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VwGH vom 27.08.1990, 89/15/0149

VwGH vom 27.08.1990, 89/15/0149

Beachte

Besprechung in:

ÖStZB 1991, 575;

Betreff

X-GesmbH gegen Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , Zl. GA 11-1244/2/89, betreffend Gesellschaftsteuer:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 10.620,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Gestützt auf die Ergebnisse einer abgabenbehördlichen Prüfung erkannte das Finanzamt in einem Gesellschaftsteuerbescheid Gesellschafterzuschüssen an die Beschwerdeführerin nur zum Teil den ermäßigten Steuersatz gemäß § 9 Abs. 2 Z. 1 des Kapitalverkehrsteuergesetzes (KVG) zu. In der deswegen erhobenen Berufung legte die Beschwerdeführerin dar, daß die Gesellschafterzuschüsse zur Gänze nach der zitierten Gesetzesstelle begünstigt wären, wenn der Berechnung der Verlustabdeckung nicht der Bilanzwert ihres Grundvermögens, sondern richtigerweise dessen mit einem Gutachten belegter geringerer gemeiner Wert zu Grunde gelegt werde.

Das Finanzamt erließ eine abweisende Berufungsvorentscheidung, worauf die Beschwerdeführerin die Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz beantragte.

Auch die belangte Behörde gab der Berufung der Beschwerdeführerin keine Folge, wobei sie im angefochtenen Bescheid im wesentlichen die Aufasssung vertrat, daß der gemeine Wert des in Frage stehenden Grundstückes mit dessen Bilanzwerten gleichzusetzen sei.

Vorliegende Beschwerde macht sowohl inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides als auch dessen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Beide Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens stimmen im Sinne des Schrifttums und der deutschen Rechtsprechung darin überein, daß bei Lösung der Frage, ob bzw. wie weit ein Gesellschafterzuschuß im Sinne des § 9 Abs. 2 Z. 1 KVG eine Überschuldung oder einen Verlust am Stammkapital beseitigt, die gemeinen Werte ("wahren Vermögenswerte") des Gesellschaftsvermögens, im Beschwerdefall im besonderen der gemeine Wert des Grundvermögens, zum Vergleich heranzuziehen sind (vgl. die von der Beschwerdeführerin zitierten Urteile des Bundesfinanzhofes vom , II R 82/62, BStBl II Seite 781, und vom , I R 221/84,

BStBl 1989 II, Seite 246, weiters Egly-Klenk, Gesellschaftsteuerkommentar4, Tz 468, und die Abhandlung über "Der ermäßigte Steuersatz zur Deckung der Überschuldung einer inländischen Kapitalgesellschaft und zur Deckung des Verlustes am Grund- (Stamm-)Kapital im Gesellschaftsteuerrecht", ZGV 1983, Seite 23). Die belangte Behörde ist nun gleich dem Finanzamt der Auffassung, daß der gemeine Wert des Grundvermögens der Beschwerdeführerin in den Jahren 1980 bis 1983, für welche die Begünstigung für Gesellschafterzuschüsse nach § 9 Abs. 2 Z. 1 KVG in Streit steht, den jeweiligen Handelsbilanzwerten (Buchwerten) entsprochen habe. Die Beschwerdeführerin vertrat hingegen - und zwar schon im Verwaltungsverfahren - den Standpunkt, daß der gemeine Wert ihres Grundvermögens geringer als die Handelsbilanzwerte (Buchwerte) gewesen sei. Sie bezog (und bezieht) sich dabei auf ein Gutachten ("Liegenschafts-Wertgutachten"), das eine Treuhand- und Verwaltungs-GmbH am einer Kreditunternehmung erstattet hatte. Dieses den Abgabenbehörden vorgelegte und aktenkundige Gutachten ist, wie die Seiten 1 und 9 besonders deutlich zeigen, auf die Ermittlung eines dem gemeinen Wert entsprechenden, ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse außer Betracht lassenden und auf den gewöhnlichen Geschäftsverkehr abgestellten Verkehrswertes gerichtet. Das Gutachten enthält neben der Sachwertberechnung auch eine Ertragswertberechnung, diese allerdings offenbar nur zu Kontrollzwecken. Den Verkehrswert leitete der Sachverständige allein aus dem Sachwert ab, wie dies die Abschlagsrechnung auf Seite 8 des Gutachtens deutlich macht (Sachwert laut Seite 7 rund 29,8 Mio Schilling abzüglich 20 % laut Seite 8 = S 5,960.000,-- ergibt S 23,840.000,-- und abgerundet den Verkehrswert von S 23,800.000,--).

