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VwGH vom 25.06.1990, 89/15/0119

VwGH vom 25.06.1990, 89/15/0119

Beachte

Besprechung in:

ÖStZB 1991, 63;

Betreff

N gegen Finanzlandesdirektion für Steiermark vom , Zl. B 7-6/89, betreffend Nachsicht von Abgabenschuldigkeiten:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin beantragte die Nachsicht einer Umsatzsteuerschuld von S 168.677,--, hilfsweise auch die Entlassung aus der Gesamtschuld, mit folgender Begründung:

Sie habe dem Organisationskomitee der nordischen Schiweltmeisterschaften 1985 in Seefeld (einem Verein) Tribünenanlagen zur Verfügung gestellt. In der darüber gelegten Rechnung habe sie wegen der Befreiung ausländischer Unternehmer durch die Verordnung des Bundesministers für Finanzen vom über die umsatzsteuerliche Behandlung von Leistungen ausländischer Unternehmer, BGBl. Nr. 800/1974 (im folgenden "Verordnung") keine Umsatzsteuer ausgewiesen. Im Zuge einer Betriebsprüfung habe sich herausgestellt, daß die Befreiungsvorschrift nicht zur Anwendung kommen könne, weil das Organisationskomitee gemäß § 6 Z. 15 UStG 1972 von der Umsatzsteuer befreit sei. Der Beschwerdeführerin sei daher für das Jahr 1985 Umsatzsteuer im Betrage von S 168.677,-- vorgeschrieben worden. Ein Rechtsmittel gegen diese Abgabenfestsetzung habe sie als nicht erfolgversprechend nicht ergriffen.

Die Beschwerdeführerin habe es nicht unterlassen, von Gesetzes wegen geschuldete Umsatzsteuer abzuführen. Vielmehr wäre wegen des im Anbot der Beschwerdeführerin enthaltenen Hinweises, daß die angebotenen Leistungen "weitere Zollkosten bzw. die Beantragung einer Bewilligung der Nutzung durch die österreichischen Zollbehörden" nicht umfaßten, und auf § 25 Abs. 4 UStG 1972, der dem Leistungsempfänger die Einbehaltung und Abfuhr der auf die inländische Leistung eines ausländischen Unternehmers entfallenden Umsatzsteuer auftrage, der Leistungsempfänger verpflichtet gewesen, eine Umsatzsteuerfestsetzung zu urgieren und den Umsatzsteuerbetrag abzuführen. Eine Nachverrechnung der Umsatzsteuer sei wegen der Auflösung des Vereines nicht mehr möglich gewesen.

Da offensichtlich die Abgabenschuld nur deshalb entstanden sei, weil beide Vertragspartner einem Rechtsirrtum über die Anwendbarkeit der Verordnung unterlegen seien bzw. eventuell auch die Frage der Gemeinnützigkeit des Vereines zum Zeitpunkt der Abrechnung noch nicht festgestanden sei, lägen hier besondere Umstände des Einzelfalles vor, die eine Unbilligkeit begründeten.

Das Finanzamt wies das Nachsichtansuchen im wesentlichen mit der Begründung ab, der Beschwerdeführerin sei zuzumuten gewesen, sich bei Abschluß des Rechtsgeschäftes über die Vorsteuerabzugsberechtigung des Leistungsempfängers zu informieren. Auch aus Gründen der Steuergerechtigkeit und Gleichmäßigkeit der Besteuerung könne dem Ansuchen nicht nähergetreten werden, denn der Verzicht auf die vom Gesetz verlangte Abgabe würde zur Benachteiligung anderer Unternehmer, die für dieselbe Leistung zur Steuer heranzuziehen wären, führen.

