VwGH vom 16.11.1993, 89/14/0163
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Hnatek, Dr. Pokorny, Dr. Karger und Dr. Baumann als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Dr. Hutter, über die Beschwerde des H in R, vertreten durch Dr. N, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Kärnten (Berufungssenat I) vom , Zl. 203/1-3/88, betreffend Einkommensteuer und Gewerbesteuer für die Jahre 1983 bis 1985, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer betreibt eine Holzhandelsagentur und ermittelt seinen Gewinn gemäß § 4 Abs. 1 EStG 1972. Für die Jahre 1980, 1982 und 1983 bildete er Rücklagen vom nichtentnommenen Gewinn gemäß § 11 EStG 1972.
Im Zuge einer Betriebsprüfung für die Jahre 1983 bis 1985 stellte der Prüfer unter anderem Mehrentnahmen im Sinne des § 11 Abs. 6 EStG 1972 fest und löste daher die Rücklagen mit entsprechenden Zuschlägen gewinnerhöhend auf. Zur Feststellung von Mehrentnahmen gelangte der Prüfer dadurch, daß er "Einlagen aus Privatdarlehen", die der Beschwerdeführer getätigt hatte, um seine Entnahmen wiederum auszugleichen, nicht als Einlagen, sondern als betriebliche Darlehen beurteilte.
Das Finanzamt folgte den Prüfungsfeststellungen und erließ entsprechende Abgabenbescheide.
Der Beschwerdeführer erhob Berufung. Er habe private Darlehen aufgenommen und die dadurch zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel als Einlagen in seinen Betrieb eingebracht. Damit habe er die aus den Betrieb entnommenen Mittel wiederum ersetzt. Daß es sich um private Darlehen gehandelt habe, werde durch den Umstand unterstrichen, daß die Darlehenszinsen nicht als Betriebsausgaben geltend gemacht worden seien. Die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach Darlehen, die für die Anschaffung von in den Betrieb eingebrachten Wirtschaftsgütern verwendet werden, Betriebsschulden darstellten (Erkenntnis vom , 83/14/0017, und vom , 83/14/0204), sei im Beschwerdefall nicht anwendbar, weil der Beschwerdeführer mit den Einlagen keine Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens angeschafft habe. Die Einlagen seien mehrere Jahre im Betriebsvermögen verblieben und hätten dadurch den Aufwand an betrieblichen Zinsen gemindert. Hätte der Beschwerdeführer die Kosten für seinen Lebensunterhalt von vornherein mit Privatkrediten finanziert und hiefür keine Entnahmen getätigt, so wären die Privatkredite mit Sicherheit nicht als betriebliche Verbindlichkeiten beurteilt worden.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung ab. Gegen diese Entscheidung wendet sich die Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 11 EStG 1972 in der für den Streitzeitraum geltenden Fassung konnten natürliche Personen zu Lasten des Gewinnes aus Gewerbebetrieb steuerfreie Rücklagen im Ausmaß von bis zu 50 v.H. des nichtentnommenen Gewinnes, höchstens aber 15 v.H. des Gewinnes bilden. Wenn in einem der auf das Jahr der Rücklagenbildung folgenden fünf Wirtschaftsjahre die Entnahmen höher waren als der jeweilige Gewinn des unmittelbar vorangegangenen Wirtschaftsjahres, so waren die Rücklagen gemäß Abs. 6 der zitierten Bestimmung im Ausmaß der Mehrentnahme gewinnerhöhend aufzulösen. Bei Prüfung des Ausmaßes allfälliger Mehrentnahmen waren nach der hg. Rechtsprechung Einlagen, die nicht nur für kurze Zeit getätigt wurden, mit den Entnahmen aufzurechnen (vgl. das Erkenntnis vom , 82/13/0239).