Der im Gutachten ausgewiesene, an Hand der Grundstückspreise und der Neubauwerte berechnete Sachwert von rund 29,8 Mio Schilling für November 1982 kommt zwar dem Handelsbilanzwert zum von rund 32 Mio Schilling nahe, ins Gewicht fällt jedoch der schon erwähnte 20 %ige Abschlag. Der Gutachter nahm ihn wegen der allgemeinen Immobilienmarktlage vor. Dies entspricht der Argumentation der Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren. In der Berufung brachte sie vor, daß ihr Grundbesitz unter anderem durch ein gewisses Überangebot an Gebäuden der in Rede stehenden Art eine erhebliche Wertminderung erfahren habe, im Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz wies die Beschwerdeführerin darauf hin, daß in den Jahren der Verlustabdeckung der Grundstücksmarkt in Wien, vor allem auf dem Gebiet der betrieblich benutzbaren Gebäude, einen Tiefststand erlebt habe. Mit diesem durch das Gutachten erhärteten Vorbringen der Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren setzt sich die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid nur unzureichend auseinander. Denn der Hinweis auf den guten Zustand und die gute Verwertbarkeit des Betriebsgrundstückes gibt keine Auskunft darüber, zu welchen Preisen in den Streitjahren eine Verwertung möglich gewesen wäre. Die Aussage im angefochtenen Bescheid, es "scheint das Überangebot an derartigen Gebäuden durch die gute Verwendbarkeit und Eignung für alle Branchen entkräftet", ist deshalb nicht schlüssig, weil auch bei an sich gut verwertbaren Gebäuden ein ÜBERANGEBOT preismindernd wirken kann.

Das Finanzamt hatte in der Berufungsvorentscheidung aus der hypothekarischen Belastung der Liegenschaft im Jahre 1983 mit 20 Mio Schilling abgeleitet, daß der gemeine Wert wesentlich höher liege. Die Beschwerdeführerin hielt dem im Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz entgegen, daß die Sicherheit nur im Rahmen eines Gesamtpaketes an Sicherheiten für die gesamte Finanzierung des Unternehmens gestellt worden sei. Wenn aber das Grundpfand (unwidersprochen) nur Teil eines "Paketes" an Sicherheiten war, das Grundpfand also nicht für sich allein Sicherheit bot, dann erscheinen ohne weitere Sachverhaltsfeststellungen Schlüsse aus der Höhe der Hypothekarschuld auf den Wert des Grundstückes "nach den Erfahrungen des täglichen Lebens" fragwürdig, und die Aussage im angefochtenen Bescheid, "sicherlich stellt dies (die Hypothek von 20 Mio Schilling) aber einen großen und beständigen Teil der Sicherheiten des Unternehmens dar", bildet nicht mehr als eine Vermutung.

Die Frage, ob die Beschwerdeführerin das Betriebsgrundstück mit den richtigen Werten in die Handelsbilanzen einstellte oder ob sie bei dem von ihr behaupteten geringeren Wert auch in den Bilanzen niedrigere Werte ansetzen hätte müssen, kann in diesem Zusammenhang dahingestellt bleiben. War doch die belangte Behörde, wie immer die Beschwerdeführerin bilanzierte oder bilanzieren hätte müssen, nicht der mängelfreien Auseindersetzung mit dem durch ein Gutachten untermauerten Vorbringen der Beschwerdeführerin enthoben, daß der für die Gesellschaftsteuerbemessung allein ausschlaggebende gemeine Wert geringer als die Bilanzwerte wäre.

Auch wenn das Gutachten laut angefochtenem Bescheid kein von einem gerichtlich beeideten Sachverständigen, sondern ein von einer Treuhand- und VerwaltungsgesmbH für "interne Zwecke" einer Kreditunternehmung erstelltes Gutachten ist, welches in erster Linie die Interessen der Bank würdigte, handelt es sich doch um ein Beweismittel, das im Sinne des § 167 Abs. 2 BAO - aus der Sicht der verwaltungsgerichtlichen Prüfung schlüssig - zu würdigen war. In diesem Zusammenhang ist nochmals festzuhalten, daß das Gutachten überprüfbare, auf die Ermittlung des Verkehrswertes gerichtete Berechnungen enthält und der der Verkehrswertberechnung zu Grunde gelegte Abschlag "wegen allgemeiner Immobilienmarktlage" in konkreten Ausführungen der Beschwerdeführerin nähere Erläuterung fand. Die Annahme in der Gegenschrift, daß für die Liegenschaft, losgelöst vom Betrieb, im üblichen wirtschaftlichen Geschäftsverkehr bei einer Veräußerung ein Wert zu erzielen sei, der deutlich über dem Wert liege, welche ein Kreditinstitut (für interne Zwecke) feststellen lasse, wurde durch keine abgabenbehördlichen Feststellungen (wie etwa eine gutachtliche Äußerung der Bewertungsstelle des Lagefinanzamtes) erhärtet.

Zur Gegenschrift sei weiters angemerkt, daß die Beschwerdeführerin schon in der Berufung der Behauptung im Prüfungsbericht widersprach, als Verkehrswert wäre EINVERNEHMLICH der Buchwert angesetzt worden.

Auf Grund der mangelhaften Auseinandersetzung mit dem Vorbringen der Beschwerdeführerin und dem von ihr vorgelegten Gutachten hat die belangte Behörde Verfahrensvorschriften verletzt, bei deren Beachtung sie zu einem anderen Bescheid hätte gelangen können. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben. Die Durchführung der von der Beschwerdeführerin beantragten Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 3 VwGG entfallen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG und die Verordnung vom , BGBl. Nr. 206. Zum Kostenbegehren der Beschwerdeführerin sei noch bemerkt, daß der dort erwähnte Handelsregisterauszug dem Verwaltungsgerichtshof nicht vorgelegt worden ist.