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VwGH vom 05.03.1990, 89/15/0006

VwGH vom 05.03.1990, 89/15/0006

Beachte

Besprechung in:

ÖStZB 1991, 251;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Simon und die Hofräte Dr. Schubert, Dr. Wetzel, Dr. Steiner und Dr. Mizner als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Dr. Egger, über die Beschwerde der N gegen die Bescheide (Berufungsentscheidungen) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , Zl. GA 11 - 1582/88, Zl. GA 11 - 1583/88, Zl. GA 11 - 1584/88, Zl. GA 11 - 1585/88, und Zl. GA 11 - 1596/88, betreffend Stempelgebühren, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 13.800,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin betreibt in Niederösterreich eine Gastwirtschaft. In fünf verschiedenen Anträgen suchte sie für bestimmte Zeiträume in den Jahren 1984, 1985 und 1987 bei der Gemeinde R um Verkürzung der Sperrzeit an. Diese Anträge wurden auf (ausgefüllten) Vordrucken eingebracht, die mit "Ansuchen" überschrieben waren. Die Beschwerdeführerin ersuchte um die Bewilligung, ihr Lokal in bestimmten Nächten von 1.00 bis 4.00 Uhr offenzuhalten. Jeder Antrag betraf mehrere, nicht aufeinanderfolgende Zeiträume, z.B. Antrag A die Nacht vom

7. zum , die Nacht vom 21. zum usw., Antrag B die Nächte in der Zeit vom

18. bis , vom 25. bis usw.. Die Beschwerdeführerin hatte für jeden Antrag eine Stempelgebühr von S 120,-- entrichtet.

Das Finanzamt wertete - gleich der belangten Behörde - die fünf Anträge als fünf Eingaben, die jedoch im Sinne des § 12 Abs. 1 des Gebührengesetzes 1957, BGBl. Nr. 267 (GebG), jeweils mehrere Ansuchen enthielten, und zwar entsprechend der Anzahl der getrennten Zeiträume (Nächte), für die die Beschwerdeführerin eine Sperrzeitverkürzung begehrt hatte. Nach der Zahl der solchermaßen ermittelten Ansuchen setzte das Finanzamt für jede der fünf Eingaben mit (gesondertem) Bescheid die Eingabengebühr fest, auf die es die in Stempelmarken entrichteten Gebühren anrechnete. Vom Unterschiedsbetrag nahm es eine Gebührenerhöhung gemäß § 9 Abs. 1 GebG in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 80/1987 vor.

Die Beschwerdeführerin erhob gegen die fünf Gebührenfestsetzungsbescheide des Finanzamtes Berufung, über die die belangte Behörde mit den fünf angefochtenen Bescheiden absprach. Die vorliegende Beschwerde macht inhaltliche Rechtswidrigkeit der angefochtenen Bescheide und deren Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend. Die Beschwerdeführerin vertritt vor allem den Standpunkt, daß jeder Antrag (Eingabe) nur als ein Ansuchen zu werten wäre und die Beschwerdeführerin daher für jeden Antrag zu Recht nur Stempelgebühren in Höhe von S 120,-- entrichtet habe.

Die belangte Behörde legte zu jedem angefochtenen Bescheid die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, erstattete zur Beschwerde fünf Gegenschriften und begehrte darin die Abweisung der Beschwerde, wobei jede Gegenschrift einen Kostenantrag enthält.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 14 TP 6 Abs. 1 GebG in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 587/1983 unterliegen Eingaben von Privatpersonen (natürlichen und juristischen Personen) an Organe der Gebietskörperschaften in Angelegenheiten ihres öffentlich-rechtlichen Wirkungskreises, die die Privatinteressen der Einschreiter betreffen, einer festen Gebühr von S 120,--.