Streit besteht im verwaltungsgerichtlichen Verfahren darüber, ob fremdfinanzierte Geldmittel, die dem Betrieb zugeführt werden, als "entnahmenmindernde" Einlagen zu beurteilen sind, oder ob es sich bei den entsprechenden Verbindlichkeiten um Bestriebsschulden handelt.
Der Beschwerdeführer verweist zunächst auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach es dem Abgabepflichtigen freisteht, ob er seinen Betrieb mit Eigenmitteln oder mit Fremdmitteln finanziert (vgl. z.B. das Erkenntnis vom , 89/13/0112). Dieser Rechtsprechung liegen Beschwerdefälle zugrunde, bei denen die Abgabenbehörde den Abzug von Schuldzinsen als Betriebsausgaben mit der Begründung untersagte, daß die betreffenden Schulden durch (überhöhte) Entnahmen des Abgabepflichtigen verursacht worden seien. Der Gerichtshof hat einem solchen Kausalzusammenhang grundsätzlich keine entscheidende Bedeutung beigemessen, weil der Abgabepflichtige nicht verhalten sei, in den Betrieb eingebrachte oder im Betrieb erwirtschaftete Geldmittel dort als Eigenmittel zu belassen; er könne seinen Betrieb auch mit Fremdkapital finanzieren. Entscheidend für die Abzugsfähigkeit von Schuldzinsen als Betriebsausgaben sei die Verwendung der Geldmittel, die durch die Schuldaufnahme verfügbar gemacht werden. Ob nämlich ein Kredit (ein Darlehen) eine betriebliche oder eine private Verbindlichkeit darstellt, hängt davon ab, wozu die damit verfügbar gewordenen finanziellen Mittel dienen. Dienen sie der Finanzierung von Aufwendungen, die der privaten Lebensführung zuzuordnen sind, so liegen Privatverbindlichkeiten vor; dienen sie hingegen betrieblichen Zwecken, so ist die Verbindlichkeit als Betriebsschuld anzusehen. Ein Wahlrecht dergestalt, daß der Abgabepflichtige Fremdmittel als Eigenkapital erklärt und dieses als Einlage dem Betrieb zuführt, um einen betrieblichen Finanzierungsbedarf abzudecken, besteht nicht. Bilanztechnisch sind auch Schulden Wirtschaftsgüter, deren Zugehörigkeit zum Betriebsvermögen oder zum Privatvermögen nach ihrer Zweckbestimmung und tatsächlichen Nutzung zu beurteilen ist. Dies folgt aus dem Wesen der Bilanz, die eine Vermögensübersicht darstellt, bei der Aktiva und Passiva einander gegenübergestellt werden. Eine Schuld, die aus betrieblichen Gründen aufgenommen wurde bzw. deren Aufnahme dazu dient, dem Betrieb Geldmittel zur Verfügung zu stellen, gehört zum notwendigen Betriebsvermögen, das heißt, daß eine Behandlung als private Verbindlichkeit unzulässig ist. Zinsen für eine solche Schuld stellen zwingend Betriebsausgaben dar. Der Hinweis des Beschwerdeführers, er habe die Zinsen nicht als Betriebsausgaben geltend gemacht und damit klar zum Ausdruck gebracht, daß es sich bei den Schulden um private Verbindlichkeiten gehandelt habe, ist daher nicht zielführend.