Die dagegen erhobene Berufung der Beschwerdeführerin wies die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid als unbegründet ab. Begründend führte sie im wesentlichen aus, die Berufung sei mangels Vorliegens von Unbilligkeit aus Rechtsgründen abzuweisen. Nicht der Verein, sondern die Beschwerdeführerin hätte das Vorliegen der in der Verordnung dargelegten Voraussetzungen zu prüfen gehabt. Dagegen richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften sowie Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 236 Abs. 1 BAO können fällige Abgabenschuldigkeiten auf Antrag des Abgabepflichtigen ganz oder zum Teil durch Abschreibung nachgesehen werden, wenn ihre Einhebung nach der Lage des Falles unbillig wäre.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes setzt Unbilligkeit der Einhebung im allgemeinen voraus, daß die Einbringung in keinem wirtschaftlich vertretbaren Verhältnis zu jenen Nachteilen stünde, die sich aus der Einziehung für den Steuerpflichtigen oder den Steuergegenstand ergeben, daß also ein wirtschaftliches Mißverhältnis zwischen der Einhebung der Abgabe und den im subjektiven Bereich des Abgabepflichtigen enstehenden Nachteilen vorliegt (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 88/15/0102). Es muß zu einer anormalen Belastungswirkung und, verglichen mit ähnlichen Fällen, zu einem atypischen Vermögenseingriff kommen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 87/17/0326).

Somit liegt Unbilligkeit nur vor, wenn sie in den Besonderheiten des Einzelfalles begründet ist. Eine derartige Unbilligkeit des Einzelfalles ist aber nicht gegeben, wenn lediglich eine Auswirkung der allgemeinen Rechtslage vorliegt, also die vermeintliche Unbilligkeit für die davon Betroffenen aus dem Gesetz selbst folgt. Nur wenn im Einzelfall bei Anwendung des Gesetzes ein vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes Ergebnis eintritt, ist die Einziehung nach der Lage des Falles unbillig (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 88/15/0102; Stoll, BAO - Handbuch 586).

Tatbestandsmäßige Voraussetzung für die Umsatzsteuerfreiheit der Lieferungen und Leistungen ausländischer Unternehmer nach § 1 der Verordnung BGBl. Nr. 800/1974 ist unter anderem, daß die Leistungen nicht im Zusammenhang mit unecht steuerbefreiten Umsätzen des Leistungsempfängers stehen. Diese Voraussetzung fehlte im vorliegenden Fall wegen der unechten Steuerbefreiung des Leistungsempfängers gemäß § 6 Z. 15 UStG 1972; eine Steuerbefreiung gemäß § 1 der Verordnung kam im vorliegenden Fall somit nicht in Betracht. Daß die Beschwerdeführerin mangels Vorliegens des in Anspruch genommenen Befreiungstatbestandes die Umsatzsteuer nach allgemeinen Grundsätzen zu entrichten hat, ist somit eine Auswirkung der allgemeinen Rechtslage, die jeden Unternehmer, der ein gleichartiges Geschäft mit diesem oder einem vergleichbaren Leistungsempfänger abschließt, in gleicher Weise getroffen hätte; eine die Unbilligkeit im Sinne des § 236 BAO herstellende Besonderheit des Einzelfalles liegt darin nicht. Eine in einem Abgabengesetz normierte Ausnahme von der Besteuerung kann nicht im Wege der Nachsicht auf Fälle ausgedehnt werden, für die sie nach der klaren Absicht des Gesetzgebers nicht gedacht ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 81/15/0113).

Auch die Nichtüberwälzbarkeit der Abgabe auf den Leistungsempfänger begründet keine Unbilligkeit der Abgabeneinhebung (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 3093/80; Stoll, aaO 584).

Die Beschwerdeführerin macht als Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend, die belangte Behörde sei nicht auf ihre "Fragen und Anträge" im Zusammenhang mit der unechten Steuerbefreiung des Leistungsempfängers eingegangen. Die Beschwerdeführerin habe ein tatsächliches und rechtliches Interesse zu erfahren, ob und aus welchem Rechtsgrund der Leistungsempfänger von der Umsatzsteuer unecht befreit wurde, ob also Gemeinnützigkeit beim Leistungsempfänger vorliege oder eine solche allenfalls ungerechtfertigt erwirkt worden sei.

