VwGH vom 21.05.1990, 89/15/0110
Betreff
Präsident der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland, gegen Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland (Berufungssenat II) vom , Zl. 6/2-2224/10/83-10, betreffend Umsatzsteuer 1978 bis 1980 (mitbeteiligte Partei: A Gesellschaft m.b.H.):
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
In ihren Umsatzsteuererklärungen für die Jahre 1978 bis 1980 hatte die Mitbeteiligte, die sich mit der Herstellung von Präzisionslinsen befaßt, den überwiegenden Teil ihrer Umsätze als nach § 6 Z. 1 UStG 1972 steuerfrei erklärt. Das Finanzamt führte die Veranlagung zur Umsatzsteuer erklärungsgemäß durch und behandelte die erklärten Ausfuhrumsätze gemäß § 6 Z. 1 UStG 1972 als steuerfrei.
Bei einer im Jahre 1983 bei der Mitbeteiligten durchgeführten Betriebsprüfung wurde u.a. festgestellt, daß nur für einen Teil der als steuerfrei behandelten Umsätze Ausfuhrnachweise (Postaufgabescheine) vorhanden waren.
Das Finanzamt nahm u.a. die Verfahren betreffend die Umsatzsteuer 1978 bis 1980 wieder auf und erließ den Prüfungsfeststellungen folgende Abgabenbescheide.
In der dagegen erhobenen Berufung brachte die Mitbeteiligte vor, die Betriebsprüfer hätten bei der Schlußbesprechung anerkannt, daß der buchmäßige Nachweis vorliege und die tatsächliche Ausfuhrlieferung einwandfrei feststehe. Die Mitbeteiligte habe ihre Lieferungen an ihren einzigen Kunden, ein Schweizer Unternehmen, teilweise mittels gewöhnlicher Paketpost oder Briefpost versandt. Für alle Lieferungen lägen die für solche Sendungen handelsüblichen Paketscheine bzw. Zollbestätigungen sowie die Postgebührenabrechnungen vor. Die Finanzbehörde könne keinen Nachweis verlangen, der bei solchen Sendungen nicht ausgestellt werde. Im Durchführungserlaß zum Umsatzsteuergesetz 1972, Abschnitt 41 Abs. 2 sei ausdrücklich angeführt, daß als Ausfuhrnachweis die handelsüblichen Belege anerkannt würden. Diese notwendigen Unterlagen lägen vor; der Ausfuhrnachweis sei dadurch gegeben.
In seiner Stellungnahme zur Berufung führte der Betriebsprüfer aus, die vorhandenen Postaufgabescheine seien durchwegs als Ausfuhrnachweise anerkannt worden; andere Belege, wie Paketscheine, Zollbestätigungen und Postabrechnungen stellten aber keinen Ausfuhrnachweis dar.
Die belangte Behörde forderte die Mitbeteiligte auf, zum Nachweis der bisher nicht anerkannten Ausfuhrlieferungen sämtliche vorhandenen Belege und Unterlagen wie Schriftverkehr, Abrechnungen und Eingangszahlungsbelege, die laut § 7 UStG 1972 erforderlich seien, vorzulegen. Die Mitbeteiligte legte daraufhin Lieferscheine, Rechnungen, Bankauszüge, Devisenabrechnungen, "Eingangskontrollberichte" ihres Kunden, Zollquittungen von Schweizer Zollämtern und eidesstattliche Erklärungen ihres Kunden, wonach diese Zollquittungen Warenlieferungen der Mitbeteiligten beträfen, vor.