Daß die in Streit stehenden Schriften, mit denen die Beschwerdeführerin die Verkürzung der Sperrzeiten begehrte, auf dem formularmäßigen, von der Beschwerdeführerin ausgefüllten Vordruck mit "Ansuchen" überschrieben sind, ändert entgegen ihrer Auffassung nichts daran, daß die Schriften die eben aufgezeigten gesetzlichen Tatbestandsmerkmale von Eingaben aufweisen: Es handelt sich um Schriften, welche die Beschwerdeführerin als Privatperson an Organe einer Gebietskörperschaft (Gemeinde) in Angelegenheiten ihres durch § 198 Abs. 3 der Gewerbeordnung 1973, BGBl. Nr. 50/1974 (GewO), begründeten öffentlich-rechtlichen Wirkungskreises einbrachte und die unzweifelhaft die Privatinteressen der Beschwerdeführerin als Einschreiterin betreffen.

Für die fünf in Rede stehenden Eingaben, mit denen die Beschwerdeführerin die Verkürzung der Sperrzeiten beantragte, stellt sich auf Grund der Tatsache, daß jede dieser Eingaben, wie eingangs aufgezeigt, nicht nur für EINEN bestimmten Zeitraum, sondern für verschiedene Zeiträume (Nächte) das Ersuchen um Sperrzeitverkürzung enthielt, die weitere Frage, ob die Eingaben jeweils ein oder mehrere Ansuchen enthalten. Werden nämlich in einer Eingabe mehrere Ansuchen gestellt, so ist gemäß § 12 Abs. 1 GebG für jedes Ansuchen die Eingabengebühr zu entrichten.

Sinn dieser Gesetzesvorschrift ist es, eine Umgehung der Gebührenpflicht durch Kumulierung von verschiedenen Anträgen in einer Eingabe zu verhindern, wobei eine Kumulierung mehrerer Anträge anzunehmen ist, wenn in ein und demselben Schriftstück mehrere Amtshandlungen begehrt werden, die untereinander in keinem Zusammenhang stehen. Ein innerer Zusammenhang zweier in einem Schriftsatz gestellter Anträge dergestalt, daß ein Antrag nur ein "Akzessorium" zu dem anderen Antrag darstellt (so etwa der Antrag, einer Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, im Verhältnis zum Beschwerdeantrag selbst) schließt allerdings die Erhebung einer mehrfachen Eingabengebühr aus (siehe z.B. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom ,

Zlen. 84/15/0136, 0137, vom , Zlen. 85/15/0324, 0332, vom , Zl. 87/15/0143, vom , Zl. 87/15/0106, und vom , Zl. 87/15/0097).

Für den Beschwerdefall ergibt sich aus § 12 Abs. 1 GebG unter Bedachtnahme auf die Rechtsprechung zu dieser Gesetzesstelle folgendes:

§ 198 Abs. 1 GewO überträgt die generelle Regelung der Sperrzeiten dem Landeshauptmann. Der Landeshauptmann von Niederösterreich setzte mit der Verordnung vom , LGBl. 7000/1-0 (Niederösterreichische Sperrzeitenverordnung 1978), die Sperrstunde für Gasthäuser grundsätzlich mit 1.00 Uhr und die Aufsperrstunde mit 5.00 Uhr fest. § 198 Abs. 3 GewO ermöglicht es allerdings, Sonderregelungen zu treffen: Bei besonderem örtlichen Bedarf hat die Gemeinde unter Bedachtnahme auf die sonstigen öffentlichen Interessen für einzelne Gastgewerbebetriebe eine frühere Aufsperrstunde oder eine spätere Sperrstunde, gegebenenfalls mit den durch den Anlaß bestimmten Beschränkungen, zu bewilligen.

