VwGH vom 05.03.1990, 89/15/0022
Beachte
Besprechung in:
ÖStZB 1990, 412;
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Simon und die Hofräte Dr. Schubert, Dr. Wetzel, Dr. Steiner und Dr. Mizner als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Dr. Egger, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich vom , Zl. 603/1-8/E-1987, betreffend Einheitsbewertung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird, soweit er die Einheitswertfeststellung zum und die gleichzeitige Einheitswert-Erhöhung betrifft (Punkte 3 und 4 des Spruches des angefochtenen Bescheides), wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben. Im übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in Höhe von S 10.530,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer ist Eigentümer einer Landwirtschaft, auf der sich ein Wohngebäude befindet, das schon zum Bewertungsstichtag (Nachfeststellung zum ) und auch danach leer stand. Die belangte Behörde sah in diesem Gebäude mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid ein sonstiges bebautes Grundstück im Sinne des § 54 Abs. 1 Z. 5 des Bewertungsgesetzes 1955, BGBl. Nr. 148/BewG (Punkt 2 des Spruches des angefochtenen Bescheides), dessen Einheitswert sie zum eben genannten Stichtag mit S 239.000,-- feststellte und zugleich (gemäß Art. III Abs. 1 der Bewertungsgesetznovelle 1972, BGBl. Nr. 442) auf S 286.000,-- erhöhte (Inhalt der Punkte 3 und 4 des Spruches des angefochtenen Bescheides). Die (volle) Zuordnung des fraglichen Gebäudes (einschließlich des zugehörigen Grundanteiles) zum Grundvermögen bewirkte, daß der für das (frühere) landwirtschaftliche Wohngebäude ermittelte Einheitswert (übersteigender Wohnungswert, § 33 Abs. 2 BewG) ab mit Null festgestellt wurde (Inhalt von Punkt 1 des Spruches des angefochtenen Bescheides).
In seiner wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides und dessen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobenen Beschwerde wendet der Beschwerdeführer gegen die Berufungsentscheidung ein,
1. daß das Wohngebäude landwirtschaftliches Vermögen und nicht Grundvermögen darstelle,
2. daß der Einheitswert nicht nach den Vorschriften des § 53 Abs. 1 bis 9 zu ermitteln gewesen wäre, sondern nach jener des § 53 Abs. 10 BewG (gemeiner Wert) ermittelt hätte werden müssen;
3. daß die belangte Behörde nicht begründe, warum sie bei der Ermittlung des Gebäudewertes einen Wert von S 320,-- je Kubikmeter heranziehe und das Gebäude als zwischen "einfach" und "mittel" einstufe, obwohl es praktisch nicht mehr benützungsfähig sei;
4. daß die dem angefochtenen Bescheid zugrundeliegende Kubatur nicht stimme.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Gemäß § 30 Abs. 1 BewG gehören zum landwirtschaftlichen Vermögen alle Teile (insbesondere Grund und Boden, Gebäude, stehende und umlaufende Betriebsmittel, Nebenbetriebe und Sonderkulturen) einer wirtschaftlichen Einheit, die dauernd einem landwirtschaftlichen Hauptzweck dient (landwirtschaftlicher Betrieb). Zum Grundvermögen gehört dagegen nach § 51 Abs. 1 leg. cit. der Grund und Boden einschließlich der Bestandteile (insbesondere Gebäude) und des Zubehörs. Gemäß § 52 Abs. 1 BewG gehört zum Grundvermögen nicht Grundbesitz, der zum land- und forstwirtschaftlichen Vermögen gehört.
