VwGH vom 19.03.1990, 89/15/0066
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Simon und die Hofräte Dr. Schubert, Dr. Wetzel, Dr. Steiner und Dr. Mizner als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Dr. Egger, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom ,
GA 11 - 2180/88, betreffend Stempelgebühr und Gebührenerhöhung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer ist Eigentümer der Liegenschaft Wien n, X-Gasse nn; dieser ist die Liegenschaft Wien n, Y-Gasse mn benachbart. Am wurde mit dem Beschwerdeführer und dessen anwaltlichem Vertreter vor dem Magistrat der Stadt Wien, MA 37, ein Protokoll im Verfahren nach der Wiener Bauordnung die genannten Liegenschaften betreffend errichtet. Das Protokoll beurkundet die Erteilung der Vollmacht des Beschwerdeführers an dessen Vertreter, die Überreichung einer Berufung sowie die Erklärung des Beschwerdeführers, daß auf der Liegenschaft Y-Gasse mn der Bauführer Anschüttungen vorgenommen habe und schon jetzt ersichtlich sei, daß die Bauhöhe überschritten werde. Der Beschwerdeführer erklärte weiters ausdrücklich, die Vergebührung der Niederschrift mit S 120,-- Bundesstempel zu verweigern.
Mit dem Bescheid vom setzte das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Wien gemäß § 203 BAO für das erwähnte Protokoll eine Gebühr von S 120,-- gemäß § 14 TP 7 Z. 1 in Verbindung mit TP 6 Abs. 1 GebG 1957, eine Gebührenerhöhung von S 60,-- gemäß § 9 Abs. 1 GebG 1957 und eine Gebührenerhöhung von S 24,-- gemäß § 9 Abs. 2 GebG 1957 fest.
In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer vor, das Protokoll sei ausschließlich auf Initiative der Organe der Gemeinde Wien errichtet worden, die sich geweigert hätten, die mündliche Bevollmächtigung zur Kenntnis zu nehmen. Die Bestätigung der Entgegennahme der Berufung unterliege nicht der Gebührenpflicht. Die Mitteilung des Beschwerdeführers betreffend die Liegenschaft Y-Gasse mn diene nicht dem Interesse des Einschreiters, sondern der Wahrung eines Organhaftpflichtanspruches der Gemeinde Wien.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Sie führte aus, Gegenstand der Gebühr sei die Äußerung des Beschwerdeführers betreffend das Bauvorhaben Y-Gasse mn. Auch die Übermittlung einer Wissenserklärung löse die Gebührenpflicht aus. Ein Aktenvermerk, der ein bestimmtes Begehren enthalte und von der Partei als Ersatz für eine sonst einzubringende Eingabe unterschrieben worden wäre, wäre ebenfalls gebührenpflichtig gewesen. Die Erhöhung im Ausmaß von 50 Prozent der nicht entrichteten Gebühr gründe sich auf die zwingende Vorschrift des § 9 Abs. 1 GebG 1957. Die Begründung der Ermessensübung betreffend verweist der angefochtene Bescheid auf die Begründung der Berufungsvorentscheidung, wonach die Erhöhung von 20 Prozent als angemessen erscheine, da dem rechtskundig vertretenen Beschwerdeführer das Erkennen der Gebührenpflicht habe zugemutet werden können.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf "Gebührenfreiheit eines Aktenvermerkes, den die Organe der Gemeinde Wien allerdings als Niederschrift erzwungen haben", verletzt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach § 14 TP 7 Z. 1 GebG 1957 unterliegen Protokolle (Niederschriften), die an Stelle einer Eingabe errichtet werden, der für die Eingabe, die sie vertreten, in der TP 6 festgesetzten Gebühr.
Ein Protokoll unterliegt somit dann der Gebührenpflicht nach der zitierten Gesetzesstelle, wenn es inhaltlich den Tatbestand einer gebührenpflichtigen Eingabe erfüllt, nämlich ein Anbringen enthält, wodurch ein bestimmtes Verhalten einer Privatperson zur amtlichen Kenntnis gebracht oder im Interesse einer Privatperson eine Anordnung oder Verfügung der Behörde innerhalb ihres gesetzlichen Wirkungskreises veranlaßt werden soll (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Slg. 5051/F). Daß diese Voraussetzungen im Fall eines Anbringens gegenüber der Baubehörde betreffend die Höhe eines der Liegenschaft des Einschreiters benachbarten Gebäudes gegeben sind, wird vom Beschwerdeführer nicht mehr in Zweifel gezogen. Er vertritt vielmehr die Auffassung, die vorliegende Niederschrift unterliege deshalb nicht der Gebührenpflicht, weil ihre Errichtung entbehrlich gewesen wäre; Vollmachten könnten nämlich auch mündlich erteilt werden, wobei zu ihrer Beurkundung ein Aktenvermerk genüge (§ 10 Abs. 1 AVG 1950).