Unter Bezugnahme auf die letztgenannte Gesetzesstelle ersuchte nun die Beschwerdeführerin in ihren fünf Eingaben, die Aufsperrzeit jeweils für mehrere verschiedene, in keinem zeitlichen Zusammenhang zueinander stehende Zeiträume (laut Beschwerde meist an Wochenenden) bis 4.00 Uhr früh zu verlängern. Die Beschwerdeführerin hat damit z.B. für eine Verkürzung der Sperrzeit am Wochenende I und für die Verkürzung der Sperrzeit am Wochenende II angesucht. Es liegen damit in diesem für den Beschwerdefall repräsentativen Beispiel zwei verschiedene Ansuchen vor. Diese Ansuchen stehen nicht in dem von der Rechtsprechung geforderten inneren Zusammenhang. Es kommt vielmehr zu einer bloß willkürlichen Zusammenfassung mehrerer Ansuchen in einer Eingabe (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 87/15/0106). Dies zeigen im Beschwerdefall deutlich die Anträge der Jahre 1985 und 1987. Für diese Jahre brachte die Beschwerdeführerin jeweils zwei Anträge auf Sperrzeitverkürzung zu verschiedenen Zeiträumen (Wochenenden) dieser Kalenderjahre ein. Die Beschwerdeführerin hätte aber auch nur einen oder aber auch mehr als je zwei Anträge auf Sperrzeitverkürzung einbringen können, ohne daß dies das einzelne Ansuchen für eine Sperrzeitverkürzung an einem bestimmten Wochenende beeinflußt hätte. Für die Amtshandlungen der Gemeinde kam es ebenfalls auf die konkret begehrten Sperrzeitverkürzungen (für einzelne Wochenende) an. Sie hatte für jede konkret begehrte Sperrzeitverkürzung das Vorliegen der aufgezeigten gesetzlichen Voraussetzungen zu prüfen und es hing die Bewilligung (oder Versagung) der Sperrzeitverkürzung für das Wochenende I nicht von der Bewilligung der Sperrzeitverkürzung für das Wochenende II ab (vgl. auch die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 87/15/0106, und vom , Zl. 87/15/0097), womit im Sinne des § 12 Abs. 1 GebG von verschiedenen Ansuchen auszugehen ist, die zueinander in keinem inneren Zusammenhang stehen. Die Gleichartigkeit der Ansuchen und der begehrten Amtshandlungen bedeutet nicht, daß diese Amtshandlungen in einem inneren Zusammenhang stehen (siehe nochmals das Erkenntnis vom , Zlen. 84/15/0136, 0137 und die dort zitierte Vorjudikatur).

Zur Beschwerde sei noch folgendes bemerkt:

Aus § 14 TP 6 Abs. 1 GebG ergibt sich im Zusammenhang mit § 12 Abs. 1 GebG die Gebührenpflicht der Eingabe (SCHRIFT) entsprechend der Zahl der in der Eingabe enthaltenen Ansuchen. Eine Gebührenpflicht der durch die Schrift veranlaßten Amtshandlungen läßt sich aus dem Gesetz nicht ableiten und auch die belangte Behörde hat die Gebührenpflicht für Schriften (Eingaben) - und nicht für Amtshandlungen - bestätigt. Die durch eine Eingabe veranlaßten Amtshandlungen sind nach der erwähnten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes LEDIGLICH EIN HINWEIS darauf, ob die Eingabe mehrere Ansuchen enthält.

Die Gebührenpflicht von Eingaben bestimmt sich allein nach dem Gesetz bzw. der ihm zukommenden Auslegung. Die Unkenntnis der Beteiligten über die dem Gesetz entsprechende Auslegung kann die dem Gesetz entsprechende Gebührenpflicht nicht beeinflussen.

Das Beispiel der Beschwerdeführerin, ein Zahlungserleichterungsansuchen sei unabhängig von der Höhe der Steuerschuld nur mit S 120,-- zu vergebühren, übersieht, daß in diesem Fall unabhängig von der Höhe der Steuerschuld nur EIN Ansuchen, nämlich um Zahlungserleichterung, gestellt wird.

Dem Hinweis der Beschwerdeführerin auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 81/15/0038, hält die belangte Behörde in den Gegenschriften zutreffend entgegen, daß der diesem Erkenntnis zu Grunde liegende Sachverhalt - Ansuchen um Verlängerung EINER wenn auch mehrere Giftarten umfassenden Giftbezugslizenz - mit dem beschwerdegegenständlichen Sachverhalt nicht vergleichbar ist.

Die Beschwerde führt aus, Sondergenehmigungen im Rahmen bereits bestehender Berechtigungen zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit seien dann nicht gebührenpflichtig, wenn die Sondergenehmigung nicht über den materiellen Umfang der ursprünglichen Berechtigung hinausgehe.

