VwGH 11.11.1998, 98/04/0151
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssatz
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Norm | GewO 1994 §87 Abs2; |
RS 1 | Bei Anwendung des § 87 Abs 2 GewO 1994 geht es unter anderem darum, daß nicht etwa durch eine Exekution eines "Altgläubigers" in das Vermögen des Gewerbetreibenden andere Gläubiger dadurch zu Schaden kommen, daß damit dem Gewerbetreibenden jenes Vermögen entzogen wird, das er nach seiner Disposition zur Befriedigung dieser Gläubiger bestimmt hat. Diese Gefahr besteht unabhängig davon, ob die Forderung des "Altgläubigers" in einem Zusammenhang mit der Ausübung des in Rede stehenden Gewerbes steht oder nicht. |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Stöberl, Dr. Blaschek und Dr. Baur als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Urban, über die Beschwerde des BV in L, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom , Zl. Ge-215774/14-1998/Pan/Neu, betreffend Entziehung der Gewerbeberechtigung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem Bescheid vom entzog der Landeshauptmann von Oberösterreich dem Beschwerdeführer im Instanzenzug gemäß § 87 Abs. 1 Z. 2 in Verbindung mit § 13 Abs. 3 und § 361 GewO 1994 die ihm zustehende Gewerbeberechtigung. Zur Begründung führte der Landeshauptmann aus, es sei unbestritten, daß mit Beschluß des Landesgerichtes Linz vom ein Antrag auf Eröffnung des Konkurses über das Vermögen des Beschwerdeführers mangels eines zur Deckung der Kosten des Konkursverfahrens voraussichtlich hinreichenden Vermögens abgewiesen wurde. Ob dies zu Recht erfolgt sei, habe die Gewerbebehörde nicht zu prüfen. Es seien daher die Voraussetzungen zur Entziehung des in Rede stehenden Gewerbes grundsätzlich gegeben. Es sei daher zu prüfen, ob die Tatbestandsvoraussetzungen des § 87 Abs. 2 GewO 1994 für ein Absehen von der Entziehung gegeben seien. In diesem Zusammenhang komme es nur darauf an, daß die bestehenden Zahlungspflichten bei Fälligkeit erfüllt würden. Zu dieser Frage habe das Erhebungsergebnis ergeben, daß der Beschwerdeführer bei der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft einen Beitragsrückstand in der Höhe von S 364.000,-- habe. Darüber hinaus habe das Bezirksgericht Linz mitgeteilt, es seien gegen den Beschwerdeführer Exekutionen anhängig gewesen und es seien solche offen. Die Bezahlung der in den Exekutionsverfahren betriebenen Forderungen sei vom Beschwerdeführer nur teilweise nachgewiesen worden. So sei kein Hinweis über die Bezahlung der Forderung des Dr. H. in der Höhe von S 11.486,88 vorgelegt worden. Dieses Erhebungsergebnis zeige, daß der Beschwerdeführer bei Fälligkeit nicht seiner Zahlungspflicht nachkomme, da andernfalls weder offene Exekutionen noch Beitragsrückstände bestehen dürften. Es lägen somit die Voraussetzungen des § 87 Abs. 2 GewO 1994 nicht vor.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich der Beschwerdeführer nach seinem gesamten Vorbringen in dem Recht auf Ausübung des in Rede stehenden Gewerbes verletzt. In Ausführung des so zu verstehenden Beschwerdepunktes macht er zunächst geltend, dem angefochtenen Bescheid sei nicht zu entnehmen, welche konkrete Behörde den Bescheid erlassen habe. Im Bescheidkopf vor dem Spruch sei lediglich davon die Rede, der Bescheid ergehe "vom Landeshauptmann als Organ der mittelbaren Bundesverwaltung". Es sei jedoch nicht angeführt, der Landeshauptmann welchen Bundeslandes den angefochtenen Bescheid erlassen habe. Auch die Unterschriftsklausel lasse dies nicht entnehmen, da es dort nur heiße "Im Auftrag ...". Da sohin die bescheiderlassende Behörde nicht identifizierbar sei, leide der angefochtene Bescheid schon aus diesem Grund an inhaltlicher Rechtswidrigkeit. Die Annahme der belangten Behörde, die weitere Gewerbeausübung liege nicht im Interesse der Gläubiger, sei verfehlt. Nur dann, wenn der Beschwerdeführer sein Gewerbe weiter ausüben könne, werde er in der Lage sein, Einkünfte zu erzielen und seine Gläubiger zu befriedigen. Die belangte Behörde habe es unterlassen, die nunmehrige wirtschaftliche Lage des