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VwGH vom 25.03.2004, 2001/16/0241

VwGH vom 25.03.2004, 2001/16/0241

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Fellner, Dr. Höfinger, Dr. Kail und Dr. Köller als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Siegl, über die Beschwerde der Dr. G in H, vertreten durch Mag. Heimo Fresacher, Rechtsanwalt in 9400 Wolfsberg, Herrengasse 1/4, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Kärnten vom , Zl. RV 470/1-5/01, betreffend Erbschaftssteuer, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.172,88 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Mutter der Beschwerdeführerin, M., übergab und überließ mit Übergabevertrag vom zwei Liegenschaften ihrem Sohn P. In diesem Notariatsakt wurde unter Punkt 4. vereinbart:

Über Anweisung der Übergeberin verpflichtet sich der Übernehmer an seine Schwester, (Beschwerdeführerin) zur Abfindung deren Pflichtteilsansprüche hinsichtlich der vertragsgegenständlichen Liegenschaften den Betrag von insgesamt S 2 Mio. auszuzahlen, und zwar unter der Bedingung, dass von (Beschwerdeführerin) ein entsprechender Pflichtteilsverzicht unterfertigt wird.

Dieser Betrag ist innerhalb von einem Jahr, gerechnet ab dem Ableben der Übergeberin, zur Zahlung fällig."

Mit Notariatsakt vom sprach die Beschwerdeführerin den geforderten Pflichtteilsverzicht aus. Darin verzichtete sie, mit Wirkung für ihre Nachkommen, gegenüber ihrer Mutter M., jedoch nur hinsichtlich der beiden übergebenen Liegenschaften auf ihr gesetzliches Pflichtteilsrecht. Wörtlich wurde darin ausgeführt:

"Dieser Teilpflichtteilsverzicht erfolgte unter der Bedingung der Zahlung des Entfertigungsbetrages von S 2,000.000,-- gemäß dem Übergabsvertrag vom ."

Mit Notariatsakt vom selben Tag gab M. eine Annahmeerklärung bezüglich des notariellen Pflichtteilsverzichtes der Beschwerdeführerin ab. Das Finanzamt Klagenfurt schrieb mit Bescheid vom der Beschwerdeführerin für den Pflichtteilsverzichtsvertrag samt Annahme vom , ausgehend von einem steuerpflichtigen Erwerb in Höhe von S 1,970.000,-- (abgezogen wurde der Freibetrag gemäß § 14 Abs. 1 ErbStG) 7 % Schenkungssteuer vor.

In ihrer dagegen erstatteten Berufung verwies die Beschwerdeführerin darauf, dass sie nur unter der Bedingung der Zahlung des Betrages von S 2,000.000,-- auf ihr Pflichtteilsrecht verzichtet hätte. Dieser Betrag sei ihr nicht zugeflossen, sodass die Schenkungsteuerpflicht nicht bestehe.

Nach abweisender Berufungsvorentscheidung durch das Finanzamt beantragte die Beschwerdeführerin die Vorlage ihrer Berufung an die Abgabenbehörde zweiter Instanz. Auch bei Zahlung von Erbabfindungsbeträgen, welche nicht unter der Bedingung der Abgabe eines Pflichtteilverzichtes vereinbart würden, entstehe die Steuerschuld erst mit der tatsächlichen Zahlung des Erbteilsbetrages. Es sei auch festzuhalten, dass für die Beschwerdeführerin keine Sicherheit bestehe, dass sie den Betrag tatsächlich erhalte; insbesondere trage sie das Risiko der Zahlungsunfähigkeit des Verpflichteten. Auch bei Schenkungsverträgen auf den Todesfall entstünde die Steuerpflicht erst mit dem Ableben des Geschenkgebers.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Nach § 3 Abs. 1 Z. 5 ErbStG gelte als Schenkung im Sinne des Gesetzes, was als Abfindung für einen Erbverzicht gewährt wurde; nach § 12 Abs. 1 Z. 2 leg. cit. entstehe die Steuerschuld bei Schenkungen unter Lebenden mit dem Zeitpunkt der Ausführung der Zuwendung. Ein Erbverzichtsvertrag unterliege bei Unentgeltlichkeit des Verzichtes nicht der Steuerpflicht, weil keine Bereicherung eintrete; werde aber der Verzicht durch ein Entgelt auch nur teilweise abgegolten, so läge insoweit eine Schenkung nach § 3 Abs. 1 Z. 5 ErbStG im Verhältnis des zukünftigen Erblassers zum künftigen Erben vor. Der Steuertatbestand werde verwirklicht, wenn der Verzichtende für seinen Verzicht bloß objektiv einen Vermögensvorteil erhalte, ein Zufließen des Abfindungsbetrages werde zur Erfüllung des steuerpflichtigen Tatbestandes hingegen nicht gefordert. Daher komme es auch nicht auf das vom Beschwerdeführer behauptete Risiko des tatsächlichen Zuflusses an. Mit der Schenkung auf den Todesfall sei der Sachverhalt nicht vergleichbar, weil dort ein gesonderter Entstehenszeitpunkt bestehe.

In ihrer dagegen erhobenen Beschwerde erachtet sich die Beschwerdeführerin in ihrem Recht auf vorläufige Steuerbefreiung verletzt und beantragt die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 3 Abs. 1 Z. 5 ErbStG gilt als Schenkung im Sinne des Gesetzes, was als Abfindung für einen Erbverzicht (§ 551 ABGB) gewährt wird.

