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VwGH vom 17.04.1998, 98/04/0005

VwGH vom 17.04.1998, 98/04/0005

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Mizner, Dr. Stöberl und Dr. Blaschek als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Urban, über die Beschwerde des J und der HW in H, beide vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt, gegen den Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom , Zl. VwSen-420122/24/Wei/Bk, betreffend Zurückweisung einer Beschwerde wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Nach dem Vorbringen in der Beschwerde im Zusammenhang mit dem Inhalt des angefochtenen Bescheides wies der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich mit dem Bescheid vom die Beschwerde der Beschwerdeführer wegen behaupteter Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt betreffend "die faktische Amtshandlung der willkürlichen Schließung und Versiegelung unseres Grundstückes" am durch der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land zuzurechnende Organe mangels eines tauglichen Beschwerdegegenstandes als unzulässig zurück und verpflichtete die Beschwerdeführer, dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.365,-- zu gleichen Teilen binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. In sachverhaltsmäßiger Hinsicht ging der unabhängige Verwaltungssenat davon aus, die Beschwerdeführer seien Miteigentümer einer näher bezeichneten Liegenschaft in T, die zur Gänze als Betriebsareal verwendet werde. Die Zweitbeschwerdeführerin sei Inhaberin der Gewerbeberechtigungen für das "Vermieten von Zelten" und die "Vermietung von Toilettenwagen"; die Gewerbe "Marktfahrer" und "Handel mit pyrotechnischen Artikeln" seien 1994 ruhend gemeldet worden. Nach vorangegangener fruchtloser Verfahrensanordnung vom habe die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land zur Herstellung des der Rechtsordnung entsprechenden Zustandes mit Bescheid vom die Schließung dieser Betriebsanlage verfügt. Auf der gesamten Liegenschaft werde eine mit der Gewerbeausübung der Zweitbeschwerdeführerin zusammenhängende Anlage betrieben, die im Hinblick auf die beeinträchtigten Schutzinteressen des § 74 Abs. 2 GewO 1994 genehmigungspflichtig sei und ohne entsprechende Betriebsanlagengenehmigung betrieben worden sei. Dieser Bescheid sei der Zweitbeschwerdeführerin noch am zugestellt worden. Die Schließung sei erstmals am durch Anbringen behördlicher Siegel am Schloß des Einfahrtstores und an den Zelteingängen durchgeführt worden. Gegen diese Schließung sowie gegen den Bescheid vom samt vorangegangener Verfahrensanordnung habe die Zweitbeschwerdeführerin "Berufung mit Aufsichtsbeschwerde" erhoben. Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom sei die Berufung gegen die Verfahrensanordnung sowie der gemäß § 358 GewO 1994 gestellte Feststellungsantrag zurückgewiesen worden. Die Berufung gegen den Schließungsbescheid sei abgewiesen worden. Gegen letzteres habe die Zweitbeschwerdeführerin Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erhoben, die mit hg. Erkenntnis vom , Zl. 96/04/0216, als unbegründet abgewiesen worden sei. Am habe ein Organ der erstinstanzlichen Behörde auf Antrag der Beschwerdeführer, um ihnen bestimmte notwendige Manipulationen zu ermöglichen, das in Form einer Plombe am Einfahrtstor angebrachte Siegel für die Zeit von 8,00 bis 17,00 Uhr entfernt. Im Rahmen eines Ortsaugenscheines seien in der Folge Betriebsgeräusche festgestellt worden, weshalb am ein Vertreter der erstinstanzlichen Behörde in Abwesenheit von Personen auf dem Betriebsareal das Einfahrtstor neuerlich durch Anbringen einer Plombe versiegelt habe. Davon sei die Beschwerdeführerin telefonisch in Kenntnis gesetzt worden. In rechtlicher Hinsicht führte der unabhängige Verwaltungssenat aus, bei der von den Beschwerdeführern als faktische Amtshandlung bekämpften Versiegelung des Einfahrtstores sei schon im Hinblick auf die Abwesenheit der Beschwerdeführer während dieser Maßnahme der Begriff der unmittelbaren verwaltungsbehördlichen Befehls- und Zwangsgewalt nicht erfüllt. Bei dieser Amtshandlung sei weder Zwangsgewalt angewandt worden noch impliziere die angeordnete Versiegelung einen unverzüglichen Befolgungsanspruch bei sonstiger unmittelbarer Anwendung von physischem Zwang. Auch wenn ein Informationsblatt über die strafrechtlichen Folgen eines Siegelbruches angebracht gewesen sei, vermöge dieser Umstand an dieser Einschätzung nichts zu ändern, da auch die für den Fall des Zuwiderhandelns drohende Strafbarkeit nichts an der fehlenden physischen Zwangsgewalt ändere. Die Frage der Rechtmäßigkeit der Versiegelung könne als Vorfrage im Strafverfahren ausgetragen werden. Im übrigen sei die Maßnahmenbeschwerde nur ein subsidiärer Rechtsbehelf, der nicht in Betracht komme, wenn die Angelegenheit im Verwaltungsverfahren ausgetragen werden könne. Die Frage der Rechtmäßigkeit der Schließung der gegenständlichen Betriebsanlage sei im gewerberechtlichen Verwaltungsverfahren gemäß § 360 GewO 1994 auszutragen. Sofern der Erstbeschwerdeführer seine Betroffenheit als Miteigentümer des Betriebsareals und "Privatmann" einwende, sei ihm entgegenzuhalten, daß nach der Aktenlage die gesamte Liegenschaft der Gewerbeausübung gedient habe, weshalb von der Behörde ein privater Gebrauch nicht in Betracht zu ziehen gewesen sei. Sollte sich der Erstbeschwerdeführer als übergangene Partei fühlen, so stünde es ihm frei, die Zustellung des Schließungsbescheides zu begehren und dagegen Berufung zu erheben oder aber bereits ab seiner Kenntnis des Bescheides im eigenen Namen Berufung einzubringen. Für die von den Beschwerdeführern angestrebte Aufhebung des Schließungsbescheides sei weiters im § 360 Abs. 5 GewO 1994 ein gewerberechtliches Verwaltungsverfahren vorgesehen. Bei der Versiegelung handle es sich somit lediglich um die tatsächliche Umsetzung des rechtswirksam erlassenen Schließungsbescheides. Diese Maßnahme könne daher nicht als eine vom gewerbebehördlichen Schließungsverfahren losgelöste eigenständige Maßnahme angesehen werden, die Gegenstand einer Maßnahmenbeschwerde sein könne. Mit Rücksicht auf die Zurückweisung der Beschwerde sei die vor dem unabhängigen Verwaltungssenat belangte Behörde gemäß § 79 a Abs. 3 AVG als obsiegende Partei anzusehen, weshalb die Beschwerdeführer gemäß dem Abs. 7 dieser Gesetzesstelle in Verbindung mit § 53 Abs. 1 VwGG zu gleichen Teilen zum Aufwandersatz, bestehend aus Vorlage- und Schriftsatzaufwand, zu verpflichten gewesen seien.

