VwGH vom 20.12.2001, 2001/16/0440
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner und Dr. Fellner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Valenta, über die Beschwerde des Vereins U in P, vertreten durch Dr. Werner Masser u.a., Rechtsanwälte in Wien I, Singerstraße 27/II, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , GZ. RV/353-09/01, betreffend Schenkungssteuer, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der beschwerdeführende Verein hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- (= EUR 331,75) binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Am schlossen Dr. Marko Prypchan und der beschwerdeführende Verein einen Schenkungsvertrag mit - auszugsweise - folgendem Inhalt:
"I.)
SCHENKUNGSGEGENSTAND
Herr Dr. Marko Prypchan ist alleiniger Eigentümer an den beiden, im folgenden als Schenkungsgegenstand bezeichneten Liegenschaften EZ 740, GB 01305 Meidling, BG Meidling, bestehend aus dem Grundstück Nr. 660 Baufläche (Gebäude), Baufläche (befestigt) mit der Adresse Gatterholzgasse 11, 1120 Wien sowie EZ 2108, GB 16121 Perchtoldsdorf, BG Mödling, bestehend aus dem Grundstück Nr. 1300/11, Baufläche (Gebäude), Baufläche (begrünt) mit der Adresse Hugo Wolf-Gasse 26, 2380 Perchtoldsdorf.
II.)
ÜBERGABE UND ÜBERNAHME
Die Vertragsparteien halten einvernehmlich fest, dass die tatsächliche Übergabe des Schenkungsgegenstandes an den Geschenknehmer bereits stattgefunden hat. Dieser hat den Schenkungsgegenstand mit der Absicht der Besitznahme begangen und die Verwaltungsunterlagen an sich genommen.
Als Verrechnungsstichtag wird der festgelegt. Ab diesem Zeitpunkt gehen Nutzen und Vorteil, ebenso wie Lasten und Zufall auf die Geschenknehmer über.
III.)
VEREINBARUNG DER SCHENKUNG
Herr Dr. Marko Prypchan schenkt dem Verein Das Ukrainische Kulturzentrum 'Ukrainisches Haus' in Österreich das unter Punkt I angeführte Schenkungsobjekt. Der Verein Das Ukrainische Kulturzentrum 'Ukrainisches Haus' in Österreich nimmt diese Schenkung dankend an.
..."
"XI.)
SCHENKUNGSZWECK
Der Schenkungszweck liegt in der Förderung strebsamer ukrainischer Studenten und im Austausch wissenschaftlicher Erkenntnisse zwischen der Universität Kyiw-Mohyla Akademie und sämtlichen österreichischen Universitäten."
Mit Bescheid des Finanzamtes für Gebühren und Verkehrsteuern in Wien (im Folgenden kurz: Finanzamt) vom wurde für diesen Vorgang Schenkungssteuer festgesetzt. Die Steuer wurde in der Folge entrichtet.
Am stellte der beschwerdeführende Verein den Antrag, die bezahlte Steuer zurückzuerstatten und brachte dazu - auszugsweise - Folgendes vor:
"Eine tatsächliche Übergabe der bezeichneten Liegenschaften hat nie stattgefunden. Die Schenkung wurde dementsprechend auch nicht grundbücherlich durchgeführt.
Beweis: offenes Grundbuch
PV
Vereinbarter Schenkungszweck war gemäß Punkt XI. des Schenkungsvertrages, dass ukrainische Studenten gefördert werden sollten und ein Austausch von Wissenschaftern zwischen österreichischen Universitäten und der Universität Kyiw-Mohyla Akademie stattfinden sollte. Die Nichterreichung dieses Schenkungszweckes bzw. die Unmöglichkeit der Erreichung wurden - schon bei Abschluss des Schenkungsvertrages - als vertraglicher Widerrufsgegenstand für die Schenkung vereinbart.
Kurz nach Abschluss des Schenkungsvertrages stellte sich heraus, dass der Schenkungszweck durch neu eingetretene Umstände (dazu unten) nicht erreicht werden kann.