Während der Erbverzicht (bzw. hier: Pflichtteilsverzicht) als solcher keinen schenkungsteuerpflichtigen Tatbestand bildet (Dorazil-Taucher, ErbStG4 (2001) § 3 Rz. 13.3.), soll durch diesen Tatbestand das erfasst werden, was zu Lebzeiten des Erblassers als Aufwendung für den Erbverzicht gewährt wird (Dorazil-Taucher a.a.O. Rz. 13.4., Fellner, Gebühren und Verkehrsteuern, Band III, Erbschafts- und Schenkungsteuer10, Rz. 69 zu § 3 ErbStG). Diese Unterscheidung ist wesentlich für die hier zu beurteilende Frage des Entstehens der Steuerschuld.

§ 12 Abs. 1 ErbStG regelt das Entstehen der Steuerschuld wie folgt:

"Die Steuerschuld entsteht

1. bei Erwerben von Todes wegen mit dem Tode des Erblassers, jedoch

a) für den Erwerb des unter einer aufschiebenden Bedingung oder unter einer Befristung Bedachten mit dem Zeitpunkt des Eintrittes der Bedingung oder des Ereignisses;

b) für den Erwerb eines geltend gemachten Pflichtteilsanspruches mit dem Zeitpunkt der Geltendmachung;

c) im Falle des § 2 Abs. 2 Z. 1 mit dem Zeitpunkt der Genehmigung der Stiftung;

d) in den Fällen des § 2 Abs. 2 Z. 2 mit dem Zeitpunkt der Vollziehung der Auflage oder der Erfüllung der Bedingung;

e) in den Fällen des § 2 Abs. 2 Z. 3 mit dem Zeitpunkt der Genehmigung;

f) in den Fällen des § 2 Abs. 2 Z. 4 mit dem Zeitpunkt des Verzichtes oder der Ausschlagung;

g) im Falle des § 2 Abs. 2 Z. 5 mit dem Zeitpunkt der Übertragung der Anwartschaft;

h) für den Erwerb des Nacherben mit dem Zeitpunkt des Eintrittes der Nacherbfolge;

2. bei Schenkungen unter Lebenden mit dem Zeitpunkt der Ausführung der Zuwendung;

3. bei Zweckzuwendungen mit dem Zeitpunkt des Eintrittes der Verpflichtung des Beschwerten."

Im gegebenen Fall hat die pflichtteilsberechtigte Beschwerdeführerin im Wege eines Vertrages mit der noch lebenden Erblasserin auf ihren Pflichtteil unter der Bedingung der Zahlung des Entfertigungsbetrages von S 2,000.000,-- verzichtet; im Übergabevertrag zwischen der späteren Erblasserin und dem durch den Verzicht Begünstigten wurde vereinbart, dass der Begünstigte zur Abfindung dieser Pflichtteilsansprüche den Betrag von S 2,000.000,-- an die Verzichtende leistet, wobei dieser Betrag innerhalb von einem Jahr ab dem Ableben der Erblasserin zur Zahlung fällig wird.

Strittig ist im Beschwerdefall allein, wann der Zeitpunkt der Ausführung der Zuwendung anzusetzen ist.

Während beim Erwerb von Todes wegen die Abfindung für einen solchen Verzicht im Sondertatbestand des § 12 Abs. 1 lit. f geregelt ist (siehe die Darlegungen bei Fellner a.a.O., Rz. 20 zu § 12 ErbStG) gilt für diesen Vorgang unter Lebenden die allgemeine Regelung des § 12 Abs. 2 ErbStG für Schenkungen. Eine Schenkung gilt an dem Tag als ausgeführt, an dem die Bereicherung im Vermögen des Beschenkten tatsächlich eintritt und der Beschenkte in den Besitz des Geschenkes kommt; als Ausführung der Zuwendung ist der Eintritt der Bereicherung auf Seiten des Beschenkten anzusehen. Es kommt nicht darauf an, was dem Beschenkten urkundlich versprochen worden ist, sondern darauf, was der Beschenkte - sei es im Wege der körperlichen Übergabe, sei es durch eine Gutschrift, über die er jederzeit verfügen konnte, sei es sonst wie - tatsächlich bekommen hat (siehe die Nachweise bei Fellner a.a.O., Rz. 23 zu § 12 ErbStG). Dies hat auch für den Tatbestand des § 3 Abs. 1 Z. 5 ErbStG zu gelten (vgl. Dorazil-Taucher a.a.O., § 3 Rz. 13.4 lit. b).

Von einer bereits erfolgten tatsächlichen Zuwendung kann nach dem vorliegenden Sachverhalt keine Rede sein. Dazu kommt, dass der Pflichtteilsverzicht "unter der Bedingung der Zahlung des Entfertigungsbetrages" abgegeben wurde; eine Sonderregelung für den Erwerb unter aufschiebenden Bedingungen ist für Schenkungen unter Lebenden nicht vorgesehen, sodass auch bei aufschiebend bedingten Schenkungen die Steuerpflicht mit der Ausführung der Zuwendung entsteht (Fellner a.a.O. Rz. 30 zu § 12 ErbStG; dort wird auch jene Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zitiert, wonach die Zuwendung nicht vor dem Eintritt der Bedingung als ausgeführt gelten kann).

Mit all dem ist die Auffassung der belangten Behörde, dass bereits im Verzichtszeitpunkt ein objektiver Vermögensvorteil eingetreten sei und eine Zufließen nicht gefordert sei, nicht in Einklang zu bringen. Der Bescheid leidet somit an inhaltlicher Rechtswidrigkeit, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003, insbesondere deren § 3 Abs. 2.

Wien, am