E , 84/05/0088, 0089, sowie , 89/05/0092), ist es bei Fehlen eines solchen auch unerheblich, ob es sich um Bauten handelt, die nur vorübergehenden Zwecken dienen oder nicht (hier: Der Umstand, daß an der Errichtung von Garageneinstellplätzen ein grundsätzliches Interesse der Öffentlichkeit besteht, vermag nichts daran zu ändern, daß im Beschwerdefall kein begründeter Ausnahmefall vorliegt). |
Norm | BauO Wr §71; |
RS 2 | Der Umstand, daß von der gesetzlichen Bebaubarkeit wesentlich abgewichen wird, vermag eine Versagung der Baubewilligung nach § 71 Wr BauO zu begründen (Hinweis E , 91/05/0221). |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl und Dr. Kail als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Dr. Gritsch, über die Beschwerde der Regina Schragner in Wien, vertreten durch Dr. Johannes Hübner, Rechtsanwalt in Wien IV, Brucknerstraße 8/3, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom , Zl. MD-VfR - B XI - 18/98, betreffend Versagung einer nachträglichen Baubewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin beantragte mit der am bei der Behörde eingelangten Eingabe die Erteilung der (nachträglichen) Baubewilligung zur Herstellung eines Gebäudes in Wien 10, Simmeringer Hauptstraße 9.
Nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung versagte der Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 37/11, mit Bescheid vom die beantragte Baubewilligung für die Kleingarage mit darüberliegendem Aufenthaltsraum gemäß § 70 und § 71 der Bauordnung für Wien (BO). Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, daß das nachträglich zu bewilligende Gebäude den geltenden Bebauungsbestimmungen insofern widerspreche, als die der Bauklasse III entsprechende Mindesthöhe von 9 m um ca. 3 m unterschritten und die geschlossene Bauweise nicht eingehalten werde; überdies sei zur Bauplatzschaffung eine ca. 54 m2 große Fläche in das öffentliche Gut zu übertragen. Mangels der entsprechenden Bauplatzschaffung habe eine Baubewilligung gemäß § 70 BO versagt werden müssen. Die Voraussetzungen nach § 69 BO lägen nicht vor, da es sich nicht um unwesentliche Abweichungen vom Bebauungsplan handle. Auch eine Widerrufsbewilligung gemäß § 71 BO komme nicht in Frage, da das zu bewilligende Gebäude einerseits ohne Zweifel nicht vorübergehenden Zwecken diene und andererseits in der Tatsache, daß es sich um eine nachträgliche Bewilligung handle, kein Ausnahmegrund vorliege, der die positive Ermessensausübung zulasse. Die von der Beschwerdeführerin im Verfahren vorgebrachten Ausnahmegründe seien ihrem wirtschaftlichen Interesse zuzuordnen, seien jedoch keine Ausnahmegründe im Sinne der Bauordnung für Wien.
In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung, die sich ausschließlich auf die Versagung der Baubewilligung gemäß § 71 BO bezog, führte die Beschwerdeführerin aus, daß es sich ohne Zweifel um ein Gebäude vorübergehenden Bestandes handle, weiters stünde die vom Amte geforderte "Grundstücksschaffung" in keiner Relation zu den Baukosten und sei absolut unzumutbar.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom hat die belangte Behörde die Berufung als unbegründet abgewiesen und den angefochtenen Bescheidteil bestätigt. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Umstand, daß die Kosten der Bauplatzschaffung die Kosten der Bauführung bei weitem überstiegen, könne nicht als Geltendmachung eines Ausnahmegrundes angesehen werden. Die Ausführungen über die ungünstige Kostenrelation mögen zwar zutreffen, es habe diese ungünstige Kostenrelation aber ihren Grund gerade darin, daß die geplante (und tatsächlich bereits errichtete) Baulichkeit weit hinter den Ausmaßen zurückbleibe, die der Flächenwidmungs- und Bebauungsplan nicht bloß zulasse, sondern fordere. Einen Ausnahmefall dieser Art könnte jeder Bauwerber jederzeit bewußt herbeiführen und damit die Bestimmungen der Bauordnung für Wien über die Bauführung auf bewilligten Bauplätzen unterlaufen. Der Umstand, daß die Baulichkeit tatsächlich bereits bestehe, spreche keinesfalls für das Vorliegen eines Ausnahmefalles. Auch eine solche vollendete Tatsache könnte jeder Bauwerber schaffen. Ihre Anerkennung als Ausnahmefall käme letztlich der Belohnung rechtswidrigen Verhaltens gleich. Selbst wenn die Garage mit dem darüber befindlichen Hobbyraum tatsächlich nur vorübergehend bestehen sollte, sei eine Bewilligung auf bestimmte Zeit oder Widerruf wegen des Fehlens eines Ausnahmefalles nicht möglich. Dazu komme, daß selbst bei Vorliegen des Ausnahmefalles der krasse Widerspruch zwischen dem Bauvorhaben und den Bebauungsbestimmungen gegen eine positive Ermessensausübung spreche.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten mit einer Gegenschrift vorgelegt und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat hierüber in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Die Liegenschaft, auf die sich das Baugesuch bezieht, reicht von der Simmeringer Hauptstraße zur Rinnböckstraße. Infolge der Bekanntgabe der Bebauungsbestimmungen, mit der das Baugesuch belegt war, ist die Liegenschaft von der Baulinie an der Rinnböckstraße an bis zu einer Tiefe von 15 m als gemischtes Baugebiet der Bauklasse III in der geschlossenen Bauweise zu verbauen. Im Falle der Bauplatzschaffung ist an der Front Rinnböckstraße ein Grundstreifen im Ausmaß von ca. 54 m2 in das öffentliche Gut abzutreten.
