VwGH vom 30.11.1993, 89/14/0300
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde des S in A, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in R, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich vom , Zl. 230/2-5/K-1989, betreffend Haftung für Lohnsteuer sowie Vorschreibung von Dienstgeberbeitrag zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag für die Jahre 1983 und 1984 (einschließlich Säumniszuschlag), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer betrieb von April 1983 bis Jänner 1984 ein Privatbordell. Von dritter Seite erfuhr die Abgabenbehörde von diesen geschäftlichen Aktivitäten. Im Zuge einer Einvernahme durch die Finanzstrafbehörde erster Instanz gab der Beschwerdeführer an, K "eingestellt" zu haben. K sei nicht bei der Sozialversicherung gemeldet gewesen und habe auch keine Lohnsteuerkarte vorgelegt. Er habe offiziell S 20.000,-- bis S 25.000,-- verdient. In Wahrheit dürfte es mehr gewesen sein. Der Beschwerdeführer habe nicht kontrollieren können, was K tatsächlich eingenommen habe. K habe eine "Provision" von 30 % (später nur mehr 20 %) des Umsatzes erhalten. An weiteren Ausgaben seien die Miete, Strom-, Betriebs- und Telefonkosten sowie Kosten für Getränke und Behördengebühren angefallen.
Das Finanzamt erblickte in K einen Dienstnehmer des Beschwerdeführers und schrieb diesem Dienstgeberbeitrag zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfe samt Zuschlag sowie - im Haftungsweg - Lohnsteuer und schließlich auch einen Säumniszuschlag vor, wobei von einem im Schätzungsweg errechneten Bruttolohn von monatlich S 68.664,-- ausgegangen wurde.
Der Beschwerdeführer erhob Berufung und bestritt das Vorliegen eines Dienstverhältnisses. K sei dem Beschwerdeführer gegenüber nicht weisungsgebunden gewesen. Er habe "vielmehr auf die Geschäftsführung und Gebarung einen Einfluß genommen, der für einen Dienstnehmer ungewöhnlich" sei. Auch die errechnete Bruttoentlohnung von S 68.460,-- (richtig S 68.664,--) spreche nicht "für einen normalen Dienstnehmer". Im übrigen könne aus dem Umstand, daß die von K bezogene Vergütung als Betriebsausgabe abgezogen worden sei, nicht auf das Vorliegen eines Dienstverhältnisses geschlossen werden, weil auch "Provisionen oder die Bezüge eines zu mehr als 25 % beteiligten Gesellschafters als Betriebsausgaben absetzbar" seien.
Nach Ergehen einer abweisenden Berufungsvorentscheidung beantragte der Beschwerdeführer die Entscheidung über seine Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz. Aus seiner Aussage, daß er K "eingestellt" habe, könne nicht zwingend auf den Abschluß eines Dienstvertrages geschlossen werden. Der Beschwerdeführer sei nur Vermieter des Lokals gewesen. K habe ihm als Entgelt den verbliebenen Reingewinn bezahlt. Das Vorliegen einer Beteiligung habe er nie behauptet.
Über Anfrage der belangten Behörde teilte der Beschwerdeführer mit, K sei "der Zuhälter der Damen" gewesen. Irgendwann habe er sich "mehr oder weniger aufgedrängt", die im Betrieb anfallenden Arbeiten (Getränkeeinkauf und -verkauf, Abrechnung mit AKM und Gemeinde, Inkasso der Eintrittsgelder) zu übernehmen und dafür 30 % des Bruttoumsatzes als Vergütung zu kassieren. Er habe keine fixen Dienstzeiten einhalten müssen und zumindest genauso wie der Beschwerdeführer ein Unternehmerrisiko getragen. Welche Beträge K schlußendlich für sich entnommen habe, entziehe sich der Kenntnis des Beschwerdeführers. Als dann das von K abgelieferte Geld weniger geworden sei, habe der Beschwerdeführer dem K nicht mehr 30 % der Einnahmen überlassen wollen. K habe dies aber nicht zur Kenntnis genommen. Es sei zu einem Polizeieinsatz gekommen. In der Folge seien dem Beschwerdeführer keine Einnahmen mehr zugeflossen, weil er "den Club" nicht mehr betreiben habe können; dieser sei von K bzw. von einem Freund des K übernommen worden.