Gegen diesen Bescheid erhoben die Beschwerdeführer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluß vom , Zl. B 386/97-4, ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachten sich die Beschwerdeführer in dem Recht auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der in Rede stehenden Maßnahme verletzt. In Ausführung des so zu verstehenden Beschwerdepunktes machen sie im wesentlichen geltend, die Rechtsansicht der belangten Behörde, es liege keine Ausübung unmittelbarer Zwangsgewalt vor, sei verfehlt. Von einem contrarius actus könne keine Rede sein. Ein anderes Rechtsmittel sei nicht zur Verfügung gestanden und auf die beantragten Vorkehrungen wegen Brand- und Einsturzgefahr infolge amtsbekannter starker Schneefälle habe die Behörde nicht einmal reagiert. Der von der belangten Behörde angeführte "physische Zwang" stelle kein Tatbestandserfordernis dar, liege jedoch insofern vor, als die Beschwerdeführer gezwungen worden seien, auf unzumutbare Weise ein Hindernis, nämlich den Zaun, zu übersteigen, um zu ihrem Eigentum zu gelangen. Für den Erstbeschwerdeführer als Privatmann sei dies umso rechtswidriger, als er auf seinem Eigentum keinerlei Gewerbe ausübe. Es liege damit nicht nur unmittelbarer physischer Zwang vor, sondern ein Verbot mit unverzüglichem Befolgungsanspruch. Die bekämpfte Schließung und Neuversiegelung sei ohne Prüfung des Sachvorbringens der Beschwerdeführer weder sachlich noch formell gerechtfertigt. Die Kostenentscheidung der belangten Behörde sei im Gesetz nicht gedeckt. Den Beschwerdeführern sei einerseits die Stellungnahme der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land mit dem Begehren auf Kostenersatz nicht zugekommen und andererseits wäre die Beschwerde ohne Beteiligung der erstinstanzlichen Behörde und damit ohne Kostenzuspruch a limine zurückzuweisen gewesen.

