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VwGH vom 30.01.1990, 89/14/0227

VwGH vom 30.01.1990, 89/14/0227

Beachte

Besprechung in:

ÖStZB 1990, 307;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Reichel und die Hofräte Dr. Hnatek, Dr. Pokorny, Dr. Karger und Dr. Müller als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Dr. Egger, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Steiermark vom , Zl. B 60-4/89, betreffend Eintragung eines steuerfreien Betrages auf der Lohnsteuerkarte für das Kalenderjahr 1987, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.620,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist Sicherheitswachebeamter in der Verwendungsgruppe W 2, der die Beamten-Aufstiegsprüfung (B-Matura) abgelegt hat. Ab Jänner 1986 nahm er am zweijährigen Grundausbildungslehrgang für Wachebeamte der Verwendungsgruppe W 1 in der Gendarmeriezentralschule in Mödling teil. Im Hinblick auf seinen Familienwohnsitz in der Steiermark entstanden ihm hiedurch Fahrtkosten, deren durch Reisegebühren nicht gedecktes Ausmaß fast S 50.000,-- betrug. Der Beschwerdeführer machte diese als Werbungskosten im Zusammenhang mit seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit als Wachebeamter geltend.

Die belangte Behörde erkannte dem Beschwerdeführer mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid im Instanzenzug nur außergewöhnliche Belastung für Berufsausbildung in dem durch § 34 Abs. 7 EStG 1972 beschränkten Ausmaß zu, weil es sich bei dem Grundausbildungslehrgang nicht um Berufsfortbildung handle; die erfolgreiche Absolvierung des erwähnten Lehrganges sei nämlich Ernennungserfordernis für Wachebeamte der Verwendungsgruppe W 1. Bei dieser höheren Verwendungsgruppe handle es sich um eine völlig andere Berufslaufbahn.

Der Beschwerdeführer erachtet sich durch diesen Bescheid in seinem Recht auf Berücksichtigung der erwähnten Werbungskosten verletzt. Er behauptet Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften sowie inhaltliche Rechtswidrigkeit und beantragt deshalb, den angefochtenen Bescheid aufzuheben.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Ausbildungskosten sind Aufwendungen zur Erlernung eines Berufes. Sie zählen grundsätzlich zu den Kosten der Lebensführung im Sinne des § 20 EStG 1972. Hingegen sind Fortbildungskosten, die durch die Weiterbildung im erlernten Beruf erwachsen, als Werbungskosten abzugsfähig. Um eine berufliche Fortbildung handelt es sich aber nur dann, wenn der Steuerpflichtige seine bisherigen beruflichen Kenntnisse und Fähigkeiten verbessert, um seinen Beruf besser ausüben zu können. Von Fortbildung wurde in der Judikatur bisher etwa beim Besuch einer Werkmeisterschule ausgegangen, weil die Berufstellung eines Werkmeisters gegenüber der Gehilfentätigkeit keinen zweiten Beruf darstelle. Der Beruf des Bäckermeisters und Konditormeisters stelle gegenüber der der Ablegung der Meisterprüfung vorhergehenden Gesellentätigkeiten ebenfalls keinen anderen Beruf dar. Der Hochschulassistent übe bereits einen Beruf aus, der eine akademische Ausbildung zur Voraussetzung habe; deshalb zählten die Aufwendungen eines wissenschaftlichen Assistenten an einer Hochschule zur Habilitation zu den Werbungskosten. Die mit der Vorbereitung auf die Rechtsanwaltsprüfung und deren Ablegung verbundenen Kosten des Rechtsanwaltsanwärters stellten Aufwendungen zur Berufsfortbildung dar, weil Rechtsanwaltsanwärter und Rechtsanwalt den gleichen Beruf ausübten (vgl. diese Beispiele in Schubert-Pokorny-Schuch-Quantschnigg, Einkommensteuer-Handbuch,

