VwGH vom 14.01.1991, 89/15/0003
Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):
89/15/0004
Betreff
T-Verlagsgesellschaft m.b.H. Nfg. KG gegen die Bescheide der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland
1) vom , Zl. GA 8-1397/1-1988, betreffend Feststellung des gemeinen Wertes von Gesellschaftsanteilen zum , 2) vom , Zl. GA 8-1397/2-1988, betreffend die Feststellung des gemeinen Wertes von Gesellschaftsanteilen zum
Spruch
Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 5.520,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Gesellschafter der "T-GmbH" waren bis zum Jahre 1979 die Ehegatten Dr. CN und Dr. WN. Das (voll eingezahlte) Stammkapital betrug S 100.000,--; davon entfielen ein Geschäftsanteil von S 96.000,-- auf Dr. CN und ein Geschäftsanteil von S 4.000,-- auf Dr. WN. Am übertrug - im Zusammenhang mit einem Vergleich im Scheidungsverfahren - Dr. CN ihren Geschäftsanteil im Nominale von S 96.000,-- um den Abtretungspreis von S 1,-- an den Rechtsfreund des Dr. WN, RA Dr. S. Der Abtretungspreis wird in der Vertragsurkunde ausdrücklich als "symbolischer Betrag" bezeichnet; dem Wortlaut der Vertragsurkunde zufolge gab die abtretende Gesellschafterin überdies die "rechtsgeschäftliche Erklärung" ab, daß sie sich "mit der Unverhältnismäßigkeit des Wertes des Geschäftsanteiles zum symbolischen Abtretungsvertrag von S 1,-- im Sinne des § 935 ABGB verstanden" habe.
Das Finanzamt ermittelte den gemeinen Wert der Anteile an der T-GmbH jeweils unter Berücksichtigung des Vermögenswertes und des Ertragswertes zum mit S 2.108,-- und zum mit S 1.535,-- für je 100 S des Stammkapitals.
Mit ihren gegen diese Bescheide erhobenen Berufungen begehrte die T-GmbH, den gemeinen Wert der Anteile lediglich unter Zugrundelegung des Vermögenswertes festzustellen; der Ertragswert sei mit Null festzusetzen. Sie begründete dies im wesentlichen wie folgt: Die gesamte Ertragsfähigkeit der Gesellschaft stehe und falle mit Dr. WN als Geschäftsführer der Gesellschaft. Der Titel "T" sei eine geistig eigentümliche Schöpfung von Dr. WN und zeitlich vor Gründung der Gesellschaft entstanden. Bei Gründung der Gesellschaft sei vereinbart worden, daß die Bezeichnung für Dr. WN geschützt sein solle und auf Verlangen aus der Firma der Gesellschaft eliminiert werden müsse. Dr. WN sei Inhaber der Marke "T" mit Schutzbeginn am . Die Ertragsfähigkeit der Gesellschaft werde durch die Zeitung bestimmt, die den Titel "T" trage. Dr. WN habe jederzeit die Möglichkeit, seine Funktion als Geschäftsführer der Gesellschaft zurückzulegen, um selbst außerhalb der Gesellschaft eine Zeitung herauszugeben, da ihn kein Konkurrenzverbot treffe. In einem solchen Fall hätte die Gesellschaft keine Möglichkeit, eine Zeitschrift unter der Bezeichnung "T" herauszugeben; sämtliche Inseratengeschäfte würden daher mit einem Schlag wegfallen. Für den Mehrheitsgesellschafter bestünden keine rechtlich durchsetzbaren Möglichkeiten, Dr. WN zu zwingen, als Geschäftsführer in der Gesellschaft zu verbleiben oder zu erwirken, daß dieser nicht eine Konkurrenzzeitung herausgebe. In einem solchen Fall wäre praktisch jeglicher Ertrag für die Gesellschaft beseitigt.
Die Generalversammlung der T-GmbH vom beschloß die Umwandlung der Gesellschaft durch Übertragung des Unternehmens auf die "T"-Verlagsgesellschaft m.b.H. Nfg. KG (die Beschwerdeführerin). Dieser Vorgang wurde im Handelsregister des Landes- als Handelsgericht Eisenstadt am protokolliert (HRA n1, HRB n2).