Die belangte Behörde hielt dem Beschwerdeführer vor, er habe der Polizei gegenüber erklärt, den Club endgültig geschlossen und die Prostituierten sowie K als Geschäftsführer "entlassen" zu haben.
Der Beschwerdeführer teilte daraufhin mit, daß aus der Formulierung "entlassen" nicht auf ein Dienstverhältnis geschlossen werden könne. Auch die Prostituierten seien "entlassen" worden, ohne je in einem Dienstverhältnis zum Beschwerdeführer gestanden zu haben. Es sei unbestritten, daß K die Geschäfte für den Beschwerdeführer geführt habe.
Die belangte Behörde wies die Berufung ab und begründete dies im wesentlichen mit dem Überwiegen der Merkmale einer unselbständigen Tätigkeit des K.
Gegen diese Entscheidung wendet sich die Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach seinem insoweit übereinstimmenden Vorbringen im Verwaltungsverfahren und im verwaltungsgerichtlichen Verfahren hat der Beschwerdeführer den K als Geschäftsführer für sein Privatbordell "eingestellt"; dieser hat auch tatsächlich den Betrieb des Beschwerdeführers geführt.
Die Tätigkeit eines Geschäftsführers kann Ausfluß seiner Rechtsstellung als Gesellschafter sein, sie kann aber auch selbständig im Rahmen eines Werkvertrages oder unselbständig im Rahmen eines Dienstvertrages ausgeübt werden.
Ein Gesellschaftsverhältnis scheidet im Beschwerdefall aus, weil es vom Beschwerdeführer bestritten wurde und auch die belangte Behörde nichts in dieser Richtung vorgebracht hat; den Verwaltungsakten läßt sich ebenfalls kein Anhaltspunkt für das Bestehen eines Gesellschaftsverhältnisses entnehmen.
Es ist daher nur mehr zu prüfen, ob K im Rahmen eines Werkvertrages oder eines Dienstvertrages als Geschäftsführer tätig wurde. Die im Wirtschaftsleben üblichere Vertragsgestaltung, betreffend die Ausübung einer Geschäftsführertätigkeit, ist die eines Dienstvertrages. Es ist daher zweckmäßig, das Tätigkeitsbild eines Geschäftsführers zunächst danach zu untersuchen, ob es die Merkmale eines Dienstverhältnisses aufweist, und jene Merkmale, die allenfalls für einen Werkvertrag sprechen, in ihrer Bedeutung den für ein Dienstverhältnis sprechenden Merkmalen gegenüber zu stellen. Finden sich Merkmale beider Vertragstypen, so sind die überwiegenden Merkmale maßgebend.
Gemäß § 47 Abs. 3 EStG 1972 liegt ein Dienstverhältnis vor, wenn der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber seine Arbeitskraft schuldet. Dies ist der Fall, wenn die tätige Person in der Betätigung ihres geschäftlichen Willens unter der Leitung des Arbeitgeber steht oder im geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers dessen Weisungen zu folgen verpflichtet ist.