2. Aufl., Tz 35 zu § 16).

Entscheidend für die Unterscheidung zwischen Berufsausbildung und Berufsfortbildung ist, wie die angeführten Beispiele zeigen, die Beantwortung der Frage, ob bereits ein Beruf ausgeübt wird und ob die Bildungsmaßnahmen der Erlangung eines anderen Berufes dienen oder der Verbesserung von Fähigkeiten und Kenntnissen in der Ausübung des bisherigen Berufes, sei es auch in einer qualifizierteren (besseren) Stellung (z.B. Geselle-Meister im selben Handwerk;

Rechtsanwaltsanwärter-Rechtsanwalt;

Universitätsassistent-Universitätsdozent). Für die Klärung der damit wesentlichen Frage nach der Berufsidentität ist unter Bedachtnahme auf Berufszulassungsregeln und -gepflogenheiten das Berufsbild maßgebend, wie es sich nach der Verkehrsauffassung auf Grund des Leistungsprofils des betreffenden Berufes darstellt. Sie kann daher nicht für eine große Gruppe von Berufstätigen (etwa: Selbständige, Unselbständige, Dienstnehmer in der Privatwirtschaft, Öffentlich Bedienstete, A-Beamte, B-Beamte etc.) einheitlich beantwortet werden, sondern bedarf einer Lösung im Einzelfall. Die Herausschälung der zu betrachtenden Berufsgruppe steht nämlich in einem komplexen Zusammenhang mit der Berufsbildermittlung.

Von diesen Überlegungen ausgehend, zeigt sich in dem zur Entscheidung stehenden Fall folgendes:

Der Beschwerdeführer ist öffentlich Bediensteter, und zwar Beamter. Von den zu berücksichtigenden Berufszulassungsregeln und -gepflogenheiten und der Verkehrsauffassung her ist diese Beschreibung jedoch ungenügend, um als Berufsbeschreibung auszureichen. Innerhalb der öffentlich Bediensteten gibt es unterschiedlichste Verwendungen mit verschiedensten Anstellungs-(Ernennungs-)erfordernissen und Leistungsbildern. Die Frage ist daher dahin einzuengen, ob Wachebeamte, in Sonderheit Wachebeamte der Verwendungsgruppe W 1 und W 2, nach den oben angeführten Kriterien ein und denselben Beruf ausüben, oder ob es sich um verschiedene Berufe handelt. Sie läßt sich allerdings, wie bereits oben angeführt, nur anhand der besonderen Ernennungserfordernisse (§ 4 Abs. 2 BDG) sowie der Tatsache verschiedener Verwendungsgruppen innerhalb der Wachebeamten nicht beantworten. Das Erfordernis der erfolgreichen Ablegung der Reifeprüfung an einer höheren Schule, des Diploms einer Akademie für Sozialarbeit oder der Beamten-Aufstiegsprüfung (P 11.1 lit. a iVm P 2.1 und 2.2 der Anlage 1 zum BDG) sagt auch nichts darüber aus, ob es sich beim Wachebeamten, insbesondere beim Wachebeamten der Verwendungsgruppe W 1 und W 2 um einen Beruf (mit unterschiedlichem Leistungsstand wie etwa Geselle-Meister) oder um zwei verschiedene Berufe handelt. Auch der im Dienstrecht gewählte Ausdruck "Grundausbildung" gibt keinen Aufschluß, weil er nicht im Hinblick auf die steuerliche Terminologie gewählt wurde, sondern in der Absicht, damit die in §§ 23, 24 Abs. 1 BDG genannten Zielvorgaben zum Ausdruck zu bringen. Es kann aber wohl keinem Zweifel unterliegen, daß etwa ein im provisorischen Dienstverhältnis stehender Beamter der allgemeinen Verwaltung der Verwendungsgruppe A vor und nach seiner Definitivstellung (und damit vor und nach dem erfolgreichen Abschluß der Grundausbildung für die Verwendungsgruppe A) denselben Beruf ausübt. Die belangte Behörde irrte daher, wenn sie glaubte, aus dem Wort "AUSBILDUNGSlehrgang" für ihren Standpunkt etwas gewinnen zu können.

