VwGH vom 28.02.2002, 2001/16/0550
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Steiner, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Valenta, über die Beschwerde der I-GmbH in Wien, vertreten durch die KPMG Austria GmbH, Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft in Wien IX, Kolingasse 19, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , GZ. RV/173-09/01, betreffend Rechtsgebühr, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die an der Beschwerdeführerin als atypisch stille Gesellschafterin beteiligte C AG gewährte der Beschwerdeführerin zwei Darlehen über insgesamt S 13,7 Millionen, wobei keine Urkunde errichtet, die Beträge aber in die Bücher der Beschwerdeführerin aufgenommen wurden.
Zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist in diesem Zusammenhang allein die Frage strittig, ob eine derartige Darlehensgewährung als Darlehen "eines Gesellschafters an seine Gesellschaft" iS des § 33 TP 8 Abs. 4 GebG anzusehen ist oder nicht.
Mit dem im Instanzenzug ergangenen, nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid bejahte die belangte Behörde diese Frage, wobei sie einerseits Förster (Die Gebührenpflicht des ohne Schuldschein gegebenen Gesellschafterdarlehens, GesRZ 1979, 93) folgte und sich andererseits auf die Rechtsprechung des OGH zur Anwendung der Regeln über eigenkapitalersetzende Darlehen auf Darlehen eines atypisch stillen Gesellschafters stützte und die Meinung vertrat, ein atypischer stiller Gesellschafter sei wie ein Kommanditist zu behandeln.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Verwaltungsgerichtshofbeschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht auf Nichtvorschreibung der Darlehensgebühr verletzt.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde begehrt wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Darlehensverträge unterliegen gemäß § 33 TP 8 (1) GebG der Rechtsgebühr nach dem Werte der dargeliehenen Sachen mit 0,8 v.H.
Abs. 4 Satz 1 der zitierten Gesetzesstelle lautet auszugsweise:
"(4) Wurde über das Darlehen eines Gesellschafters an seine
Gesellschaft oder .... keine Urkunde in einer für das Entstehen
der Gebührenpflicht maßgeblichen Weise errichtet, so gelten die nach den abgabenrechtlichen Vorschriften im Inland zu führenden Bücher und Aufzeichnungen des Darlehensschuldners, in die das Darlehen aufgenommen wurde, als Urkunde."
§ 983 ABGB bestimmt:
"Wenn jemandem verbrauchbare Sachen unter der Bedingung übergeben werden, dass er zwar willkürlich darüber verfügen könne, aber nach einer gewissen Zeit ebenso viel von derselben Gattung und Güte zurückgeben soll, so entsteht ein Darlehensvertrag. Er ist mit dem obgleich ebenfalls verbindlichen Vertrage (§ 936), ein Darlehen künftig zu geben, nicht zu verwechseln."
Das Darlehen ist nach einhelliger Lehre und Judikatur ein Realvertrag, der in der Hingabe vertretbarer Sachen ins Eigentum des Empfängers mit der Verpflichtung besteht, Sachen von gleicher Art und Güte zurückzugeben (vgl. zB Schubert in Rummel, ABGB I3, Rz 1 und 2 zu §§ 983, 984 ABGB mit zahlreichen Nachweisen; Welser in Koziol/Welser, Bürgerliches Recht II11 182, sowie die bei Fellner, MGA Stempel- und Rechtsgebühren6, 381 unter Anm 1 zu § 33 TP 8 referierte Judikatur des OGH und des VwGH).
Der Darlehensnehmer wird Eigentümer der dargeliehenen Sachen und ist obligatorisch zur Rückzahlung verpflichtet.
§ 178 HGB lautet:
"(1) Wer sich als stiller Gesellschafter an dem Handelsgewerbe, das ein anderer betreibt, mit einer Vermögenseinlage beteiligt, hat die Einlage so zu leisten, dass sie in das Vermögen des Inhabers des Handelsgeschäfts übergeht.
(2) Der Inhaber wird aus den in dem Betriebe geschlossenen Geschäften allein berechtigt und verpflichtet."