Voraussetzung für die Zugehörigkeit eines Gebäudes zum landwirtschaftlichen Vermögen ist also, daß es dauernd einem landwirtschaftlichen Hauptzweck dient. Auf ein Wohngebäude, das zum Feststellungszeitpunkt nicht nur vorübergehend leer steht (unbenützt ist), trifft aber die Voraussetzung, daß es dauernd einem landwirtschaftlichen Hauptzweck dient, nicht zu. Ein solches Gebäude zählt daher nach der aufgezeigten Rechtslage nicht zum landwirtschaftlichen Vermögen, sondern zum Grundvermögen (vgl. auch Twaroch-Wittmann-Frühwald, Kommentar zum Bewertungsgesetz, 163). Für die Zuordnung eines leerstehenden Wohngebäudes zum Grundvermögen spricht auch, daß sogar ein Gebäude, das dem Betriebsinhaber, seinen Familienangehörigen, den Ausnehmern und den überwiegend im Haushalt des Betriebsinhabers beschäftigten Personen als Wohnung dient, dem Grundvermögen zuzurechnen ist, soweit der nach den Vorschriften über die Bewertung von bebauten Grundstücken ermittelte Wohnungswert den Betrag von S 30.000,-- übersteigt (§ 33 Abs. 1 und 2 BewG). In diesem Punkt, dem im Spruch des angefochtenen Bescheides die Punkte 1 und 2 entsprechen, läßt der angefochtene Bescheid somit keine Rechtswidrigkeit erkennen.
2. Bei der Bewertung von bebauten Grundstücken des Grundvermögens ist gemäß § 53 Abs. 1 BewG vom Bodenwert und vom Gebäudewert auszugehen. Als Bodenwert ist nach Abs. 2 der Gesetzesstelle der Wert maßgebend, mit dem der Grund und Boden allein als unbebautes Grundstück gemäß § 55 leg. cit. zu bewerten wäre. Der Gebäudewert ist an Hand von Durchschnittspreisen (§ 53a) aus dem Neuherstellungswert abzuleiten, wie dies die Vorschriften des § 53 Abs. 3 bis 6 BewG vorsehen. Insgesamt sind bebaute Grundstücke nach den grundsätzlichen Regeln der Abs. 1 bis 9 des § 53 BewG zu bewerten. Eine Bewertung gemäß § 53 Abs. 1 bis 9 leg. cit. liegt dem angefochtenen Bescheid zu Grunde. Der Beschwerdeführer ist demgegenüber der Auffassung, daß gemäß § 53 Abs. 10 BewG der gemeine Wert anzusetzen gewesen wäre. Nach dieser Vorschrift ist bei bebauten Grundstücken, deren gemeiner Wert geringer ist als der auf Grund der Bestimmungen der Abs. 1 bis 9 ermittelte Wert, auf Antrag der gemeine Wert zu Grunde zu legen.
Die Bewertung mit dem gemeinen Wert setzt demnach einen diesbezüglichen Antrag voraus. Der Beschwerdeführer behauptet, einen solchen Antrag im Verwaltungsverfahren gestellt zu haben, während dies die belangte Behörde in der Gegenschrift in Abrede stellt. In diesem Punkt ist der Beschwerdeführer im Recht. Wenn sich auch der Beschwerdeführer nicht ausdrücklich auf § 53 Abs. 10 BewG bezog, hat er doch im Verwaltungsverfahren hinreichend deutlich das Begehren zum Ausdruck gebracht, es möge nicht der vom Finanzamt (für ein "Einfamilienhaus" nach den Vorschriften des § 53 Abs. 1 bis 9 BewG) festgestellte Einheitswert (S 132.000,--), sondern der sich aus § 10 BewG ergebende gemeine Wert "zum Zug kommen".