Die belangte Behörde wies die Berufungen mit den angefochtenen, an die Beschwerdeführerin als Rechtsnachfolgerin der T-GmbH gerichteten Bescheiden als unbegründet ab. Nach Darlegung des Verfahrensganges und der Rechtslage führte die belangte Behörde - zusammengefaßt - im wesentlichen aus, der gemeine Wert der Anteile könne nicht aus dem am erfolgten Verkauf von Anteilen abgeleitet werden, da ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse nicht zu berücksichtigen seien. Diese lägen sowohl in den - näher dargelegten - Gründen für das Zustandekommen des Vertrages, die mit dem Ehescheidungsverfahren der Gesellschafter im Zusammenhang stünden, wie auch in der Bestimmung des Kaufpreises unter Außerachtlassung marktüblicher Verhältnisse aus persönlichen Gründen. Der gemeine Wert sei daher durch Schätzung zu ermitteln gewesen. Auf die Ertragsaussichten der Gesellschaft sei aus den in den Jahren 1978 bis 1980 bzw. 1980 bis 1982 erzielten Gewinnen zu schließen gewesen. Die Möglichkeit eines Austrittes Dris. WN aus der Gesellschaft sei nicht zu berücksichtigen gewesen, weil bei der Schätzung der Ertragsaussichten grundsätzlich davon auszugehen sei, daß das Unternehmen der Gesellschaft in der bisherigen Art und Weise, sohin auch unter allfälliger Mitwirkung der Gesellschafter, fortgeführt werde, es sei denn, daß konkret vorliegende Umstände eine andere Annahme rechtfertigten. Weder aus dem Vorbringen der Beschwerdeführerin noch aus der Aktenlage ließen sich Umstände ableiten, die konkret gegen eine Fortführung des Unternehmens in der bisherigen Art und Weise - insbesondere unter Mitwirkung des Gesellschafters Dr. WN - sprächen.
Die vorliegenden Beschwerden machen Rechtswidrigkeit des Inhaltes der angefochtenen Bescheide sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.
Der Verwaltungsgerichtshof hat die Beschwerden wegen des sachlichen, rechtlichen und persönlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Entscheidung verbunden und darüber erwogen:
Gemäß § 13 Abs. 2 BewG ist (u.a.) für Anteile an Gesellschaften mit beschränkter Haftung der gemeine Wert (§ 10) maßgebend. Läßt sich der gemeine Wert aus Verkäufen nicht ableiten, so ist er unter Berücksichtigung des Gesamtvermögens und der Ertragsaussichten der Gesellschaft zu schätzen.
Gemäß § 10 Abs. 1 BewG ist bei Bewertungen, soweit nicht anderes vorgeschrieben ist, der gemeine Wert zu Grunde zu legen. Gemäß Abs. 2 dieser Gesetzesstelle wird der gemeine Wert durch den Preis bestimmt, der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach der Beschaffenheit des Wirtschaftsgutes bei einer Veräußerung zu erzielen wäre. Dabei sind alle Umstände, die den Preis beeinflussen, zu berücksichtigen. Ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse sind nicht zu berücksichtigen.
Im vorliegenden Fall steht zunächst in Streit, ob die belangte Behörde den gemeinen Wert der Anteile an der T-GmbH aus dem am erfolgten Verkauf von Anteilen abzuleiten hatte.
Dies ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nur dann der Fall, wenn die Verkäufe im gewöhnlichen Geschäftsverkehr zustandegekommen sind und keine gemäß § 10 Abs. 2 BewG nicht zu berücksichtigenden ungewöhnlichen oder persönlichen Verhältnisse vorlagen (vgl. z. B. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 17/3137/79, und vom , Zl. 89/15/0124).
Der Gerichtshof hat überdies bereits mehrfach ausgesprochen, daß ein einzelner Verkauf für die Ableitung des gemeinen Wertes von Anteilen (arg.: "aus Verkäufen") nicht genügt (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Slg. Nr. 5237/F, und vom , Zl. 88/15/0077). Die Ableitung des Wertes der Anteile aus dem am erfolgten Verkauf kommt im vorliegenden Fall daher schon deshalb nicht in Betracht, weil es sich dabei um ein einzelnes Geschäft handelte. Die (im übrigen zutreffende) Rechtsansicht der belangten Behörde, daß der Wert der Anteile (überdies) deshalb nicht aus dem erfolgten Verkauf abgeleitet werden könne, weil nach § 10 Abs. 2 BewG nicht zu berücksichtigende persönliche Verhältnisse vorlagen (nämlich die Veräußerung an den Rechtsfreund des Ehegatten im Zusammenhang mit einem Scheidungsvergleich zu einem ausdrücklich als "symbolischer Betrag" bezeichneten Entgelt bei gleichzeitiger ausdrücklicher Offenlegung eines Mißverhältnisses zwischen Entgelt und Wert der Anteile), bedarf daher keiner weiteren Erörterung.