In der mündlichen Berufungsverhandlung gab die Mitbeteiligte an, Ausfuhrlieferungen häufig mit Brief- und Kleinpaketpost durchgeführt zu haben; die Postaufgabescheine habe sie weggeworfen.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung der Mitbeteiligten in der im Beschwerdeverfahren allein noch offenen Frage der Steuerfreiheit der von der Mitbeteiligten in den Jahren 1978 bis 1980 getätigten Ausfuhrumsätze Folge und setzte die Umsatzsteuer für die Streitjahre entsprechend den geänderten Bemessungsgrundlagen fest. In der Begründung dieser Entscheidung führte die belangte Behörde zur Frage des Ausfuhrnachweises im wesentlichen aus, bloße Postbestätigungen für Kleinpaketsendungen stellten keine Versendungsbelege im Sinne des Umsatzsteuergesetzes dar, da darin lediglich die Höhe einer entrichteten Postgebühr bescheinigt werde. Das Vorbringen der Mitbeteiligten, in den strittigen Fällen die ursprünglich vorhandenen Postaufgabebescheinigungen irrtümlich in der Annahme, sie nicht zu benötigen, nicht aufbewahrt zu haben, sei jedoch glaubhaft. Bei der Frage, ob Zollamtsbestätigungen des ausländischen Grenzzollamtes als Ausfuhrnachweis anzusehen seien, sei zu berücksichtigen, daß im Fall der Versendung der Ware mit gewöhnlicher Briefpost der inländische Unternehmer keinen anderen Ausfuhrnachweis vorlegen könne. Zudem seien im vorliegenden Fall alle anderen Voraussetzungen der Steuerfreiheit der Ausfuhrlieferung gegeben; insbesondere habe die Mitbeteiligte anhand der sorgfältig zusammengestellten Unterlagen für jede einzelne Lieferung die Ausfuhr der Ware, deren Kontrolle durch den ausländischen Abnehmer auf Produktionsfehler sowie die Inrechnungstellung und Überweisung des Entgelts nachweisen können. Die für jede einzelne Lieferung in Kopie vorgelegten Schweizer Zollamtsbestätigungen enthielten zwar nicht den Namen des ausländischen Abnehmers, ließen sich jedoch datumsmäßig den einzelnen Lieferungen zuordnen. Aus dem Zusammenhalt dieser Umstände sei daher für den vorliegenden Fall in wirtschaftlicher Betrachtungsweise der Ausfuhrnachweis durch Vorlage der ausländischen Zollamtsbestätigungen als erbracht anzusehen.
Der beschwerdeführende Präsident der Finanzlandesdirektion macht in der gegen diese Berufungsentscheidung erhobenen Beschwerde Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Ausfuhrlieferungen im Sinne des § 7 UStG 1972 sind gemäß § 6 Z. 1 UStG 1972 steuerfrei. Gemäß § 7 UStG 1972 in der im Streitzeitraum maßgeblichen Fassung (im folgenden: aF) liegt eine Ausfuhrlieferung im Sinne des § 6 Z. 1 dieses Gesetzes nur vor, wenn
1. der Unternehmer das Umsatzgeschäft, das seiner Lieferung zugrunde liegt, mit einem ausländischen Abnehmer abgeschlossen hat,
2. der Gegenstand in Erfüllung dieses Umsatzgeschäftes in das Ausland befördert oder versendet worden ist,
3. diese beiden Voraussetzungen buchmäßig (§ 18 Abs. 8) nachgewiesen sind,
4. die Versendung oder Beförderung in das Ausland gemäß den Vorschriften der Absätze 2, 3 und 5 nachgewiesen wurde (vgl. z. B. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 82/15/0141).
Das Vorliegen der oben unter 1. bis 3. genannten Voraussetzungen ist im Beschwerdefall nicht strittig. Der Beschwerdeführer vertritt aber die Auffassung, daß die Mitbeteiligte den Ausfuhrnachweis nicht in der vom Gesetzgeber vorgeschriebenen Form erbracht habe. Wegen des Fehlens einer der materiell-rechtlichen Voraussetzungen könne die Steuerfreiheit daher nicht gewährt werden.