Dafür, daß es sich bei den Wachebeamten, insbesondere bei denen der Verwendungsgruppe W 1 und W 2 um einen gemeinsamen Beruf handeln könnte, spricht jedoch der zu den besonderen Ernennungserfordernissen zählende Umstand, daß die Grundausbildung eine vierjährige Dienstzeit in der Verwendungsgruppe W 2 oder W 3 und den erfolgreichen Abschluß der Grundausbildung für Wachebeamte voraussetzt (P 11.1 lit. b der Anlage 1 zum BDG). Dieses Erfordernis scheint die Einheitlichkeit des Berufsstandes der Wachebeamten besonders zu betonen und darauf Wert zu legen, daß der Beamte der höheren Verwendungsgruppe die langjährigen beruflichen Erfahrungen der niedrigeren Verwendungsgruppe und die Kenntnisse auf Grund der für sie vorgesehenen Ausbildung mitbringt. Es handelt sich dabei um einen Gesichtspunkt, der dem ähnlich ist, der im Verhältnis zwischen Geselle und Meister beim Handwerk und dem zwichen Rechtsanwaltsanwärter und Rechtsanwalt in diesem freien Beruf besteht. Unter anderem hierauf wird bei der gebotenen Gesamtbetrachtung Rücksicht zu nehmen sein.

Der Verwaltungsgerichtshof ist jedoch der Ansicht, daß diese Überlegungen allein nicht ausreichen, die zur Entscheidung stehende Frage zu beantworten, weil es, wie bereits oben dargelegt, auch auf das Leistungsprofil ankommt, das für den betreffenden Beruf charakteristisch ist und die Verkehrsauffassung vom Berufsbild mitbestimmt. Dieses Leistungsprofil, das nicht nur durch dienstrechtliche Regeln, sondern vor allem auch durch die dienstliche Praxis geprägt wird, hat die belangte Behörde aber in Verkennung der Rechtslage außer acht gelassen und daher mangels entsprechender Ermittlungen auch nicht festgestellt. Der Verwaltungsgerichtshof, der gemäß § 41 Abs. 1 VwGG bei Prüfung der Rechtsrüge von dem auf gesetzmäßige Weise von der belangten Behörde festgestellten Sachverhalt auszugehen hat, kann daher nicht beurteilen, welches Leistungsprofil und damit welches Berufsbild nach der Verkehrsauffassung zugrunde zu legen ist, und ob daher etwa die Behauptung des Beschwerdeführers zutrifft, daß schon Beamte der Verwendungsgruppe W 2 eine gehobene Stellung innehaben und in vielfacher Hinsicht Vorgesetztenfunktion ausüben, ob der Unterschied in der Vorgesetztenfunktion zwischen W 2 und W 1-Beamten geringer ist, als zwischen letzteren und einem Polizeidirektor in einer größeren Stadt.

Erst Feststellungen über die Art der Leistungen, die für das durchschnittliche Leistungsprofil maßgebend sind, ließen nämlich eine abschließende Beantwortung der Frage zu, ob Sicherheitswachebeamte, insbesondere solche der Verwendungsgruppe W 1 und W 2 gemäß dem Berufsbild, das die Auffassung von der Einheit des Berufes prägt, ein und denselben Beruf ausüben, mag auch mit der Verwendung in W 1 größere Verantwortung verbunden sein und die Tätigkeit größere Kenntnisse erfordern (wie etwa im Verhältnis Geselle-Meister in einem Handwerk oder im Verhältnis Rechtsanwaltsanwärter-Rechtsanwalt), oder ob bei der gebotenen Gesamtbetracht im Hinblick auf die wesentlichen Unterschiede im Berufsbild von verschiedenen Berufen ausgegangen werden muß.

Dadurch, daß die belangte Behörde in Verkennung der Rechtslage den entscheidungswesentlichen Sachverhalt nicht festgestellt hat, belastete sie ihren Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, was zu dessen Aufhebung gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG führen mußte.

Die Entscheidung über Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundesministers für Gesundheit und öffentlicher Dienst vom , BGBl. Nr. 206.