Damit verkennt die Beschwerdeführerin, daß es ihr im Abgabenverfahren freigestanden wäre, geltend zu machen, es lägen alle tatbestandsmäßigen Voraussetzungen der in Anspruch genommenen Steuerbefreiung - also auch das Fehlen einer unechten Steuerbefreiung des Leistungsempfängers - vor. Von dieser Möglichkeit hat die Beschwerdeführerin nicht Gebrauch gemacht. Es kann jedoch nicht im - auf die Einhebung und nicht auf die Festsetzung der Abgaben abstellenden - Nachsichtverfahren geltend gemacht werden, der Abgabenbescheid wäre - im vorliegenden Fall wegen des Vorliegens aller tatbestandsmäßigen Voraussetzungen der in Anspruch genommenen Steuerbefreiung - unzutreffend. Dies würde im Ergebnis auf eine unzulässige Durchbrechung der Rechtskraft hinauslaufen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 88/15/0132; Stoll, aaO 585). Dadurch, daß die belangte Behörde im Nachsichtverfahren das Vorliegen bzw. die Gründe für die Gewährung der unechten Steuerbefreiung des Leistungsempfängers nicht weiter prüfte, konnte die Beschwerdeführerin somit in keinem Recht verletzt werden.

Als Rechtswidrigkeit des Inhaltes macht die Beschwerdeführerin im wesentlichen geltend, sie habe keine Zweifel darüber haben können, daß es sich beim Besteller um einen Unternehmer handle, bei dem die "Bedingung des § 1 Z. 2 der Verordnung" erfüllt sei. Nicht die Beschwerdeführerin habe eine Nachlässigkeit in der Handhabung österreichischer Steuervorschriften zu verantworten; soferne ein schuldhaftes Verhalten überhaupt vorliege, treffe dieses den Leistungsempfänger, der seine in § 25 Abs. 4 UStG 1972 normierte Verpflichtung nicht erfüllt habe.

Damit soll offenbar dargelegt werden, daß die Beschwerdeführerin infolge eines Irrtums, der ihr nicht vorgeworfen werden könne, das Vorliegen aller tatbestandsmäßigen Voraussetzungen der Steuerbefreiung angenommen habe. Selbst das Vorliegen eines solchen - im übrigen nicht von der Abgabenbehörde veranlaßten - Irrtums würde aber keinen eine Unbilligkeit der Abgabeneinhebung begründenden Umstand darstellen, weil die Steuerpflicht mangels Vorliegens der Voraussetzungen der Steuerbefreiung auch ohne diesen Irrtum entstanden wäre. Der behauptete Irrtum war somit weder für die Festsetzung noch für die Einhebung der Abgabe kausal. Die Beschwerdeführerin könnte sich allenfalls darauf berufen, daß wegen ihres Irrtums die Überwälzung der Abgabe auf den Leistungsempfänger unterblieb. Dies stellt aber, wie schon oben dargelegt, keine die Unbilligkeit im Sinne des § 236 BAO herstellende Besonderheit des Einzelfalles dar. Im übrigen ist die Beschwerdeführern, soweit sie sich auf Pflichtverletzungen durch den Leistungsempfänger beruft, darauf zu verweisen, daß die in den Abgabengesetzen für den ausländischen Unternehmer vorgesehenen Verpflichtungen durch die Haftungsvorschrift des § 25 Abs. 4 UStG 1972 grundsätzlich nicht berührt werden (vgl. Kranich - Siegl - Waba, Kommentar zur Mehrwertsteuer, § 25 Anm. 34).

Die belangte Behörde hat daher das Vorliegen einer Unbilligkeit der Einhebung nach der Lage des vorliegenden Falles zu Recht verneint.

Die Beschwerde war somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung vom , BGBl. Nr. 206.