Der unter 4. genannte, durch die Mußvorschrift des § 7 Abs. 1 Z. 2 UStG 1972 angeordnete Ausfuhrnachweis ist nach ständiger Rechtsprechung und Lehre eine materiell-rechtliche Voraussetzung für die Steuerfreiheit der Ausfuhrlieferung. Ist diese Voraussetzung nicht erfüllt, so ist die Steuerfreiheit selbst dann zu versagen, wenn die übrigen sachlichen Voraussetzungen gegeben sind (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 1289/77, 1683/80, vom , Zl. 82/15/0141, vom , Slg. 6144/F, und vom , Zl. 87/15/0101; Kranich - Siegl - Waba, Kommentar zur Mehrwertsteuer, § 7 Anm 70;
Dorazil - Frühwald - Hock - Mayer, Kommentar zum Umsatzsteuergesetz I/§ 7 Anm 8).
Nach § 7 Abs. 2 UStG 1972 aF ist die Versendung des Gegenstandes in das Ausland durch Versendungsbelege, wie Frachtbriefe, Postaufgabebescheinigungen, Konnossemente und dergleichen oder deren Doppelstücke nachzuweisen. Der Unternehmer hat diese Belege für die Prüfung durch das Finanzamt aufzubewahren.
Erhält der Unternehmer keine Versendungsbelege, so darf er den Ausfuhrnachweis nach § 7 Abs. 3 UStG 1972 aF in der folgenden Weise führen:
1. Im Falle des Reihengeschäftes durch eine Ausfuhrbescheinigung seines Lieferers oder des versendenden Unternehmers;
2. im Falle der Übergabe oder Versendung an einen steuerlich zugelassenen inländischen Beauftragten des ausländischen Abnehmers durch eine Ausfuhrbescheinigung des Beauftragten;
3. im Falle des Abholens (Abs. 1 Z. 2 lit. b) durch eine Ausfuhrbescheinigung des Grenzzollamtes.
Die Ausfuhrbescheinigung ist nach dem letzten Satz der zitierten Bestimmung nach einem vom Bundesministerium für Finanzen zu bestimmenden Muster, das alle für die Beurteilung der Ausfuhr erforderlichen Angaben enthält, auszustellen.
Nach § 7 Abs. 5 UStG 1972 aF ist die Beförderung des Gegenstandes in das Ausland durch eine Ausfuhrbescheinigung des Grenzzollamtes nachzuweisen. Abs. 2 letzter Satz und Abs. 3 letzter Satz gelten entsprechend.
Die zitierten Bestimmungen ordnen somit den Nachweis der Versendung oder Beförderung des Gegenstandes in das Ausland zwingend in einer bestimmten Form, nämlich durch Versendungsbelege bzw. eine Ausfuhrbescheinigung des Grenzzollamtes im Sinne des § 7 Abs. 3 UStG 1972 aF letzter Satz (sowie die hier nicht in Betracht kommenden, in § 7 Abs. 3 Z. 1, 2 UStG 1972 aF genannten Ausfuhrbescheinigungen) an. Schreibt der Gesetzgeber einen solchen Formalnachweis zwingend vor, dann sind die Abgabenbehörden weder verpflichtet noch berechtigt, die fraglichen Tatsachen durch eigene Ermittlungsmaßnahmen aufzuklären (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 89/16/0177). Der Umstand, daß die belangte Behörde auf Grund anderer, von ihr als glaubhaft angesehener Beweismittel zur Sachverhaltsannahme gelangte, die Gegenstände seien in das Ausland versendet worden, vermag das audrücklich im Gesetz vorgesehene Formalerfordernis eines Ausfuhrnachweises daher nicht zu ersetzen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 1289/77, 1683/80, vom , Zl. 87/15/0148, und vom , Zl. 85/13/0219). Der in einer anderen als der vom Gesetz geforderten Art geführte Nachweis, daß die Waren ins Ausland gelangt sind, ist daher unbeachtlich (Kolacny - Scheiner, Fallbeispiele zur Mehrwertsteuer 179).
