VwGH vom 23.03.2001, 2001/16/0045

VwGH vom 23.03.2001, 2001/16/0045

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. iur. Mag. (FH) Schärf, über die Beschwerde der N GmbH in W, vertreten durch die Neumayer & Walter Rechtsanwälte-Partnerschaft in Wien 3, Baumannstraße 9/11, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich vom , GZ. RV 54/1-5/2000, betreffend Börsenumsatzsteuer, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus der Beschwerdeschrift, der ihr angeschlossenen Ausfertigung des angefochtenen Bescheides, den vom Verfassungsgerichtshof übermittelten Verwaltungsakten und der Beschwerdeergänzung ergibt sich folgender Sachverhalt:

Mit Notariatsakt vom trat die ReCon Projektentwicklungs- und Beteiligungs GesmbH ihren Geschäftsanteil (entsprechend einer voll eingezahlten Stammeinlage von S 500.000,--) an der AWB-Con Abfallwirtschafts-Beteiligungs GmbH (im folgenden kurz: AWB) an die Beschwerdeführerin um einen Abtretungspreis von S 1,00 ab, wobei der Abtretungsvertrag auszugsweise folgenden Inhalt hat:

"...Die 'NEW-COM' verpflichtet sich, der 'ReCon' auf Anforderung, neben dem vereinbarten Kaufpreis von einem österreichischen Schilling einen weiteren Betrag bis zu 15 Mio. ÖS (fünfzehnmillionen österreichische Schilling) einmalig oder in Teilbeträgen zu bezahlen, sobald und soweit ihr dies möglich ist, weil ihr auf Grund des Erwerbs der Anteile der 'ReCon' an der 'AWB-Con' Beträge zufließen aus den Titeln:

Veräußerungsgewinn bei Verkauf von Anteilen an der 'AWB-Con'; anteiliger Veräußerungsgewinn bei Verkauf von Anteilen an der UWEG-Gruppe; Liquidationsgewinn aus der 'AWB-Con' oder anteiliger Liquidationsgewinn aus der UWEG-Gruppe; in allen Fällen in der Höhe von 90 % (neunzig Prozent) im ersten Jahr 60 % (sechzig Prozent) im zweiten Jahr und 30 % (dreißig Prozent) im dritten Jahr nach Unterfertigung dieses Notariatsaktes.

Bei Gewinnausschüttungen der 'AWB-Conn' in den nächsten vier Jahren und bei Rückfluss von Darlehen an die 'AWB-Con' in den nächsten vier Jahren nach Unterfertigung dieses Notariatsaktes, soweit die 'NEW-COM' über diese Beträge verfügen kann.

Die 'NEW-COM' verpflichtet sich, dafür zu sorgen, dass dieser Anspruch der 'ReCON' von etwaigen Rechtsnachfolgern übernommen wird. Im übrigen wird die Hälfte des oben genannten Betrages von 15 MIo ÖS (fünfzehnmillionen österreichische Schilling) sofort fällig, sofern die 'NEW-COM' in der Lage ist, innerhalb von dreißig Monaten nach Unterfertigung dieses Notariatsaktes, die Zahlung unter zumutbarer Aufnahme eines Darlehens zu erbringen. Sollte die 'NEW-COM' innerhalb von achtzehn Monaten nach Unterfertigung dieses Notariatsaktes den Betrag von 7,5 Mio ÖS (siebenmillionenfünfhunderttausend österreichische Schilling) an die 'ReCon' bezahlen, sind damit sämtliche Ansprüche der 'ReCon' laut diese Vertragspunkt abgegolten.

Die 'ReCon' hat das Recht, den Eintritt der Fälligkeitsvoraussetzungen gegebenenfalls selbst oder durch beauftragte Wirtschaftsprüfer auf ihre Kosten prüfen zu lassen.

...

