VwGH vom 21.05.1990, 89/15/0040
Beachte
Besprechung in:
ÖStZB 1991, 111;
Betreff
Präsident der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland gegen Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland (Berufungssenat VIII) vom , Zl. 6/4-2055/2-1987, betreffend Umsatzsteuer 1985 (mitbeteiligte Partei: N):
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
Die Mitbeteiligte erzielte im Jahre 1985 Einnahmen aus einer selbständigen Tätigkeit als Lehrerin im häuslichen Unterricht eines schulpflichtigen Kindes, das wegen einer schweren Erkrankung nicht am Schulunterricht teilnehmen konnte.
Das Finanzamt setzte für die von der Mitbeteiligten erklärten Entgelte Umsatzsteuer fest.
Mit der dagegen erhobenen Berufung machte die Mitbeteiligte geltend, es lägen alle in § 6 Z. 11 UStG 1972 genannten Voraussetzungen der Steuerfreiheit vor, da sie Kenntnisse allgemeinbildender Art vermittelt und eine den öffentlichen Schulen vergleichbare Tätigkeit ausgeübt habe; der betreffende Unterrichtsstoff (der 4. Volksschulklasse) finde sich auch in den Lehrplänen öffentlicher Schulen.
Die belangte Behörde gab der Berufung Folge. In der Begründung des angefochtenen Bescheides führte sie aus, die Mitbeteiligte habe den in öffentlichen Schulen dargebotenen Unterrichtsstoff dem Lehrplan entsprechend an das kranke Kind herangetragen. Sie habe diese Tätigkeit ausgeübt, um dem am Schulbesuch gehinderten Kind die Möglichkeit zu bieten, seine gesetzliche Schulpflicht zu erfüllen. Unter diesem Aspekt sei das Kriterium der Gemeinschaftsbezogenheit des Unterrichtes nicht entscheidungswesentlich.
Der beschwerdeführende Präsident der Finanzlandesdirektion macht in der gegen diese Berufungsentscheidung erhobenen Beschwerde Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 6 Z. 11 UStG 1972 sind die Umsätze von privaten Schulen und anderen allgemeinbildenden oder berufsbildenden Einrichtungen, soweit es sich um die Vermittlung von Kenntnissen allgemeinbildender oder berufsbildender Art oder der Berufsausübung dienenden Fertigkeiten handelt und nachgewiesen werden kann, daß eine den öffentlichen Schulen vergleichbare Tätigkeit ausgeübt wird, steuerfrei.
Die Befreiung setzt somit voraus, daß
1. die Umsätze von privaten Schulen oder von anderen allgemeinbildenden oder berufsbildenden Einrichtungen erzielt werden,
2. die Tätigkeit dieser Schulen (Einrichtungen) der Vermittlung von Kenntnissen allgemeinbildender oder berufsbildender Art oder der Berufsausübung dienender Fertigkeiten dient, und
3. nachgewiesen werden kann, daß eine den öffentlichen Schulen vergleichbare Tätigkeit ausgeübt wird (vgl. Dorazil - Frühwald - Hock - Mayer, Kommentar zum Umsatzsteuergesetz I/§ 6 Anm 31).
Im Beschwerdefall kommt die Befreiung schon wegen des Fehlens der oben unter 1. erwähnten Voraussetzung nicht in Betracht.
Privatschulen sind im Sinne des Privatschulgesetzes, BGBl. Nr. 244/1962 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 290/1972, Einrichtungen, in denen EINE MEHRZAHL VON SCHÜLERN gemeinsam nach einem festen Lehrplan unterrichtet wird, wenn im Zusammenhang mit der Vermittlung von allgemeinbildenden oder berufsbildenden Kenntnissen und Fertigkeiten ein erzieherisches Ziel angestrebt wird.
Als Einrichtung im Sinne des § 6 Z. 11 UStG 1972 ist ein SCHULÄHNLICHER BETRIEB anzusehen, der über die organisatorischen Voraussetzungen (wie Schulräume, das erforderliche Personal nach der Art eines Lehrkörpers, ein Sekretariat, ein über längere Zeit feststehendes Bildungsangebot) verfügt, um laufend gegenüber EINER GRÖßEREN ZAHL VON INTERESSENTEN eine Tätigkeit im Sinne des § 6 Z. 11 UStG 1972 auszuüben (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 559/75, Slg. 4968/F, und vom , Zl. 2482/77, Slg. 5479/F).
Bei den von der Mitbeteiligten erzielten Einnahmen handelt es sich somit schon deshalb nicht um Umsätze einer privaten Schule oder einer sonstigen Einrichtung im Sinne der zitierten Vorschrift, weil die Voraussetzung des gemeinschaftsbezogenen Unterrichtes einer Mehrzahl von Schülern nicht erfüllt wird. Mit der zitierten Vorschrift befreit der Gesetzgeber - unter bestimmten weiteren Voraussetzungen - nur die Umsätze der privaten Schulen und anderer allgemeinbildender oder berufsbildender Einrichtungen von der Umsatzsteuer. Der Rechtsprechung bleibt es verwehrt, den Anwendungsbereich dieser Befreiungsvorschrift - etwa wegen des sozialen Nutzens der von der Mitbeteiligten ausgeübten Tätigkeit - über den durch das Gesetz vorgegebenen Rahmen hinaus auszudehnen.
Die belangte Behörde hat somit durch die Anwendung des § 6 Z. 11 UStG 1972 auf den vorliegenden Fall ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet; dieser war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.