Es war somit geboten, den gemeinen Wert unter Berücksichtigung des Gesamtvermögens und der Ertragsaussichten der Gesellschaft zu schätzen.
Die belangte Behörde nahm diese Schätzung nach dem Wiener Verfahren 1972 vor, das im Erlaß des Bundesministers für Finanzen vom , Zl. 252.873-IIa/Bi/1973, AÖFV Nr. 172/73, idF AÖFV Nr. 219/73, wiedergegeben bei Twaroch-Frühwald-Wittmann, Kommentar zum Bewertungsgesetz2, Erlässe A 19 ff, seinen Niederschlag fand. An dieses Verfahren bzw. an diesen Erlaß sind zwar mangels gehöriger Kundmachung und auch mangels eines normativen Gehaltes weder die Beschwerdeführerin noch der Verwaltungsgerichtshof gebunden (vgl. die Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes vom , Slg. Nr. 8613/F, sowie des Verwaltungsgerichtshofes vom , Slg. Nr. 5236/F, vom , Zl. 17/3137/79, vom , Zl. 84/15/0159, und vom , Zl. 89/15/0124). Dennoch bietet das Wiener Verfahren 1972 eine Schätzungsmethode für jene Schätzung, die nach dem zweiten Satz des § 13 Abs. 2 BewG zur Ermittlung des gemeinen Wertes vorzunehmen ist (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 85/15/0131, und vom , Zl. 89/15/0124). Der Verwaltungsgerichtshof hegt aus der Sicht des Beschwerdefalles keine Bedenken gegen die Schätzungsmethode des Wiener Verfahrens 1972, zumal die Beschwerdeführerin in ihren Überlegungen auf diese Methode selbst Bezug nimmt.
§ 13 Abs. 2 zweiter Satz BewG - und ihm folgend das Wiener Verfahren 1972 - sieht eine Schätzung unter Berücksichtigung des Gesamtvermögens und der Ertragsaussichten der Gesellschaft vor. Die Beschwerdeführerin wendet sich nicht gegen die Ermittlung des Gesamtvermögens durch die belangte Behörde. Im Zusammenhang mit der Ermittlung des Ertragswertes vertritt sie jedoch die Auffassung, dabei wäre zu berücksichtigen gewesen, daß ein Wegfall der Tätigkeit Dris. WN, der nicht wirksam an die Gesellschaft gebunden sei, zu deren völliger Ertragslosigkeit führen würde. Es wäre daher der 96-prozentige Anteil von RA Dr. S. nur mit dem Substanzwert anzusetzen, der Anteil von Dr. WN hingegen mit einem Paketzuschlag zu versehen.
Dabei verkennt die Beschwerdeführerin, daß bei der Schätzung der Ertragsaussichten, wie schon im angefochtenen Bescheid zutreffend dargelegt wurde, grundsätzlich davon auszugehen ist, daß das Unternehmen der Gesellschaft in der bisherigen Art und Weise - auch unter Mitwirkung der Gesellschafter - fortgeführt wird, es sei denn, daß konkret vorliegende Umstände eine andere Annahme rechtfertigen; willkürliche Annahmen müssen außer Betracht bleiben (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2915/78). Das Vorliegen solcher konkreter Umstände, die für einen Wegfall von Gesellschafterleistungen gesprochen hätten, hat die Beschwerdeführerin gar nicht behauptet; ihre oben dargelegten Ausführungen können der Beschwerde daher ebenfalls nicht zum Erfolg verhelfen.
Der Vollständigkeit halber ist den oben wiedergegebenen Darlegungen der Beschwerdeführerin, die auf eine differenzierende Bewertung der den verschiedenen Gesellschaftern zugeschriebenen Anteile abzielen, zu erwidern, daß die Bewertung der Beteiligung des einzelnen Gesellschafters in dessen Besteuerungsverfahren und nicht im Rahmen der einheitlichen und gesonderten Feststellung des gemeinen Wertes der Gesellschaftsanteile zu erfolgen hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Slg. Nr. 5237/F).