Dem ist zunächst zu erwidern, daß für die Gebührenpflicht das Vorhandensein und der Inhalt eines Schriftstückes maßgebend sind; eine tatsächlich errichtete, den oben genannten Voraussetzungen entsprechende Schrift unterliegt auch dann der Gebührenpflicht, wenn ihre Errichtung bei zweckmäßigerer Vorgangsweise hätte unterbleiben können.
Seine Auffassung, die Behörde habe "die Niederschrift erzwungen", leitet der Beschwerdeführer offenbar aus dem von ihm behaupteten Umstand ab, daß die Kenntnisnahme von der mündlich erteilten Vollmacht verweigert worden sei. Dies ist aber für die Gebührenpflicht schon deshalb ohne Bedeutung, weil die Beurkundung der Vollmacht, die auch durch einen der Gebührenpflicht nicht unterliegenden Aktenvermerk hätte erfolgen können, nur unter anderem, nämlich zur Dartuung der Vertretungsbefugnis, Aufnahme ins Protokoll fand.
Hauptgegenstand des Protokolles war hingegen das mündliche Anbringen des Beschwerdeführers als Nachbar in einem Bauverfahren. Mündliche Anbringen von Beteiligten sind gemäß § 14 Abs. 1 AVG 1950 erforderlichenfalls ihrem wesentlichen Inhalt nach in einer Niederschrift festzuhalten. Der Beschwerdeführer zeigt nicht auf, aus welchen Gründen die Behörde die Errichtung einer Niederschrift über das erwähnte Vorbringen im vorliegenden Fall nicht für erforderlich hätte halten dürfen und somit das ihr vom Gesetz eingeräumte Ermessen fehlerhaft ausgeübt hätte. Die oben dargelegten Voraussetzungen der Gebührenpflicht des vorliegenden Protokolles lägen somit auch dann vor, wenn die mündlich erteilte Vollmacht abgesondert in Form eines Aktenvermerkes beurkundet worden wäre.
Gemäß § 9 Abs. 1 GebG 1957 in der Fassung des ersten Abgabenänderungsgesetzes 1987, BGBl. Nr. 80, ist eine Gebührenerhöhung im Ausmaß von 50 v.H. der verkürzten Gebühr zu erheben, wenn eine Gebühr, die nicht vorschriftsmäßig in Stempelmarken entrichtet wurde, mit Bescheid festgesetzt wird.
Nach Abs. 2 der genannten Vorschrift kann das Finanzamt zur Sicherung der Einhaltung der Gebührenvorschriften bei nicht ordnungsgemäßer Entrichtung oder nicht ordnungsgemäßer Gebührenanzeige bei den im Abs. 1 genannten Gebühren zusätzlich eine Erhöhung bis zu 50 v.H., bei den anderen Gebühren eine Erhöhung bis zum Ausmaß der verkürzten (gesetzmäßigen) Gebühr erheben. Bei Festsetzung dieser Gebührenerhöhung ist insbesondere zu berücksichtigen, inwieweit dem Gebührenschuldner bei Beachtung dieses Bundesgesetzes das Erkennen der Gebührenpflicht einer Schrift oder eines Rechtsgeschäftes zugemutet werden konnte, ob eine Gebührenanzeige geringfügig oder beträchtlich verspätet erstattet wurde sowie, ob eine Verletzung der Gebührenbestimmungen erstmalig oder wiederholt erfolgt ist.
§ 9 Abs. 1 GebG 1957 sieht somit zwingend die Festsetzung einer Gebührenerhöhung als objektive Rechtsfolge des Unterbleibens der vorschriftsmäßigen Entrichtung der Gebühr in Stempelmarken vor. Für die vom Beschwerdeführer vermißte Berücksichtigung von - im übrigen nicht konkretisierten - Billigkeitsgründen ist bei dieser Rechtslage kein Raum.
Nach § 9 Abs. 2 GebG 1957 kann die Behörde im Rahmen ihres Ermessens, dessen Kriterien diese Norm demonstrativ aufzählt, eine weitere Gebührenerhöhung festsetzen. Im vorliegenden Fall hatte die belangte Behörde bei ihrer Ermessensübung insbesondere zu berücksichtigen, daß - bei der vorliegenden klaren Rechtslage - dem anwaltlich vertretenen Beschwerdeführer, der ausdrücklich erklärte, "die Vergebührung mit S 120,-- zu verweigern", das Erkennen der Gebührenpflicht zugemutet werden konnte. Weitere Umstände, die bei der Festsetzung der Gebührenerhöhung hätten berücksichtigt werden müssen, sind nach dem Akteninhalt weder behauptet worden noch hervorgekommen. Auch der Beschwerde kann nicht entnommen werden, in welchen Umständen der Beschwerdeführer die Billigkeitsgründe erblickt, deren Berücksichtigung er vermißt. Der Verwaltungsgerichtshof hegt daher keine Bedenken dagegen, daß die belangte Behörde im Rahmen des ihr vom Gesetz eingeräumten Ermessens eine Gebührenerhöhung von 20 v.H. festgesetzt hat.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung vom , BGBl. Nr. 206.