Dadurch fiel einerseits die Vertragsgrundlage der Schenkung gänzlich weg und wurde andererseits der einvernehmlich vereinbarte Widerrufsgrund erfüllt. Folglich wurde die Schenkung vom Geschenkgeber am widerrufen.
Da - wie bereits erwähnt - eine tatsächliche Übergabe und Grundbuchseintragung nie stattgefunden haben, wurde durch den Wegfall (= Widerruf) des Verpflichtungsgeschäftes (Schenkungsvertrag) der ursprüngliche Rechtszustand wieder hergestellt.
...
Ausdrücklich sieht Punkt XI. des Schenkungsvertrages vom einen Schenkungszweck vor. Dieser wurde mit der Förderung ukrainischer Studenten und dem wissenschaftlichen Austausch zwischen der Universität Kyiw-Mohyla Akademie und österreichischen Universitäten festgelegt.
Die Antragstellerin befand sich zum Zeitpunkt der Schenkung in entsprechenden Verhandlungen mit Vertretern der genannten Universität in Kiew, ein erfolgreicher Abschluss schien zum Greifen nahe. Die Schenkung sollte die finanzielle Grundlage der geplanten Zusammenarbeit darstellen.
Alsbald nach Abschluss des Schenkungsvertrages scheiterten die zunächst erfolgsversprechenden Verhandlungen aus Gründen, die im Bereich der Kyiw-Mohyla Akademie gelegen sind. Dadurch wurde die Erreichung des vereinbarten Schenkungszweckes unmöglich und widerrief der Geschenkgeber die gemachten Schenkungen.
...
Geschäftsgrundlage der Schenkung war insbesondere, dass der Antragsteller eine Kooperation mit der 'Kiew Mohyla Akademia' (die 'Akademie') eingeht, worunter auch die aktive Mitarbeit der Akademie beim Antragsteller verstanden wurde. Die übertragenen Liegenschaften sollten als neue Vereinmittel die finanzielle Grundlage zur Verwirklichung der angestrebten Kooperation mit der 'Kiew Mohyla Akademia' darstellen.
...
Anfang des Jahres 2001 wurde von der genannten ukrainischen Akademie dem Antragsteller mitgeteilt, dass die Kooperation unerwartet und plötzlich nicht verwirklicht werden könne. Die Akademie werde sich in keiner Weise - weder von außen noch von innen - an den Aktivitäten des Antragstellers beteiligen. Stattdessen begehrte die Akademie nunmehr die Übertragung der Liegenschaften in ihr (ausländisches) Eigentum.
Voraussetzung für die gemachte Schenkung war die Erreichung des ausdrücklich festgehaltenen Schenkungszweckes. Durch das beschriebene Verhalten der Akademie in Kiew wurde die Erreichung des Schenkungszweckes unmöglich und fiel somit die Geschäftsgrundlage der Schenkung weg.
...
Darüberhinaus hat der Geschenkgeber die Schenkung widerrufen, weil der Antragsteller den unmissverstehbaren Vorstellungen des Geschenkgebers nicht gefolgt sei, obwohl diese ebenfalls Geschäftsgrundlage der Schenkung gewesen seien. Darin sei ein grob undankbares Verhalten im Sinne der §§ 947 ABGB des Antragstellers zu erblicken, da die vor Schenkung gemachten Zusagen danach nicht zugehalten worden seien. Auch deshalb wurde die Schenkung widerrufen und ist der Antrag gem. § 33 ErbStG begründet."
Mit Bescheid vom wies das Finanzamt den Erstattungsantrag ab, wogegen der beschwerdeführende Verein berief.
Die belangte Behörde wies die Berufung als unbegründet ab, weil sie keinen der Erstattungstatbestände des § 33 lit. a ErbStG als erfüllt erachtete.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Verwaltungsgerichtshofbeschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Der beschwerdeführende Verein erachtet sich unter anderem in seinem Recht auf Erstattung der Schenkungssteuer verletzt.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet begehrt wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der beschwerdeführende Verein hält vor dem Verwaltungsgerichtshof nur mehr zwei Argumente aufrecht: Seiner Ansicht nach sei vertraglich ein Widerrufsgrund vereinbart worden, jedenfalls aber die Geschäftsgrundlage für die Schenkung wieder weggefallen.