Im vorliegenden Fall wurde der Nachweis der Versendung ins Ausland nicht in der vom Gesetz geforderten Art erbracht. Dieser ist nach § 7 Abs. 2 UStG 1972 aF durch Versendungsbelege, wie Frachtbriefe, Postaufgabebescheinigungen, Konnossemente und dgl. oder deren Doppelstücke zu erbringen. Die Mitbeteiligte hebt in ihrer Gegenschrift den Umstand, daß hier eine demonstrative Aufzählung vorliege, besonders hervor; dies vermag aber nichts daran zu ändern, daß der Ausfuhrnachweis durch - die beispielsweise aufgezählten oder andere - VERSENDUNGSBELEGE zu führen ist, weil die Vorschrift lediglich (demonstrativ) aufzählt, welche Urkunden als Versendungsbelege gelten (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 87/15/0148).
Als Versendungsbeleg im Sinne der zitierten Vorschrift können nur solche im Zuge der Ausfuhr produzierten Urkunden angesehen werden, aus denen der abgabenrechtlich relevante Sachverhalt, nämlich die Versendung (diese liegt nach § 3 Abs. 8 UStG 1972 vor, wenn der Unternehmer einen Gegenstand durch einen Frachführer oder Verfrachter zu einem Dritten befördern oder eine solche Beförderung durch einen Spediteur besorgen läßt) der Gegenstände in das Ausland, hervorgeht und die hinreichend die Gewähr dafür bieten, daß der versendete Gegenstand auch tatsächlich in das Ausland gelangt. Dies ist insbesondere bei den in der zitierten Vorschrift beispielsweise aufgezählten Versendungspapieren, im Falle der Versendung durch die Post der Aufgabebescheinigung (§ 110 Postordnung), der Fall.
Der Umstand, daß die belangte Behörde es als glaubhaft angesehen hat, daß Postaufgabescheinigungen "ursprünglich vorhanden" gewesen seien, ist aber schon deshalb nicht von Bedeutung, weil die Versendungsbelege nach dem letzten Satz des § 7 Abs. 2 UStG 1972 aF für die Prüfung durch die Abgabenbehörde aufbewahrt werden müssen; dies gilt jedenfalls für den in § 132 BAO angeordneten Zeitraum, der im vorliegenden Fall noch nicht abgelaufen war.
Die - lediglich die Zahlung von Eingangsabgaben quittierenden, im übrigen aber auf den Vorgang der Versendung nicht Bezug nehmenden - ausländischen "Zollamtsbestätigungen" erfüllen die oben dargelegten Anforderungen an den Ausfuhrnachweis durch Versendungsbelege in keiner Weise. Daran ändert auch der von der belangten Behörde hervorgehobene Umstand, daß im Fall der Versendung der Ware mit gewöhnlicher Briefpost kein "anderer Ausfuhrnachweis" vorgelegt werden könne, nichts. Vielmehr hat der Unternehmer, der die Steuerfreiheit von Ausfuhrumsätzen nach § 6 Z. 1 UStG 1972 in Anspruch zu nehmen beabsichtigt, u.a. auch für den Ausfuhrnachweis vorzusorgen, was im Falle der Versendung mittels Brief- oder Paketpost im allgemeinen durch bescheinigte Aufgabe erfolgen wird.
Ein Fall des § 7 Abs. 3 UStG 1972 aF liegt hier nicht vor. Daß die Mitbeteiligte auch keine Ausfuhrbescheinigungen des Grenzzollamtes im Sinne des § 7 Abs. 5 aF vorgelegt hat, ist nicht strittig.
Die von der belangten Behörde auf Grund sonstiger Ermittlungsmaßnahmen getroffene Sachverhaltsannahme, die Mitbeteiligte habe die strittigen Waren in das Ausland ausgeführt, ist, wie schon oben dargelegt wurde, nicht geeignet, den durch das Gesetz angeordneten, als Formalbeweis zu erbringenden Ausfuhrnachweis zu ersetzen.
Die belangte Behörde hat daher mit ihrer Annahme, der Ausfuhrnachweis sei erbracht, und der daraus resultierenden Beurteilung, es seien alle materiell-rechtlichen Voraussetzungen der Steuerfreiheit nach § 6 Z. 1 UStG 1972 gegeben, ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG im angefochtenen Umfang aufzuheben.