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VwGH vom 20.06.1995, 93/05/0139

VwGH vom 20.06.1995, 93/05/0139

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Gritsch, über die Beschwerde des H in M, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in K, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom , Zl. R/1-V-91134/00, betreffend einen baupolizeilichen Auftrag (mitbeteiligte Partei: Marktgemeinde A, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Nach einer Überprüfungsverhandlung am , die nach Anzeigen des Beschwerdeführers erfolgte, wurde diesem mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Partei vom der baupolizeiliche Auftrag erteilt, für folgende Bauvorhaben um nachträgliche baubehördliche Bewilligung anzusuchen: den Einbau eines Bades, die Herstellung einer Einfriedung gegen öffentliche Verkehrsflächen samt Gehtür und die Errichtung des Hauskanalanschlusses auf dem Grundstück Nr. 317, KG M, den Einbau eines Fensters in einer äußeren Brandwand und die Errichtung der Hauskanalanlage auf dem Grundstück Nr. 2, KG M. Für den Einbau eines Fensters in der äußeren Brandmauer sei überdies die Zustimmung des Anrainers gemäß § 35 Nö Bauordnung 1976 einzuholen. Als Frist für die Vorlage der entsprechenden Anträge wurde der festgesetzt. Der Bürgermeister stützte diesen Bescheid auf die §§ 109 Abs. 1 und 112 Nö Bauordnung 1976. Trotz der Anführung der §§ 109 und 112 Nö Bauordnung 1976 gingen sowohl die Begründung als auch der Spruch des Bescheides dahin, daß verschiedene bewilligungspflichtige Baumaßnahmen ohne Vorliegen einer Baubewilligung gesetzt worden seien. Es werde daher die Behebung dieser Mängel (mangelnde Bewilligung) innerhalb angemessener Frist angeordnet.

Mit Bescheid des Gemeinderates vom wurde die dagegen vom Beschwerdeführer erhobene Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG als unbegründet abgewiesen. Der Gemeinderat führte zwar im Spruch seiner Entscheidung die §§ 94 und 109 Nö Bauordnung 1976 an, wies aber in der Begründung darauf hin, daß § 113 Abs. 2 leg. cit. zur Anwendung komme, soferne das ohne Bewilligung errichtete Bauvorhaben bereits ausgeführt worden ist. Die dagegen erhobene Vorstellung wurde mit Bescheid der Nö Landesregierung vom als unzulässig zurückgewiesen, weil ein entsprechend begründeter Rechtsmittelantrag gefehlt habe.

