VwGH vom 22.05.2002, 2001/15/0210

VwGH vom 22.05.2002, 2001/15/0210

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):

2001/15/0211

Serie (erledigt im gleichen Sinn):

2001/13/0268 E

2001/14/0200 E

2001/13/0269 E

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Fuchs, Dr. Zorn und Dr. H. Zehetner als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. U. Zehetner, über die Beschwerden der R GmbH i.L. in W, vertreten durch Exinger GmbH, Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft in 1010 Wien, Friedrichstraße 10, gegen die Bescheide der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland (Berufungssenat VII) vom , 1. RV/190-17/14/2001 und 2. RV/669-17/14/98, beide betreffend Gewerbesteuer 1994, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 664 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die beschwerdeführende GmbH ist seit 1996 auf Grund einer Verschmelzung Gesamtrechtsnachfolgerin der L-GmbH. Die L-GmbH ermittelte den Gewinn nach einem vom Kalenderjahr abweichenden Wirtschaftsjahr mit Bilanzstichtag 31. März.

Mit Bescheid vom schrieb das Finanzamt Amstetten der Beschwerdeführerin für eine Betriebsstätte der Rechtsvorgängerin Gewerbesteuer 1994 vor und brachte dabei den Hebesatz von 331% (davon entfallen 31 Prozentpunkte auf Handelskammerumlagen) zur Anwendung.

Mit Bescheid vom schrieb das Finanzamt Horn der Beschwerdeführerin für eine andere Betriebsstätte der Rechtsvorgängerin Gewerbesteuer 1994 vor und brachte dabei ebenfalls den Hebesatz von 331% (davon entfallen 31 Prozentpunkte auf Handelskammerumlagen) zur Anwendung.

In den Berufungen gegen diese Bescheide begehrte die Beschwerdeführerin, die Gewerbesteuer nur mit einem Hebesatz von 300% zu berechnen. Die darüber hinausgehenden Prozentpunkte beträfen die Kammerumlagen nach § 57 Abs. 1 und 2 des Handelskammergesetzes, BGBl. 182/1946 (HKG). Diese Bestimmung sei durch die zehnte HKG-Novelle, BGBl. 958/1993, mit Wirkung ab neu gefasst worden; damit sei eine nicht mehr mit der Gewerbesteuer zusammenhängende Kammerumlage eingeführt worden, ohne dass eine Übergangsbestimmung für Steuerpflichtige mit abweichendem Wirtschaftsjahr vorgesehen worden wären. Es fehle deshalb an einer gesetzlichen Grundlage für die Vorschreibung der Kammerumlagen im Rahmen der Gewerbesteuerveranlagung 1994.

Mit dem erstangefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung gegen den Bescheid des Finanzamtes Amstetten, mit dem zweitangefochtenen Bescheid jene gegen den Bescheid des Finanzamtes Horn als unbegründet ab. Zur Begründung wird in beiden Bescheiden gleich lautend ausgeführt, es sei die Frage strittig, ob der Beschwerdeführerin im Hinblick auf die Gewinnermittlung nach einem abweichenden Wirtschaftsjahr für den Zeitraum bis Kammerumlagen in Form von Zuschlägen zur Gewerbesteuer vorzuschreiben seien. Gemäß § 57 Abs. 1 HKG seien bis zum die Landes- und die Bundeskammerumlage gemeinsam mit der Gewerbesteuer vorzuschreiben gewesen. In Art. VII Z 1 des SteuerreformG 1993, BGBl. 818/1993, werde normiert, dass die Gewerbesteuer für Zeiträume ab nicht mehr erhoben werde; in Z 2 leg. cit werde festgelegt, dass bei einem abweichenden, im Jahr 1994 endenden Wirtschaftsjahr von dem bis zum angefallenen Gewerbeertrag Gewerbesteuer zu erheben sei. Nach Ansicht der belangten Behörde seien die Kammerumlagen Zuschläge zur Gewerbesteuer, bei welchen volle Akzessorietät bestehe. Die Zuschläge zur Gewerbesteuer nach dem HKG berührten die Problematik des vom Kalenderjahr abweichenden Wirtschaftsjahres nicht. Im Hinblick auf die Akzessorietät sei eine gesonderte Übergangsregelung nicht notwendig.

Selbst wenn man der Beschwerdeführerin folgend die Meinung verträte, das Gesetz sehe hinsichtlich des abweichenden Wirtschaftsjahres, das im Jahr 1994 endet, die Kammerumlagen nicht mehr ausdrücklich vor, könnte der Berufung kein Erfolg beschieden sein. In einem solchen Fall wäre von einer planwidrigen Gesetzeslücke auszugehen, die im Wege der Analogie zu schließen wäre, um eine sachlich nicht zu rechtfertigende Minderbelastung solcher Steuerpflichtiger, die den Gewinn nach einem abweichenden Wirtschaftsjahr ermittelten, zu vermeiden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat die gegen diese Bescheide erhobenen Beschwerden wegen ihres persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbunden und über sie erwogen:

Artikel VII des SteuerreformG 1993 lautet:

"Gewerbesteuergesetz 1953

1. Das Gewerbesteuergesetz 1953, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 530/1993, ist vorbehaltlich der Z 2 für Erhebungszeiträume ab nicht mehr anzuwenden.