Die stille Gesellschaft ist eine reine Innengesellschaft, weder rechts- noch partei- noch prozessfähig und verfügt über kein Gesellschaftsvermögen. Die vom stillen Gesellschafter geleistete Einlage geht ins Vermögen des Unternehmensträgers (Geschäftsinhabers) über (vgl. zB Kastner/Doralt/Nowotny, Grundriss des Österreichischen Gesellschaftsrechts5, 163, 165; Straube in Straube, HGB I2, Rz 3, 9 und 18 zu § 178 HGB; Rebhahn in Jabornegg, Komm z HGB Rz 6 und 10 zu § 178 HGB; Schilling im Grosskommentar z HGB3, Anm 4, 5 und 16 zu § 335 HGB; Zutt im Grosskommentar z HGB4, Rz 7 bis 9 und 74 zu § 230 dHGB; Karsten Schmidt, Gesellschaftsrecht2, 1541, sowie das hg. Erkenntnis vom , Zl. 98/16/0181, u.a.).
Das Fehlen einer dinglichen Beteiligung des stillen Gesellschafters ist ein Wesensmerkmal der stillen Gesellschaft (Rebhahn in Jabornegg, a.a.O. Rz 10).
Unter einer sog. atypischen stillen Gesellschaft versteht man insbesondere Varianten, bei denen der stille Gesellschafter entweder schuldrechtlich (d.h. rechnerisch) am Vermögen beteiligt wird oder Mitsprache in der Geschäftsführung erhält (vgl. zB Karsten Schmidt a.a.O. 1549; Straube in Straube, a.a.O. Rz 22 bis 25 zu § 178 HGB; Rebhahn in Jabornegg, a.a.O. Rz. 21 zu § 178 HGB; Zutt im Grosskommentar, a.a.O. Rz 31 zu § 230 dHGB; OGH HS 10537 uva).
Auch bei der atypischen stillen Gesellschaft erlangt der stille Gesellschafter nur obligatorische Ansprüche gegen den Unternehmensträger, nicht hingegen wird er dinglich berechtigt, insbesondere nicht an einem "Gesellschaftsvermögen", welches gar nicht existiert (vgl. Schilling im Grosskommentar, a.a.O. Rz 16 zu § 335 HGB; Baumbach/Hopt, HGB29, Rz 3 zu § 230 dHGB).
Das Fehlen eines Gesellschaftsvermögens gehört zum Wesen der stillen Gesellschaft. Das gilt für die typische stille Gesellschaft ebenso wie für die atypische (vgl. Zutt im Grosskommentar, a.a.O. Rz 10 zu § 230 dHGB mwN in FN 10). Es darf kein dingliches Gesellschaftsvermögen geschaffen werden und es wäre unzulässig, einem stillen Gesellschafter eine Beteiligung am Vermögen einzuräumen (OGH HS 10538).
In der gebührenrechtlichen Literatur wird die Anwendung des § 33 TP 8 Abs. 4 GebG auf Darlehen eines atypischen stillen Gesellschafters nur von Förster (GesRZ 1979, 93 ff) vertreten. Fellner (Gebühren und Verkehrsteuern, 2. Teil, Stempel- und Rechtsgebühren, Erg. Q 21Q zu § 33 TP 8 Abs. 1 letzter Satz) lässt die Frage als strittig offen. Arnold (Rechtsgebühren6, Rz 16 letzter Satz) verneint die Frage, ob eine stille Gesellschaft Darlehensnehmer sein kann, pauschal, ohne dabei zwischen der typischen und der atypischen stillen Gesellschaft zu differenzieren. Dasselbe tut Gaier, GebG2, Rz 35 zu § 33 TP 8. Frotz/Huegel/Popp (Kommentar, § 33 TP 8 B I 5b Seite 12) schließen eine Anwendung des § 33 TP 8 Abs. 4 GebG auf die atypische stille Gesellschaft mit der Begründung aus, auch bei einer solchen liege eine reine Innengesellschaft vor, und lehnen die Meinung Försters als "unrichtig" ab.