Mit Erkenntnis vom , Zl. 92/05/0091, wurde dieser Vorstellungsbescheid vom Verwaltungsgerichtshof aufgehoben, da es die Vorstellungsbehörde sachverhaltsbezogen zu Unrecht unterlassen hatte, dem Beschwerdeführer einen Verbesserungsauftrag gemäß § 13 Abs. 3 AVG zu erteilen. In der Folge erging ein solcher Verbesserungsauftrag an den Beschwerdeführer, der mit Schriftsatz vom die Vorstellung vom dementsprechend ergänzte.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde die Vorstellung gemäß § 61 Abs. 4 Nö Gemeindeordnung 1973 als unbegründet abgewiesen. Diese Entscheidung wurde im wesentlichen damit begründet, daß der Vorwurf, es wären keine Sachverhaltsfeststellungen getroffen worden, angesichts des Ergebnisses der Überprüfungsverhandlung vom nicht zutreffe. Es sei sehr wohl festgestellt worden, daß in der östlichen Brandwand des Einstellraumes ein drittes Fenster ohne Zustimmung des Anrainers eingebaut worden sei, sodaß sich der Hinweis, es werde nicht dargelegt, welches Anrainerrecht verletzt würde, allein dadurch erübrige. Weiters stelle sich der erstinstanzliche Bescheid als ausreichend bestimmt dar, da im Spruch dieses Bescheides angeführt sei, daß in das Gebäude auf dem Grundstück Nr. 317, KG M, ein Bad eingebaut, der Hauskanal hergestellt und eine Gehtüre in die Einfriedung gegen die öffentliche Verkehrsfläche eingebaut worden sei. Der Bescheidwille der Baubehörde sei daher - auch wenn § 113 Abs. 2 Z. 3 anstelle des § 112 Nö Bauordnung 1976 anzuführen gewesen wäre - eindeutig erkennbar. Die Herstellung einer Einfriedung gegen das öffentliche Gut sei mangels einer gesetzlichen Grundlage einer Erledigung durch Bauanzeige nicht zugänglich. Auch wenn der Einbau eines Bades sowie die Errichtung des Hauskanalanschlusses allenfalls im vereinfachten Bewilligungsverfahren gemäß § 99a Nö Bauordnung genehmigt werden könnte, ändere dies aber nichts an der generellen Bewilligungspflicht solcher Anlagen. Weiters habe die Baubehörde erster Instanz zu Recht festgestellt, daß der Einbau eines Fensters in der äußeren Brandwand (soferne es sich lediglich um ein Nebenfenster handle) nur mit Zustimmung des Nachbarn zulässig sei. Da die vom Beschwerdeführer durchgeführten Baumaßnahmen einer Bewilligung (wenn auch teilweise im vereinfachten Verfahren) bedürften, seien sie nicht als bloß anzeigepflichtige Vorhaben im Sinne des § 94 Nö Bauordnung 1976 anzusehen. Der Umstand, daß der Bürgermeister die Bauanzeige - wenn auch zu Unrecht - akzeptiert habe und nicht mit einer Untersagung vorgegangen sei, bewirke nicht, daß später kein Bauauftrag nach § 109 und § 113 Nö Bauordnung 1976 erlassen werden könnte. Was die vom Beschwerdeführer geltend gemachten frustrierten Kosten betreffend Stempelgebühren betreffe, weise die Vorstellungsbehörde darauf hin, daß der Beschwerdeführer beim Finanzamt für Gebühren und Verkehrssteuern einen Antrag auf Rückerstattung des Betrages für zu Unrecht entrichtete Stempelmarken bzw. -gebühren stellen könne.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde wird die Rechtswidrigkeit des Inhaltes des Bescheides geltend gemacht. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf rechtsrichtige Anwendung der §§ 92 Abs. 1 Z. 1 bis 4, 94, 99a, 113 Abs. 2 Z. 3 und 109 Abs. 3 Nö Bauordnung 1976 verletzt.

Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, die Verwaltungsakten vorgelegt und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

Gemäß § 92 Abs. 1 Nö Bauordnung 1976, LGBl. 8200-0 in der im vorliegenden Fall maßgeblichen Fassung der Novelle LGBl. 8200-6, bedürfen u.a. folgende Vorhaben einer Bewilligung der Baubehörde: Neu-, Zu- und Umbauten von Gebäuden (Z. 1), die Errichtung anderer Bauwerke und Anlagen, durch welche Gefahren für Personen und Sachen entstehen oder das Orts- und Landschaftsbild beeinträchtigt oder Rechte der Nachbarn verletzt werden könnten (Z. 2), die Herstellung von Einfriedungen gegen öffentliche Verkehrsflächen, Parks oder Grüngürtel (Z. 3) und die Instandsetzung und die Abänderung von Baulichkeiten, wenn die Festigkeit tragender Bauteile, die Brandsicherheit, die sanitären Verhältnisse, das Orts- und Landschaftsbild beeinträchtigt oder Rechte der Nachbarn verletzt werden könnten (Z. 4). Vorhaben der in § 92 Abs. 1 Z. 2 und 4 bis 6 angeführten Arten, die nach Ansicht des Bauherrn keiner Bewilligung bedürfen, sind gemäß § 94 Nö Bauordnung 1976 in der Fassung LGBl. 8200-1 der Baubehörde mindestens vier Wochen vor dem Beginn ihrer Ausführung schriftlich anzuzeigen. Der Bauanzeige ist eine einfache Beschreibung oder Skizze des Vorhabens anzuschließen. Wenn die Baubehörde zur Auffassung kommt, daß das Vorhaben einer Bewilligung bedarf, dann muß sie dem Bauherrn gemäß § 94 Abs. 3 leg. cit. mitteilen:


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1.
daß sie beabsichtigt, die Bauanzeige als Antrag auf Erteilung einer Baubewilligung zu behandeln,
2.
daß er vor dem Eintritt der Rechtskraft der Bewilligung nicht mit der Ausführung des Vorhabens beginnen darf und
3.
welche Beilagen er noch nachreichen muß.

Diese Mitteilung muß innerhalb von vier Wochen nach dem Einlangen der Bauanzeige erfolgen. Wird die Baubehörde innerhalb der in Abs. 3 genannten Frist nicht tätig, dann darf der Bauherr mit dem Vorhaben beginnen (§ 94 Abs. 4 leg. cit.). Gemäß § 99a Nö Bauordnung 1976 in der Fassung der Novelle LGBl. 8200-6 kann bei Vorhaben, die einer Bewilligung nach § 92 Abs. 1 Z. 2 bis 8 oder § 93 Z. 2 bis 5 bedürfen, von einer Bauverhandlung abgesehen werden, wenn eine Verletzung in diesem Gesetz begründeter Rechte der Nachbarn durch das Vorhaben ausgeschlossen erscheint. Gemäß § 109 Abs. 3 Nö Bauordnung 1976 in der Stammfassung hat die Baubehörde die Fortsetzung der Arbeiten zu untersagen, wenn ein Vorhaben, das einer Bewilligung bedarf, ohne Bewilligung ausgeführt wird. Kann eine nachträgliche Bewilligung nicht erteilt werden, hat die Baubehörde die Herstellung des ursprünglichen Zustandes zu verfügen. Gemäß § 113 Abs. 2 Z. 3 leg. cit. in der Fassung der Novelle LGBl. 8200-6 hat die Baubehörde den Abbruch einer Baulichkeit anzuordnen, wenn für die Baulichkeit keine baubehördliche Bewilligung vorliegt und


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a.
die fehlende Bewilligung nicht erteilt werden darf, weil das Bauvorhaben nicht zulässig ist oder
b.
der Eigentümer den für die fehlende Bewilligung erforderlichen Antrag nicht innerhalb der von der Baubehörde bestimmten Frist ab der Zustellung der Aufforderung hiezu eingebracht hat.

Zunächst ist festzuhalten, daß trotz der Anführung der nicht zutreffenden Gesetzesbestimmungen der §§ 94, 109 bzw. 112 Nö Bauordnung 1976 im Spruch der Gemeindeinstanzen (wobei der Gemeinderat für den Fall der bereits erfolgten Ausführung des Bauvorhabens - wovon im vorliegenden Fall auszugehen ist - in der Begründung des Berufungsbescheides § 113 Abs. 2 Z. 3 leg. cit. anführte) der Inhalt der erst- und zweitinstanzlichen Bescheide (insbesondere jener des Spruches des erstinstanzlichen Bescheides) eindeutig erkennen läßt, daß sich der Bescheid auf § 113 Abs. 2 Z. 3 Nö Bauordnung 1976 gründet. Der Bescheid kann daher als in Vollziehung dieser Bestimmung angesehen werden, auch wenn die Gemeindebehörden andere Bestimmungen im Spruch angeführt haben (vgl. die

hg. Erkenntnisse vom , Slg. Nr. 2146/A, vom , Slg. Nr. 7051/A, vom , Zl. 84/09/0209, und vom , Zl. 85/08/0188, u. a.).