Der gemeine Wert wird nach dem ersten Satz des Abs. 2 dieser Gesetzesstelle durch den Preis bestimmt, der im gewöhnlichen GESCHÄFTSVERKEHR nach der Beschaffenheit des Wirtschaftsgutes bei einer VERÄUSSERUNG ZU ERZIELEN WÄRE. Unter Bezugnahme auf die Lage des Gebäudes unter einer Autobahnbrücke (mit Lärm- und Abgasbelästigung) führte der Beschwerdeführer in der Berufung ausdrücklich ins Treffen, das Haus wäre unbewohnbar und UNVERKÄUFLICH. Der VERKEHRSWERT sei gleich Null. Der Beschwerdeführer stellte "deshalb ... den Antrag, ... den Einheitswert auf Null zu stellen". Dieses Vorbringen wiederholte er im Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz. Er betonte unter Hinweis auf verschiedene, im folgenden dargestellte Sachverhaltselemente nochmals, das Haus sei UNVERKÄUFLICH und habe keinen VERKEHRSWERT. Der Beschwerdeführer stellte abermals "den Antrag, ... den Wert des unbewohnten Hauses auf Null zu stellen". Diesen Standpunkt hielt der Beschwerdeführer auch in der Stellungnahme vom aufrecht ("Somit ersuche ich wie folgt zu bewerten: Gebäude - nicht bewohnbar und entwertet durch die Lage unter der Autobahnbrücke, praktisch unbenützbar und unverkäuflich"). Mit der Bezugnahme auf den Verkehrswert und die Unverkäuflichkeit gab der Beschwerdeführer klar zu erkennen, daß er im Sinne des § 10 Abs. 2 BewG die Bewertung mit jenem Wert anstrebte, der für das Haus seiner Auffassung nach im gewöhnlichen GESCHÄFTSVERKEHR bei einer VERÄUSSERUNG zu erzielen wäre.
Der Beschwerdeführer hat seinen Antrag unter Hinweis auf die jederzeit nachprüfbare Lage des Grundstückes auch ausreichend unter Beweis gestellt. Darüber hinaus brachte er in der Berufung und im Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz auch konkret vor, er habe schon mehrfach versucht, das Haus zu verkaufen, wegen dessen Lage aber keine Interessenten gefunden. Auch jugoslawische Gastarbeiter hätten der Lage wegen einen Aufenthalt im Haus abgelehnt.
Auf Grund des Vorbringens des Beschwerdeführers im Verwaltungsverfahren hätte sich die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid auch mit der Frage auseinandersetzen müssen, ob nicht der Einheitsbewertung ein geringerer gemeiner Wert zu Grunde zu legen ist als der nach den Bestimmungen des § 53 Abs. 1 bis 9 BewG ermittelte Wert. Das Fehlen einer Auseinandersetzung mit dieser Frage bedeutet einen Verfahrensmangel (Begründungsmangel), bei dem nicht auszuschließen ist, daß die belangte Behörde bei seiner Vermeidung zu einem anderen Bescheid hätte kommen können.
3. Die von der belangten Behörde vorgenommene Gebäudebewertung gemäß § 53 Abs. 3 bis 6 im Zusammenhalt mit § 53a BewG stellt im wesentlichen eine Bewertung nach der Bauweise und Ausstattung des Gebäudes (siehe insbesondere § 53 Abs. 3 bis 5) mit einer pauschalen Berücksichtigung des Alters nach Maßgabe des Abs. 6 der Gesetzesstelle dar. Bei dieser Bewertung bleibt für eine Berücksichtigung des Umstandes, daß das Gebäude "praktisch" nicht mehr benützungsfähig ist, kein Raum. Diesem Umstand könnte nur allenfalls bei der in Punkt 2 behandelten Bewertung mit dem gemeinen Wert Rechnung getragen werden.
4. Die Kubatur des Gebäudes brachte das Finanzamt dem Beschwerdeführer im Vorhalt vom zur Kenntnis und der Beschwerdeführer erhob im Verwaltungsverfahren gegen die ihm bekanntgegebenen Maße keinen Einwand. Der erst im verwaltungsgerichtlichen Verfahren erhobene Einwand fällt unter das Neuerungsverbot gemäß § 41 Abs. 1 VwGG.
Zusammenfassend erweist sich die Verfahrensrüge des Beschwerdeführers aus dem in Punkt 2 genannten Grund als berechtigt. Der angefochtene Bescheid war daher nach Maßgabe des Spruches dieses Erkenntnisses gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben, im übrigen aber aus den in Punkt 1 angeführten Erwägungen als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG und die Verordnung des Bundesministers vom , BGBl. Nr. 206, insbesondere auf Art. III Abs. 2 dieser Verordnung.