Für die Eingliederung des K in den geschäftlichen Organismus des Beschwerdeführers bzw. für das Vorliegen einer weisungsgebundenen Tätigkeit spricht die "Einstellung" des K, der damit beauftragt wurde, den Betrieb des Beschwerdeführers zu führen. Daß die Betriebsführung den Vorstellungen des Beschwerdeführers zu entsprechen hatte, ergibt sich aus dem für eine Geschäftsführung typischen Auftragsverhältnis. Selbst wenn die Behauptung des Beschwerdeführers zutreffen sollte, daß K weisungswidrig gehandelt hat, so ändert dies nichts daran, daß er verpflichtet gewesen wäre, die Weisungen des Beschwerdeführers zu befolgen. Im übrigen ist es bei Arbeitnehmern, die in leitender Funktion tätig sind, üblich, daß sich die Weisungen des Arbeitgebers auf grundsätzliche Fragen beschränken und dem Arbeitnehmer weitgehende Entscheidungsfreiheit eingeräumt ist. In der Rechtsprechung werden daher noch weitere Kriterien genannt, die für ein Dienstverhältnis sprechen. Dazu gehört das Fehlen eines Unternehmerwagnisses. Das bedeutet aber nicht, daß der Arbeitnehmer keinerlei Risiko trägt bzw. den wirtschaftlichen Erfolg seiner Tätigkeit für sich selbst nicht mitbestimmen könnte. Leistungsbezogene Provisionen, Prämien und Lohnzuschläge sind durchaus auch bei Dienstverhältnissen üblich. Ein Unternehmerwagnis geht aber über derartige Möglichkeiten, die Höhe der Einnahmen durch entsprechende Leistungen mitbestimmen zu können, insoweit hinaus, als der Unternehmer grundsätzlich die Kosten, die mit der Leistungserbringung wirtschaftlich verbunden sind, zu tragen hat und das Risiko eines wirtschaftlichen Mißerfolges auch dann den Unternehmer trifft, wenn er den Mißerfolg nicht verursacht hat.
Betrachtet man die Tätigkeit des K unter diesem Gesichtspunkt, so ist zunächst die Aussage des Beschwerdeführers von Bedeutung, wonach K einen bestimmten Prozentsatz des Umsatzes als Tätigkeitsvergütung erhalten hat und der Beschwerdeführer den Rest nach Bezahlung aller Betriebsausgaben, die im Betrieb des Beschwerdeführers angefallen sind. Das vom Beschwerdeführer behauptete Unternehmerrisiko des K erschöpfte sich somit in seiner umsatzabhängigen Tätigkeitsvergütung. Nun trifft es zwar zu, daß eine Entlohnung, die sich AUSSCHLIEßLICH am wirtschaftlichen Erfolg einer Tätigkeit orientiert, für einen Dienstnehmer eher selten ist; dessen ungeachtet kommt sie im Wirtschaftsleben vor (z.B. Akkordantentätigkeit, Provisionsempfänger, Heimarbeiter etc.). Sie begründet insbesondere dann kein Unternehmerrisiko, wenn die mit der Tätigkeit verbundenen Kosten unmittelbar vom Auftraggeber getragen werden, und wenn diesem gegenüber ein wirtschaftliches Abhängigkeitsverhältnis besteht.
Der Beschwerdeführer bringt vor, K habe nicht bloß seine Arbeitskraft, sondern einen Arbeitserfolg, nämlich "die Sicherung der Einnahmen des Privatbordells" geschuldet; er sei also nicht bloß für die "Anwesenheit" entlohnt worden. Dazu ist zu sagen, daß auch Arbeitnehmer regelmäßig eine Leistung zu erbringen haben, die über ihre bloße Anwesenheit hinausgeht.
Wenn der Beschwerdeführer auf die umfassenden Dispositionsbefugnisse hinweist, die K bei Führung des Betriebes hatte, so ist dies, wie bereits gesagt, bei einer Geschäftsführertätigkeit, auch wenn sie im Rahmen eines Dienstverhältnisses ausgeübt wird, nichts Ungewöhnliches.
Ebensowenig zielführend ist der Hinweis des Beschwerdeführers auf den Umstand, daß die Tätigkeit des K ihrer Art nach nicht vergleichbar gewesen sei "mit Tätigkeiten anderer (normaler) Art". Aus welchen Gründen dies der Beurteilung der Tätigkeit als einer solchen aus nichtselbständiger Arbeit entgegenstehen sollte, wird in der Beschwerde nicht ausgeführt und ist für den Gerichtshof nicht erkennbar.
Gleiches gilt für das Fehlen von Aufzeichnungen, die nur K hätte führen können. Wenn dem Beschwerdeführer dadurch die Kontrolle über das Ausmaß der Einnahmen entzogen war, so ändert dies nichts an seiner Eigenschaft als Betriebsinhaber, dem eine bessere Betriebsorganisation möglich gewesen wäre.
Zusammenfassend ist zu sagen, daß in der Beschwerde nichts vorgebracht wird, was geeignet wäre, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides darzutun. Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 104/1991.