VwGH vom 29.11.2001, 2001/16/0251
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Fellner und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Valenta, über die Beschwerde des M in W, vertreten durch Dr. Hildegard Hartung, Rechtsanwalt in Wien XVII, Jörgerstraße 20, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , GZ RV/50-13/99, betreffend Finanzvergehen der Abgaben- und der Monopolhehlerei, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- (= EUR 1090,05) binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Nach den Feststellungen der Abgabenbehörden verbrachte Andras F. in der Zeit vom März 1996 bis Juli 1997 480 Stangen Zigaretten vorschriftswidrig in das Zollgebiet. Bei seiner ersten Vernehmung am durch das Hauptzollamt Wien als Finanzstrafbehörde erster Instanz gab Andras F. unter anderem an, er habe zunächst für Tibor N. Zigaretten aus Ungarn geschmuggelt. Als er später Tibor N. nicht mehr getroffen habe, habe er in den Lokalen, in denen Tibor N. dies getan hatte, Zigaretten angeboten. Nur in einem Espresso habe sich jemand zur Abnahme von Zigaretten bereit erklärt. Es habe sich dabei um einen ca. 35-jährigen Mann, ca. 190 cm groß, ziemlich korpulent, mit langen blonden Haaren gehandelt. Es dürfte sich dabei um den Besitzer dieses Lokals handeln. Ab November 1995 habe er für diesen Mann Zigaretten von Ungarn nach Österreich geschmuggelt. Es dürfte sich um 350 bis 400 Stangen Zigaretten verschiedener Marken gehandelt haben. Am heutigen Tag sei er mit 10 Stangen Zigaretten zu dem Espresso gefahren. Sein Abnehmer sei aber nicht anwesend gewesen. Eine anwesende Person, vermutlich ein Kellner, habe die Zigaretten nicht übernehmen wollen und gesagt, er solle gegen Mittag wieder kommen.
Nach einem Aktenvermerk über ein mit Bez. Insp. K. vom Wachzimmer Hernalser Hauptstraße am geführtes Telefonat betreibt die W. GmbH, "Inhaber" Franz W., das beschriebene Cafehaus C. und am gleichen Standort die Gaststätte S. Bei der beschriebenen Person könne es sich nicht um Franz W. handeln. Sie könnte auf einen dort angestellten Kellner passen, der zeitweise in den beiden Gaststätten arbeite.
Bei einer neuerlichen Vernehmung am berichtigte Andras F seine Angaben. Der Mann mit den langen blonden Haaren, der dort als Kellner gearbeitet habe, habe nicht die einbekannten Zigarettenmengen erhalten. Vielmehr habe dieser von ihm in der Zeit von April 1996 bis insgesamt ca. 30 Stangen Zigaretten der Marken Camel Light und Ernte 23 erhalten. Als Andras F. am das letzte Mal in dieses Cafe Zigaretten geliefert habe, sei der blonde Mann nicht anwesend gewesen. Er habe das Geld für die übergebenen Zigaretten von einem 55- bis 60- jährigen Mann erhalten, der ihm auch gleich einen neuen Bestellzettel für die nächste Lieferung übergeben habe.
Nach einem Aktenvermerk vom wurden von Organen des Hauptzollamtes in der bezeichneten Gaststätte die beiden Angestellten Sonja K. und Walter S. angetroffen. Sonja K. habe angegeben, sie sei seit ca. zwei Jahren in dem Lokal angestellt. Beide hätten angegeben, es sei ihnen ein Mann, auf den die Personsbeschreibung passen würde, gänzlich unbekannt. Franz W. gab nach einem weiteren Aktenvermerk vom an, bei diesem Mann handle es sich um den Beschwerdeführer. Dieser sei bis Mitte 1996 bei ihm beschäftigt gewesen.