Das beantragte Gebäude liegt nach dem Einreichplan an der - von der Rinnböckstraße aus gesehen - rechten Grundgrenze und grenzt weder an die Baulinie an der Rinnböckstraße heran, noch schließt es an die linke Grundstücksgrenze. Vielmehr wird von einer Breite von 18,60 m, die zur Verwirklichung der geschlossenen Bauweise erforderliche wäre, lediglich eine Breite von 3,40 m verbaut.
Gemäß § 71 der Bauordnung für Wien (BO) kann die Behörde Bauten, die vorübergehenden Zwecken dienen oder nicht dauernd bestehen bleiben können, sei es wegen des bestimmungsgemäßen Zweckes der Grundfläche, sei es, weil in begründeten Ausnahmefällen die Baulichkeit den Bestimmungen dieses Gesetzes aus sachlichen Gegebenheiten nicht voll entspricht, auf eine bestimmte Zeit oder auf Widerruf bewilligen.
Nach den Bebauungsbestimmungen wäre anstelle des eingereichten Projektes ein Gebäude in der Bauklasse III (Mindesthöhe 9 m) mit einer Breite von 18,60 m zu errichten. Der Verwaltungsgerichtshof teilt die Ansicht der belangten Behörde, daß der Umstand, daß die Kosten der Bauplatzschaffung (Abtretung von Grundstücksteilen in das öffentliche Gut) jedenfalls dann nicht als Geltendmachung eines Ausnahmefalles gesehen werden kann, wenn die ungünstige Kostenrelation ihren Grund gerade darin hat, daß die geplante Baulichkeit weit hinter jenen Ausmaßen zurückbleibt, die der Bebauungsplan fordert.
Da die Erteilung einer Baubewilligung nach § 71 BO nur zulässig ist, wenn ein begründeter Ausnahmefall vorliegt (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Zlen. 84/05/0088, 0089, sowie vom , Zl. 89/05/0092), ist es bei Fehlen eines solchen auch unerheblich, ob es sich um Bauten handelt, die nur vorübergehenden Zwecken dienen oder nicht, wobei aber im Beschwerdefall noch darauf hinzuweisen ist, daß die Ausgestaltung des Bauvorhabens keinen Schluß darauf zuläßt, daß es sich dabei nur um ein Bauwerk handle, das vorübergehenden Zwecken dient.
Abgesehen vom Fehlen eines begründeten Ausnahmefalles hat der Verwaltungsgerichtshof auch wiederholt ausgesprochen, daß selbst ein tatsächlicher Bestand, auch durch Jahrzehnte, nicht bewirken könne, daß das Ermessen unabhängig von der gegebenen Rechtslage und vom jeweils vorliegenden Sachverhalt, stets positiv zu handhaben wäre (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 91/05/0221, sowie vom , Zl. 91/05/0222, u.v.a.). Im übrigen wurde der alte Bestand nach dem Beschwerdevorbringen in den Jahren 1995 und 1996 größtenteils abgetragen und durch erneuertes Mauerwerk mit etwas geändertem Grundriß und Anhebung des Daches, wodurch ein zusätzlicher, 19 m2 großer Raum im ersten Stock geschaffen wurde, somit durch Schaffung eines neuen Gebäudes, ersetzt. Der Umstand, daß an der Errichtung von Garageneinstellplätzen ein grundsätzliches Interesse der Öffentlichkeit besteht, vermag nichts daran zu ändern, daß im Beschwerdefall kein begründeter Ausnahmefall vorliegt. Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem o. a. Erkenntnis vom auch ausgeführt, daß auch der Umstand, daß von der gesetzlichen Bebaubarkeit wesentlich abgewichen wird, eine Versagung der Baubewilligung nach § 71 BO zu begründen vermag. Der Beschwerdefall gibt keine Veranlassung, von dieser Rechtsansicht abzurücken.
Auf Grund der dargelegten Erwägungen war die somit unbegründete Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Der Zuspruch von Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Norm | BauO Wr §71; |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:1999:1998050195.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
VAAAE-43891