Vor dem Hintergrund der dargestellten Rechtslage und des referierten Meinungsstandes lässt sich die Frage der Anwendung des § 33 TP 8 Abs. 4 GebG auf ein von einem atypisch stillen Gesellschafter gewährtes Darlehen nicht auf der Ebene der bloßen Unterscheidung zwischen den Varianten einer typischen und einer atypischen stillen Gesellschaft klären, sondern ist - ausgehend von den Tatbestandselementen der zitierten Vorschrift ("Darlehen eines Gesellschafters an seine Gesellschaft") - die Frage dahin zu stellen, ob eine atypische stille Gesellschaft überhaupt Darlehensnehmer sein kann und in wessen Eigentum die vom stillen Gesellschafter hingegebene Darlehensvaluta übergeht.
Da - wie aufgezeigt - vermögensmäßig zwischen der typischen und der atypischen stillen Gesellschaft kein Unterschied besteht und auch bei einer atypischen stillen Gesellschaft keine dinglich als Gesellschaftsvermögen anzusehende Vermögensmasse vorliegt, an der der atypisch stille Gesellschafter beteiligt sein könnte, und weil auch die atypische stille Gesellschaft nach außen hin (also auch zB einem Darlehensgeber gegenüber) nicht als Träger von Rechten und Pflichten (auch nicht als Träger der obligatorischen Pflicht zur Rückzahlung des Darlehens) in Frage kommt, ist auch das Darlehen eines atypisch stillen Gesellschafters nicht als Darlehen an die Gesellschaft, sondern an den Unternehmensträger (Geschäftsinhaber) anzusehen, bei dem sich der stille Gesellschafter atypisch beteiligt hat. Von einem Darlehen des Gesellschafters "an seine Gesellschaft" kann daher keine Rede sein.
Daran vermag weder die von der belangten Behörde zitierte Meinung Försters (a.a.O., der ohne weitere Begründung die atypische stille Gesellschaft als OHG bzw. KG oder GesBR ansieht, was von Frotz/Huegel/Popp, a.a.O., zu Recht als "unrichtig" bezeichnet wird) etwas ändern, noch die vom angefochtenen Bescheid zitierte Rechtsprechung des OGH zu Fragen eigenkapitalersetzender Gesellschafterdarlehen.
Wie gerade die E des SZ 69/208, zeigt, lag der Fall dort so, dass ein an einer GmbH atypisch beteiligter stiller Gesellschafter im Stadium der Insolvenz der GmbH zur Begleichung von Dienstnehmerforderungen einen Betrag zur Verfügung gestellt hatte. Insoweit in dieser Entscheidung davon die Rede ist, die "Gesellschaft" habe zu dieser Zeit Entgeltsansprüche ihrer Dienstnehmer nicht mehr befriedigen können und habe der atypisch stille Gesellschafter das Geld dafür zur Verfügung gestellt, handelte es sich (bei der gebotenen Unterscheidung zwischen der Gesellschaft, bei der sich der stille Gesellschafter atypisch beteiligte, und der dadurch begründeten stillen Gesellschaft) nicht um eine Leistung des stillen Gesellschafters an die stille Gesellschaft, sondern an jene (insolvente) GmbH, bei der er sich beteiligt hatte. Die Behandlung derartiger Darlehensgewährungen bzw. sonstiger Leistungen als eigenkapitalersetzend durch die Judikatur des OGH bedeutet - anders als dies der angefochtene Bescheid offenbar gesehen hat - aber nicht, dass damit für die atypische stille Gesellschaft als solche eine partielle Rechtsfähigkeit dergestalt anerkannt worden wäre, dass sie zB eine Darlehensvaluta ins eigene Vermögen übernehmen könnte. Ebensowenig wie aus der ertragssteuerrechtlichen Behandlung einer atypischen stillen Gesellschaft als Mitunternehmerschaft lässt sich daher auch aus der angeführten Rechtsprechung des OGH zu eigenkapitalersetzenden Gesellschafterleistungen etwas für den Standpunkt der belangten Behörde gewinnen.
Der angefochtene Bescheid ist daher mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet, was gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG zu seiner Aufhebung führen musste, wobei ein Eingehen auf die übrigen Beschwerdeargumente entbehrlich war.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VO BGBl. II Nr. 501/2001.
Wien, am