Sechstens: Dieser Vertrag verliert seine Rechtswirksamkeit, wenn die Mitgesellschafterin der 'AWB-Con', Firma AWB Abfall-Wirtschaft-Beteiligungs Gesellschaft m.b.H. mit dem Sitz in Maria Enzersdorf am Gebirge (FN 128494) m), den vertragsgegenständlichen Geschäftsanteil der 'ReCon' in Ausübung ihres Aufgriffsrechtes gemäß Gesellschaftsvertrag vom (neunundzwanzigster September neunzehnhundertfünfundneunzig) erwirbt.

..."

§ 4 des Gesellschaftsvertrages der AWB lautet:

" § 4

Abtretung von Geschäftsanteilen

(1) Die Geschäftsanteile sind unter den Voraussetzungen der nachfolgenden Absätze (2) bis (8) teilbar und übertragbar:

(2) Beabsichtigt ein Gesellschafter seinen Geschäftsanteil ganz oder teilweise zu veräußern, so hat er diesen bzw. den entsprechenden Teil unter Bekanntgabe des Kaufpreises und der günstigen Bedingungen zunächst den anderen Gesellschaftern anzubieten. Diese haben dem abgabebereiten Gesellschafter binnen einem Monat zu erklären, ob sie ihr Aufgriffsrecht ausüben. Soweit die Ausübung des Aufgriffsrechtes durch einen oder mehrere Gesellschafter unterbleibt, steht es den aufgriffsbereiten Gesellschaftern anteilig zu. Sie haben ihr diesbezügliches, erweitertes Aufgriffsrecht binnen weiterer vierzehn Tage auszuüben. Ein darüber hinausgehendes Aufgriffsrecht findet nicht statt.

(3) Der aufgriffsbereite Gesellschafter hat innerhalb der Fristen gemäß Abs. 2) für die Ausübung des Aufgriffsrechtes das Recht, eine Festsetzung des Kaufpreises durch einen beeideten Wirtschaftsprüfer auf Basis der von der Kammer der Wirtschaftstreuhänder herausgegebenen "Betriebswirtschaftlichen Richtlinien für die Ermittlung des Wertes von Unternehmensanteilen" bindend für alle Gesellschafter zu verlangen. Der Wirtschaftsprüfer hat sein Gutachten binnen dreißig Tagen zu erstatten.

Einigen sich die Beteiligten nicht innerhalb einer Woche auf die Person des Wirtschaftsprüfers, so ist dieser auf Verlangen eines beteiligten Gesellschafters vom Präsidenten der Kammer für Wirtschaftstreuhänder Wien zu bestellen. Der Wirtschaftsprüfer hat beide Seiten vor Festsetzung des Kaufpreises zu hören. Die Kosten des Wirtschaftsprüfers tragen die aufgriffsbereiten Gesellschafter.

(4) Die beteiligten Gesellschafter können binnen einer Woche nach Verständigung über den vom Wirtschaftsprüfer ermittelten Kaufpreis erklären, dass sie den Geschäftsanteil bzw. Teil davon zu diesem Kaufpreis nicht abgeben bzw. nicht erwerben wollen. Sofern dieser Rücktritt nicht rechtzeitig erklärt wird, ist der Kaufpreis binnen vierzehn Tagen nach Ablauf der Rücktrittsfrist gegen förmliche Anteilsübertragung zur Zahlung fällig.

(5) Alle Erklärungen und Verständigungen nach den vorstehenden Bestimmungen sind mit eingeschriebenem Brief abzugeben.

(6) Soweit der Geschäftsteil bzw. ein Teil davon nicht gemäß den Abs. 2) bis (4) übernommen wurde, kann ihn der abgebende Gesellschafter an Dritte innerhalb eines Jahres nach Ablauf der Fristen gemäß Abs. 2) bzw. der Rücktrittsfrist gemäß Abs. 4), jedoch nicht zu günstigeren als den vom abgabebereiten Gesellschafter gemäß Abs. 2) bekannt gegebenen Bedingungen für den Erwerber abtreten. In diesem Falle seht dem anderen Gesellschafter ein anteiliges Vorkaufsrecht gemäß den Bestimmungen des § 1072 ff. ABGB zu.

(7) Die vom Aufgriffs- oder Vorkaufsrecht Gebrauch machenden Gesellschafter haben diese Rechte auch hinsichtlich jener Anteile auszuüben, die auf die von diesen Rechten nicht Gebrauch machenden Gesellschafter entfallen.