Gemäß § 67 a Abs. 1 Z. 2 AVG entscheiden die unabhängigen Verwaltungssenate über Beschwerden von Personen, die behaupten, durch die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in ihren Rechten verletzt zu sein, ausgenommen in Finanzstrafsachen des Bundes.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung ausgesprochen hat, dient der Rechtsbehelf der Beschwerde gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt lediglich dem Zweck, eine Lücke im Rechtsschutzsystem zu schließen, nicht aber sollten mit dieser Beschwerde Zweigleisigkeiten für die Verfolgung ein und desselben Rechtes geschaffen werden. Es kann daher, was in einem Verwaltungsverfahren ausgetragen werden kann, nicht Gegenstand einer derartigen Maßnahmebeschwerde sein (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 96/04/0231). Auch können Vollstreckungsmaßnahmen tatsächlicher Art, die bloß als Maßnahmen zur Vollstreckung eines vorangegangenen Bescheides nach § 360 GewO 1994 anzusehen sind, nicht als Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt qualifiziert werden.

Wie sich aus dem von der belangten Behörde festgestellten und von den Beschwerdeführern auch nicht bestrittenen Sachverhalt ergibt, diente die dem Gegenstand der vorliegenden Beschwerde bildende Maßnahme der Anbringung einer Plombe am Schloß des Einfahrtstores zur Liegenschaft der Beschwerdeführer der Vollstreckung des vorangegangenen rechtswirksamen Schließungsbescheides vom . Der Verwaltungsgerichtshof vermag daher in der Rechtsansicht der belangten Behörde, bei der in Rede stehenden Maßnahme handle es sich nicht um die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt im Sinne des § 67 a Abs. 1 Z. 2 AVG, eine Rechtswidrigkeit nicht zu erblicken.

Gemäß § 79 a Abs. 1 AVG hat die im Verfahren nach § 67 c, also über Beschwerden nach § 67 a Abs. 1 Z. 2, obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Nach dem Abs. 3 dieser Gesetzesstelle ist die belangte Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei, wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch den unabhängigen Verwaltungssenat zurückgezogen wird. Eine Einschränkung, wonach der belangten Behörde ein Kostenersatzanspruch nur dann zustehe, wenn die Beschwerde nicht auch hätte a limine zurückgewiesen werden können, ist dem Gesetz nicht zu entnehmen. Der Verwaltungsgerichtshof vermag daher auch im Kostenzuspruch an die vor dem unabhängigen Verwaltungssenat belangte Behörde eine rechtswidrige Gesetzesanwendung nicht zu erkennen.

Da somit schon der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.