Die Beschwerdeführerin macht schließlich - unter Bezugnahme auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 745/77 (= Slg. Nr. 5236/F) - geltend, die belangte Behörde wäre verpflichtet gewesen, auch auf die Ergebnisse der dem Wirtschaftsjahr 1983 folgenden Jahre bis zum Zeitpunkt des Abschlusses des Berufungsverfahrens im Jahre 1988, die durchwegs negativ gewesen seien, Bedacht zu nehmen und den Ertragswert "auszuschalten".
Der Verwaltungsgerichtshof hat im zuletzt zitierten Erkenntnis ausgeführt, daß zwar gemäß § 71 Abs. 1 BewG von den Wertverhältnissen zum 31. Dezember (hier 1979 bzw. 1982) auszugehen ist, woraus folgt, daß auch die Berücksichtigung der Ertragsaussichten der Gesellschaft auf diesen Zeitpunkt abzustellen ist. Dies schließt indes nicht aus, daß die wirtschaftliche Entwicklung, wie sie sich tatsächlich nach dem Stichtag gestaltet hat, in Zweifelsfällen als Anhaltspunkt für die Bewertung am Stichtag verwendet wird, sofern die Entwicklung nicht einen außergewöhnlichen, am Stichtag nicht vorhersehbaren Verlauf genommen hat. Im Erkenntnis vom , Zl. 89/15/0124, hat der Verwaltungsgerichtshof diese Rechtsprechung aufrechterhalten.
In diesem Zusammenhang ist weiters zu erwähnen, daß nach dem Wiener Verfahren 1972 zwar die zukünftigen Ertragsaussichten aus dem Durchschnitt der letzten drei Jahreserträge (Erträge der drei letzten Wirtschaftsjahre vor dem Ermittlungszeitpunkt) zu ermitteln sind; wenn sich aber zur Zeit der Durchführung des Bewertungsverfahrens bereits das Ergebnis des Wirtschaftsjahres überblicken läßt, in das der Ermittlungszeitpunkt fällt, ist dieses Ergebnis in die Durchschnittsberechnung einzubeziehen (Punkt 5 des Erlasses).
In seinem Erkenntnis vom , Zl. 3447/78, das im zweiten Rechtsgang nach dem oben erwähnten Erkenntnis vom , Slg. Nr. 5236/F, ergangen ist, hat der Gerichtshof seine dort dargelegte Auffassung wie folgt präzisiert: Bei Ermittlung der Ertragsaussichten hat die Abgabenbehörde alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind. Dazu gehören auch Kenntnisse, die die Abgabenbehörde erst im Laufe des Ermittlungsverfahrens erlangt. Wertbestimmend können solche Kenntnisse jedoch nur insoweit sein, als sie eine Ertragsentwicklung betreffen, die nach dem Bewertungsstichtag nicht einen außergewöhnlichen, am Bewertungsstichtag nicht voraussehbaren Verlauf genommen hat, mit anderen Worten, die am Bewertungsstichtag bereits prognostizierbar war. Bei der schätzungsweisen Ermittlung des gemeinen Wertes sind nicht die tatsächlich nach dem Bewertungsstichtag erzielten Erträge, sondern die Ertragsaussichten zu berücksichtigen.
Im Beschwerdefall ermittelte das Finanzamt folgende berichtigten Gewinne:
1978 S 321.697,--
1979 S 184.745,--
1980 S 290.103,--
1981 S 122.259,--
1982 S 247.099,--.
Bei dieser Ertragslage kann nicht davon gesprochen werden, daß es sich - am Bewertungsstichtag vorhersehbar, etwa wegen eines Ertragsabfalles im Beobachtungszeitraum - um einen Zweifelsfall die weitere wirtschaftliche Entwicklung der Gesellschaft betreffend im Sinne der oben dargestellten Rechtsprechung gehandelt hätte. Auch die Beschwerdeführerin legt nicht dar, inwiefern hier ein Zweifelsfall vorgelegen hätte bzw. welche am jeweiligen Bewertungsstichtag bereits prognostizierbaren Umstände die belangte Behörde bei der Ermittlung der Ertragsaussichten hätte berücksichtigen können. Die von der Beschwerdeführerin pauschal behauptete negative Ertragslage in der Zeit nach den Bewertungsstichtagen stellt bei dieser Sachlage eine außergewöhnliche, am Bewertungsstichtag nicht vorhersehbare Ertragsentwicklung dar, die bei der Ermittlung des Ertragswertes nicht berücksichtigt werden konnte.
Die Beschwerden waren daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung vom , BGBl. Nr. 206.