Dem Beschwerdeführer ist hingegen zuzustimmen, wenn er zu der Auffassung gelangt, daß die steuerbegünstigte Bildung von Gewinnrücklagen gemäß § 11 EStG 1972 dort zu Schwierigkeiten führen kann, wo der Abgabepflichtige genötigt ist, seine privaten Lebensbedürfnisse durch Betriebsentnahmen zu finanzieren. Bei schlechter Gewinnlage können nämlich bereits bescheidene Entnahmen zur Nachversteuerung von Rücklagen führen. Daß aber auch Entnahmen, zu denen der Abgabepflichtige zwecks Finanzierung seiner notwendigsten Lebensbedürfnisse gezwungen ist, zur Nachversteuerung von in Vorjahren gebildeten Gewinnrücklagen führen, ergibt sich aus § 11 Abs. 7 EStG 1972. Danach sind bei der Nachversteuerung Zuschläge vorgesehen und zwar in Höhe von 5 v.H. für jedes Wirtschaftsjahr, um das die Rücklage (der Rücklagenteil) gegenüber dem Jahr der Bildung später aufgelöst wird. Diese Zuschläge haben zu entfallen, wenn die Mehrentnahmen ganz oder teilweise zur Deckung außergewöhnlicher Belastungen im Sinne des § 34 EStG 1972 oder zur Bestreitung des notwendigen Lebensunterhaltes des Steuerpflichtigen, seines Ehegatten und der Kinder im Sinne des § 119 leg. cit. erfolgt sind. Eine, wenn auch zuschlagsfreie Nachversteuerung hat jedoch auch in solchen Fällen zu erfolgen.
Ob eine solche zuschlagsfreie Nachversteuerung im Beschwerdefall vorzunehmen gewesen wäre, hatte der Gerichtshof nicht zu prüfen, weil der Beschwerdeführer kein diesbezügliches Vorbringen erstattet hat. Er hat zwar darauf hingewiesen, die Entnahmen für seinen Lebensunterhalt verwendet zu haben, nicht jedoch darauf, daß es sich dabei um seinen NOTWENDIGEN Lebensunterhalt gehandelt habe.
Der Beschwerdeführer bringt weiters vor, eine Nachversteuerung wäre jedenfalls vermieden worden, wenn er keine Entnahmen getätigt, sondern die für die private Lebensführung benötigten Mittel unmittelbar durch Kreditaufnahme beschafft hätte. Die vorübergehende Entnahme und spätere Rückführung der entnommenen Gewinne dürfe aber "nach den Gesetzen der Logik" zu keinem anderen Ergebnis führen. Der ersten Aussage ist zuzustimmen; zur zweiten ist zu sagen, daß es nicht gegen Gesetze der Logik verstößt, wenn unterschiedliche Vorgangsweisen steuerlich auch dann unterschiedliche Folgen haben können, wenn mit ihnen letztlich dasselbe wirtschaftliche Ziel angestrebt wird. Dies wird besonders deutlich in der bereits erwähnten hg. Rechtsprechung zur Abzugsfähigkeit von Schuldzinsen zum Ausdruck gebracht. Finanziert der Abgabepflichtige private Bedürfnisse mit Hilfe privater Kredite, so kann er die Schuldzinsen nicht als Betriebsausgaben geltend machen; entnimmt er hingegen seinem Betrieb vorhandene und für die Privatsphäre benötigte Mittel und ersetzt er in der Folge die dem Betrieb entzogenen Eigenmittel durch Fremdmittel, dann hat er eine Vorgangsweise gewählt, die die Berücksichtigung der Fremdkapitalzinsen als Betriebsausgabe zur Folge hat.
Wenn der Beschwerdeführer schließlich noch behauptet, er habe "die Darlehensverträge für seinen privaten Lebensbereich abgeschlossen", so ist ihm die Aktenwidrigkeit dieser Darstellung entgegenzuhalten. Ausgehend von der Bezeichnung, der dem Betrieb zugeführten Mittel als "Einlage aus Privatdarlehen" hat der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren auch weiterhin stets darauf hingewiesen, daß er die Darlehensmittel für die Einlagen und nicht für seinen privaten Lebensbereich verwendet habe. Auch in der Beschwerde wird auf Seite 6 lediglich die MÖGLICHKEIT erwähnt, der Beschwerdeführer hätte seinen privaten Bedarf anstelle durch Entnahmen auch durch private Kredite finanzieren können. Tatsächlich hat er aber diesen Weg nicht gewählt.
Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen, wobei von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden konnte, weil die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 104/1991.