Bei seiner Vernehmung am gab der Beschwerdeführer gegenüber Organen der Finanzstrafbehörde erster Instanz an, er sei im Cafehaus der W. GmbH nur bis Oktober, November 1995 beschäftigt gewesen. Das Dienstverhältnis sei nach finanziellen Problemen im beiderseitigen Einvernehmen beendet worden. Er habe dort im Jahre 1996 keine Zigaretten übernehmen können, weil er dort nicht beschäftigt gewesen sei. Nach Vorlage eines Lichtbildes des Andras F. gab der Beschwerdeführer an, diesen noch nie gesehen zu haben. Während seiner Beschäftigung sei auch ein ca. 55- bis 60-jähriger Mann im Cafe beschäftigt gewesen.
Nach einem Aktenvermerk vom über eine Erhebung bei der Wiener Gebietskrankenkasse bezog der Beschwerdeführer in der Zeit zwischen April 1996 und dem Notstandshilfe. Der Beschwerdeführer sei in dieser Zeit nicht als beschäftigt gemeldet gewesen. Die W GmbH habe noch nie Arbeitskräfte beschäftigt.
Am verwies der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung auf seine am gemachten Angaben und gab ergänzend an, er habe sich im April 1996 auf seiner Hochzeitsreise in der Dominikanischen Republik aufgehalten. Es sei richtig, dass Franz W. sein Chef gewesen sei. Er sei zwar Raucher, rauche aber nicht so starke Marken. Er habe zum Tatzeitraum nicht im Lokal des Franz W. gearbeitet. Er habe nur von Mitte 1994 bis Ende 1994 und vom bis im Lokal des Franz W. gearbeitet. Früher sei der Beschwerdeführer öfter auch als Kunde in dem Lokal gewesen. Der Anzeiger Andras F hätte in Anbetracht der Jahreszeit auch seine Tätowierungen auf den Ober- und Unterarmen bemerken müssen. Er habe diese aber offenbar nicht bemerkt, obwohl die Tätowierungen sehr auffällig seien.
Mit Erkenntnis der Finanzstrafbehörde erster Instanz vom wurde der Beschwerdeführer des Finanzvergehens der vorsätzlichen Abgaben- und Monopolhehlerei nach § 37 Abs 1 lit a und § 46 Abs 1 lit a FinStrG schuldig erkannt. In der Begründung dieses Bescheides wurde ausgeführt, die Angaben des Andras F. über seine Abnehmer hätten sich durchwegs als nachvollziehbar und wahr erwiesen. Seine detaillierte Beschreibung des Geschäftslokals, wo sich der Beschwerdeführer, sei es als Kellner oder als Kunde, aufgehalten habe, aber auch die genaue Personsbeschreibung hätten geradewegs zum Beschwerdeführer geführt. Auf Grund der detaillierten Personsbeschreibung des Andras F. hätten sowohl ein Organ des nahe gelegenen Wachzimmers Brunnenmarkt als auch Franz W. den Beschwerdeführer eindeutig identifizieren können. Den Angaben des Beschwerdeführers komme daher keine Glaubwürdigkeit zu.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die gegen das Straferkenntnis erhobene Berufung als unbegründet abgewiesen. In der Begründung dieses Bescheides wurde insbesondere ausgeführt, sowohl ein Organ der Bundespolizeidirektion Wien als auch der ehemalige Arbeitgeber hätten den Beschwerdeführer auf Grund der exakten Personsbeschreibung, die Andras F über den Beschwerdeführer abgegeben habe, eindeutig erkannt. Auch die genaue Beschreibung des Cafes als Umschlagplatz der Zigaretten, in dem der Beschwerdeführer sowohl als Aushilfskellner tätig als auch als Gast anwesend gewesen sei, ließen keinen Zweifel an den Aussagen des Andras F. offen.