"Sperrstundenverlängerungen" im Rahmen einer bestehenden Gasthauskonzession seien daher gebührenfrei. Die Beschwerdeführerin beruft sich in diesem Zusammenhang auf "Warnung-Dorazil 39" und meint damit offenkundig die Darlegungen bei Warnung-Dorazil, Stempel- und Rechtsgebühren3, auf Seite 39 im ersten Absatz. Diese Ausführungen haben aber nicht die Eingabengebühr, sondern die Gebühr für amtliche Ausfertigungen gemäß § 14 TP 2 GebG, im besonderen jene für die Erteilung einer Befugnis oder Anerkennung einer Befähigung oder sonstigen gesetzlichen Voraussetzung zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit, zum Inhalt.

Eine erhöhte Eingabengebühr nach § 14 TP 6 Abs. 2 Z. 1 GebG ist nicht Gegenstand der angefochtenen Bescheide. Der Beschwerdeführer könnte auch in keinem subjektiv-öffentlichen Recht verletzt sein, wenn die belangte Behörde nur die "einfache" statt der erhöhten Eingabengebühr festsetzte, sodaß dahingestellt bleiben kann, inwieweit § 14 TP 6 Abs. 2 Z. 1 GebG auf den Beschwerdefall überhaupt zutrifft.

Entgegen diesbezüglichen Bedenken der Beschwerdeführerin ist der Tarif des § 14 GebG unmittelbarer Bestandteil dieses Gesetzes.

Zur Stellungnahme der Beschwerdeführerin zu den Gegenschriften der belangten Behörde bleibt anzumerken, daß die belangte Behörde mit den fünf Berufungsentscheidungen über die Berufung gegen fünf Bescheide des Finanzamtes absprach, welche die Eingabengebühr für fünf verschiedene Eingaben zum Gegenstand hatten. Obwohl die Beschwerdeführerin diese fünf Berufungsentscheidungen nur mit einer Beschwerde bekämpfte, hätte sie zu Recht insgesamt fünfmal Schriftsatzaufwandersatz (§ 48 Abs. 1 Z. 2 VwGG) begehren können (§ 52 Abs. 1 VwGG). Der belangten Behörde, welche fünf Gegenschriften erstattete und in jeder Gegenschrift konkret auf den den entsprechenden angefochtenen Bescheiden zu Grunde liegenden Sachverhalt einging, kommt gemäß derselben Gesetzesstelle (ebenfalls) ein fünffacher Schriftsatzaufwandersatz (§ 48 Abs. 2 Z. 2 VwGG) zu. Ihr steht weiters ein fünffacher Vorlageaufwand (§ 48 Abs. 2 Z. 1 VwGG) zu, da sie zu jedem angefochtenen Bescheid den diesen betreffenden Verwaltungsakt vorlegte (siehe auch Dolp,

Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, Seite 708 letzter Absatz und Seite 709 erster Absatz).

Ob die (Entgegennahme der) Ansuchen um "Sperrstundenverlängerung" (für die Gemeindebehörde) einen Arbeitsaufwand erfordert (erfordern) und ob die Gebühren durch tatsächliche Leistungen der Behörde gedeckt sind, ist für die Gebührenpflicht der in Rede stehenden Eingaben ohne Belang. Mit der Überreichung der fünf Eingaben entstand entsprechend der Anzahl der in ihnen enthaltenen Ansuchen die Gebührenschuld (§ 11 Z. 1, § 12 Abs. 1, § 14 TP 6 Abs. 1 GebG). Es ist daher auch ohne Bedeutung, inwieweit die Beschwerdeführerin die bewilligten "Sperrstundenverlängerungen" tatsächlich ausnützte.

Das Vorbringen der Beschwerdeführerin vor dem Verwaltungsgerichtshof vermag somit keine inhaltliche Rechtswidrigkeit der angefochtenen Bescheide aufzuzeigen. Einen Verfahrensmangel erblickt die Beschwerdeführerin lediglich darin, "nach Jahren Gebührenerhöhungen durch Bescheiderteilung festzusetzen". Diese Gebührenerhöhungen sind aber in § 9 Abs. 1 GebG in der schon erwähnten Fassung zwingend vorgesehen. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG und die Verordnung vom , BGBl. Nr. 206, wobei auf die vorstehenden Ausführungen betreffend die Stellungnahme zu den Gegenschriften hingewiesen sei.