(8) Die Bestimmungen der Abs. 2) bis (7) finden keine Anwendung, wenn ein Gesellschafter seinen Geschäftsanteil auf eine Gesellschaft übertragen will, die zu ihm in einem Konzernverhältnis steht. Solche Abtretungen sind ohne Genehmigung der anderen Gesellschafter möglich."

Das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Linz erließ am ausgehend von einer Bemessungsgrundlage von S 15,000.001,-- einen Börsenumsatzsteuerbescheid, wogegen die Beschwerdeführerin mit der Begründung berief, die Mitgesellschafterin habe ihr Aufgriffsrecht nach dem Gesellschaftsvertrag ausgeübt, wodurch der Abtretungsvertrag zufolge Wirksamwerdens der auflösenden Bedingung ex tunc vernichtet worden sei. Es bestehe daher keine Grundlage für die Besteuerung.

Gegen die daraufhin ergangene, abweisliche Berufungsvorentscheidung beantragte die Beschwerdeführerin rechtzeitig die Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz, wobei sie unter Hinweis auf diverse Entscheidungen des OGH den Rechtsstandpunkt vertrat, der Abtretungsvertrag sei absolut nichtig bzw. ein "Nullum" und könne daher keine Börsenumsatzsteuerpflicht auslösen.

Die belangte Behörde wies die Berufung als unbegründet ab, wobei sie davon ausging, der Abtretungsvertrag sei zunächst schwebend unwirksam gewesen und durch die Ausübung des Aufgriffsrechtes der dazu berechtigten Gesellschafterin endgültig unwirksam geworden. Es habe also ein bedingtes Anschaffungsgeschäft iS des § 18 Abs. 2 Z. 3 KVG vorgelegen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, ursprünglich an den Verfassungsgerichtshof erhobene und von diesem nach Ablehnung ihrer Behandlung an den Verwaltungsgerichtshof abgetretene Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes bzw. Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht darauf verletzt, nur bei Vorliegen eines Besteuerungstatbestandes (also eines gültigen Anschaffungsgeschäftes) besteuert zu werden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im vorliegenden Fall ist der Teil III Börsenumsatzsteuer des Kapitalverkehrsteuergesetzes noch anzuwenden.

Gemäß § 17 Abs. 1 leg. cit. unterliegt der Börsenumsatzsteuer der Abschluss von Anschaffungsgeschäften über Wertpapiere, wenn die Geschäfte im Inland oder unter Beteiligung wenigstens eines Inländers im Ausland abgeschlossen werden.

Nach § 18 Abs. 2 Z. 3 KVG in der bis zu der (mit Wirkung vom ) erfolgten Aufhebung durch den Verfassungsgerichtshof geltenden Fassung galten auch bedingte Anschaffungsgeschäfte als Anschaffungsgeschäfte.

Danach erfüllten sowohl aufschiebend als auch auflösend bedingte Anschaffungsgeschäfte gleichermaßen den Tatbestand eines Anschaffungsgeschäftes (siehe dazu z.B. Steiner, Die Bedingung im Recht der Gebühren und Verkehrsteuern, JBl. 1999, 137ff, 146 mwN in FN 89 und 90).

Die Beschwerde vertritt dazu unter Berufung auf die E des OGH SZ 57/8 und "RdW 2001, 20, 31" die Meinung, es sei im vorliegenden Fall nie ein wirksames Anschaffungsgeschäft zu Stande gekommen, weil dieses "absolut nichtig" sei.

Dem ist Folgendes entgegenzuhalten:

Die E des RdW 2001/20 und 10 Ob 78/00v RdW 2001/31 haben mit dem hier zu lösenden Rechtsproblem nichts zu tun.