2. Bei einem vom Kalenderjahr abweichenden, im Kalenderjahr 1994 endenden Wirtschaftsjahr ist auf den bis angefallenen Gewerbeertrag Gewerbesteuer zu erheben. Dabei gilt folgendes:

a) Der Gewerbeertrag des abweichenden Wirtschaftsjahres (§ 6 Abs. 1 GewStG 1953) leitet sich aus den für die Veranlagung des Kalenderjahres 1993 maßgeblichen Bestimmungen des Einkommensteuergesetzes 1988 und des Körperschaftsteuergesetzes 1988 ab. Dieser Gewerbeertrag ist durch die Anzahl der Monate dieses Wirtschaftsjahres zu teilen und mit der Anzahl der ins Kalenderjahr 1993 fallenden Monate zu vervielfachen; angefangene Monate gelten als volle Monate.

b) Sinngemäß ist der Gewerbeertrag des Organträgers bzw. der Organgesellschaft zu ermitteln.

c) Dem Unternehmer steht es frei, den Gewerbeertrag auf den genau zu ermitteln.

d) Der so ermittelte Gewerbeertrag gilt als Gewerbeertrag eines im Kalenderjahr 1994 endenden Rumpfwirtschaftsjahres.

e) Sanierungsgewinne (§ 11 Abs. 3 GewStG 1953) sind bei Anwendung der Aliquotierungsregel ebenfalls aliquot aus dem Gewerbeertrag auszuscheiden"

§ 57 HKG in der Fassung vor der 10. HKG-Novelle, BGBl. 958/1993, normierte in Abs. 1, dass die Handelskammermitglieder als Landeskammerumlage einen Zuschlag zur Gewerbesteuer zu entrichten haben, der von den Finanzbehörden des Bundes gemeinsam mit der Gewerbesteuer vorzuschreiben und einzuheben ist. Der Zuschlag ist in einem Hundersatz des einheitlichen Gewerbesteuermessbetrages festzusetzen.

§ 57 Abs. 2 leg. cit normiert, dass die Kammermitglieder als Bundeskammerumlage ebenfalls einen Zuschlag zur Gewerbesteuer zu entrichten haben, der von den Finanzbehörden des Bundes gemeinsam mit der Gewerbesteuer vorzuschreiben und einzuheben ist. Auch dieser Zuschlag ist ein Hundertsatz des einheitlichen Gewerbesteuermessbetrages.

Gemäß § 57 Abs. 3 leg. cit hat die Landeskammer bei den der Gewerbesteuer nicht unterliegenden Kammermitgliedern die Umlagen nach Abs. 1 und 2 unter sinngemäßer Anwendung der gesetzlichen Vorschriften über die Gewerbesteuer zu errechnen, vorzuschreiben und einzuheben.

Gemäß § 57e Abs. 2 leg. cit sind hinsichtlich der Fälligkeit der Kammerumlage nach § 57 Abs. 1 und 2 leg. cit., ihrer zwangsweisen Einbringung, der Verjährung und der Rechtsmittel bei Vorschreibung und Einhebung durch die Finanzbehörden des Bundes die für die Gewerbesteuer geltenden gesetzlichen Vorschriften maßgebend.

Mit der 10. HKG-Novelle wurde § 57 Abs. 1 bis 4 HKG neu gefasst. Dadurch wurde an Stelle der an den Gewerbesteuermessbetrag anknüpfenden Handelskammerumlagen eine umsatzabhängige Handelskammerumlage eingeführt. Auch § 57e HKG wurde geändert. Art. III der 10. HKG-Novelle lautet:

"Inkrafttreten

Dieses Bundesgesetz tritt mit in Kraft."

Entscheidend ist im gegenständlichen Fall die Regelung des Art. VII Z 2 SteuerreformG 1993, wonach für die vom Kalenderjahr abweichenden, im Kalenderjahr 1993 beginnenden und im Kalenderjahr 1994 endenden Wirtschaftsjahre normiert wird, dass auf den bis zum angefallenen Gewerbeertrag Gewerbesteuer zu erheben ist. Damit wird der Gewerbeertrag des Zeitraumes vom abweichenden Bilanzstichtag bis zum als eigenständige Größe festgelegt. Diese Größe ist - nach der in der Z 2 des Art. VII leg. cit festgelegten Vorgangweise - unter Beachtung der für die Veranlagung des Kalenderjahres 1993 maßgeblichen Bestimmungen des EStG 1988 und des KStG 1988 zu ermitteln. Ein solcher Zeitraum vom abweichenden Bilanzstichtag bis zum nachfolgenden Jahresultimo ist im GewStG nicht verankert gewesen; der Zeitraum ist allerdings vergleichbar dem Rumpfwirtschaftsjahr, welches sich ergibt, wenn der Steuerpflichtige vom abweichenden Wirtschaftsjahr auf ein mit dem Kalenderjahr übereinstimmendes Wirtschaftsjahr (Bilanzstichtag ) übergeht.