Insoweit die Beschwerde die Auffassung vertritt, es sei im Wege der Formulierung des Schenkungszweckes in Punkt XI. des Vertrages zwar nicht ex pressis verbis jedoch im Interpretationsweg ermittelbar ein Widerrufsgrund vereinbart worden, ist sie auf die ständige hg. Judikatur zu verweisen, wonach es darauf ankommt, dass im Schenkungsvertrag Widerrufsgründe ausdrücklich vereinbart werden (vgl. dazu die bei Fellner, Gebühren und Verkehrsteuern, Band III Erbschafts- und Schenkungssteuer unter Rz 9 Abs. 2 zu § 33 ErbStG referierte Rechtsprechung; ähnlich Dorazil/Taucher MGA ErbStG Anm 12.3 zu § 33 ErbStG. Eine solche ausdrückliche Vereinbarung eines Widerrufsgrundes ist aber dem Vertragspunkt XI. keinesfalls zu entnehmen.
Was den behaupteten "Wegfall der Geschäftsgrundlage" betrifft, ist die Beschwerde darauf zu verweisen, dass dieser von der im Wesentlichen der Lehre Piskos folgenden zivilrechtlichen Judikatur (vgl. Koziol/Bollenberger in Koziol/Welser, Bürgerliches Recht I11 144 mwN in FN 113) anerkannte Vertragsaufhebungsgrund nur die geschäftstypischen Voraussetzungen betrifft, die jedermann mit einem bestimmten Geschäft (hier mit einer Liegenschaftsschenkung) verbindet. Geschäftsvoraussetzungen individueller Natur hingegen müssen gemäß § 901 ABGB zur Bedingung des Vertrages gemacht werden, damit sie im Falle einer Änderung Berücksichtigung finden können.
Bei dem hier in Rede stehenden Punkt XI. des Schenkungsvertrages handelt es sich nicht um allgemeine vertragstypische Voraussetzungen von Liegenschaftsschenkungen sondern um individuelle, für die Vertragsparteien auch hinsichtlich ihrer allfälligen Änderungen vorhersehbare Umstände. Solche Umstände betreffend ist es daher Sache der Parteien, iS des § 901 ABGB durch entsprechende Vertragsgestaltung (z.B. durch die ausdrückliche Vereinbarung eines Widerrufsgrundes) entsprechende Vorsorge für den Fall des Nichteintrittes der Parteierwartungen zu treffen.
Ohne dass daher im vorliegenden Fall zu der von der Beschwerde ins Treffen geführten Literaturstelle (Dorazil/Taucher a. a.O.), wonach der Wegfall der Geschäftsgrundlage als Widerrufsgrund iS des § 33 lit. a ErbStG anzusehen sei, abschließend Stellung bezogen werden muss, liegt hier überhaupt kein Anwendungsfall der Lehre vom Wegfall der Geschäftsgrundlage vor. Dazu kommt, dass der beschwerdeführende Verein auch nur behauptet hat, die Zusammenarbeit mit der im Vertragspunkt XI. genannten ukrainischen Universität könne nicht stattfinden. Dieser Umstand stellt aber nur einen der in der zitierten Vertragsstelle genannten Vertragszwecke dar. Dass der an erster Stelle genannte Vertragszweck, nämlich die "Förderung strebsamer ukrainischer Studenten" nicht verwirklicht werden könnte, wird nicht einmal von der Beschwerde behauptet.
Damit erweist sich der angefochtene Bescheid im Ergebnis als frei von der behaupteten Rechtswidrigkeit, weil auch die ins Treffen geführten Ermittlungsfehler nicht vorliegen. Angesichts der oben dargestellten Rechtslage war die belangte Behörde nämlich nicht gehalten, weitere Ermittlungen zum Vorbringen des beschwerdeführenden Vereines anzustellen.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen, wobei mit Rücksicht auf die zitierte Literatur und Judikatur die Entscheidung in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat getroffen werden konnte.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47ff VwGG iVm der VO BGBl. 416/1994.
Wien, am