Die Rechtsprechung des OGH vertritt zur Frage einer Anteilsabtretung, die ein in einem Gesellschaftsvertrag vereinbartes Aufgriffsrecht anderer Gesellschafter missachtet, in Anlehnung an die zur Beurteilung der Wirkung eines vertraglichen Abtretungsverbotes seit der Entscheidung eines verstärkten Senates vom , 5 Ob 609/81, SZ 57/8, herrschende Judikatur (siehe dazu auch Welser in Koziol/Welser, Bürgerliches Recht II11, 105) die Meinung, auch ein Aufgriffsrecht bewirke ein Abtretungsverbot mit absoluter Wirkung (vgl. 8 Ob 631/90ecolex 1982, 481 = RdW 1992, 339 = SZ 65/60).

Hängt die Abtretung nach den Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages von weiteren Voraussetzungen ab, so führt deren Fehlen, solange diese Voraussetzungen nicht erfüllt sind, zur schwebenden Unwirksamkeit des Geschäftes; steht ihr Nichteintritt fest, so liegt endgültige Unwirksamkeit vor ( 8 Ob 547, 458/92, ecolex 1994, 817; in diesem Sinn auch Koppensteiner, GmbHG-Komm2 Rz 7 zu § 76 GmbHG mwN).

Werden Anteile entgegen einer im Gesellschaftsvertrag vereinbarten Vinkulierung im Bewusstsein dieses Verstoßes abgetreten, so liegt ein einer Kollusion gleichzusetzendes Verhalten vor, das gemäß dem Grundsatz des § 879 ABG zur Unwirksamkeit des Geschäfts führt ( 7 Ob 2350/96fecolex 1997, 940).

Da sich im vorliegenden Fall die Vertragsparteien keineswegs im Wege einer einer Kollusion gleichzuhaltenden Rechtswidrigkeit über das Zugunsten der AWB im Gesellschaftsvertrag verankerte Aufgriffsrecht hinweggesetzt, sondern ganz im Gegenteil im Wege des Punktes 6. des Vertrages darauf ausdrücklich Rücksicht genommen haben, kann von einer Nichtigkeit des Geschäfts iS des § 879 ABGB von vornherein keine Rede sein. Die Vertragsparteien haben ihre Vereinbarung vielmehr schon nach ihrem rechtsgeschäftlichen Willen entsprechend der in der zitierten Rechtsprechung des OGH ausgesprochenen schwebenden Unwirksamkeit derart gestaltet, dass sie die Abtretung dem Regime einer (nach dem getroffenen Wortlaut auflösenden) Bedingung unterstellten. Dadurch wurden die Rechte des aufgriffsberechtigten Gesellschafters in keiner Weise beeinträchtigt. Die Vereinbarung vom kann daher nicht als "Nullum" angesehen werden. Die Beschwerdeführerin vermag daher mit ihrem Argument, es sei überhaupt kein wirksames Anschaffungsgeschäft abgeschlossen worden, nicht durchzudringen.

Es liegt vielmehr ein bedingtes Anschaffungsgeschäft vor, das nach § 18 Abs. 2 Z. 3 KVG ebenfalls den Steuertatbestand erfüllte, und zwar ohne Rücksicht darauf, dass in Fällen einer auflösenden Bedingung durch Eintritt der Bedingung die Rechtswirkung des Geschäftes wieder beseitigt werden.

Insoweit die Beschwerde in diesem Zusammenhang vermeint, die belangte Behörde habe bei Erlassung ihres Bescheides eine seit nicht mehr dem Rechtsbestand angehörende Norm angewendet, ist sie auf Folgendes zu verweisen: Auszugehen ist davon, dass der Beschwerdefall nicht Anlassfall iS des Art. 140 Abs. 7 B-VG war und dass er sich vor dem Zeitpunkt des vom Verfassungsgerichtshof bestimmten Außerkrafttretens der aufgehobenen Bestimmung verwirklicht hat. Wegen der sog. Zeitbezogenheit der Abgabenvorschriften ist auf einen Steuersachverhalt immer diejenige Rechtslage anzuwenden, die zur Zeit der Verwirklichung des entsprechenden Steuertatbestandes gegolten hat.

Daraus folgt, dass dem angefochtenen Bescheid insgesamt die behauptete Rechtswidrigkeit nicht anhaftet. Da dies bereits aus dem Inhalt der Beschwerde entnehmbar war, war diese gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nicht öffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am