Für Zeiträume vor dem ist unbestritten § 57 Abs. 1 und 2 HKG idF vor der 10. HKG-Novelle in Geltung. Für diese Zeiträume sind daher die Zuschläge zur Gewerbesteuer zu erheben. Enthalten materiellrechtliche Steuergesetze keine besondere Anordnung über den Zeitpunkt ihrer Wirksamkeit, ist bei Erlassung von Steuerbescheiden grundsätzlich jene Rechtslage maßgebend, unter deren zeitlicher Geltung der Abgabentatbestand verwirklicht wurde (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 95/14/0038).

Durch Art. VII Z 2 erster Satz SteuerreformG 1993 wird - wie oben erwähnt - der Gewerbeertrag, der bis zum anfällt, als eigenständige Größe festgelegt. Da § 57 Abs. 1 und 2 HKG idF vor der 10. HKG-Novelle für Zeiträume vor dem in Geltung geblieben ist, findet die in dieser Bestimmung enthaltene Regelung betreffend die Zuschläge zur Gewerbesteuer auf den Gewerbeertrag iSd Art. VII Z 2 erster Satz SteuerreformG 1993 - es ist dies ein vor dem angefallener Gewerbeertrag - Anwendung.

Dieses Ergebnis findet seine Bestätigung darin, dass der in Art. VII Z 2 erster Satz SteuerreformG 1993 festgelegte Gewerbeertrag jenem entspricht, der sich für das Rumpfwirtschaftsjahr ergibt, welches entsteht, wenn im Jahr 1993 von einem abweichenden Wirtschaftsjahr auf ein mit dem Kalenderjahr übereinstimmendes Wirtschaftsjahr übergegangen wird. Auch hinsichtlich eines solchen Rumpfwirtschaftsjahres (mit Bilanzstichtag ) findet § 57 Abs. 1 und 2 HKG idF vor der 10. HKG-Novelle unzweifelhaft Anwendung.

Die Bedenken der Beschwerdeführerin gegen die Anwendbarkeit des § 57 Abs. 1 und 2 HKG idF vor der 10. HKG-Novelle gründen sich darauf, dass der Gewerbeertrag eines abweichenden Wirtschaftsjahres zufolge § 10 Abs. 1 GewStG als in jenem Kalenderjahr bezogen gilt, in dem das Wirtschaftsjahr endet. Diesen Bedenken ist entgegenzuhalten, dass die zitierte Bestimmung auf das Wirtschaftsjahr 1993/1994 nicht zur Anwendung kommt. Der auf den Zeitraum ab dem Bilanzstichtag im Jahr 1993 bis zum entfallende Gewerbeertrag gilt vielmehr aufgrund der Spezialbestimmung des Art. VII Z 2 lit. d SteuerreformG 1993 als Gewerbeertrag eines im Kalenderjahr 1994 endenden Rumpfwirtschaftsjahres. Für die Anknüpfung des § 57 Abs. 1 und 2 HKG idF vor der 10. HKG-Novelle ist aber nur entscheidend, dass das Gesetz den bis zum und somit innerhalb des zeitlichen Geltungsbereiches der zitierten Bestimmung des HKG angefallenen Gewerbeertrag als eigenständige Größe festlegt; für diese Anknüpfung ist hingegen nicht entscheidend, ob das Gesetz diesen Gewerbeertrag des Jahres 1993 (Bilanzstichtag ) für Zwecke der Gewerbesteuererhebung dem Jahr 1993 oder dem Jahr 1994 zuweist. Die Wirkung der Fiktion des Art. VII Z 2 lit. d SteuerreformG 1993 beschränkt sich - abgesehen von den durch § 57e HKG ausdrücklich normierten Folgewirkungen - auf die Gewerbesteuer. Der Gesetzgeber wollte, indem er den in Rede stehenden Gewerbeertrag des Jahres 1993 für Zweck der Gewerbesteuererhebung dem Jahr 1994 zugewiesen hat, die Steuerpflichtigen nicht des - sich als Folge eines abweichenden Wirtschaftsjahres einstellenden - Effektes des Hinausschiebens des Zeitpunktes, an welchem die Gewerbesteuer für den 1993 erwirtschafteten Ertrag zu entrichten ist, berauben.

Wie sich aus dem Vorstehenden ergibt, erweist sich die Gesetzesinterpretation der belangten Behörde im Ergebnis als frei von Rechtsirrtum. Die Beschwerdeführerin ist somit durch den angefochtenen Bescheid nicht in subjektiven Rechten verletzt worden. Auf das Beschwerdevorbringen betreffend die von der belangten Behörde alternativ gewählte Bescheidbegründung (Gesetzesanalogie) braucht daher nicht eingegangen zu werden.

Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet und war somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen. Von der Durchführung einer Verhandlung konnte aus den Gründen des § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II 501/2001.

Wien, am