In der Beschwerde gegen diesen Bescheid erachtet sich der Beschwerdeführer in seinem Recht auf Straffreiheit bis zum Nachweis seiner Schuld verletzt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Begründung eines Bescheides muss erkennen lassen, welcher Sachverhalt der Entscheidung zu Grunde gelegt wurde, aus welchen Erwägungen die Behörde zur Ansicht gelangt ist, dass gerade dieser Sachverhalt vorliegt und aus welchen Gründen die Behörde die Subsumtion des Sachverhaltes unter einen bestimmten Tatbestand für zutreffend erachtet (vgl zB das hg Erkenntnis vom , Zl 97/16/0227). Diesen Erfordernissen entspricht der angefochtene Bescheid in keiner Weise:
Die Finanzstrafbehörden haben es insbesondere unterlassen, das Erhebungsergebnis umfassend darzustellen. Die Ausführungen darüber, die Personsbeschreibungen des Andras F seien exakt gewesen und hätten eindeutig auf den Beschwerdeführer, der sich in dem von Franz W geführten Lokal als Aushilfskellner und als Gast aufgehalten habe, hingewiesen, sind aktenwidrig. Die - in den Bescheiden nicht exakt wiedergegebene - Beschreibung des Andras F in seiner Vernehmung vom lautete auf einen "ca 35- jährigen Mann, ca. 190 cm groß, ziemlich korpulent, lange gewellte blonde Haare", bei dem es sich um den Besitzer des Lokals gehandelt haben dürfte. Dieser Mann habe ihm 350 - 400 Stangen Zigaretten verschiedener Marken abgenommen. Bei der weiteren Vernehmung am gab Andras F. zu, dass die diesbezüglichen Angaben unrichtig gewesen seien. Der Mann mit den langen blonden Haaren habe in dem Cafe als Kellner gearbeitet und (nur) ca 30 Stangen Zigaretten abgenommen, seine Angaben über rd. 300 Stangen bezögen sich auf andere Abnehmer. Eine entsprechende Würdigung dieser widersprüchlichen Angaben hat die belangte Behörde unterlassen.
Die belangte Behörde hat den angefochtenen Bescheiden weiters darauf gestützt, ein - im angefochtenen Bescheid nicht näher genanntes - Organ der Bundespolizeidirektion Wien habe den Beschwerdeführer eindeutig als die von Andras F. beschriebene Person erkennen können. Diese den angefochtenen Bescheiden tragende Begründung ist gleichfalls aktenwidrig. Der von der belangten Behörde offensichtlich gemeinte BezInsp K hat vielmehr laut einem Aktenvermerk angegeben, bei der beschriebenen Person handle es sich nicht um den Lokalinhaber Franz W; diese Personsbeschreibung könnte jedoch auf einen dort angestellten Kellner, welcher zeitweise in den beiden Gaststätten arbeite, passen.
Demgegenüber hat sich die belangte Behörde mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers, er habe im angenommenen Tatzeitraum nicht im Cafe des Franz W gearbeitet, nicht auseinandergesetzt. Das Ergebnis der bei der Wiener Gebietskrankenkasse durchgeführten Erhebungen wurde von der Finanzstrafbehörde nicht gewürdigt. Die Finanzstrafbehörde hat keinen Versuch unternommen, die Widersprüche zwischen der nur in einem Aktenvermerk festgehaltene Aussage des Franz W-. und den Angaben des Beschwerdeführers über die Zeit seiner Beschäftigung - allenfalls auch an Hand der Bücher und Aufzeichnungen der W. GmbH - aufzuklären und entsprechend zu würdigen.
Auch die Annahme der Behörden, der Beschwerdeführer habe sich als Gast in dem Lokal aufgehalten, ist im Erhebungsergebnis nicht gedeckt: Der Beschwerdeführer hat vielmehr bei seiner Vernehmung im Zusammenhang mit seinen Angaben über seine 1995 beendete Tätigkeit als Kellner angegeben, er habe sich "früher" auch als Gast in dem Lokal aufgehalten. Daraus kann aber nicht gefolgert werden, dass er sich auch im Tatzeitraum regelmäßig in dem Lokal aufgehalten hat.
Die Aussage der - im gegenständlichen Lokal als Angestellte beschäftigt gewesenen - Sonja K. vom , wonach ihr ein blonder Mann gänzlich unbekannt sei, wurde von der Finanzstrafbehörde weder erwähnt noch einer entsprechenden Würdigung unterzogen.
Mit den dargestellten Begründungsmängeln hat die belangte Behörde Verfahrensvorschriften außer Acht gelassen hat, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs 2 Z 3 lit c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl 416/1994.
Wien, am