Beschwerdeführers festzustellen, obwohl nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hiebei auf die gesamte wirtschaftliche Situation des Gewerbetreibenden Bedacht zu nehmen sei. Die Forderung des Dr. H. habe die belangte Behörde zu Unrecht als offene Forderung berücksichtigt, weil der Beschwerdeführer, wie er auch im Verfahren vorgebracht habe, gegenüber Dr. H. auf Grund fehlerhafter Beratungsleistungen Schadenersatzansprüche habe, die dessen Honorarforderung überstiegen. Mit diesen Schadenersatzforderungen habe er gegen die Honorarforderung des Dr. H. aufgerechnet und es stehe diesem daher keine Forderung mehr zu. Es werde auch nicht festgestellt, woraus die Verbindlichkeiten gegenüber der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft resultierten. Wäre das Beweisverfahren durchgeführt worden, hätte sich ergeben, daß diese Verbindlichkeiten mit der Ausübung des gegenständlichen Gewerbes in keinerlei Zusammenhang stünden, sondern vielmehr aus der früheren Geschäftsführertätigkeit des Beschwerdeführers für ein anderes Unternehmen und aus einem früheren Zeitraum resultiere. Weiters hätte festgestellt werden müssen, daß mit der gewerblichen Sozialversicherung ohnehin eine Ratenzahlungsvereinbarung getroffen worden sei und er somit seinen fälligen Zahlungsverpflichtungen durchaus nachkomme. Der Anwendung des § 87 Abs. 2 GewO 1994 könne es nicht entgegenstehen, wenn ältere Verbindlichkeiten, die in keinem Zusammenhang mit der Ausübung des gegenständlichen Gewerbes stünden, noch aufrecht seien und nicht unmittelbar abgedeckt werden könnten. Es könnten daher die Verbindlichkeiten des Beschwerdeführers gegenüber der gewerblichen Sozialversicherung nicht zur Ablehnung der Anwendung des § 87 Abs. 2 GewO 1994 führen. Unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften wirft der Beschwerdeführer der belangten Behörde vor, sie habe die von ihm beantragten Beweise, insbesondere die Einvernahme seiner Frau sowie seine eigene Einvernahme als Partei, nicht durchgeführt. Bei Vermeidung dieses Verfahrensmangels wäre hervorgekommen, daß der Beschwerdeführer auf Grund seiner derzeitigen wirtschaftlichen Situation in der Lage sei, die laufenden Verbindlichkeiten im Zusammenhang mit der Ausübung des gegenständlichen Gewerbes abzudecken, allenfalls bestehende Zahlungsrückstände die Vergangenheit betreffend sukzessive abzudecken. Es hätte sich weiters ergeben, daß er in der Lage sei, die aktuellen fällig werdenden Verbindlichkeiten rechtzeitig zu bezahlen. Es hätte sich weiters herausgestellt, daß seine Verbindlichkeiten gegenüber der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft in keinerlei Zusammenhang zur gegenständlichen Gewerbeausübung stünden. Es hätte sich weiters herausgestellt, daß er keinerlei Verbindlichkeiten gegenüber Dr. H. habe.
Zum Argument des Beschwerdeführers, dem angefochtenen Bescheid sei nicht zu entnehmen, vom Landeshauptmann welchen Bundeslandes er erlassen worden sei, ist auf den Kopf der vom Beschwerdeführer dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Bescheidausfertigung zu verweisen, der die Bezeichnung "Amt der O.Ö. Landesregierung" trägt. Daraus ergibt sich mit ausreichender Klarheit, daß der in der Folge in diesem Bescheid als bescheiderlassende Behörde bezeichnete Landeshauptmann jener des Bundeslandes Oberösterreich ist.
Auch mit dem weiteren Beschwerdevorbringen vermag der Beschwerdeführer eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht darzutun. Er bestreitet mit diesem Vorbringen nicht das Vorliegen des Entziehungsgrundes gemäß § 87 Abs. 1 Z. 2 in Verbindung mit § 13 Abs. 3 GewO 1994. Er meint vielmehr, es seien entgegen der Annahme der belangten Behörde die Voraussetzungen des § 87 Abs. 2 leg. cit. gegeben, wonach von der im Abs. 1 Z. 1 vorgeschriebenen Entziehung der Gewerbeberechtigung wegen Eröffnung des Konkurses oder Abweisung eines Antrages auf Konkurseröffnung mangels eines zur Deckung der Kosten des Konkursverfahrens voraussichtlich hinreichenden Vermögens abgesehen werden kann, wenn die Gewerbeausübung vorwiegend im Interesse der Gläubiger gelegen ist.
Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung dargetan hat, ist - ausgehend vom normativen Gehalt der zitierten Bestimmung - die Gewerbeausübung nur dann "vorwiegend im Interesse der Gläubiger gelegen", wenn auf Grund der nunmehrigen wirtschaftlichen Lage erwartet werden kann, daß der Gewerbetreibende auch den mit der Ausübung des den Gegenstand der ausgesprochenen Entziehung bildenden Gewerbes verbundenen Zahlungspflichten nachkommen wird, was jedenfalls voraussetzt, daß die erforderlichen liquiden Mittel zur Abdeckung der diesbezüglichen Verbindlichkeiten vorhanden sind. Hingegen ist es nicht schon allein entscheidungsrelevant, daß das den Gegenstand der Entziehung bildende Gewerbe ausgeübt wird, damit die vorhandenen Forderungen berichtigt werden. Es muß ferner die pünktliche Erfüllung aller Zahlungspflichten erwartet werden können. Eine bloße Verbesserung der wirtschaftlichen Situation verbunden mit einer lediglich teilweisen Abzahlung von Rückständen ist nicht ausreichend. Es muß nämlich sichergestellt sein, daß die im Zusammenhang mit einer weiteren Gewerbeausübung zu erwartenden Verbindlichkeiten durch liquide Mittel beglichen werden können, um nicht eine Schädigung weiterer Gläubiger durch die fortgesetzte Gewerbeausübung eintreten zu lassen (vgl. z. B. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 98/04/0032).
Mit dem Beschwerdevorbringen, die von der belangten Behörde unter anderem als offen festgestellte Forderung der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft hätte bei Beurteilung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 87 Abs. 2 GewO 1994 nicht berücksichtigt werden dürfen, weil sie in keinerlei Zusammenhang mit der gegenständlichen Gewerbeausübung bestehe, vermag der Beschwerdeführer eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht darzutun. Wie aus der oben dargestellten Rechtslage ersichtlich ist, geht es bei Anwendung des § 87 Abs. 2 leg. cit. u. a. darum, daß nicht etwa durch eine Exekution eines "Altgläubigers" in das Vermögen des Gewerbetreibenden andere Gläubiger dadurch zu Schaden kommen, daß damit dem Gewerbetreibenden jenes Vermögen entzogen wird, das er nach seiner Disposition zur Befriedigung dieser Gläubiger bestimmt hat. Diese Gefahr besteht unabhängig davon, ob die Forderung des "Altgläubigers" in einem Zusammenhang mit der Ausübung des in Rede stehenden Gewerbes steht oder nicht.
Soweit der Beschwerdeführer aber geltend macht, bei Durchführung der von ihm beantragten Beweise hätte die belangte Behörde zu dem Ergebnis kommen müssen, hinsichtlich der Forderung der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft sei eine Ratenzahlungsvereinbarung getroffen worden, der der Beschwerdeführer auch nachkomme, ist darauf schon wegen des im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltenden Neuerungsverbotes nicht weiter einzugehen. Denn im Verwaltungsverfahren wurde die Behauptung einer von ihm in der Folge auch eingehaltenen Ratenzahlungsvereinbarung mit der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft niemals erhoben. Im übrigen konnte sich die belangte Behörde bei ihrer diesbezüglichen Feststellung auf das Schreiben der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft vom stützen, in dem auf eine letzte Zahlung des Beschwerdeführers vom und die weitere offene Forderung von S 280.982,98 verwiesen wird. Eine Ratenzahlungsvereinbarung sei nicht eingehalten worden. In einem (in der Folge dem Parteiengehör unterzogenen) Aktenvermerk vom wird schließlich festgehalten, daß von der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft der nunmehr offene Betrag mit S 364.000,-- beziffert wird.
Davon ausgehend erweist sich im Hinblick auf die oben dargestellte Rechtslage die Annahme der belangten Behörde, die Tatbestandsvoraussetzungen des § 87 Abs. 2 GewO 1994 seien nicht erfüllt, schon im Hinblick auf die von ihr festgestellte Forderung der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft als frei von Rechtsirrtum. Es erübrigt sich daher auf die in der Beschwerde aufgeworfene Frage einzugehen, ob die Behörde auch die anderen im angefochtenen Bescheid erwähnten Forderungen zu Recht als offen festgestellt hat.
Konnte aber solcherart die belangte Behörde vom Nichtvorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des § 87 Abs. 2 GewO 1994 ausgehen, bildet die von ihr ausgesprochene Entziehung der Gewerbeberechtigung des Beschwerdeführers keine rechtswidrige Gesetzesanwendung.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich im Rahmen des gestellten Begehrens auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Norm | GewO 1994 §87 Abs2; |
Sammlungsnummer | VwSlg 15018 A/1998 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:1998:1998040151.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
TAAAE-43199