Der Beschwerdeführer führt ins Treffen, daß er die verfahrensgegenständlichen Bauvorhaben zum Gegenstand einer Bauanzeige bei der Baubehörde erster Instanz gemacht habe und diese, obwohl durch sie Nachbarrechte beeinträchtigt werden könnten, vom Bürgermeister der mitbeteiligten Partei ZUSTIMMEND zur Kenntnis genommen worden sei. Wenn der Beschwerdeführer damit offensichtlich meint, daß gegenüber Bauvorhaben, die gemäß § 94 Nö Bauordnung 1976 angezeigt worden seien und gegen die sich die Baubehörde nicht innerhalb von vier Wochen gemäß § 94 Abs. 3 leg. cit. ausgesprochen habe, keinerlei baupolizeiliche Maßnahmen mehr zulässig seien, ist er nicht im Recht. § 94 Abs. 3 leg. cit. kann nicht dahin gedeutet werden, daß im Falle der unrichtigen Beurteilung der Bewilligungspflicht eines angezeigten Bauvorhabens durch die Baubehörde oder eines späteren Hervorkommens der Baubewilligungspflicht eines angezeigten Bauvorhabens keine baupolizeilichen Maßnahmen gemäß § 109 oder § 113

Nö Bauordnung 1976 zulässig sind (vgl. auch die

hg. Erkenntnisse vom , Zl. 81/05/0028, 0029, vom , Zl. 86/05/0177, und vom , Zl. 85/05/0182). Es kann auch nicht - entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers - davon ausgegangen werden, daß die verfahrensgegenständlichen Bauvorhaben nicht gemäß § 92 Nö Bauordnung 1976 bewilligungspflichtig, sondern bloß anzeigepflichtig sind. Die Herstellung einer Einfriedung gegen öffentliche Verkehrsflächen fällt unter die Bewilligungspflicht gemäß § 92 Abs. 1 Z. 3 leg. cit., die Errichtung des Hauskanalanschlusses bzw. einer Hauskanalanlage stellt eine Anlage im Sinne des § 92 Abs. 1 Z. 2 Nö Bauordnung 1976 dar, durch welche Gefahren für Personen und Sachen entstehen oder Rechte der Nachbarn verletzt werden könnten. Der Einbau eines Bades bzw. eines Fensters in eine äußere Brandwand sind gemäß § 92 Abs. 1 Z. 4 Nö Bauordnung 1976 bewilligungspflichtig, da dies eine Abänderung einer Baulichkeit darstellt, die die sanitären Verhältnisse bzw. die Brandsicherheit beeinträchtigen könnte. Die belangte Behörde hat daher zutreffend § 113 Abs. 2 Z. 3 Nö Bauordnung 1976 herangezogen.

Sofern der Beschwerdeführer weiters meint, die belangte Behörde habe nicht berücksichtigt, zu welchem Zeitpunkt ein Anrainer gegen das Bauvorhaben Einwendungen erhoben habe und ob das Bauvorhaben zu diesem Zeitpunkt bereits ausgeführt worden sei, so ist ihm entgegenzuhalten, daß im Rahmen der Erteilung des baupolizeilichen Auftrages gemäß § 113 Abs. 2 Z. 3 Nö Bauordnung 1976, innerhalb einer bestimmten Frist um nachträgliche Bewilligung anzusuchen, der Umstand, ob Nachbarn Einwendungen gegen das Bauvorhaben erhoben haben oder nicht, nicht von Bedeutung ist.

Das Vorbringen des Beschwerdeführers, er habe für die Bauanzeige S 480,-- an Bundesstempelmarken entrichtet, die ihm nicht entstanden wären, wenn ihn der Bürgermeister darauf hingewiesen hätte, daß sein Bauprojekt genehmigungspflichtig sei, steht in keinerlei Zusammenhang mit dem Gegenstand des angefochtenen Bescheid (der Erteilung eines baupolizeilichen Auftrages, entsprechende Anträge auf nachträgliche Bewilligungen zu stellen), weshalb sich daraus auch keinerlei Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides ergeben kann.

Der Beschwerdeführer wurde somit durch den angefochtenen Bescheid in keinen Rechten verletzt. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere deren Art. III Abs. 2.